Energieversorger pleite Zählerstand sichern, nicht mehr zahlen

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Energieversorger pleite - Zählerstand sichern, nicht mehr zahlen

Kommt die Nach­richt, dass der Versorger pleite ist, sollte man schnell den Zählerstand fotografieren. © mauritius images / Westend61 / pure.passion.photography

Ist ein Strom- oder Gasversorger insolvent, sollten Kundinnen und Kunden rasch handeln. Stiftung Warentest sagt, was zu tun ist. Neu: BEV-Kunden erhalten Neukundenbonus.

Geht ein Energieanbieter insolvent oder liefert keine Energie mehr, kann das betroffene Kundinnen und Kunden erschre­cken. Wirk­liche Sorgen muss sich aber niemand machen, denn jeder Haushalt wird dann trotzdem durch­gängig mit Strom oder Gas versorgt. Er rutscht auto­matisch in die Ersatz­versorgung des örtlichen Grund­versorgers. Der Grund­versorger ist der Anbieter, der im Netz­gebiet den meisten Haushalten Strom oder Gas liefert – meist ist es das örtliche Stadt­werk. Die Ersatz­versorgung dauert längs­tens drei Monate. Während dieser Zeit können Kundinnen und Kunden ohne Einhalt einer Kündigungs­frist zu einem neuen Anbieter wechseln.

Verschiedene Preise in der Grund- und Ersatz­versorgung

Seit einer ­Gesetzes­änderung im Sommer 2022 können Grund­versorger von einem Liefer­stopp betroffene Kunden etwas schlechter behandeln. Denn seither dürfen sie in der sogenannten Grund­versorgung im Vergleich zur Ersatz­versorgung unterschied­liche ­Preise aufrufen. Der Preis­unterschied kann je nach Anbieter durch­aus gut 20 Cent pro Kilowatt­stunde betragen.

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Ersatz­versorgung nur im Notfall

Ärger gibt es immer mal wieder darüber, in welchen Fällen ein Haushalt in die teurere Ersatz­versorgung einzustufen ist. Die Bundesnetzagentur hat klar­gestellt, dass es sich bei der Ersatz­versorgung um eine Notversorgung handelt. Haushalte, die selbst ihren Vertrag kündigen, oder eine frist­gerechte Kündigung vom Versorger erhalten haben, gehören nicht in die Ersatz­versorgung.

Was Kunden bei einer Insolvenz tun müssen

Zählerstand dokumentieren. Kommt die Nach­richt, dass der Versorger die Lieferung einstellt, sollte man umge­hend den Zählerstand fotografieren. So lässt sich später die Schluss­rechnung des insolventen Anbieters nach­voll­ziehen und beweisen, mit welchem Zählerstand die Ersatz­versorgung startet.

Zahlungen einstellen. Betroffene Kundinnen und Kunden sollten die Einzugs­ermächtigung beim insolventen Anbieter zum entsprechenden Termin widerrufen oder den Dauer­auftrag kündigen. Nach Eröff­nung des Insolvenz­verfahrens müssen ausstehende Guthaben und Boni über den Insolvenz­verwalter zu Insolvenz­tabelle angemeldet werden. Ist das Insolvenz­verfahren abge­schlossen, erhalten die Kunden meist nur einen kleinen Teil ihres Guthabens zurück – und das oft erst Jahre später.

Mehrere Insolvenzen vor zwei Jahren

Im Jahr 2021 hatten sechs kleinere Energieversorger Insolvenz angemeldet und ihre Energielieferungen einge­stellt. Zuletzt war es Ende Dezember 2021 Neckermann Strom aus Norder­stedt, ein Ökostrom- und Gasanbieter mit damals 13 000 Kunden.

Mehr als 330 000 Haushalte von der BEV-Insolvenz betroffen

Anfang Januar 2019 hatte die Bayerische Energieversorgung (BEV) Insolvenz angemeldet und alle Lieferungen gestoppt. Das Insolvenz­verfahren läuft noch. Betroffen sind mehr als 330 000 Kunden.

Verfahrens­dauer. Der Insolvenz­verwalter hat angekündigt, dass das Geld zwar reicht, um die Kosten des Verfahrens zu bezahlen, nicht aber alle Schulden („Masseun­zuläng­lich­keit“). Kunden müssen daher damit rechnen, nur einen Teil ihres Geldes zurück­zubekommen – und das auch erst nach Ende des Insolvenz­verfahrens, was noch Jahre dauern wird.

Neukundenbonus. Der insolvente Energieversorger BEV hatte mit attraktiven Neukundenboni gelockt, die er in der Schluss­rechnung vieler Kundinnen und Kunden dann jedoch nicht berechnete, weil angeblich eine Mindest­vertrags­lauf­zeit dafür Voraus­setzung war. Bei vielen führte das zu Nach­forderungen von 100 bis 200 Euro. Der Bonus wurde zu Unrecht verweigert, hat der Bundes­gerichts­hof nun am 27. Juli 2023 entschieden: Wurde ein Neukundenbonus versprochen, ist dieser auch zu zahlen (Az. IX ZR 267/20). Geklagt hatte der Verbraucherzentrale Bundes­verband (vzbv) mit einer Muster­fest­stellungs­klage, der sich 2019 mehr als 5 000 ehemalige BEV-Kundinnen und -Kunden ange­schlossen hatten.

Tipp: Informationen über den Stand des Insolvenz­verfahrens finden Sie auf der Seite bev-inso.de.

Auf kommunale Energieversorger setzen

Bisher sind nur private Versorger pleite gegangen, zum Beispiel Teldafax, Flex­strom, Neckermann Strom oder BEV (siehe auch Special Musterfeststellungsklage). Stadt­werke und andere kommunale Unternehmen haben ein geringes Insolvenzrisiko. Sie kalkulieren ihre Preise meist auch nicht so knapp wie Strom- oder Gasdiscounter. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, wählt einen kommunalen Anbieter.

Tarife von Stadt­werken und kommunalen Unternehmen

Entweder man sucht sich einen güns­tigen Tarif bei seinem Stadt­werk vor Ort, oder man schließt einen Vertrag bei einem anderen kommunalen Unternehmen ab. Viele haben eigene Marken gegründet, unter denen sie über­regional zu markt­fähigen Preisen Energie verkaufen. Hierzu gehört zum Beispiel die Marke Meck­pomm­STROM der Stadt­werke Schwerin oder die R(h)einpower, eine Marke der Stadt­werke Duisburg. Andere kommunale Unternehmen haben sich zusammen­geschlossen und Marken oder Firmen gegründet, die deutsch­land­weit am Markt sind, wie die Klickenergie GmbH, die den Stadt­werken Neuss und der NEW Nieder­rhein Energie und Wasser GmbH gehört.

Nicht immer über Vergleichs­portale zu finden

Einige kommunale Betriebe verkaufen ihre Tarife nicht über Vergleichs­portale, zum Beispiel die Berliner Stadt­werke. Die Portale zeigen einige dieser Tarife und Preise zwar an, wenn man die Voreinstel­lungen ändert. Um einen Vertrag abzu­schließen, müssen Interes­senten dann auf die Webseite des Anbieters gehen.

Tipp: Wie Sie auch bei steigenden Preisen den Durch­blick behalten, zeigt unsere Unter­suchung zu Vergleichsportalen für Strom und Gas.

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Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • picco1111 am 21.01.2022 um 08:09 Uhr
    BEV-Insolvenz - Geld reicht nur für den Verwalter

    Nach der Preiserhöhung der BEV vom 15.12.2018 hatte ich sofort per Einschreiben gekündigt, da die Erhöhung insgesamt 41 % betrug. Den letzten Einzug von 81,00 € habe ich über die Bank zurück gehen lassen. - Darauf kam eine Rechnung der BEV über 32,49 € für eine "unberechtigte Rücklastschrift", die ich nicht bezahlt habe. - Nach der Abrechnung zum 31.01.2019, musste ich leider feststellen, dass ich sogar die letzten 2 Abbuchungen hätte zurück geben können. - Ich habe mich danach an der Musterfestellungsklage gegen die BEV beteiligt und darin wurde festgestellt, dass ich eine Hauptforderung von 99,74 € noch hätte. -- Dies war am 30.08.2020 - Seit dieser Zeit ist keine Bewegung mehr im Verfahren gegen die BEV! Der Insolvenzverwalter arbeitet scheinbar so lange, bis das noch vorhandene Restvermögen aufgebraucht ist. Dies ist für mich als Laie eine seltsame Rechtsauslegung.

  • Loehnig am 25.03.2020 um 17:38 Uhr
    fehlerhafte Endabrechnung erhalten. Aufpassen!

    Meinen Stromliefervertrag mit BEV hatte ich bereits vor der Insolvenz zum 31.01.2019 gekündigt.
    Heute erhielt ich eine Endrechnung für Belieferung bis zum 31.01.2019. Diese kann jedoch nicht möglich gewesen sein, da mein Netzbetreiber ENSO den Netzzugang für BEV wegen "nicht vertragsgerechten Verhaltens" bereits zum 29.01.2019 / 24 Uhr gesperrt hatte.
    Die Rechnung habe ich beanstandet und die Forderung natürlich nicht beglichen. Wird nun sicher wieder einige Monate dauern, bis da was passiert. Also passt auf!

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 13.12.2019 um 12:31 Uhr
    Zum Insolvenzrisiko eines Stromanbieters

    @Ufemic: Verbraucher (und auch Fachleute) können nicht vorhersehen, ob ein Stromanbieter in einem Jahr gezwungen sein sollte, eine Insolvenz anzumeden. (maa)

  • Ufemic am 11.12.2019 um 16:32 Uhr
    woran erkennt man "faule" Unternehmen vorher?

    Ich habe momentan die SÜWAG aus Frankfurt im Auge.
    Geschäftsform AG & Co. KG, es haftet also nur die AG, keine Person.
    Wie kann man dieses Unternehmen beurteilen?
    Die Wechselhelfer sagen zwar, dass sie faule Eier bereits vorher aussortieren.
    Letztendlich trägt das Risiko der Auftraggeber.
    Besonders übel ist der Ausfall von Rabatten und Boni, die erst am Ende der
    Laufzeit ausgeschüttet werden. Beides habe ich bis jetzt ausgeklammert und
    werde das auch in Zukunft so handhaben.
    MfG

  • Klippenland am 16.11.2019 um 22:54 Uhr
    Warum kein einheitlicher Energiepreis?

    Auch ich war Kunde der BEV und jetzt Gläubiger. Eine Lehre zog ich daraus: Ich werde mich an dem Wechselkarrussel nicht weiter beteiligen. Im Grunde wäre ein einheitlicher Energiepreis für den jeweiligen Energieträger sinnvoll. Der Wettbewerb kann dann über Service und Vesorgungssicherheit geführt werden. Der größte Vorteil wäre ein Anreiz zum Energiesparen. Derzeit zahlen Energieintensive Unrenehmen etwa 7 - 13 cent/kwh. Privatleute zahlen ca. 25 bis 35 ct/kwh. Einheitlich 10 ct bzw. 30 ct/kwh würde zahlreiche komplizierte Regeln überflüssig machen. Wer weniger Ausgeben möchte, kann das mit Nachdenken und sparsame Techniken erreichen. Für die Schwankungen am Spotmarkt wäre die Einrichtung von Puffern denkbar. Überschüsse könnten in ernneuerbare Energien investiert werden. Das ginge auch bei Gas, Öl und anderen Enerieträgern.