Alters­vorsorge mit der Bild-Zeitung Was taugt die „Volks-Rente“?

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Alters­vorsorge mit der Bild-Zeitung - Was taugt die „Volks-Rente“?

So wirbt bild.de für die „Volks-Rente“. © Quelle: www.bild.de, Screenshot: Stiftung Warentest, AdobeStock (M)

Nach dem „Volks-Kaugummi“, der „Volks-Fitness-Uhr“ und der „Volks-Zahnbürste“ gibt es jetzt auch die „Volks-Rente“. Ein Produkt, das für jeden taugt, so der Anspruch der Bild-Zeitung und ihres Koope­rations­part­ners Neue Leben. Kann das bei einem Alters­vorsorge-Produkt funk­tionieren? Die Alters­vorsorge-Experten der Stiftung Warentest sagen, was von dem Angebot zu halten ist.

Für wen ist das und wer steckt dahinter?

Die „Volks-Rente“ soll Menschen aus allen Bevölkerungs­schichten ansprechen. Bild-Zeitung, Sparkassen und der Versicherer Neue Leben bewerben das private Alters­vorsorge-Angebot derzeit mit allen Mitteln – mit Promi Sophia Thomalla, Amazon-Gutschein und Zeit­druck-Argumenten. Wie schon bei der „Volks-Zahnbürste“ und dem „Volks-Kaugummi“ handelt es sich um eine Werbe­koope­ration der Bild-Zeitung mit einem Anbieter. Für die Platzierung als „Volks-Produkt“ zahlen die Anbieter der Bild Geld.

Wie funk­tioniert die „Volks-Rente“?

Die „Volks-Rente“ ist ein sogenanntes Hybrid­produkt. Je nachdem, wie es sich der Kunde wünscht, gibt es sie entweder als reine private Rentenversicherung mit defensiver Geld­anlage-Strategie (des Versicherers) oder als fondsgebundene Rentenversicherung, bei der die Sparerin selbst die Fonds auswählt und das Risiko der Geld­anlage über­nimmt. Auch Kombinationen der beiden Varianten sind möglich, also etwa 50 Prozent klassische private Renten­versicherung und 50 Prozent fonds­gebundene Renten­versicherung.

Wo gibt es die „Volks-Rente“?

Das Produkt können Spare­rinnen und Sparer entweder in ihrer Sparkasse abschließen oder direkt online. Beim Online-Abschluss werden dem Kunden verschiedene Fragen gestellt, um nach seinen Anlagewünschen und seiner Risikoneigung einen Vorschlag für die Ausgestaltung zu machen.

Wie gut ist die Renten­versicherung der Bild?

Entscheidet sich der Kunde dafür, sein Geld ganz sicher anzu­legen und Wert­schwankungen möglichst auszuschließen, landet er bei einer reinen klassischen privaten Renten­versicherung des Versicherers Neue Leben. Einen vergleich­baren Tarif des Anbieters hatten wir in unserem letzten Vergleich Private Rentenversicherungen. Dabei bekam der Tarif insgesamt nur die Note Ausreichend. Vor allem die hohen Kosten und der schlechte Anla­geerfolg des Anbieters Neue Leben machen das Produkt unattraktiv.

Was ist von den Werbeaussagen zu halten?

Die „Volks-Rente“ wirbt mit einem „güns­tigen Einstieg“ – besonders ärgerlich bei einem Produkt, dessen Kosten wir mit der Note Ausreichend bewertet haben. O-Ton bild.de: „Je früher, desto güns­tiger: Sie sind jünger als 28 Jahre? Dann können Sie die Volks-Rente bereits mit einem Beitrag von 25 Euro im Monat abschließen.“ Die Tatsache, dass unter 28-Jährige das Produkt schon mit 25 Euro Monats­beitrag abschließen können, sagt natürlich nichts darüber aus, wie günstig das Produkt ist. Wer glaubt, dass geringere Beiträge mit geringeren prozentualen Kosten einhergehen, irrt. Im Gegen­teil: Je geringer die Beiträge dieses Tarifs sind, desto höher sind die tatsäch­lichen Kosten in Prozent des Beitrags.

Die Kosten für die Alters­vorsorge werden in der gesamten Online-Kampagne gar nicht thematisiert. Erst nachdem er seine Kontakt- und Bank­daten angegeben hat, erhält der Kunde Informationen zu den Kosten – in den Antrags­unterlagen. Das ist legal, aber nicht trans­parent.

Alters­vorsorge mit der Bild-Zeitung - Was taugt die „Volks-Rente“?

Screenshot der Website bild.de (aufgenommen am 17.11.2020). © Quelle: www.bild.de, Screenshot: Stiftung Warentest

Ist die Bild-Fonds­police besser?

Für Anleger, die angeben, besonders auf Rendite zu achten und Wert­schwankungen problemlos zu akzeptieren, bietet Neue Leben eine fonds­gebundene Renten­versicherung (Fonds­police) an. Bei dieser Form der Alters­vorsorge trägt die Sparerin das Risiko der Geld­anlage selbst und wählt Investmentfonds aus, in die ihr Geld fließen soll. Wichtig ist daher, dass die Versicherung ihr eine breite Auswahl an guten Fonds anbietet. Auch das ist bei der „Volks-Rente“ leider nicht der Fall.

Was empfiehlt die Stiftung Warentest?

Finanztest rät, für die lang­fristige Geld­anlage auf welt­weit anlegende ETF zu setzen. Dabei handelt es sich um besonders güns­tige Fonds, mit denen sich die Anlage in Aktien vorbild­lich breit streuen lässt. Die meisten Anbieter in unserem aktuellen Vergleich Fondsgebundene Rentenversicherung bieten ihren Kunden solche ETF an. Die Neue Leben leider nicht: Bei der „Volks-Rente“ können Sparer nur aus deutlich teureren aktiv gemanagten Investmentfonds wählen. An unserem Test Fonds­gebundene Renten­versicherung wollte die Neue Leben trotz Anfrage nicht teilnehmen. Anhand der Unterlagen der „Volks-Rente“ können wir aber sagen, dass es auch bei den Prüf­punkten Kosten der Versicherung und Renten­faktor (Mindest­rente für 10 000 Euro Fonds­vermögen) bessere Angebote im Test gibt.

Wie flexibel ist die „Volks-Rente“?

Die „Volks-Rente“ passt sich „perfekt Ihrem Leben an“ heißt es in der Werbung weiter. Immerhin das ist nicht über­trieben. Bei der Flexibilität haben wir die private Renten­versicherung der Neue Leben in unserem Test mit der Bestnote 1,0 bewertet. Auch dass der Sparer im Vertrags­verlauf seine Aufteilung zwischen klassischer Renten­versicherung und fonds­gebundener Renten­versicherung ändern kann, ist ein Vorteil des hybriden Produkts.

Muss ich mich beeilen bei der Alters­vorsorge?

“Nur vom 30.10. - 11.12. erhältlich!“ heißt es in der Online-Werbung für die „Volks-Rente“. Sparer sollten sich aber gerade bei der Alters­vorsorge nicht unter Zeit­druck setzen lassen. Ein Alters­vorsorgever­trag läuft meist mehrere Jahr­zehnte, zehn­tausende Euro fließen hinein, da sollte die Entscheidung gut über­legt sein. Auch ein 15-Euro-Gutschein für Amazon – kleine Dreingabe für den Abschluss einer „Volks-Rente“ – sollte natürlich kein Entscheidungs­grund sein.

Alters­vorsorge mit der Bild-Zeitung - Was taugt die „Volks-Rente“?

So wirbt die Sparkasse Lüneburg auf Twitter für die „Volks-Rente“. © Quelle: www.twitter.com, Account der Sparkasse Lüneburg, Screenshot: Stiftung Warentest

Fazit: Besser keine „Volks-Rente“ abschließen

Ist die „Volks-Rente“ also die ideale Alters­vorsorge fürs „Volk“ – eine Rente für alle? Wir meinen: Eher nicht!

Sie kann aus vielerlei Gründen nicht über­zeugen: Die Kosten der klassischen Variante sind zu hoch, der Anla­geerfolg des Versicherers zu schlecht. Bei der offensi­veren Variante mit Fonds sind wir vor allem von der Fonds­auswahl nicht über­zeugt. Zeit­druck und Amazon-Gutscheine sollten kein Argument sein, einen Alters­vorsorgever­trag zu unter­schreiben, der einen über viele Jahre bindet.

Wer eine defensive private Renten­versicherung abschließen möchte, findet in unserem Rentenversicherungs-Test bessere Alternativen. Auch bei den fondsgebundenen Rentenversicherungen gibt es güns­tigere Angebote mit besserer Fonds­auswahl. Und wer möglichst flexibel mit Fonds fürs Alter sparen möchte, sollte auch die bewährte Anlage-Methode von Finanztest in Betracht ziehen: Mit unserem Pantoffel-Portfolio sparen Sie bequem und nutzen gleich­zeitig Rendite­chancen.

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • uachtaran am 23.11.2020 um 17:28 Uhr
    Geht es hier überhaupt um die Versicherung?

    Lustig auch: Wenn man auf den in einer Werbung angezeigten Link volks-rente.de geht, wird einem diese „Warum sehe ich bild.de nicht?“-Seite und die Aufforderung angezeigt, den Adblocker abzuschalten oder „bildsmart“ zu abonnieren. Also geht es hier wirklich um die Versicherung oder doch darum, Bild.de-Abos zu verkaufen? Sehr schlecht gemacht jedenfalls.

  • andreas.nicola am 18.11.2020 um 15:27 Uhr
    Solvenz der Neuen Leben laut BdV "rot"

    Ganz wichtig in Zusammenhang mit (Alters-)Vorsorgeprodukten finde ich auch die Bewertung der Finanzkraft der Versicherungsgesellschaft.
    Viele Versicherer stehen vor der Frage, was geschehen soll, wenn die hohen Garantiezinsen aus der Vergangenheit ihr Eigenkapital so weit hat abschmelzen lassen, dass sie die zugesagten Leistungen nicht mehr erbringen können. Laut Bund der Versicherten stehen hier schon rund 20 Versicherer unter "intensivierter Aufsicht" der Bafin, wie die Antwort der Bundesregierung auf eine parlamentarische Anfrage der AfD zeigt.
    Der BdV veröffentlicht hierzu jährlich eine Analyse. Auch hierbei schnitt die Neue leben LV AG zuletzt nicht gut ab. Die Solvenz wurde "rot" (=Handlungsbedarf) bewertet. Quelle: https://www.bundderversicherten.de/fbfiles/SFCR19-Analyse-2019-0907.pdf