Als der European Kings Club zusammenbrach

Im Herbst 1994 zeichnet sich das Ende des European Kings Club ab. Die Opfer machen dafür nicht die Betrüger verantwortlich, sondern greifen die Justizbeamten an.

Erich Aschwanden
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Damara Bertges (rechts) im Jahr 1996 im Gerichtssaal des Frankfurter Landgerichts. (Bild: Arne Dedert / dpa / Keystone)

Damara Bertges (rechts) im Jahr 1996 im Gerichtssaal des Frankfurter Landgerichts. (Bild: Arne Dedert / dpa / Keystone)

Es ist ein weiterer, herber Schlag gegen den European Kings Club (EKC), als das Verhöramt des Kantons Schwyz am 22. September 1994 das Schulungszentrum des obskuren Vereins in Brunnen durchsucht und versiegeln lässt. Die Dokumente, die die Behörden am Treffpunkt der Schweizer EKC-Führungsspitze beschlagnahmen, lassen keinen Zweifel offen: Vor allem in der beschaulichen Zentralschweiz, aber auch in anderen Kantonen hat ein riesiges, grenzüberschreitendes Schneeballsystem in den letzten Jahren besonders viele leichtgläubige Opfer gefordert.

Sektenähnliche Strukturen

Hinter dem European Kings Club steht die Deutsche Damara Bertges. Seit 1991 ziehen die Hausfrau aus dem Fränkischen und ihr Partner Hans Günther Spachtholz, ein ehemaliger Arzt, durch die Mehrzweckhallen und Wirtshaussäle in der Schweiz, Deutschland und Österreich. Wie einer amerikanischen Sektenpredigerin huldigen ihr ihre Anhänger, weil dank ihr der kleine Bürger angeblich dem weltweiten Finanzsystem ein Schnippchen schlagen kann. Wer ein «König» werden will, muss nur sogenannte Letters des EKC zeichnen. Jeder Anteilschein kostet 1400 Franken – plus 200 Franken Bearbeitungsgebühr – und soll eine sagenhafte Rendite von 70 Prozent pro Jahr abwerfen.

Es braucht keine grossen wirtschaftlichen Kenntnisse, um zu durchschauen, dass es sich dabei um ein Schneeballsystem handelt. Die Behörden gehen davon aus, dass diese Pyramide innerhalb von zwei bis drei Jahren zusammenbrechen wird – dann nämlich, wenn nicht mehr genug vertrauensselige Investoren angeworben werden können. In weiten Teilen der Schweiz staunt man darüber, dass die zwielichtige Organisation vor allem in konservativ geprägten Teilen des Landes eine derart grosse Anhängerschaft gewinnen konnte. In den Kantonen Uri und Glarus soll jeder zehnte Einwohner zum Teil massive Summen in Letters investiert haben.

Ein Brennpunkt ist das Urner Schächental, das zum Ärger der Bewohner bald spöttisch «Letter Valley» genannt wird. Doch auch in den anderen Zentralschweizer Kantonen, im Berner Oberland sowie im Aargau haben «Bezirksdirektoren» des EKC rund 20'000 Anhänger gewinnen können. Mit einer geschickten Mischung aus schon damals vorhandener Skepsis gegen die etablierten Banken und dem Appell an die schweizerische Freiheitsliebe formten sie den European Kings Club zu einem sektenähnlichen Gebilde. Vor allem gestandene Handwerker, aber auch knorrige Bauern, die ihr Geld lieber unter einer Matratze verstecken, als es der Bank anzuvertrauen, haben sich durch die Versprechungen verführen lassen.

Morddrohungen gegen Beamte

Diese einfachen Leute sehen nun ihre Träume in Gefahr. Verantwortlich für das Ausbleiben der Zahlungen sind in ihren Augen allerdings nicht die windigen EKC-Promotoren, sondern die Behörden, die mit ihren willkürlichen Aktionen den scheinbar nie versiegenden Geldfluss stoppen. Regelmässig finden deshalb vor den Gefängnissen Demonstrationen statt, in denen Mitglieder der EKC-Spitze in Untersuchungshaft sitzen. Mitglieder der Untersuchungsbehörden in den Kantonen und ihre Familienmitglieder erhalten Morddrohungen, so dass sie unter Polizeischutz gestellt werden müssen. Besonders heftigen Angriffen sieht sich der Schwyzer Untersuchungsrichter Josef Dettling ausgesetzt. Die Spitze des Klubs erklärt ihn im November 1994 zum Feind Nummer eins und bläst zur Hatz auf den unbescholtenen Mann.

Mitte März 1995 legt Dettling sein Amt nieder, nachdem auch noch ein offenbar dem EKC angehöriger Politiker Zweifel an seiner Integrität geäussert hat. Doch dieser Rückschlag für die Untersuchungsbehörden kann den Sturz der «Könige» nicht mehr hinauszögern. Damara Bertges wird im November 1994 verhaftet und in Basel ins Gefängnis gesteckt. Die EKC-Gründerin ist wegen Betrugs und illegaler Banktätigkeit angeklagt. Während andere Führungsmitglieder mit vergleichsweise geringen Strafen davonkommen, wird sie 1997 in Frankfurt wegen Betrugs und Gründung einer kriminellen Vereinigung zu 8 Jahren Gefängnis verurteilt. Einige ehemalige EKC-Mitglieder wollen auch jetzt noch nicht wahrhaben, dass sie Opfer eines gigantischen Betrugs wurden. Anderen ist es peinlich, dass sie sich aus Habgier diesem zur Ideologie gewordenen Schneeballsystem unterwarfen. Auch 20 Jahre nach dem bitteren Ende erwähnt man deshalb in gewissen Gegenden den European Kings Club besser nicht.