![Crowdfunding-Plattform Bergfürst - Chef zuerst, Crowd danach](https://cdn.test.de/file/image/72/11/a36087a8-45d7-4552-8c4b-cb1c26df449b-web/6083329_crowdfunding-guido-sandler-bergfuerst-f2402045.jpg)
Guido Sandler. Der promovierte Betriebswirt ist Mitgründer und Chef der Bergfürst AG. Im Vorstand des Bundesverbandes Crowdfunding ist er vor allem für Regulierungsthemen zuständig. Das Foto zeigt Sandler im November 2013 in seinem Büro in Berlin. Bergfürst kam damals mit einem Crowd-Projekt in den Medien vor, das als größtes Europas galt: Aktien von Urbanara Home für 3 Millionen Euro. © imago images / Christian Kielmann
Der Chef der Crowdfunding-Plattform Bergfürst hatte bei einem Projekt wirtschaftliche Interessen, die über die Vermittlerrolle seiner Plattform hinausreichten.
Auf der Crowdfunding-Plattform Bergfürst stellt sich Gründer und Chef Guido Sandler als „risikoaverser Risiko-Anleger“ vor, bereit, „kalkulierbare Risiken einzugehen, wenn die Chancen in einem angemessenen Verhältnis stehen“. Wie er vorging, zeigt ein Beispiel:
Seine Guido Sandler Verwaltungs GmbH (GSV) lieh der heute aufgelösten Q135 projects & development Hotel Laxenburg GmbH (Q135) aus Berlin Geld. Die Q135 bot dann Anlegern über Bergfürst ihr Projekt „Courtyard Hotel Laxenburg – Österreich“ an. Wer sich beteiligte, erfuhr nicht, dass Sandler wirtschaftliche Interessen hatte, die über die Vermittlerrolle seiner Plattform hinausreichten. Unterlagen, die Finanztest vorliegen, zeigen aber, dass die Crowd zudem trotz geringerer Renditechancen höhere Risiken trug als Sandlers Firma.
Unsere Fragen an Sandler und Bergfürst zu den Vorgängen beantwortete ein Rechtsanwalt für die Bergfürst AG. Er begründete das Scheitern des Hotelprojekts in Laxenburg mit „operativen Rechtsstreitigkeiten“, die Bergfürst weder vorhersehen konnte noch verschuldet habe. Auf Sandler und die GSV ging er nicht ein.
Die Probleme bei Bergfürst sind ein Beispiel dafür, welche Schwierigkeiten es bei Crowdfundings geben kann.
Hypothek sollte Sicherheit bieten
Die Crowd konnte ab Mitte Dezember 2018 Forderungen über 2,4 Millionen Euro aus einem Bankdarlehen an die Q135 als Vermögensanlage kaufen und 6,5 Prozent Zinsen pro Jahr bis Ende Juni 2021 erhalten. Zudem wollte Q135 zusätzlich einen Baukredit bei einer Bank aufnehmen und von Frühjahr 2019 bis Ende 2020 ein Hotel in Laxenburg bei Wien errichten.
Der Bau war laut dem Exposé, das Anlageinteressenten das Projekt vorstellte, genehmigt und die Vermögensanlage „durch eine Hypothek und persönliche Bürgschaften besichert“. Die Hypothek werde bestellt und im Grundbuch eingetragen, rutsche aber später im Rang hinter die für das Baudarlehen.
Höherer Zinssatz als für die Crowd
Vom Crowd-Kapital dienten laut Exposé 1,1 Millionen Euro dazu, den Grundstückskauf zu refinanzieren. Dass diese Summe der GSV zustand, ging aus den Unterlagen nicht hervor. Sandler hatte als GSV-Geschäftsführer Anfang Dezember 2018 einen Darlehensvertrag mit Q135 unterschrieben, er liegt Finanztest vor. Laut Handelsregisterdokumenten aus den Jahren 2017 und 2019 hielt er alle GSV-Anteile.
Für den Kredit waren Hypotheken, Grundschulden und Bürgschaften zu stellen. Q135 musste ihn spätestens Ende Mai 2019 an GSV zurückzahlen. Sandler vereinbarte 12,5 Prozent Zinsen pro Jahr, fast doppelt so viel wie die 6,5 Prozent pro Jahr für die Crowd – trotz kürzerer Laufzeit, der vorgesehenen Ablösung durch das Crowdfunding-Geld und umfassenderer Sicherheiten.
Nicht in Unterlagen für Anleger erwähnt
Dass eine Firma des Bergfürst-Chefs so involviert war, stand weder im Vermögensanlagen-Informationsblatt (VIB), das Bergfürst laut Emissionsvertrag unter Beteiligung von Q135 erstellte, noch in den Anlagebedingungen. Auch nicht im Exposé und im Investment Memorandum, für die Bergfürst laut Vertrag Muster zu liefern hatte und bei der Erstellung mit Q135 zusammenarbeiten sollte. Im Memorandum hieß es nach einer Beschreibung der Rolle von Bergfürst: „Weitere Interessen einschließlich möglicher Interessenkonflikte vonseiten natürlicher und juristischer Personen, die für das Angebot von wesentlicher Bedeutung sind, gibt es nach Kenntnis der Emittentin nicht.“
Die Bergfürst AG betonte dazu, alle Informationen von der Emittentin „auf der Plattform für die Anleger sorgfältig und vollständig bereitgestellt“ zu haben. Unvollständige oder falsche Angaben der Emittentin seien nicht bekannt. Alle gesetzlichen Anforderungen an die Transparenz nach dem Vermögensanlagegesetz seien eingehalten.
Die ehemaligen Q135-Geschäftsführer wollten sich auf Nachfrage zu keinem der geschilderten Vorgänge äußern.
Bau konnte nicht beginnen
Was in den Dokumenten für Anleger nicht stand: Das Grundstück durfte laut Kaufvertrag vor Baubeginn nicht belastet werden. Im Investment Memorandum wurde zwar gewarnt, Sicherheiten könnten nicht rechtzeitig rechtskräftig bestellt werden. Dass eine Vertragsklausel die Eintragung verhindern könnte, war aber nicht zu erkennen.
Der Kaufpreis für das Grundstück wurde hinterlegt. Das Eigentum wurde aber nicht auf Q135 umgeschrieben und keine Hypothek eingetragen. Ohne Sicherheiten ließ sich der Hotelbau nicht finanzieren.
Aus dem Hotel-Projekt wurde nichts
Bergfürst stellte weiter Gebühren für das Projekt in Rechnung. Was Anleger später von Q135 erfuhren: Der Großteil des Crowd-Kapitals blieb auf einem Emissionskonto, das die Sicherheitentreuhänderin Bergfürst Service GmbH, heute THV 1 Berlin GmbH, verwaltete. Deren Geschäfte führt Sandler mit. Der Teil für die im Exposé angekündigte Ablösung des Darlehens für den Grundstückskauf floss indes vom Emissionskonto ab. Warum, obwohl die für die Besicherung der Anleger vorgesehene Hypothek noch gar nicht eingetragen war? THV1 könne und dürfe zu konkreten Vorgängen typischerweise „aus Verschwiegenheitsgründen keine Angaben machen“, hieß es dazu von Bergfürst.
Die Crowd bekam bis Ende 2019 ihre Zinsen, zum Teil finanziert durch ein Darlehen der GSV. Für die Anleger schien alles zu laufen. Laut Anlagebedingungen waren sie bei Verzögerungen um drei Monate oder mehr unverzüglich zu informieren.
Sie erfuhren erst im September 2020, dass aus ihrem Projekt nichts werden würde: Die Gemeinde habe um den Rückerwerb des Grundstücks gebeten. Der Preis reiche aber voraussichtlich für das Emissionsvolumen samt fälliger Zinsen aus. Von wegen: Im Folgejahr erhielten die Investoren 1,8 Millionen Euro zurück, 75,6 Prozent ihres Einsatzes. Da die Q135-Geschäftsführer für eine halbe Million Euro gebürgt hatten, hätten Anleger ihren Einsatz fast wiederbekommen können.
Hoher Abzug für Aufwendungen
Ihre Sicherheitentreuhänderin THV 1 begnügte sich aber in einem gerichtlichen Vergleich mit den Geschäftsführern mit 30 000 Euro. Sie zog gut 11 000 Euro für „Aufwendungen für die Rechtsverfolgung“ ab und zahlte nur knapp 19 000 Euro an die Crowd. Das erhöhte die Verwertungsquote für die Anleger nur um 0,8 Prozentpunkte auf 76,4 Prozent. Mit gezahlten Zinsen und Boni errechnet Bergfürst insgesamt 92,5 Prozent Geldrückfluss.
Die Q135-Chefs hatten auch gegenüber der GSV Bürgschaften abgegeben. Diese klagt sie nun unter ihrem geschäftsführenden Gesellschafter ein. Auch hier können die Interessen Sandlers als Geschäftsführer der Sicherheitentreuhänderin einerseits und der GSV andererseits kollidieren.
Bergfürst bedauert das Scheitern des Projekts. Der Anwalt teilt mit, rechtliche Risiken aus Immobiliengeschäften könnten weder vorausgesehen noch ausgeschlossen werden. Es habe sich das hohe Risiko realisiert.
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