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Interaktive Karte Gab es früher wirklich öfter Schnee? Testen Sie, wie treffsicher Ihr Wettergedächtnis ist

Nahverkehrszug im Schnee
Anfang Dezember geht nichts mehr in und um München. Nah- und Fernverkehrszüge bleiben tagelang im Schnee stecken
© IMAGO/Wolfgang Maria Weber
Mit dem Klimawandel ändert sich die Anzahl der Tage mit extremen Temperaturen und Schneefällen. Auf interaktiven Grafiken können Sie sehen, wie es sich in Ihrer Region verhält.

Anfang Dezember. Ein gewaltiges Schneegebiet zieht über Süddeutschland hinweg. München versinkt knietief in der weißen Pracht. Busse, Trambahnen und selbst ICEs fahren tagelang nicht mehr durch oder die bayerische Hauptstadt gar nicht erst an. Es fehlt an schweren Räumgeräten und offenbar auch dem Willen, sich auf solche Ereignisse vorzubereiten. Ist Schnee im Winter so selten geworden, dass es schon eine Überraschung ist, wenn er doch mal fällt?

Junge Frau mit dunklen Haaren
© privat

Das Klimadashboard

Sie sind Wirtschaftswissenschaftlerin, Webdesigner, Biologinnen und Psychologen, sie sind jung – und sie alle eint ein Wunsch: den Klimawandel, seine Ursachen und seine Folgen besser verständlich zu machen. Mitte September starteten 16 Frauen und Männer des Vereins Klimadashboard die deutsche Website Klimadashboard.de. Im Bild: Vivian Voigt 

Tatsache ist: Bis einschließlich 20. Dezember gab es 2023 in München 27 Schneedeckentage, per Definition also solche mit mindestens einem Zentimeter Schnee. Im Vergleichsraum 1961 bis 1990 waren es noch durchschnittlich 50 Tage und zwischen 1991 und 2020 immerhin noch durchschnittlich 36 Tage. In diesem Fall stimmt also die von vielen geäußerte Vermutung: Früher gab es öfter Schnee.  


Temperaturtage 
Immer weniger kalte Tage mit Schnee und Eis, immer mehr heiße Tage und Tropennächte: Sechs Kategorien von Temperaturtagen zeigen, wie stark sich das Klima in Deutschland verändert hat

Doch nicht immer passt die subjektive Erinnerung zur Realität, sagt Vivien Voigt, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Angewandte Statistik und Ökonometrie im Fachbereich Wirtschaftswissenschaften der Universität Mainz und Mitglied im Verein Klimadashboard. Auch aus ihrer eigenen Erfahrung: "In meiner Erinnerung war 2003 der heißeste Sommer in meiner Heimat nahe Mainz." Tatsächlich gab es dort seither noch einige wärmere Jahre. 

Nachprüfen lässt sich das ganz einfach auf der Plattform Klimadashboard.de. Dort befindet sich eine Deutschlandkarte mit 230 übers Land verteilten Messpunkten. An jedem dieser Orte betreibt der Deutsche Wetterdienst eine Messstation. Die Werte werden täglich aktualisiert und lassen sich jeweils mit den Klimadaten früherer Klimaperioden vergleichen. Auf Basis der Messwerte erstellte das Team vom Klimadashboard sechs Kacheln mit Angaben zu besonders kalten und heißen Tagen und Nächten sowie zur Schneebedeckung, die jeder Nutzer selbst abrufen kann.


Messstationen 
230 Messstationen betreibt der Deutsche Wetterdienst. Täglich um 12 Uhr werden die Daten aktualisiert und sind über die interaktive Karte abrufbar.

25 Hitzetage mit Werten über 30 Grad registrierte beispielsweise die Wetterstation in München (Stadt) für 2023. Fünfmal so viele wie im Zeitraum 1961 und 1990, bevor der Klimawandel so richtig in Fahrt kam. Die Sommertage (mit mehr als 25 Grad) haben sich im gleichen Zeitraum von 36 auf 79 mehr als verdoppelt. Eine Verdopplung gab es in Bayerns Metropole auch bei der Anzahl der Tropennächte, von einer auf zwei. "Das klingt nach wenig, aber wenn die Entwicklung so weiterläuft wie bisher, kann es in Zukunft viel mehr solche Nächte geben", sagt Voigt.

Heiße Tage schaden Gesundheit und Arbeitsleistung

Besonders warme Tage und Nächte haben starke Auswirkungen auf die Gesundheit und Gesellschaft. "Wenn es zu langen Hitzeperioden kommt und es auch nachts nicht richtig abkühlt, leidet darunter nicht nur das Herz-Kreislauf-System, sondern auch die Produktivität der Arbeit", sagt die Ökonomin. Auch ständiger Wetterwechsel zwischen heiß und kalt könne den Einzelnen stark belasten. Dazu kommen neue (tropische) Krankheiten, die von Mücken oder anderen sogenannten Vektoren übertragen werden.

Negativ wirkt sich auch die überall verkürzte Winterzeit mit milderen Temperaturen aus, etwa für die Landwirtschaft. Manche Nutzpflanzen brauchen für ihre Entwicklung eine bestimmte Anzahl von kalten Tagen. Zudem starten landwirtschaftliche Schädlinge wie Wühlmäuse schneller wieder ins Frühjahr. Populationsverluste bei den Nagern gehören im Wesentlichen der Vergangenheit an. Auch Nutztiere wie Honigbienen (und auch ihre wildlebenden Verwandten) wachen dank milderer Temperaturen früher aus ihrer Winterruhe auf, als es für sie gut ist. Denn obwohl auch manche Blütenpflanzen wie Apfelbäume ihre jahreszeitliche Entwicklung nach vorne verlagert haben, stehen für die früherwachten, hungrigen Insektenmäuler viele Futterquellen dann noch nicht bereit.

Der Kuckuck findet keine Ersatzeltern mehr

Kommt es, wie in den vergangenen Jahren öfter passiert, im April oder Mai zu späten Frösten, sind manche Frühaufsteher unter den Arten existentiell bedroht. Ganz bitter ist die Entwicklung für den Kuckuck. Der legt seine Eier bekanntlich in die Nester von anderen Vögeln. Oft haben diese aufgrund der milden Witterung ihre Brut bereits großgezogen, bevor der Kuckuck nach passenden Ersatzeltern sucht. Seine Population ist massiv zurückgegangen. 

Dadurch, dass die Entwicklung so schnell voranschreitet, kann es sein, dass wir schon bald extreme Temperaturen irgendwann als das neue Normal betrachten. "Dann hilft der Blick in die Vergangenheit, um uns die Veränderung zu vergegenwärtigen", sagt die Ökonomin Voigt. Das Problem: Den bisherigen Temperaturanstieg um durchschnittliche 1,2 Grad in Deutschland gegenüber der vorindustriellen Zeit spüren wir kaum. Doch durch den Vergleich der Werte für einen uns bekannten Ort bekommt die Veränderung eine emotionale Komponente und wird plastischer. "Und wir müssen uns angesichts der Klimaveränderungen fragen: Wollen wir das?" 

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