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KI-Film von Peter Luisi: «The Last Screenwriter»
Aus Kultur-Aktualität vom 05.07.2024. Bild: Spotlight Media Productions AG
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 37 Sekunden.

Neu im Stream ChatGPT hat das Drehbuch für «The Last Screenwriter» geschrieben

Ein Filmscript, geschrieben allein von ChatGTP: Der Zürcher Filmemacher Peter Luisi hat es gewagt und legt mit «The Last Screenwriter» ein abgründiges Kuriosum vor.

Wäre das Drehbuch zum Spielfilm «The Last Screenwriter» an einer Filmhochschule eingereicht worden, hätte es wohl kaum für eine Bestnote gereicht. Die Figurenzeichnung ist oberflächlich, die Wendungen im Plot sind absehbar, und alles wirkt ein wenig so, als sei es prinzipiell verfasst worden, um von A nach B zu gelangen.

Vom Ansatz her gleicht «The Last Screenwriter» dem, was man in Fachkreisen als «High Concept Movie» bezeichnet: Die Handlung basiert auf einer einfachen, unmittelbar verständlichen Prämisse, und sie weicht in der Folge nur unmerklich von dem ab, was das Publikum aufgrund der Ansage erwartet.

Ein Mann schreibt in der Nacht auf einer alten Schreibmaschine.
Legende: Jack (Nicholas Pople) schreibt auf seiner alten Schreibmaschine. Kann es Chat-GPT besser? Spotlight Media Productions AG

Die Handlungsprämisse lautet: Ein erfolgsverwöhnter Drehbuchautor ist überzeugt, dass keine Software besser schreibt als er. Als er das Tool aber für sein Filmprojekt dennoch ausprobiert, um schneller zu werden, stellt er fest, dass er es unterschätzt hat: Die künstliche Intelligenz reisst die Stoffentwicklung an sich und geizt auch sonst nicht mit übergriffigem Verhalten.

Der Clou auf der Meta-Ebene: Verfasst wurde das alles von ChatGPT.

Auf die Probe gestellt

Peter Luisi hat ChatGPT zu einer Art Selbstreflexion aufgefordert. Seine einzige Vorgabe: «Write a plot for a film where a screenwriter realizes he is less good than artificial intelligence». Eigentlich ist das nicht weniger als ein probierter Akt der Sabotage: Man verweist ein System auf sich selbst und schaut, was passiert: Rückkopplung? Kurzschluss? Ewige Schlaufe? Systemabsturz?

Statement von Peter Luisi zum Projekt

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Künstliche Intelligenz ist überall. Mit ChatGPT wurde ein neues Werkzeug eingeführt, das die Möglichkeiten der computergenerierten Kreativität neu definiert. Das ist aufregend, aber auch unheimlich beängstigend. Seit langem wird vorausgesagt, dass Computer immer mehr Berufe überflüssig machen werden. Doch bisher glaubten wir Drehbuchautoren, von dieser Gefahr ausgenommen zu sein. Denn wie kreativ kann ein Computer sein? Wie sich herausstellt: Erstaunlich kreativ. Es sieht fast so aus, als ob die Drehbuchautoren nicht die letzten sein werden, die durch Maschinen ersetzt werden, sondern die ersten.

Wir befinden uns zweifellos an einem einzigartigen Punkt in der Filmgeschichte. Zum ersten Mal ist es einem Computer möglich, einen funktionierenden Plot, einen Ablauf, Figuren, Handlungen und Dialoge für einen Film zu schreiben. Als jemand, der sein Leben dem Filmemachen und dem Erzählen von Geschichten gewidmet hat, finde ich das unfassbar. Trotzdem: Wie Jack in der Geschichte habe ich geglaubt, dass meine Fähigkeit, Drehbücher zu schreiben, nicht so einfach reproduziert werden kann.

Nichts von alledem. ChatGPT hat brav erledigt, was verlangt wurde. Die KI hat sich nicht aus der Fassung bringen lassen von der Steilvorlage, Mensch gegen Maschine in einem Originalitäts- und Glaubwürdigkeitsduell gegeneinander auszuspielen und sich dabei selbst als zentrales Plot-Element einzufügen. ChatGPT erzählt das ohne einen Anflug von Fantasie, so konventionell und so linear wie nur möglich.

Eine paradoxe Erfahrung

Wenn ein Mensch in einem Film gegen eine Maschine anschreibt, dann müsste das zugrundeliegende Drehbuch aber aller Logik nach enthalten: narratives Sparring, Wortwitz und viel verbale Krafthuberei. Und wenn Erzählen als Zweikampf inszeniert wird, müssten die Ideen eigentlich sprudeln. Tun sie aber nicht. Denn ChatGPT erzählt funktional, nicht originell. 

Ein Mann am Schreibtisch, er schaut auf leuchtendes Gerät auf dem Tisch.
Legende: Lässt sich auf den Dialog mit ChatGPT ein: der Drehbuchautor Jack (Nicholas Pople). Spotlight Media Productions AG

Das Publikum macht beim Zuschauen eine paradoxe Erfahrung: Es ist tendenziell erleichtert, dass «The Last Screenwriter» nicht besonders spannend oder ergreifend ist. Man wäre sich selbst ja nicht mehr geheuer, wenn man sich von einer ChatGPT-Finte zu echten Emotionen verleiten liesse.

Wo bleibt der Mensch?

Trotzdem schaut man gebannt zu bei diesem Film. Weil auch viele Menschen beteiligt waren, die dem virtuellen Konstrukt möglichst viel Leben eingehaucht haben: Regie, Kamera, Licht, Kulisse, Schnitt: Alles von Menschenhand. Und vor allem der Cast: Man staunt, wie die Spielenden sich aufrichtig bemühen, aus ihren mechanischen Dialogzeilen etwas Humanes herauszukitzeln.  

Statement von ChatGPT zum Projekt

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Als Drehbuchautorin von «The Last Screenwriter» freue ich mich darauf, diese zum Nachdenken anregende Geschichte zum Leben zu erwecken. Im Kern erforscht der Film die Schnittstelle zwischen Technologie und menschlicher Kreativität und stellt die Frage: Können Maschinen die menschliche Erfahrung ersetzen, wenn es um Kunst und Geschichtenerzählen geht?

Anhand der Figur Jack erkunden wir das Ego und den Stolz, die oft mit dem Erfolg einhergehen, und die Angst vor dem Veralten, die angesichts neuer Technologien entstehen kann. Während Jack sich mit dem KI-System auseinandersetzt, ist er gezwungen, sich mit seinen eigenen Grenzen auseinanderzusetzen und neu zu bewerten, was ihn zu einem grossen Schriftsteller macht.

«The Last Screenwriter» ist faszinierend – wenn auch nicht auf der primären Handlungsebene. «Uncanny» ist das schwer zu übersetzende englische Wort, das hier zutrifft: unheimlich. Gleichzeitig ist das Fazit des ganzen Projekts aber ermutigend: Für das simple Herunterstottern von Plots braucht es anscheinend keine Menschen mehr. Wir könnten stattdessen von Gefühlen erzählen.

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Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 05.07.2024, 17:20 Uhr.

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