Warum du mit deinen Kindern häufiger über Geld sprechen solltest

Taschengeld und Co.
Warum du mit deinen Kindern häufiger über Geld reden solltest

Über Geld spricht man nicht, sagt der Volksmund. Eine Expertin widerspricht dem jetzt. Im Interview gibt sie Finanz-Tipps für Kids, die für alle Eltern unbezahlbar sind
Vater und Sohn stecken Geld in ein Sparschwein
© Shutterstock.com / fizkes

Moos, Mäuse, Moneten: Es gibt so viele Begriffe für Geld. Um so erstaunlicher ist es, dass in den meisten Familie eigentlich wenig über das Thema Finanzen mit den Kindern gesprochen wird. Und daran schließt sich diese Frage: Wenn wir unseren Kindern das Wissen über Geld nicht vermitteln, wer macht es dann? Aus diesem Grund haben die beiden Autorinnen Claudia Müller und Isabel Sorg das Buch "Über Geld spricht man doch!" geschrieben, in dem sie erklären, wie Kinder spielerisch einen guten Umgang mit Geld lernen. Im Interview mit Men's Health Dad spricht die Ökonomin Claudia Müller, die 2017 das Female Finance Forumüber gegründet hat, über Taschengeld, Sparschweine und finanzielle Bildung auf den Lehrplänen.

Wenn es um Geld geht, geht es immer auch um Glaubenssätze. Welche Mythen über Geld sind weitverbreitet und sollten nicht an Kinder weitergegeben werden?

"Es gibt die Klassiker wie 'Über Geld spricht man nicht' oder auch 'Geld verdirbt den Charakter'. Diese Geld-Glaubenssätze sind sehr offensichtlich und daher sind sie auch leichter aufzulösen, einfach, weil sie nicht stimmen. Aber wenn Eltern mithilfe von Geld Druck ausüben, sitzt das bei Kindern tief. Das sehen wir in familiären Kontexten häufig. Zum Beispiel, wenn ein Kind nur Geld bekommt, wenn auf dem Zeugnis gute Noten stehen. Damit vermitteln wir den Kindern, dass sie nur mit Noten etwas wert wären. Das wollen wir natürlich nicht. Und im Großen gibt es diesen Druck, etwa wenn Eltern sagen: Wir zahlen dir nur die Ausbildung, wenn du studierst, was wir wollen. Das hilft alles nicht."

Es gibt viele Vorurteile gegenüber reichen Menschen. Warum ist das ein Problem im Zusammenhang mit der Erziehung?

"Weil Kinder dann nicht reich werden wollen. Weil sie dann denken, dass sie lieber arm und nett sein wollen als reich und ein Arschloch. Ich sage: Eltern können so viel Gutes mit Geld bewirken. Sie können mit ihren Kindern auf Reisen gehen. Ich kann eine Firma gründen und Mitarbeiter:innen beschäftigen und fantastische Arbeitsplätze schaffen. Ich kann an Projekte spenden, die mir wichtig sind."

Claudia Müller
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Buchautorin Claudia Müller („Über Geld spricht man doch!“)

Geld spielt eine große Rolle in unserem Alltag mit Kindern. Ein Beispiel: Es ist Sommer und jeden Tag will das Kind ein Eis. Als Elternteil will ich das nicht kaufen, weil es ungesund und teuer ist. Wie kann ich das meinem Kind erklären?

"Es kommt natürlich darauf an, wie alt das Kind ist. Wenn das Kind schon Taschengeld bekommt, könnte man fragen: Wie lange müsstest du denn dein Taschengeld sparen, um das Eis zu kaufen? So können Kinder lernen, das ins Verhältnis zu setzen und zu verstehen, was wie viel Wert ist. Es ist gut, wenn Eltern nicht sagen: Das können wir uns nicht leisten. Aber sie können ja sagen: Wir haben noch leckeres Eis zu Hause, das essen wir erst einmal. Sie können auch sagen: Es gibt einen Tag in der Woche, an dem kaufen wir das Eis in der Eisdiele. Das ist dann etwas Besonderes."

Apropos Taschengeld: Was gibt es da für Eltern zu bedenken?

"Das Deutsche Jugendinstitut gibt dazu Empfehlungen raus. Ab dem Schuleintritt ist Taschengeld sinnvoll, weil dann das Kind den Gegenwert des Geldes und die Zeiträume versteht. Es wird empfohlen, das Geld wöchentlich auszuzahlen, solange die Kinder noch in der Grundschule sind. Danach kann man auf ein monatliches Auszahlen umsteigen. Die Höhe des Taschengeldes ist schwierig, das Jugendinstitut müsste seine Zahlen mal wieder aktualisieren. 6-Jährigen wird ein Taschengeld von 1,50 Euro die Woche empfohlen. Davon kann es sich nicht einmal eine Kugel Eis kaufen. Was ich am wichtigsten finde, ist, dass Taschengeld bedingungslos ist. Es gibt keine Vorgaben, wofür das Kind das ausgeben soll und es wird auch nicht gekürzt."

Sie kritisieren in Ihrem Buch, dass es in Deutschland keine offizielle und seriöse finanzielle Bildung für Kinder gibt. In anderen Ländern ist das anders. Warum liegt Deutschland hier so weit zurück?

"Wir reden in Deutschland viel zu wenig über Geld. Geld gilt als absolut private Angelegenheit. In den USA wird beispielsweise viel mehr über Geld geredet und auch viel positiver. Wenn dort eine Person ein hohes Gehalt erreicht, sagt man: 'Hey cool, wie hast du das geschafft?' In Deutschland sagt man sich: So viel Geld braucht man doch gar nicht. Und weil wir das Geld als Privatsache ansehen, wurde lange Zeit gesagt, dass das auch nicht in die Schulen gehört."

Warum ist es ein Problem, dass hierzulande so wenig über Geld gesprochen wird?

"Wenn finanzielle Bildung in die Elternhäuser gehört und nicht in die Schulen, bedeutet das, dass die Familien, die schon viel Geld haben, nicht nur Geld, sondern das Wissen darum weitergeben. Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer. Genau das ist Mist."

Warum braucht es finanzielle Bildung für Kinder und was verstehen Sie darunter?

"Das fängt damit an, dass Kinder sich ausrechnen können, was sie sich von ihrem Taschengeld leisten können. Sie können sich fragen: Wie spare ich auf den Führerschein? Wenn das Kind noch drei Jahre hat bis zum Führerschein und merkt, dass es monatlich eine hohe Summe sparen müsste, die es gar nicht hat, kann es sich überlegen: Vielleicht suche ich mir für den Sommer einen Job oder frage mal Oma, was das für ein Konto ist, das sie für mich angelegt hat. Wenn man bei den 15- bis 18-Jährigen den Zinseszinsrechner anschmeißt, wird es spannend. Da sehen die Jugendlichen, dass sie über die Jahrzehnte tatsächlich eine Million ansparen können."

Was gehört für Sie noch zur finanziellen Bildung?

"Auf jeden Fall der Berufswunsch. Wenn ich den Kindern den Brutto-Netto-Rechner zeige und sie recherchieren, was sie in welchem Beruf verdienen werden, ist das sehr wichtig für ihr Leben. Ein Beispiel: Ein Mädchen wünschst sich ein Haus im Grünen mit Pony im Garten und will Rettungsschwimmerin werden. Bei der Recherche erkennt sie: Okay, das Haus mit Pony im Garten kann ich mir vielleicht als Ärztin leisten, als Rettungsschwimmerin nicht. Jetzt kann das Mädchen überlegen, ob sie vier Tage die Woche Ärztin ist und Rettungsschwimmerin in ihrer Freizeit oder ob ihr der Job so wichtig ist, dass sie auf das Haus mit Pony verzichtet. Das sind wichtige Erkenntnisse."

Sie kritisieren, dass das deutsche Provisionsgeschäft der finanziellen Bildung in die Quere kommt, weil es für die vielen Finanzberater:innen gut ist, wenn die Menschen wenig über Geld wissen. Vielen ist dieses System gar nicht bewusst. Können Sie das Problem kurz erklären?

"Vom Prinzip her ist es so, dass die oder der Bankberater:in kein:e Bankberater:in ist, sondern ein:e Bankverkäufer:in. Sie verdient ihr Geld genauso wie die Autoverkäufer:in, nämlich mit dem Verkauf. Der Unterschied ist aber, dass wenn Sie ins Autohaus gehen, wissen Sie, dass Ihnen ein Auto verkauft wird. Da erwarten Sie nicht, dass man Sie berät, ob ein Fahrrad oder die öffentlichen Verkehrsmittel besser für Sie wären. Sie wissen auch, dass Ihnen ein Auto dieser Marke verkauft wird und keine Alternative. Sie haben sich vorher informiert, über die Marke, das Modell, haben mit Freund:innen gesprochen und Zeitschriften gelesen und Sie gehen im besten Fall zu mehreren Autohäusern. Bei der Bank gehen viele Menschen davon aus, dass man sie dort neutral berät. Das ist nicht der Fall. Die oder der Bankberater:in wird Ihnen das hauseigene Produkt verkaufen, für das es eine Provision gibt – und nicht einen ETF-Sparplan empfehlen, der im Zweifelsfall wesentlich sinnvoller und kostengünstiger für Sie wäre."

Beim Geld herrschen oft alte Rollenbilder vor: der Mann als Hauptverdiener, die Frau als Nebenverdienerin. Sie verantwortet den Haushalt, er kümmert sich um große Ausgaben. Warum ist das schwierig, gerade für Kinder?

"Wir sehen, dass Väter mit Söhnen mehr über Geld reden als mit Töchtern und Mütter oft gar nicht über Geld reden. Das muss sich ändern, wenn wir wollen, dass die nächste Generation gleichberechtigt aufwächst. Geld bedeutet Macht in dem Sinne, dass ich, wenn ich finanziell unabhängig bin, ganz andere Entscheidungen treffen kann. 34 Prozent aller Paare bleiben zusammen, weil einer von beiden – meist die Partnerin – es sich nicht leisten kann, sich zu trennen. Der beste Weg zu eigenem Geld ist die eigene Arbeit, also bezahlte Erwerbsarbeit. Das sollten wir vor allem unseren Töchtern mitgeben."

Was empfehlen Sie Vätern?

"Die Vorbildrolle von Männern ist sehr wichtig, zum Beispiel, dass auch der Papa immer wieder von der Kita abholt, dass Väter auch Elternzeit nehmen. In Deutschland liegt das Einkommen von Frauen vier Jahre nach der Geburt bei 60 Prozent im Vergleich zum Gehalt vor der Geburt. Für jeden Monat, den der Vater mehr Elternzeit nimmt, steigt das Gehalt der Frau um 7 Prozent. Auch deshalb ist es sinnvoll, wenn Väter mehr Elternzeit nehmen: Es steigert das Familieneinkommen mittel- und langfristig."

Fazit: Gespräche mit dem Nachwuchs über Finanzthemen zahlen sich aus

"Redet über Geld und habt keine Angst vor dem Thema", rät Expertin Claudia Müller. "Es ist völlig okay, wenn ihr nicht alles wisst. Macht euch mit euren Kindern zusammen auf die Reise. Das Wichtigste ist, dass die Kinder merken, dass es Spaß machen kann, sich um Geld zu kümmern."