Klettern an der Pietra di Bismantova

Zwischen Parma und Florenz
Klettern an der Pietra di Bismantova

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Der Kalksandstein von Bismantova bietet geniale Sportkletterwände in der Sonne und vereint das beste aus Kalk und Sandstein: tolle Strukturen und optimale Reibung zeichnen den Fels aus.

Klettern Bismantova
Foto: Georg Pollinger

Wie eine Festung ragt das imposante Sandsteinmassiv der Pietra di Bismantova aus den Hügeln der Reggio Emilia südlich von Parma. Als wahrer Alleskönner vereint sie spannende Linien für Kletterer aller Spielarten: vom Bouldern über Sport- und Mehrseillängen bis hin zum Techno-Klettern. Sie bietet eine echte Alternative zu den Standard-Gebieten Norditaliens.

Der Kletterfels von Bismantova

Die Kletterwände von Bismantova befinden sich an einem Tafelberg zwischen Parma und Florenz. Der Fels, Kalksandstein, vereint das Beste aus Sandstein und Kalkstein: Der Fels ist rau wie Sand, aber fest wie Kalk und bietet gleichzeitig unglaubliche Strukturen, wie sie in beiden Gesteinsarten vorkommen. Risse unterschiedlicher Längen und Breiten, schöne Schuppen und Verschneidungen, steile Henkelparaden an großen Griffen oder harte Linien an winzigen Leisten durch steile Platten. Hier gibt's die wichtigsten Infos in Kürze, weiter unten die Kletterstory von Autorin Klara Palme.

Unsere Highlights
Klettern Bismantova
Georg Pollinger

Die erste Seillänge von Il muro dei grilli (6b, 85m) im griffigen Wandteil Diedro UISP.

Info: Klettern in Bismantova

Lage: Die Pietra di Bismantova steht in den nördlichen Apenninen oberhalb des Ortes Castelnovo ne’ Monti, etwa 40 km südöstlich von Parma.
Anfahrt: Mit dem Auto: Über den Brennerpass nach Verona und via Modena nach Emilia Reggio. Von hier auf der SS63 nach Castelnovo ne’ Monti und auf der Via Bismantova zum Hauptparkplatz Piazzale Dante. Mit den Öffis: Mit Bahn oder Bus von München nach Bologna, per Bus mit Umstieg in Emilia Reggio nach Castelnovo ne’ Monti.
Charakter: Der etwa 300 Meter hohe Tafelberg sticht aus den sanften Hügeln gut sichtbar empor. Seine steilen Wände bieten viele Mehrseillängenrouten sowie 15 Sportklettersektoren an der Hauptwand und weitere an den kleineren Felsen rundum. Der kalkhaltige Sandstein weist neben Strukturen wie Rissen und Kaminen bis hin zu Reibungsplatten vor allem gute Reibung auf.

Klettern Bismantova
Versante Sud

Die Sportklettersektoren von Pietra di Bismantova im Überblick

Saison: Geklettert wird rund ums Jahr. Die Exposition ist meist Süd, Südost und Südwest, weshalb Frühjahr und Herbst ideal sind, für harte Routen sogar Winter.
Stützpunkte:
Piazzale Dante, Bezahlparkplatz mit Übernachtungsmöglichkeit (WC vorhanden)
Albergo Foresteria San Benedetto, Viale Bismantova, 43/A, 42035 Castelnovo ne‘ Monti, Tel. 0039 0522 611752, www.foresteriasanbenedetto.it
Albergo Miramonti, Viale E. Bagnoli, 7, 42035 Castelnovo ne‘ Monti, Tel. 0039 0522 812300, www.albergo-miramonti.com

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Versante Sud

Hier geht's lang: Lage von Bismantova und Kletterführer von Versante Sud.

Story: Ein Klettertrip nach Bismantova

Wir fahren immer weiter wir hinein in eine bewaldete Hügellandschaft, von Felsen weit und breit keine Spur. Und plötzlich taucht dieser gewaltige Felsriegel vor uns auf, mitten aus dem Nichts. Kurze Zeit später stehen wir vor dem riesigen Tafelberg aus Sandstein, der wie für Kletterer geschaffen ist. Wer Kalk bevorzugt, wird vielleicht gerade dankend ablehnen. Das ist auch gut, denn so bleibt die Pietra di Bismantova vielleicht noch etwas länger jener Geheimtipp, der sie momentan noch ist. Ich möchte nämlich eine gewagte Behauptung aufstellen: Wer einmal Hand an diese Wand gelegt hat, wird definitiv wiederkommen.

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Georg Pollinger

Im Vergleich zum Gare Nuove sind die Griffe in Flat Erik (6a) im Sektor Illusioni relativ ausgeprägt und gut.

Sandstein 2.0
In Wirklichkeit ist es nämlich kein Sandstein, sondern Kalksandstein. Nie gehört? Ich zuvor auch nicht. Das kann man auch nicht hören noch lesen, man muss es wörtlich begreifen. Kalksandstein vereint das Beste von beidem: Der Fels ist rau wie Sand, aber fest wie Kalk und bietet gleichzeitig unglaubliche Strukturen, wie sie in beiden Gesteinsarten vorkommen. Risse unterschiedlicher Längen und Breiten, schöne Schuppen und Verschneidungen, steile Henkelparaden an großen Griffen oder harte Linien an winzigen Leisten durch steile Platten. Das alles und noch viel mehr ist Bismantova: ein Sandstein-Paradies für Anfänger, Fortgeschrittene und Hardmover.

Gemeinsam statt einsam
Der große Parkplatz am Fuße der Wand dient nicht nur uns Kletterern. Schon seit Jahrhunderten pilgern Gläubige zum Eremo della Madonna mit Einsiedelei und Kirche, die sich ganz natürlich an die Pietra di Bismantova schmiegen. "La Pietra”, wie die Bismantova ehrfürchtig von Locals genannt wird, zieht auch Pilger, Touristen und Wanderer an. So viele Menschen mit unterschiedlichen Bedürfnissen treffen aufeinander, dass man sich über das friedliche Zusammensein fast wundern muss. Von Einsamkeit und Ruhe beim Klettern kann man in den meisten Sektoren deshalb nicht sprechen. Am Wandfuß geht es aber ohnehin fröhlich bis lautstark zu. Die geselligen Locals scheuen nicht davor, auch Fremde einzubinden und sie in das ein oder andere Test-Piece zu schicken. Wer es mit Humor nimmt – oder gar meistert –, wird dafür hinterher auf ein kühles Bier vom Fass am Rifugio della Pietra eingeladen. Hier feiern Boulderer mit Sport-, Alpin- und Techno-Kletterern ihre Abenteuer. An der Pietra gelingt, was anderswo manchmal scheitert: ein offenes Miteinander.

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Georg Pollinger

Jeder Griff und Tritt muss in der kleingriffigen, technischen und einfach genialen Antartide (6b+) im Sektor Verbum überlegt sein.

Qual der Wahl
450 Seiten voller Möglichkeiten bietet der Kletterführer: die schiere Qual der Wahl. Wohin geht der unschlüssige Fremde also zunächst? Richtig, den anderen hinterher zum schönsten Sektor. Mitten durch die Einsiedelei führt der Weg zum bunten Pilone Giallo, der schon von weitem grau-weiß-gelb zu uns herüber geleuchtet hat. Die steile, leicht überhängende Wand bietet in diesem Bereich unerwartet vielseitige Linien. Klassische Risslinien wie Diedro Nannuzzi (6a) und Figli dei Fiori (6a+) oder die athletische Pronto Soccorso (6a) stellen sich als wunderbare Genussrouten heraus, während Karib B corta (6b) und Passeri e Penne (6b) an der strukturierten, aber steilen Wand durchaus Technik und ordentliches Ansteigen verlangen. Highlight des Sektors ist für uns die 35 Meter lange, abwechslungsreiche und unvergessliche Rainbow Warrior (6c+) mit athletischer Einlage an einer Felsschuppe. Um den Überhang herum wieder in den Piaz zu gelangen, ist kräftezehrend genial. Mit insgesamt 30 tollen Linien zwischen 6a und 8a auf 10 bis 35 Metern ist der Pilone Giallo durchaus ergiebig.

Reibung und Leisten
Ganz andere Kletterei erwartet uns in den Sektoren Gare Vecchie, Verbum und Zona Gabri links des Eremo. Der (g)raue Fels scheint in diesem Bereich geschichtet und verputzt, fast wie ein Mauerwerk. Die Linien mit mehr oder weniger kleinen Leisten sind deshalb spannend und abwechslungsreich. Während Gare Vecchie viele Linien der Schwierigkeit 6a bietet, geht es im Sektor Verbum schon eher zur Sache: Dass man sich an einer 6b+ die Zähne ausbeißen kann, zeigt beispielsweise die wunderbar technische und lehrreiche Antartide, in die uns unser neuer Bekannter Matteo schickt. "Da lernt man schnell, seine Angst zu überwinden", schmunzelt er wissend. Die Linien Black Rain (6c) und Blade Runner (6c+) nebendran sind ebenfalls ein absolutes Muss. "Meine Favoriten!", schwärmt Matteo. Im benachbarten Sektor Zona Gabri reißt die Kette an schönen Routen in bestem Fels nicht ab: die erste Seillänge von Cacciavillani (6a+), La Spuzzolomania (6b) oder Via Scomoda (6b) machen einfach Spaß. Wer es härter mag, dem sei die At-Trazione (7a) als eine etwas härtere Attraktion an kleinen Griffen ans Herz gelegt.

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Georg Pollinger

Eine Festung wie aus dem Bilderbuch: die Pietra di Bismantova wirkt nicht nur auf uns Kletterer anziehend.

Außergewöhnlich
Aber wo sind eigentlich diese irren Strukturen vom Cover-Foto des Kletterführers? Wir zumindest haben uns das bald gefragt. Der Sektor Torrione Sirotti ist mit zusätzlichen 10 Minuten Gehzeit für andere scheinbar uninteressant: Es gibt sie also doch, die Ruhe und Einsamkeit. Der Weg lohnt sich nicht nur wegen der unglaublichen Strukturen und der tollen Aussicht, sondern vor allem wegen der genialen Routen. Traumhafte Henkelparaden mit athletischen Bewegungen führen durch die leicht überhängende Wand, die wie ein Schiffsbug aus dem Massiv heraus ragt. Am besten eine Route nach der anderen, von links nach rechts genießen: Allegro ma non troppo (6b+), Diario di un vecchio porco (6b+), Bukowski (6c+) ... Schade, dass die Wand nicht breiter ist! Noch verrückter sind die Strukturen nur noch im Sektor Placche di Albertino: Stell dir eine auf Kalksandstein verlaufende Sinterfahne mit Kristalldrusen vor, die du empor kletterst. So etwas habe ich noch nie gesehen, weshalb die ersten 35 Meter von Comunque vada sarà un successo (6a+) für mich die unglaublichsten Klettermeter an der Bismantova sind.

"Die Pietra gibt mir jedes Mal innere Gelassenheit und Frieden", schwärmt Matteo. Auch wir spüren, dass sie mehr ist als ein schlichtes Klettergebiet. Wir sitzen am Rifugio della Pietra, die Stimmung ist heiß und die Geschichten noch heißer. Nach dem ein oder anderen Bier führt das Gespräch zur Divina Commedia, der Göttlichen Komödie. Dante stellt das Fegefeuer als Rundweg um einen Berg dar, der ins Paradies führt. "Wisst ihr, dass dieser Berg unsere Pietra ist?”, fragt Matteo. Das Paradies haben wir am Gipfel der Pietra di Bismantova zwar nicht gefunden, aber Dante hatte dennoch recht: Für uns Kletterer liegt das Paradies nämlich an ihren Flanken.

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