Elektrogeräte verbrauchen im Alltagsbetrieb oft mehr Strom als auf dem EU-Energielabel angegeben. So das Fazit einer Studie von vier Umweltverbänden. Weil die Prüfungen nach EU-Norm meist wenig praxisnah sind, geht die Stiftung Warentest bei ihren Tests daher stets von einem typischen Nutzungsverhalten aus – und kommt dabei zu ähnlichen Ergebnissen wie die Autoren der Studie. Das zeigen unsere Tests von Kühlschränken, Backöfen und Waschmaschinen.
Studie: Realer Stromverbrauch oft höher als laut EU-Label
Von A bis G reichen die bunten Pfeile auf dem Energielabel der Europäischen Union. Bei Waschmaschinen, Kühlschränken oder anderen Haushaltsgeräten steht immer noch der absolute Verbrauch pro Jahr in Kilowattstunden daneben. Und das Fassungsvermögen. Doch stimmen die Angaben auf dem Label mit der Praxis überein? Aktuell haben vier europäische Umweltverbände Geräte getestet. Die Studie (Closing the ‚Reality Gap‘ - Ensuring a Fair Energy Label for Consumers) beschäftigt sich mit Kühlgeräten, Fernsehern und Geschirrspülern. Eines ihrer wichtigsten Ergebnisse: Der Stromverbrauch weicht in der realen Welt meist nach oben ab, im Extremfall um das Doppelte.
Konstant kalte Kühlschränke
Die Stiftung Warentest kommt immer wieder zu ähnlichen Ergebnissen. Deshalb prüft sie bei ihren Tests schon seit langem strenger als die Norm es verlangt, wenn sie das für sinnvoll hält. Bei Kühlschränken etwa schreibt die EU-Norm den Prüfinstituten vor, den Stromverbrauch mit leerem Kühlfach zu testen, ohne Ware und bei einer Außentemperatur von 25 Grad. Die Stiftung Warentest ermittelt den Stromverbrauch bei Raumtemperaturen von 10, 25 und 32 Grad. Wir testen mit bereits halbgefülltem Kühlfach und legen dann noch pro 100 Liter Kühlschrankvolumen 10 Kilo Kühlgut mit einer Temperatur von 25 Grad hinzu. Das entspricht einem Wochenendeinkauf. Dieser muss im Alltag ja erst noch heruntergekühlt werden. Die Hersteller messen mit ihrem unberührten leeren Kühlschrank allerdings nicht falsch – sie halten sich nur an die praxisferne Norm. Bei unseren Messungen von 110 Kühlschränken samt Wochenendeinkauf verbrauchen die Geräte im Mittel 16 Prozent mehr als bei der Messung gemäß EU-Norm. Bei einzelnen Kühlschränken liegt die Abweichung indes weit höher. Insgesamt ist der Stromverbrauch bei Haushaltsgeräten in den vergangenen Jahren aber gesunken.
Tipp: Testergebnisse zu energiesparenden Geräten zeigt unser Produktfinder Kühlschränke.
Leergeräumte Backöfen
Bei Ofenröhren wird eine zweite Eigenheit der Labelvorschriften deutlich: Oft werden bestimmte Formeln zur Einstufung herangezogen, wie etwa Energieverbrauch pro Ladevolumen. Bei Backöfen gibt es deutliche Unterschiede zwischen dem „Norm-Verbrauch“ und dem Stromverbrauch unter realen Bedingungen in der Küche. Denn für die Label-Einstufung ist der Energieverbrauch pro Garraumvolumen maßgeblich. Dabei ist es laut EU-Norm erlaubt, die Einschubsysteme und Gitter aus dem Ofen zu nehmen. Das vergrößert das Volumen und verkleinert damit den errechneten Verbrauch pro Volumen. Ebenfalls im Sinne der Anbieter: Ob der Ofen das Label A+ oder B erhält, richtet sich nach dem sparsamsten Programm des Geräts – bei manchen Herstellern ein wenig genutztes Spezialprogramm. In häufig genutzten Programmen mit Heißluft oder auch Ober- und Unterhitze lag der Verbrauch im Test dann höher, bei manchen Modellen entsprach das zwei Labelklassen. Backt ein Ofen nach der Labelklasse B statt A+, braucht er 1,6-mal mehr Energie. Dass viele Backofen-Benutzer in der Praxis öfter einen Braten oder einen Auflauf in den Ofen schieben, also deutlich mehr Energie brauchen, berücksichtigt die EU-Norm nicht.
Tipp: Unser letzter Test von Einbaubacköfen zeigt: Nur wenige Öfen arbeiten auf Knopfdruck gut.
Waschmaschinen laufen auf Langzeit
Wichtig ist der Energieverbrauch bei Waschmaschinen. Denn sie laufen häufig 100-mal im Jahr, manchmal auch öfter. Hier stellt der Verbraucher eine Temperatur und eine Wäscheart ein („60 Grad Baumwolle“ etwa) und erwartet ein sauberes Ergebnis. Die Stiftung Warentest bezieht bei ihren Tests nicht nur das EU-Label-relevante Energiesparprogramm für 60 Grad mit ein, sondern auch weitere 40- und 60-Grad-Programme sowie den Standby-Verbrauch. Hauptunterschied zwischen Eco- und Normal-Programmen: Die Sparprogramme laufen länger, oft eine ganze Stunde. Dadurch wirkt das Waschmittel länger ein. Zudem hat die Waschlauge im Eco-Modus gar nicht die genannten 40 oder 60 Grad, sondern weniger. Die Waschwirkung ist meist die gleiche wie bei kürzerem Waschen mit höherer Temperatur.
Tipp: Ob Frontlader oder Toplader – in unserem Produktfinder Waschmaschinen finden Sie das passende Gerät.
Ist das Label irreführend?
Dem Label ist die Temperatur und die Dauer des Waschgangs egal, es fragt nach dem Energieverbrauch pro gewaschenem Kilogramm Wäsche. Und zwar nur in den Energiesparprogrammen. Die vielen anderen Programme moderner Geräte bleiben für die Label-Auszeichnung unberücksichtigt. Kurzwaschprogramme bei Waschmaschinen oder auch Automatikprogramme bei Geschirrspülern benötigen aber immer wesentlich mehr Strom als der Eco-Modus, oft liegt der Mehrverbrauch bei 50 Prozent. Die Hersteller halten sich meist an die EU-Norm, der Verbraucher nutzt die Geräte jedoch in der Regel anders. Das Label gibt zwar einen Anhaltspunkt, ob ein Gerät viel oder wenig Energie verbraucht. Wie viel genau das ist, hängt jedoch auch von der Praxis in Küche, Bad und Keller ab.
Maschine oft nicht voll beladen
Wichtig für den Energieverbrauch pro Kilogramm Wäsche ist übrigens neben der Programmwahl auch die Beladung: Ist die Maschine nur halb voll, steigt der Stromverbrauch pro Kilogramm Wäsche etwa um die Hälfte – egal ob im Eco- oder Normal-Programm. Dies gilt ähnlich für Geschirrspüler. Wer also nicht warten will oder kann, bis eine Maschine voll ist, dem hilft auch ein noch so praxisnahes EU-Label wenig.
Tipp: Wo Prüfer der Stiftung Warentest von den Normen abweichen und was sie gegebenenfalls tun, um Täuschungsmanöver bei Produkttests zu entlarven, zeigt unsere Untersuchung So kommt die Stiftung Warentest Tricksern auf die Spur.
Fazit: Mehr an der Praxis orientieren
Grundsätzlich geben die Energielabel eine grobe Orientierung, in welcher Energiesparklasse ein Gerät angesiedelt ist. Unsere Tests der vergangenen Jahre bestätigen aber tendenziell die Feststellungen der europäischen Umweltverbände: In der Praxis verbrauchen viele Geräte mehr Strom als das jeweilige Energielabel vermuten lässt. Manche Hersteller nutzen die Möglichkeiten der Label-Vorschriften stärker aus als andere. Dann weichen die Angaben auf dem Label und der reale Verbrauch oder das tatsächlich nutzbare Volumen stärker voneinander ab. Die aktuelle Debatte um die EU-Label führt einmal mehr vor Augen, dass die Energielabel-Kriterien für Verbraucher intransparent sind – und zu wenig praxisnah.
Newsletter: Bleiben Sie auf dem Laufenden
Mit den Newslettern der Stiftung Warentest haben Sie die neuesten Nachrichten für Verbraucher immer im Blick. Sie haben die Möglichkeit, Newsletter aus verschiedenen Themengebieten auszuwählen.
-
- Seit März 2021 gilt ein strengeres Energielabel für Kühlschränke, Geschirrspüler, Waschmaschinen und Fernseher. Die Klassen A+ bis A+++ verschwinden. Wir klären auf.
-
- Was einmal kaputt ist, bleibt meist auch kaputt – das zeigt eine nicht-repräsentative Umfrage der Stiftung Warentest mit mehr als 10 000 Teilnehmern. Abgefragt hatten...
-
- Einfach Kugel in den Trockner und Energie sparen, sagt die Werbung. Aber klappt das auch? Wir testeten zwei Trocknerball-Sets. Die erhoffte Wirkung blieb aus.
Diskutieren Sie mit
Nur registrierte Nutzer können Kommentare verfassen. Bitte melden Sie sich an. Individuelle Fragen richten Sie bitte an den Leserservice.
Kommentarliste
Nutzerkommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.
@UlrikeSM: Informationen zu unserer Prüfmethodik finden Sie unter https://www.test.de/Kuehlschraenke-im-Test-4735177-4735180/
Weil die Prüfungen nach EU-Norm meist wenig praxisnah sind, geht die Stiftung Warentest bei ihren Tests stets von einem typischen Nutzungsverhalten aus und kommt zu anderen Ergebnissen. Der Stromverbrauch weicht in Wirklichkeit meist nach oben ab. Wir prüfen strenger als die Norm es verlangt und kommen zu dem Fazit, dass viele Geräte in der Praxis mehr Strom verbrauchen als das jeweilige Energielabel vermuten lässt.
Seit März 2021 gilt ein strengeres Energielabel: https://www.test.de/Neue-Energielabel-Das-bringt-der-Etikettenwandel-5675849-0/
Hier finden Sie die zugrunde liegende Verordnung und Messmethoden der EU-Verordnung: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/HTML/?uri=CELEX:02019R2016-20210501&qid=1689773748081
Naja
wenn Sie den Kühlschrank Stromverbrauch anders messen, als das Energie Label
wen sollte das irgendwas nützen?
wenn Sie dann wenigstens noch dazu schreiben würden bei welcher Temperatur
und wo Sie die Werte ermitteln,
und bei welcher Temperatur das Label den Stromverbrauch misst,
und vielleicht noch erfahren würden ,wie oft sind die Tür dann auf und zu machen,
oder sowas,
dann könnte man damit was anfangen ,
aber nur mit der Information dass sie noch 3 kg Kotelett reinpacken
was soll ich damit anfangen was soll mir das bringen ?
Ich kann nicht nachvollziehen, warum die Waschmaschinen oder Spülmaschinen ihre Verbrauchswerte auf einem Display nicht anzeigen können. Die meisten Maschinen haben ja ein Display, welches Programme und die Laufzeit anzeigen. Warum werden solche praktischen Hilfsmittel nicht verpflichtend für die Hersteller? Im Auto ist dies schon standard. Dies fände ich sehr praktisch.
Kommentar vom Administrator gelöscht. Grund: Mehrfacher Post gleichen Inhaltes
@surfer-ms:
Wenn die Wama nur halb voll ist, läuft weniger Wasser rein und das gleiche Programm läuft gegenüber der vollen Beladung etwas kürzer. Einspareffekt ja, aber gering.
Das kann man auch allein schon mathematisch/logisch belegen:
Bei der Wama wird für das EU-Energielabel ausschließlich das 60 Grad Eco-Programm herangezogen. Andere Programme spielen keine Rolle.
Tests haben ergeben, dass bei dem 60 Grad Eco-Programm keine Waschmaschine 60 Grad erreicht, überwiegend ca. 40 - 45 Grad. Dafür läuft das Eco-Programm je nach Maschine bis zu 1 Stunde länger als das Normalprogramm. Trotzdem wird durch die längere Laufzeit in Verbindung mit der niedrigeren Temperatur in der Summe Energie gegenüber dem Normalprogramm eingespart.
Wenn das Eco-Programm trotz längerer Laufzeit Energie spart, kann die verkürzte Laufzeit bei halber Beladung nicht viel ausmachen. Höchstens das etwas weniger Wasser erhitzt werden muss. Darauf hat aber auch die Wassertemperatur beim Zulauf auch Einfluss.