Die einen schlummern sanft, andere bekämpfen im Schlaf Dämonen oder rennen um ihr Leben. Das betrifft nicht nur Kinder – viele haben noch bis ins hohe Alter Albträume. test.de erklärt, wann und warum wir träumen – und wie sich Albträume besiegen lassen.
Mehr als jeder zweite Erwachsene hat Albträume
Nachts in einem einsamen Park. Sie sind allein, der Weg kaum beleuchtet. Plötzlich Schritte hinter Ihnen. Sie gehen schneller. Die Schritte auch. Sie hasten weiter, beginnen zu rennen, stolpern – und wachen schweißgebadet auf. Was viele für ein Phänomen aus Kindertagen halten, quält Menschen auch im fortgeschrittenen Alter. Laut einer Umfrage des Traumforschers Michael Schredl vom Zentralinstitut für Seelische Gesundheit in Mannheim haben sechs von zehn Erwachsenen ab und zu Albträume. Bis zu 5 Prozent werden laut Studien sogar einmal pro Woche oder öfter davon heimgesucht. Hält dieser Zustand über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten an, sprechen Experten von chronischen Albträumen.
Sturz ins Bodenlose
Viele nächtliche Horrorszenarien sind wahre Klassiker. Von Stürzen ins Bodenlose träumen vier von zehn Betroffenen, mehr als ein Viertel wird im Traum von Unbekannten verfolgt oder ist in größter Gefahr plötzlich gelähmt. Weitere typische Schreckensbilder: der Tod eines geliebten Menschen, Monster, ausfallende Zähne oder epische Kriegsszenarien. Die Belastung für Betroffene ist groß – nicht nur wegen der gestörten Nachtruhe. Oft sind die Gefühle aus dem Traum auch tagsüber noch präsent, meist verstärkt durch das Grübeln über deren Bedeutung. Häufen sich die nächtlichen Schreckensbilder, entwickeln viele Menschen sogar Angst davor, überhaupt einzuschlafen. Spätestens dann ist es Zeit zu handeln. Albträume sind kein Schicksal, das man erdulden muss. Mit der richtigen Strategie kann man sie erfolgreich bekämpfen.
Wann und warum wir träumen
So vielfältig wie die Inhalte der Träume sind auch die Erklärungsansätze zu deren Ursachen. Die einen machen zu schweres Essen dafür verantwortlich, andere unbequeme Matratzen oder die falsche Schlafposition. Wissenschaftliche Belege gibt es für keine dieser Vermutungen. Erwiesen ist hingegen die Folge aufregender Fernsehfilme: Horrorstreifen, Thriller und Krimis erhöhen das Risiko, schlecht zu träumen. Auch bestimmte Krankheiten können Albträume begünstigen. So berichten zum Beispiel Menschen mit Depression öfter von chronischen Albträumen.
Während der REM-Phase arbeitet das Gehirn besonders rege
Grundsätzlich gilt: Ob und wie viel wir träumen, hängt vor allem davon ab, wie aktiv das Gehirn im Schlaf ist. Am intensivsten ist das nächtliche Gedankenkino während der sogenannten REM-Phase. Die Abkürzung steht für Rapid Eye Movement, zu Deutsch: schnelle Augenbewegungen. Sie entstehen, weil das Gehirn in dieser Phase besonders rege arbeitet und uns dabei jede Menge Bilder vorgaukelt – schöne und Angst einflößende.
Kinder träumen am intensivsten
Medikamente wie Antidepressiva oder Schlaftabletten, aber auch Drogen wie Marihuana können unruhige Nächte begünstigen. Zudem berichten kreative Menschen öfter von bösen Träumen: Sie haben besonders viele REM-Schlafphasen. Am intensivsten träumen Kinder. Ihr Schlaf birgt mehr REM-Phasen als der von Erwachsenen; das Gehirn entwickelt sozusagen einen Film nach dem anderen. Die Erlebnisse am Tag verstärken diesen Effekt. Nicht alle kann der Nachwuchs ohne weiteres einordnen, manche machen ihm Angst. Das Gehirn entwickelt dann daraus im Schlaf schnell einen bösen Traum.
Wenn der Chef als Monster auftaucht
Auch bei Erwachsenen entscheidet sich oft schon tagsüber, wer im nächtlichen Kopfkino die Hauptrolle spielen wird. Berührende Erlebnisse, offene Konflikte oder Stress können vor allem für Sensible im Schlaf zum Horrorfilm werden. Psychologen gehen davon aus, dass sich alles, was einen Menschen tagsüber beschäftigt, auch im Traum wiederfinden kann – wenn auch in anderer Gestalt. „Ein schwelender Konflikt mit dem Chef wird zur Verfolgung durch ein Monster“, sagt Traumforscher Schredl. Das Grundproblem, die Spannungen im Job zu lösen, kann den Traum vertreiben – die Flucht wäre dann ja überflüssig. Doch was tun, wenn sich die belastende Situation nicht ändern lässt? Auch dann müssen Betroffene nicht verzagen. Vielfach können sie sich sogar selbst helfen. Schritt für Schritt den Schlaf zurückerobern
Erfolgreiche Selbsthilfe
„Manchmal reicht es schon, den Traum am nächsten Tag aufzuschreiben. Er kommt dann oft nicht wieder“, sagt die Psychotherapeutin Annika Gieselmann von der Universität Düsseldorf. Eine Weiterentwicklung dieses Verfahrens, die „Imagery Rehearsal Therapy“ (IRT) brachte ihr Kollege und Chef Reinhard Pietrowsky vor einigen Jahren aus den USA mit nach Deutschland. Albtraumgeplagte können damit auch ohne Hilfe eines Therapeuten ihren Nachtschlaf verbessern. Schritt für Schritt den Schlaf zurückerobern
Das Drehbuch des Traums verändern
Die Methode ist simpel: Betroffene halten zunächst den Albtraum fest und überlegen dann, wie er verlaufen müsste, damit er seinen Schrecken verliert. Sie verändern sozusagen das Drehbuch des Traums. „Was macht ihn zum Albtraum? Was ist das Negative daran? Diese Fragen arbeiten die Betroffenen durch und schreiben den Traum so um, dass er langweilig wird oder lustig“, erläutert Psychotherapeutin Annika Gieselmann. So wirken die nächtlichen Bilder weniger bedrohlich, werden seltener oder bleiben ganz aus. Wenn jemand etwa träumt, dass nachts ein Einbrecher durchs Haus schleicht, könnte er daraus den Partner machen, der später als sonst nachhause kommt – und versucht, leise zu sein. Steht die neue Traum-Geschichte, gilt es für zwei Wochen, sich diese Handlung jeden Tag für einige Minuten im Detail vorzustellen.
Wenn alles nichts hilft
Wer trotz IRT in Eigenregie nachts immer wieder dieselben Szenarien durchleidet oder Probleme hat, den Handlungsstrang seiner Albträume zu verändern, sollte sich an einen Therapeuten wenden. Er kann den Betreffenden bei der IRT unterstützen. Das gilt auch, wenn die Angst vor den Träumen übermäßig ist oder die Betroffenen Probleme haben, sich die neu erdachte Szenerie bildlich vorzustellen. Selbst bei Menschen mit einer posttraumatischen Belastungsstörung, die extrem kritische Situationen – etwa ein Verbrechen oder einen schweren Unfall – im Traum immer wieder durchleben, konnte die IRT Studien zufolge mehr Ruhe in die Nacht bringen. „Ich habe noch nie erlebt, dass die IRT gar nichts gebracht hat“, sagt Psychotherapeutin Gieselmann. Meist bräuchten ihre Patienten nur eine, manchmal eine Handvoll Sitzungen, bis sie wieder ruhiger schlafen – und träumen.
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