8 geniale Kletter- und Boulder-Roadtrips

Must Do: Kletterroadtrip
8 geniale Kletter-Roadtrips

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Roadtrips verbinden das Beste auf der Welt: Klettern (oder Bouldern) mit Reisen und Freiheit. 8 Ideen für Trips mit Seil oder Crashpad.

Roadtrip Aufmacher
Foto: Steffen Kern

Klettern heißt frei sein, wusste schon Wolfgang Güllich. Ein Roadtrip ist die perfekte Verbindung von Kletter- und Reiseleidenschaft: ob vor der Haustür oder in fernen Ländern, mit Fahrrad oder Wohnmobil, mit Crashpad oder Seil. Hier kommt die Roadtrip-Inspo!

8 geniale Roadtrip-Ideen für Kletter- und Bouldertrips:

1. Skandinavien: Granitklettern in allen Variationen

Klettertrip Skandinavien
Mike Hutton

Hoch im Norden auf den Lofoten wartet Granitkletterei vom Feinsten. Roger Brown klettert Living in Paradise (N5).

"Richtung Norden und dann immer geradeaus", so ungefähr zumindest kommt man auf die Lofoten, die Inselgruppe nördlich des Polarkreises, und findet dort eine traumhafte Landschaft und noch besseren Granit vom Boulderblock bis zum Bigwall. Weniger weit weg, aber mindestens genauso ergiebig, sind die Gebiete im "Süden vom Norden" wie etwa das Setesdal (Foto unten) mit seinen großen Wänden, die Sportkletterrouten in Rogaland oder die Risslinien von Bohuslän.

Unsere Highlights
Klettertrip Skandinavien
Peter Brunnert

Klettern in Setesdal

Wann: Sommermonate, Juni bis Oktober. Gebiete: Norwegen: Lofoten, Setesdal, Rogaland Schweden: Bohuslän, Kjugekull.

2. Schweizer Alpenpässe: Bouldern jenseits der 2000 Meter-Marke

Bouldertrip Alpen
Steffen Kern

Prisca Kern bouldert die Göschener Traverse (7B+) am Fuße des Gotthardpasses.

Vom Berner Oberland über Uri und das Tessin bis Graubünden reiht sich ein Boulder-Topspot an den nächsten – perfekt für einen Sommer-Roadtrip oberhalb der 2000-Metermarke, bei dem sich Kilometerleistung und CO2-Ausstoß in vertretbaren Grenzen halten. Geboten ist zumeist Granit, nur am Sustenpass wird an Gneis gebouldert. Ebenso im Magic Wood, das zwar auf keinem Pass liegt, aber vor allem in den Übergangszeiten fast ein Pflichtstopp auf Hin- oder Rückweg ist.

Bouldertrip Piemont
Steffen Kern

Abendstimmung am Colle Esischie im Piemont

Wann: Sommer und Herbst, in der Regel ideal von Juli bis Oktober. Gebiete: Grimsel-, Susten-, Furka-, Gotthardpass, San Bernardino.

3. Neuseeland: Traumland für bouldernde Naturliebhaber

Bouldern in Neuseeland
Steffen Kern

Märchenhafte Boulderlandschaften findet man sowohl auf der Nord- als auch auf der Südinsel, zum Beispiel in Elephant Rocks.

Bei Bouldern und Neuseeland denkt man an Castle Hill. Doch die drei Inseln am anderen Ende der Welt haben noch weitere Boulderperlen in petto. Zwar warten dort nicht tausende Probleme wie im Topspot der Südinsel, aber doch genügend, um bei einem Roadtrip Station zu machen. Und dazwischen gibt es so viel Naturschönheit zu bestaunen, dass man sicher öfters mit Verzug am nächsten Boulderziel eintrifft. Wichtig: Flock Hill, das beste Gebiet in Castle Hill, ist von Oktober bis Weihnachten gesperrt.

Wann: Spätherbst bis Frühjahr. Gebiete: Waitomo, Wellington, Castle Hill, Elephant Rocks (Foto oben), Wanaka, Colac Bay.

4. USA Südwesten: Sieben Boulderklassiker auf einen Streich

Bouldern in den Buttermilks
Steffen Kern

Reges Treiben am Buttermilks-Klassiker Ironman (V4) in Bishop.

Der Klassiker unter den Boulder-Roadtrips. Für USA-Verhältnisse liegen die Topadressen Yosemite, Bishop und Joshua Tree geradezu eng beisammen. Die Red Rocks in Nevada bilden mit den Sandsteingebieten Utahs ein weiteres Riesenpaket. Wer genügend Zeit hat, kann sich noch gen Texas und Hueco Tanks aufmachen, der Wiege des amerikanischen Boulderns. Wer noch mehr Zeit hat, auf den warten in Arizona einige Zwischenstopps – und dazwischen schier endlose Highways. Anschnallen und los geht‘s!

Roadtrip Aufmacher
Steffen Kern

Endlose Weiten: Andere Kontinente, andere Optik.

Wann: Oktober bis März. Gebiete: Yosemite, Bishop, Red Rocks, Joe‘s Valley, Moe‘s Valley, Joshua Tree, Hueco Tanks.

5. Nordspanien: Bouldern am Meer vom Baskenland bis Galizien

Bouldertrip Nordspanien
Steffen Kern

Bouldern in Meeresnähe lässt sich vom Baskenland bis Galizien. Prisca Kern in 1994 (6B+) am Cabo Negro, Asturien.

Im Sommer nach Spanien zum Bouldern? Durchaus! Entlang der iberischen Nord- und Nordwestküste ist es auch dann erstaunlich kühl und windig, dazu findet man vom Baskenland bis Galizien eine vielfältige Auswahl von Boulderzielen an Sandstein, Granit, Kalk und vulkanischem Fels. Viele Gebiete liegen mehr oder weniger direkt am Meer, andere wie Santa Gadea hinter der ersten Bergkette im Hinterland – perfekt für kleine Fluchten, wenn es an der Küste regnet.

Wann: Frühjahr bis Herbst. Im Hochsommer eher für Genießer geeignet. Gebiete: Jaizkibel, Santa Gadea, Las Tuerces, Corme, Mens, Pena Corneira.

6. USA Osten: Trad- und Sportklettern vom Feinsten

Klettern New River Gorge USA
Frank Kretschmann

Der Sandstein der New River Gorge ist superfest und bietet Sportkletterei sowie Tradrouten und sogar Boulder von feinster Qualität.

Es muss nicht immer der Wilde Westen oder das Tal der Täler sein, auch der Osten der USA bietet Fels in Hülle und Fülle für ausgedehnte Kletterreisen und ein völlig anderes Ambiente als der Westen. Die Palette reicht von den Shawangunks mit seinen Trad-Klassikern bis zu den Sportkletterzielen der New River und der Red River Gorge mit Tausenden von Routen in allen Graden. Tipp: Unbedingt im Herbst zum Indian Summer besuchen.

Klettern Red River Gorge
Martin Schepers

Der Sandstein der Red River Gorge leuchtet nicht nur im Indian Summer in allen Farben. Marcel Düring kreuzt durch Check your Grip (5.12a).

Beste Zeit: Frühjahr und Herbst. Gebiete: Rumney (New Hampshire), Shawangunks (New York State), New River Gorge (West Virginia), Red River Gorge (Kentucky).

7. Südosteuropa: Ein Trip durch die Schluchten des Balkan

Klettern in Belogradtschik
Georg Pollinger

Die Türme von Belogradtschik

Wer sich in jedem Land auch nur ein Gebiet aussucht, kann schon richtig lange unterwegs sein und sogar im Süden überwintern. Angefangen bei den großen Wänden im Paklenica-Nationalpark über die noch jungen Sportklettergebiete um Sarajevo oder in der Krajina bis zu den Konglomerattürmen von Belogradtschik (Foto oben) oder den Boulderblöcken von Prilep gibt es nicht nur eine Vielfalt an Felsen, sondern auch die unterschiedlichsten Kulturen zu erkunden.

Wann: Herbst bis Frühjahr. Länder: Kroatien, Bosnien und Herzegowina, Albanien, Mazedonien, Rumänien, Bulgarien.

8. Deutschland: Felsen-Rundreise durch die Republik

Klettern in Löbejün
Ralph Stöhr

Kantiger Porphyr wartet in der genialen Kante von Kraftwerk Mensch (8-) in Löbejün.

Unsere große Kennenlern-Runde durch die im Süden weniger bekannten Klettergebiete führt ins Labertal zu fränkischem Fels, dann in den Gneis des Bayerischen Walds. Fichtel- (Foto unten) und Erzgebirge locken mit Granit, Thüringer Wald und Löbejün mit Porphyr. Mit Harz und Ith sind die nördlichen Gebiete abgedeckt. Eine felsarme Trockenstrecke führt in die Vulkaneifel, ehe wir über Odenwald und Nordschwarzwald wieder südliche Gefilde erreichen. Cams und Keile einpacken!

Klettern Fichtelgebirge
Ralph Stöhr

Feiner Granit: Die Drei Brüder im Fichtelgebirge.

Wann: Frühling bis Herbst, April bis Oktober. Gebiete: Labertal, Kaitersberg, Drei Brüder, Lauchagrund, Aktienbruch, Okertal, Lüerdisser Klippen, Ettringer Lay, Schriesheim, Battert.

Must do: Warum Roadtrips die besten Kletterurlaube aller Zeiten ergeben

Die ultimative Kombi aus Klettern und Reisen: Beim Roadtrip verbinden sich mehrere Kletter- und/oder Boulderdestinationen innerhalb einer Reise zu einem größeren Ganzen. Es entsteht eine Art Vagabundenleben auf Zeit, das einen deutlich größeren Kontrast zur Sesshaftigkeit des Alltags vermittelt, als ein Urlaub an einem Ort. Immer wieder aufzubrechen, immer wieder die Vorfreude auf eine neue Umgebung, auf neuen Fels und neue Begegnungen zu erleben, sorgt für ein Gefühl von Freiheit, das sich nicht auf das Fehlen des Alltags beschränkt, sondern auch eine räumliche Dimension enthält.

Bouldertrip Nordspanien
Steffen Kern

Ob Bouldern oder Klettern: Reisen von einem Fels zum nächsten sind das Beste. Hier die Bouldern am Cabo Negro in Asturien.

Die Kehrseite ist ein gewisses Maß an Verzicht – auf den Komfort eines gemütlichen Apartments, das liebgewonnene, allmorgendlich frische Croissant an der Rezeption des Campingplatzes oder das Feierabendbier in der Urlaubs-Stammkneipe. Es braucht also die Fähigkeit, sich auf Unsicherheiten einzulassen und Pläne loslassen zu können. Fühlt man sich an einem Ort angekommen, hat neue Freundschaften geschlossen und findet sich endlich im Supermarkt zurecht, kann es schwer fallen, dieses Gefühl der Geborgenheit einzutauschen gegen die Ungewissheit, was einen wohl an der nächsten Station erwarten wird.
Die Kunst des Roadtrips besteht jedoch darin, diese Ungewissheiten optimistisch anzugehen. Ein Roadtrip bedeutet, die Vorfreude und Neugier auf Unbekanntes zu feiern, und ist die beste Gelegenheit, das Kind in sich selbst wiederzubeleben: ein einfaches Leben führen und mit leuchtenden Augen in neue Abenteuer ziehen. Denn frei kann sich nur fühlen, wer bereit ist, flexibel zu sein und auf gewisse Bequemlichkeiten sowie vermeintliche Sicherheiten zu verzichten.

Bouldern in Bishop
Steffen Kern

Bouldern in Bishop gehört zu den Highlights im Westen der USA – ebenso der Campground The Pit.

Wie weniger zu mehr werden kann

Wie groß der Kontrast zum Alltag ausfällt, hängt auch stark vom Reisemittel ab. Im vollausgestattenen Zehn-Meter-Wohnmobil mit Klein-PKW in der integrierten Garage braucht man nicht von Verzicht zu sprechen. Wer dagegen seinen Roadtrip mit PKW oder gar mit Fahrrad und Zelt bestreitet, muss sein Reisegepäck zwangsläufig auf das Nötigste reduzieren.
Zweiter entscheidender Faktor für Abenteuerwert und Freiheitsempfinden ist die Größe der Gruppe, in der man unterwegs ist. Als oder mit Freunden reisen automatisch ein Stück Geborgenheit, Heimat und Alltag mit, aber ebenso das Potenzial für Konflikte durch unterschiedliche Wünsche und Empfindlichkeiten. Wer sich dagegen allein aufmacht, ist deutlich exponierter, hat kein soziales Backup und muss alle Situationen selbst meistern. Dafür ist man wirklich Chef im Ring, und die Emotionen sind um ein Vielfaches intensiver. Alle Widrigkeiten aus eigener Kraft zu meistern, kann zudem einen ungeahnten Schub fürs Selbstbewusstsein mit sich bringen.

Die Freiheit aufzubrechen

Abenteuer-Faktor Nummer Drei ist die Destination. Wer über das südamerikanische Altiplano, durch afrikanische Länder oder Asien tingelt, bekommt den Abenteuer-Bonus einer fremden Kultur und Sprache. Neuseeland, Australien oder die USA bieten eine Abenteuer-Light-Version eines Roadtrips in ferne Länder. Doch auch in Europa kann man Neues entdecken und Abenteuer erleben – und sei es nur ein Roadtrip zu noch nie besuchten deutschen Sportklettergebieten oder Sommer-Boulderspots entlang des Alpenkamms. Jeder Roadtrip, auch der vor der eigenen Haustür, ist eine kleine Expedition.

MSL-klettern in Bosnien
Luka Tambaca

Freunde langer Routen haben im Kanjon Tijesno in Bosnien ordentlich zu tun. Bojan Hribernik sucht den Weiterweg in www.itgetsbetter.org (7b+, 120 m).

Wie weit man sich außerhalb der eigenen Komfortzone bewegen will, muss entscheidet man für sich selbst, beziehungsweise entscheidet der Konto- oder Beziehungsstand. Wobei sich letzterer im Reiseverlauf ändern kann, sei es temporär oder gar dauerhaft – wie wir aus eigener Erfahrung wissen: Zwei der vier KLETTERN-Redakteure haben ihre heutigen Ehepartner auf einer Kletter- respektive Boulderreise kennengelernt. Fakt bleibt dennoch: Freiheitsgefühl und Erlebniswert steigen antiproportional zu Gruppengröße und fehlendem Komfort, auch wenn der Aufbau eines Zeltes im strömenden Regen erst im Rückblick für gute Laune sorgt.

Was keinesfalls fehlen sollte, ist Zeit. Bis man wirklich im Urlaubs- und Reisemodus angekommen ist, vergehen meist einige Tage, manchmal sogar Wochen. Wer einen Roadtrip plant, sollte daher mindestens drei Wochen, besser vier oder mehr zur Verfügung haben. Denn zum Vagabundentum gehört nunmal, dass man nicht von einem Ort zum nächsten hetzt. Dies gelingt auch nur, wenn man nicht stur eine To-do-Liste nach einem fixen Zeitplan abarbeitet, sondern sich zu einem gewissen Grad treiben lässt und offen für Planänderungen ist. "Die Freiheit aufzubrechen, wohin ich will", lautet der Titel eines Buches von Reinhold Messner. Zu ergänzen wären: wann ich will und mit wem ich will.