Fahr­verbote in Innen­städten Wo Dieselfahrer draußen bleiben

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Fahr­verbote in Innen­städten - Wo Dieselfahrer draußen bleiben

Stick­stoff­belastung. Die Stadt München soll laut Verwaltungs­gerichts­hof auch für Euro 5-Diesel Fahr­verbote verhängen. Doch der Stadt­rat stimmte dagegen. © picture alliance / dpa / Sven Hoppe

Umwelt­schützer erzwangen Fahr­verbote für Diesel­autos. Etliche sind wieder aufgehoben. In München will das Verwaltungs­gericht mehr Sperrungen. Doch die Stadt weigert sich.

Aktuell

Das Verwaltungs­gericht in München urteilte: Das Diesel-Fahr­verbot in der bayerischen Haupt­stadt muss verschärft werden. An der Lands­huter Allee und der Moos­acher Straße werde der Stick­oxid-Grenz­wert nach wie vor über­schritten, die Stadt müsse das Dieselfahr­verbot verschärfen. Euro 4-Diesel sind in der Umwelt­zone ohnehin verboten. Das reicht nicht, urteilte das Verwaltungs­gericht auf eine neue Klage der Deutschen Umwelt­hilfe (DUH) hin.
Bayerischer Verwaltungs­gerichts­hof, Urteil vom 21.03.2024
Aktenzeichen: 22 A 23.40047 (nicht rechts­kräftig)
Kläger­anwalt: Remo Klinger, Berlin
Obwohl es im Urteil wörtlich heißt, dass die gesetzliche Regelung zur Luft­reinhaltung es „(...) gebietet (...), ein Dieselfahr­verbot fest­zusetzen, welches (...) auch Fahr­zeuge der Schad­stoff­klasse Euro 5/V umfasst“, stimmte die Mehr­heit im Münchener Stadt­rat dagegen. Statt­dessen beschloss das Stadt­parlament nur Tempo 30 für gut zwei Kilo­meter der Lands­huter Allee (Bundes­straße B2R und Teil des Mitt­leren Rings) nord­west­lich des Münchener Zentrums. Die Stadt ziehe gegen das Urteil vor das Bundes­verwaltungs­gericht, erklärte Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter. Die Stadt müsse es erst befolgen, wenn es nach der Entscheidung dort rechts­kräftig wird.

Fahr­verbote – wo, ab wann, für wen

Wie kam es zu Dieselfahr­verboten?

Auf Klagen der Deutschen Umwelt-Hilfe hin urteilte das Bundes­verwaltungs­gericht: Wo die Stick­oxid­konzentration in der Luft die EU-Grenz­werte über­schreitet, müssen die Länder ihre Luft­reinhaltepläne verschärfen und solche Gebiete für Autos und Lastwagen mit hohem Ausstoß des giftigen Gases sperren. Die beiden Grund­satz­urteile vom 27. Februar 2018 (Aktenzeichen 7 C 26.16 und Aktenzeichen 7 C 30.17) verpflichten die Behörden in Baden-Württem­berg und Nord­rhein-West­falen, die Luft­reinhaltepläne für Stutt­gart und Düssel­dorf so zu verschärfen, dass die Grenz­werte vor allem für Stick­oxid und Fein­staub so bald als möglich einge­halten werden. Das Bundes­immissions­schutz­gesetz schreibt entsprechende Maßnahmen vor, wenn die Schad­stoff­grenz­werte in der Luft über­schritten werden. Unstrittig ist, dass ein Groß­teil der Stick­oxide und des Fein­staubs in stark belasteten Innen­städten aus Diesel­motoren von Autos und Lastwagen stammen. Deshalb werden die verschärften Luft­reinhaltepläne nach den Urteilen des Bundes­verwaltungs­gerichts auch Fahr­verbote enthalten müssen.

Wo gelten aktuell noch Dieselfahr­verbote?

Darm­stadt:
Hügel­straße,
Heinrich­straße,

jeweils für Autos mit Diesel­motoren bis Schad­stoff­klasse Euro 5 und für Autos mit Benzin­motoren bis Schad­stoff­klasse Euro 2.

Stutt­gart:
Kern-Umwelt­zone für Autos mit Diesel­motoren bis Schad­stoff­klasse Euro 5, gesamte Umwelt­zone für Autos mit Diesel­motoren bis Schad­stoff­klasse Euro 4.

München:
Auf den Mitt­leren Ring erweiterte Umwelt­zone für Autos mit Diesel­motoren bis Euro 4 mit bestimmten Ausnahmen für Anwohner und Hand­werker.
Laut Verwaltungs­gericht München muss das Dieselfahr­verbot verschärft werden, weil die Stick­oxid-Konzentration an zwei Stellen immer noch über dem Grenz­wert von 40 Mikrogramm je Kubik­meter Luft liegt.
Bayerischer Verwaltungs­gerichts­hof, Urteil vom 21.03.2024
Aktenzeichen: 22 A 23.40047 (nicht rechts­kräftig)
Kläger­anwalt: Remo Klinger, Berlin

Warum sind die weiteren von Umwelt­schützern und Gerichten geforderten Fahr­verbote nicht gekommen?

Die Konzentration von Stick­oxid in der Luft ist inzwischen gesunken und liegt viel seltener als bisher über dem EU-Grenz­wert von 40 Mikrogramm je Kubik­meter Luft, berichtet das Umweltbundesamt. Neue Fahr­verbote werden dadurch weniger dringend und entsprechend unwahr­scheinlicher. Nach Einschät­zung von test.de werden auch sie auch an etlichen Stellen nicht kommen, wo die Verwaltungs­gerichte den Behörden rechts­kräftig aufgegeben hatten, Fahr­verbote konkret zu prüfen. An etlichen Stellen allerdings registrieren die Mess­stellen zeit­weise immer noch Stick­oxid­konzentrationen jenseits des Zulässigen.

Wie haben sich die Behörden verhalten?

Keine einzige Behörde hat von sich aus ein Dieselfahr­verbot verhängt. Sie kamen nur dort, wo die Deutsche Umwelt­hilfe (DUH) dies mit Klagen vor den Verwaltungs­gerichten erzwungen hat. Zuweilen half nicht mal das. Die Behörden in Baden-Württem­berg und Bayern mussten sogar Zwangs­gelder zahlen, weil sie die Verwaltungs­gerichts­urteile nicht umsetzten. Das einzige Fahr­verbot in Bayern kam erst, nachdem die Zuständig­keit für Fahr­verbote für München vom Land auf die Stadt wechselte und sich diese mit der DUH einigte.

Haben sich die EU-Gerichte inzwischen zu Fahr­verboten geäußert?

Ein Urteil direkt zu Fahr­verboten hat bisher kein EU-Gericht gefällt. Allerdings hatte das Gericht der Europäischen Union in Luxemburg indirekt Stellung genommen. Nach dem im Dezember 2018 verkündeten Urteil waren selbst­verständlich Fahr­verbote zu verhängen, wenn es nötig ist, um die Schad­stoff­grenz­werte in der Luft einzuhalten. Es erklärte auf eine Klage der Städte Paris, Brüssel und Madrid eine Verordnung der EU-Kommis­sion für nichtig. Darin hatte die Kommis­sion für den Schad­stoff­ausstoß im Fahr­betrieb erheblich höhere Grenz­werte aufgestellt, als EU-Parlament und -Rat sie zuvor fest­gesetzt hatten.
Gericht der Europäischen Union, Urteil vom 13.12.2018
Aktenzeichen: T-339/16, T-352/16 und T-391/16

Dieses Urteil hat der Europäische Gerichts­hof inzwischen aufgehoben. Zur Wirk­samkeit der von EU-Kommis­sion aufgeweichten Regeln äußerte sich das Gericht gar nicht mehr. Es urteilte: Die Städte waren nicht berechtigt, gegen die Regel­änderung zu klagen. Grund: Sie können ja für Autos mit hohem Stick­oxid-Ausstoß Fahr­verbote verhängen. Mit anderen Worten: Auch der Europäische Gerichts­hof hält Dieselfahr­verbote für zulässig.
Europäischer Gerichts­hof, Urteil vom 13.01.2022
Aktenzeichen: C-177/19 P, C-178/19 P und C-179/19 P
Einzel­heiten in der Pressemitteilung des Gerichts

Wie hatte sich die damalige Bundes­regierung verhalten?

Die Bundes­regierung wollte Fahr­verbote verhindern. Sie beschloss dazu eine ganze Reihe von Maßnahmen. Im Einzelnen:

Kein Verbot. Autos mit Schad­stoff­klasse Euro 4 und Euro 5 werden von Fahr­verboten verschont, wenn sie weniger als 270 Milligramm Stick­oxid je Kilo­meter Fahrt ausstoßen. Entsprechend nachgerüstete Autos dürfen auch in Fahr­verbots­zonen weiterfahren.

Tausch­prämie. Besitzer von Autos mit Euro 4 oder Euro 5 und über 270 Milligramm Stick­oxid-Ausstoß je Kilo­meter sollen eine Tausch­prämie erhalten. Voraus­setzungen: Sie wohnen in einer Stadt mit Dieselfahr­verboten. Oder sie arbeiten dort und wohnen in einem angrenzenden Land­kreis. Oder sie würden von einem Fahr­verbot aus anderem Grund besonders hart getroffen. Die Tausch­prämie soll den besonderen Wert­verlust ausgleichen, den Autos mit Diesel­motor durch die Debatte um ihren Schad­stoff­ausstoß erlitten haben. Sie soll auch für den Kauf eines sauberen Gebraucht­wagens einge­setzt werden können.

Nach­rüstungs­option. Sofern es sich um einen Wagen mit Euro 5 handelt, soll der Besitzer zusätzlich die Option auf Nach­rüstung haben. Die Hersteller selbst weigern sich, Nach­rüst­technik zu entwickeln. Mercedes, BMW und VW sind jedoch bereit, für Auto­fahrer in Dieselfahr­verbots-Regionen die Kosten von bis zu 3 000 Euro zu über­nehmen, wenn sie nicht bereits mit Tausch­prämie einen neuen Wagen bekommen haben.

Busse und Müll­wagen. Für die Nach­rüstung von schweren Kommunalfahr­zeugen wie Müll­wagen oder Straßenreinigungs­maschinen und für Hand­werker und Lieferfahr­zeuge soll es einen Zuschuss von 80 Prozent der Kosten geben. Das Kraft­fahrt­bundes­amt hat inzwischen eine ganze Reihe von Nachrüsttechniken zugelassen.

Begrenzter Wirkungs­kreis der Maßnahmen. Recht­lich gewagt: Die Maßnahmen galten nur für Städte, in denen die bisherigen Messungen eine Belastung der Luft mit über 50 Mikrogramm Stick­oxid je Kubik­meter Luft ergeben haben. Die damalige Bundes­regierung ging davon aus, dass Städte mit einer Belastung der Luft von durch­schnitt­lich nicht mehr als 50 Mikrogramm je Kubik­meter Luft den EU-Grenz­wert ohne Verkehrs­beschränkungen einhalten können. Die Rechts­experten der Stiftung Warentest konnten das damals nicht nach­voll­ziehen. Der EU-Grenz­wert liegt bei 40 Mikrogramm Stick­oxid je Kubik­meter Luft. Die Behörden in Brüssel haben ohnehin schon ein Vertrags­verletzungs­verfahren gegen die Bundes­republik Deutsch­land einge­leitet. Das Ober­verwaltungs­gericht in Münster hat bereits entschieden: Die Regelung, wonach Fahr­verbote nur zulässig sind, wo 50 und mehr Mikrogramm Stick­oxid in der Luft sind, verstößt gegen EU-Recht und ist deshalb unwirk­sam.
Ober­verwaltungs­gericht für das Land Nord­rhein-West­falen, Urteil vom 01.07.2019
Aktenzeichen: 8 A 2851/18

Kritik von Verbraucherschützern. „Leider bleiben wichtige Fragen weiterhin offen und zentrale Punkte vage“, hatte Klaus Müller moniert, damals noch Vorstand des Verbraucherzentrale Bundes­verband (vzbv). Vor allem blieb unklar, ob es einen individuellen Anspruch auf Nach­rüstung gibt. Die Deutsche Umwelt­hilfe (DUH) hatte den Regierungs­plan sogar als „doppelte Null­lösung“ bezeichnet. Die Rege­lungen waren aus Sicht des Umwelt­verbands nicht ausreichend, um Gesundheit und Umwelt so zu schützen, wie die EU-Grenz­werte es verlangen.

Was ist mit der damals beschlossenen Regelung im Bundes­immissions­schutz­gesetz, wonach Fahr­verbote nur zulässig sind, wenn 50 oder mehr Mikrogramm Stick­oxid je Kubik­meter Luft gemessen werden?

Die Regelung des § 47 Absatz 4a Satz 1 Bundesimmissionsschutzgesetz, die der Bundes­tag verabschiedet hatte, um Fahr­verbote zu verhindern, verstößt gegen EU-Recht und ist unwirk­sam. So hat es das nord­rhein-west­fälische Ober­verwaltungs­gericht entschieden. Zuvor hatten bereits zahlreiche Juristen das so gesehen. Gegen Deutsch­land läuft in Brüssel bereits ein Vertrags­verletzungs­verfahren wegen unzu­reichender Umsetzung der Luft­reinhalte-Richt­linien. Gleich­wohl: Die Regelung steht immer noch im Gesetz.
Ober­verwaltungs­gericht für das Land Nord­rhein-West­falen, Urteil vom 31.07.2019
Aktenzeichen: 8 A 2851/18

Fahr­verbote – weiterfahren mit Nach­rüstung

Kann ich meinen Euro 4- oder Euro 5-Diesel so nach­rüsten lassen, dass ich trotz Fahr­verbot weiterfahren darf?

Für einige Euro 5-Diesel ist die Nach­rüstung möglich, für Euro 4-Diesel generell nicht. Für etliche Audi-, BMW-, Mercedes-, Seat-, Skoda-, Volvo- und VW-Modelle mit TDI-Motoren hat das Kraft­fahrt­bundes­amt inzwischen Bausätze genehmigt. Der Stick­oxid-Ausstoß sinkt durch die Nach­rüstung auf maximal noch 270 Milligramm je Kilo­meter Fahrt.

Beachten Sie: Das Gesetz, wonach nachgerüstete Diesel mit einem Ausstoß von bis zu 270 Mikrogramm Stick­oxid je Kilo­meter trotz Dieselfahr­verbot weiterfahren dürfen, könnte gegen EU-Recht verstoßen. Für die Regelung, wonach Dieselfahr­verbote erst ab einer Belastung der Luft mit 50 und mehr Mikrogramm Stick­oxid verhängt werden sollen, hat das Ober­verwaltungs­gericht in Münster bereits so entschieden (s. o. Antwort auf die Frage „Was ist mit der Regelung, wonach Fahr­verbote erst ab 50 Mikrogramm Stick­oxid je Kubik­meter Luft zulässig sind?“). Ob die Regelung mit der freien Fahrt für nachgerüstete Motoren trotz Über­schreitung der EU-Abgas­grenz­werte für Stick­oxid noch vor Gericht kommt, ist allerdings nicht absehbar. test.de glaubt inzwischen nicht mehr daran.

Was kostet eine solche Nach­rüstung?

Laut ADAC kostet die Nach­rüstung von Euro 5-Diesel­motoren mindestens knapp 1 500 Euro. Der Anbieter des für BMW-, Mercedes- und Volvo-Modelle zugelassenen Systems nennt durch­schnitt­liche Kosten von 3 000 bis 3 600 Euro einschließ­lich Einbau. Für einen VW Passat nennt der Anbieter der bisher einzigen für diesen Auto­typ zugelassenen Technik einen Preis von 1 479 Euro. Hinzu kommen noch rund 300 Euro, die für den Einbau an die Werk­statt zu zahlen sind. Zumindest alle Vertrags­werk­stätten des jeweiligen Herstel­lers sollen ihn vornehmen können.

Bekomme ich Geld vom Hersteller oder vom Händler für die Nach­rüstung?

Jenseits von Darm­stadt, München und Stutt­gart mit ihren Fahr­verboten wohl kaum. BMW, Mercedes und VW haben versprochen, Besitzern betroffener Autos in Fahr­verbots­regionen bis zu 3 000 Euro für die Nach­rüstung zu zahlen. Die Förderung hängt aber von einer ganzen Reihe von Bedingungen ab.

Bei Autos mit illegaler Motorsteuerung oder bei Kredit­finanzierung haben Sie die Chance, recht­lich gegen Händler oder Hersteller vorzugehen, und so den Wagen komplett loszuwerden. Einzel­heiten dazu unter test.de/abgasskandal. Haben Sie Ihren Wagen mit einem Kredit finanziert, können Sie den Wagen nicht selten über den Widerruf des Kredit­vertrags noch wieder loswerden. Details dazu in unserer Meldung Autofinanzierung: Kreditwiderruf bringt Chance auf Rückgabe.

Fahr­verbote – Durch­setzung, Strafen & Entschädigungen

Was passiert, wenn ich gegen ein Fahr­verbot verstoße?

Die Buße für eine verbotene Fahrt in eine Umwelt­zone liegt seit Inkraft­treten von Gesetzes­änderungen im April 2020 inzwischen bei 100 Euro. Sogar 200 Euro sind fällig, wenn die zuständige Bußgeldbehörde oder Richter oder Richterin davon über­zeugt sind, dass Sie vorsätzlich gehandelt haben, also bewusst gegen das Verbot verstoßen haben. Wer das Schild „Verbot für Kraftwagen“ nicht beachtet hat, zahlt dagegen stets nur 50 oder – mit Anhänger, Wohn­mobil oder Bus 55 Euro und bei mehr als 3,5 Tonnen zulässigem Gesamt­gewicht 100 Euro.

Wie groß ist das Risiko, erwischt zu werden?

Das sollte für Sie keine Rolle spielen. Verbote gelten auch dann, wenn Verstöße nicht verfolgt werden. Das Bußgeldrisiko lässt sich – wie bei Verstößen gegen Verkehrs­regeln sonst auch – kaum einschätzen und wird von Ort zu Ort unterschiedlich sein. Polizei­beamte haben im Vorfeld erklärt, sie sähen sich nicht in der Lage, Fahr­verbote effektiv zu kontrollieren, da für sie oft nicht zu erkennen sei, ob ein Auto mit einem Diesel­motor neuester Bauart ausgestattet sei. Die Polizei in Hamburg hat Verkehrs­kontrollen vorgenommen und zahlreiche Bußgeld­verfahren einge­leitet.

Wenn die Polizei nicht einschreitet: Kann ich als Anwohner Verstöße gegen ein Dieselfahr­verbot unterbinden?

Ja, das geht unter bestimmten Umständen. Die Klage von Nach­barn einer Stutt­garter Spedition im Fahr­verbots­gebiet dort wies der Bundes­gerichts­hof (BGH) allerdings ab. Das flächen­deckende Fahr­verbot in Stutt­gart gebe ein solches Recht nicht her, argumentierten die Bundes­richter in Karls­ruhe. Remo Klinger, renommierter Hoch­schul­lehrer und Rechts­anwalt unter anderem der Deutschen Umwelt­hilfe (DUH), ergänzt: „Das eigentlich Spannende an der Entscheidung ist jedoch, was der BGH damit im Umkehr­schluss sagt: Wenn Verkehrs­beschränkungen individuell für bestimmte Straßen fest­gesetzt werden, können sie sehr wohl Schutz­gesetze sein, die die Anwohner gegen­über den sich illegal verhaltenen Verkehrs­teilnehmern durch­setzen können. Dies gilt etwa für Tempo 30-Straßen, vor allem vor Schulen. Das Urteil birgt daher erhebliches Potenzial, um Verkehrs­verstöße, die von Behörden systematisch nicht geahndet werden, zu unterbinden.“ Danach können Anwohner von punktuellen Fahr­verboten, wie sie aktuell noch in Darm­stadt und in München gelten, gegen Nach­barn klagen, wenn diese trotz Verbots dort mit ihrem Diesel fahren und so giftiges Stick­oxid produzieren.
Bundes­gerichts­hof, Urteil vom 14.06.2022
Aktenzeichen: VI ZR 110/21 (Weitere Einzel­heiten in der Pressemitteilung des Gericht)

Was kann ich tun, wenn ich aufs Auto angewiesen bin und wichtige Ziele nicht mehr erreiche?

Wenn Sie nicht auf Fahr­rad, Bus oder Bahn ausweichen können, sollten Sie nach­fragen, ob die Behörde zu Ihren Gunsten eine Ausnahme macht oder Ihnen eine Über­gangs­frist einräumt. Vielleicht werden Sie das Fahr­verbot auch durch Nach­rüstung Ihres Wagens abwenden können. Ansonsten bleibt Ihnen nur, sich ein anderes Auto anzu­schaffen, für das kein Fahr­verbot gilt. Vielleicht finden Sie in einer Gegend ohne Fahr­verbote jemanden, der seinen Wagen mit Ihnen tauscht.

Bekomme ich eine Entschädigung, wenn ich in vielen Innen­städten nicht mehr fahren darf?

Mit Entschädigungen können Sie als Besitzer eines von Fahr­verboten betroffenen Diesel-Autos nicht rechnen. Den mit Fahr­verboten verbundenen Wert­verlust müssen Sie hinnehmen. Das erklärten die Richter am Bundes­verwaltungs­gericht in ihrem Grund­satz­urteil zum Thema (s. o. die Antwort zur Frage: Wie kam es zu Diesel-Fahr­verboten?). Dafür dürfen Fahr­verbots­zonen erst für Autos verhängt werden, die mindestens vier Jahre alt sind. Vom Verkäufer und unter Umständen auch vom Hersteller des Wagens können Sie nur dann Erstattung vom Kauf­preis verlangen, wenn es sich um einen Wagen mit illegaler Motorsteuerung handelt. Einzel­heiten erläutern wir in unseren FAQ zum Dieselskandal. Haben Sie Ihren Wagen mit einem vom Händler vermittelten Kredit finanziert, können Sie den Wagen fast immer über den Widerruf des Kredit­vertrags noch wieder loswerden. Details dazu in unserem Bericht Autofinanzierung: Kreditwiderruf bringt Chance auf Rückgabe.

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Kommentarliste

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  • jes am 14.05.2020 um 12:26 Uhr
    Für welche Fahrzeuge werden Nachrüstsätze....

    Ich habe vergeblich versucht, von Twintec/Baumot eine Info zu bekommen, OB ÜBERHAUPT speziell auch mein o.g. Modell freigegeben wird, ich erwarte nicht mal eine Terminaussage (was natürlich super wäre!). Macht Twintec/Baumot für alle 200 Fahrzeuge die Freigaben???
    Vielleicht kann jemand was dazu sagen? Oder hat gute Connections zu Twintec/Baumot und fragt mal nach? Oder kann mir einen Tipp geben ?

  • jes am 14.05.2020 um 12:24 Uhr
    Für welche Fahrzeuge werden Nachrüstsätze....

    freigegeben?
    Ich habe aktuell den VW-Vergleich angenommen (den ich allerdings in den nächsten Tagen noch widerrufen kann), da ich meinen Audi A3 1,6l TDI gerne weiterfahren möchte, er hat nach 10 Jahren erst 140.000 Kilometer auf dem Tacho, außerdem habe ich ihn als Neuwagen gekauft und damals mit guter Ausstattung konfiguriert. Das macht für mich aber nur Sinn, wenn ich Nachrüsten lassen kann. Dazu kommt, dass ich in einer sog. Intensivstadt wohne, sodass ich dafür nach erfolgtem Einbau einen Zuschuss von Audi bekommen würde.
    Nun gibt es ja die Listen der vom KBA freigegebenen Nachrüstsätze, für die VW-Konzern-Fahrzeuge sind dies 2 ABEs (17313 + 17318) mit insgesamt fast 200 Fahrzeug/Motoren Kombinationen, davon sind nach Auflistung auf der Twintec/Baumot Seite erst 15 Fahrzeuge (VW und Skoda) freigegeben.

  • Ralf00010001 am 31.01.2020 um 00:10 Uhr

    Kommentar vom Administrator gelöscht. Grund: Unangemessener Umgangston

  • RemusRomulus am 20.08.2019 um 11:54 Uhr
    Das Teufelsdreieck.....

    ... bestehend aus Politik, Autobauer und DUH. Dieses pervide System sorgt nur für eins, Verunsicherung und keine Möglichkeit einer Planung der Verbraucher.
    Aus meiner Sicht müssten wir die Politik durch VERZICHT in die Knie zwingen. Ich habe 2017 einen neuen VW EU6 TDI gekauft. Der soll jetzt schon wieder alter sch.... sein. Bis dahin habe ich regelmäßig neue Autos gekauft. DAS ist jetzt vorbei. Dieses Auto fahre ich die nächsten 15-20 Jahre. Kein Geld mehr für die Autobauer. Ich lasse mich nicht mehr in diese Mühle knechten.
    Heute ist es der Diesel, morgen der Benziner, übermorgen wird dann das E-Fahrzeug verteufelt und Wasserstoff ist der Heilsbringer.
    Die heutige Politik steht nur noch für eins : Verunsicherung und Planlosigkeit.
    Nicht mehr mit mir.

  • Profilbild test.de-Redakteur_Herrmann am 30.07.2019 um 11:18 Uhr
    Re: Danke

    Sehr gern!