DSL-Anschlüsse Vodafone und 1&1 wollen mehr Geld

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DSL-Anschlüsse - Vodafone und 1&1 wollen mehr Geld

Erst Sonder­angebot, dann teuer: Zwei wichtige Telekom-Konkurrenten fordern mehr Geld. 1&1 legte vor, Vodafone zog nach. 1&1 lenkt bei Widerstand ein. Gegen Vodafone läuft jetzt eine Sammelklage. © Alamy Stock Photo / Schoening

Vodafone und 1&1 wollen mehr Geld für DSL- und TV-Kabel-Anschlüsse. test.de hält das für rechts­widrig. 1&1 lenkt bei Protest ein. Gegen Vodafone läuft eine Sammelklage.

Die Tele­kommunikations­anbieter Vodafone und 1&1 wollen von Millionen Fest­netz-Kunden mit DSL- oder TV-Kabel­anschlüssen mehr Geld. Sie berufen sich auf Rege­lungen in ihren Geschäfts­bedingungen. Doch die halten die Juristen der Stiftung Warentest für unwirk­sam und meinen: Zahlen muss nur, wer die Preis­erhöhung ausdrück­lich akzeptiert hat. Vodafone-Kunden können sich mit nur minimalem Aufwand einer neuen Verbraucher­schutz-Sammelklage anschließen. Unter test.de/sammelklagen erklären wir die Einzel­heiten. Der Ansturm ist groß. Schon in den ersten Tagen ab Start der Anmeldungen haben sich laut Bundes­amt für Justiz 63 343 Betroffene ins Klage­register einge­tragen.

1&1 findet alte Sonder­angebote inzwischen zu billig

Den Auftakt zu der Preis­erhöhungs­runde bei Fest­netz- und Internetanbietern machte 1&1. Mehrere test.de-Leser berichteten uns im Juni 2023: 1&1 will die Preise einseitig erhöhen, obwohl das nicht zulässig ist. Wir fragten nach und Unter­nehmens­sprecher Robin Schmidt erklärte uns: „Wir haben vor einiger Zeit gewährte Sonder­tarife und Rabatte im Rahmen von Preis­aktionen bei einigen Kunden­gruppen angepasst, deren Tarife deutlich unter unserem Listen­preis lagen.“ Davon seien einige Altverträge von DSL-Bestands­kundinnen und -kunden betroffen.

Das klang deutlich nach einseitiger Preis­erhöhung, wie sie seit einem Urteil des Bundes­gerichts­hofs vor zwei Jahren nicht mehr zulässig ist. In einem weiteren Satz ergänzte Robin Schmidt allerdings: „Kundinnen und Kunden haben dann die Möglich­keit, diese Änderung zu akzeptieren oder in Form einer Sonderkündigung abzu­lehnen.“ Das hatten wir zunächst so verstanden, dass es dem Unternehmen doch darauf ankomme, dass Kunden der Erhöhung zustimmen. Inzwischen hat sich 1&1 jedoch noch einmal bei uns gemeldet und seine Ansicht klar­gestellt: Das Unternehmen sieht sich berechtigt, die Preise einseitig zu erhöhen.

Preis­erhöhung nur mit ausdrück­licher Zustimmung

Tatsäch­lich heißt es in den 1&1-Geschäfts­bedingungen wörtlich: „1&1 hat das Recht, die Vertrags­bedingungen nach billigem Ermessen zu ändern. Ändert 1&1 die Vertrags­bedingungen einseitig, kann der Kunde (...) kündigen“. Ganz ähnlich bei Vodafone: „Vodafone ist berechtigt, bei einer Erhöhung ihrer Gesamt­kosten die Preise für die vertraglichen Leistungen nach billigem Ermessen (...) anzu­passen. (...) Erhöht Vodafone die Preise (...) einseitig, kann der Kunde den Vertrag ohne Einhaltung einer Kündigungs­frist (...) kündigen“, heißt es dort. Die Juristen bei test.de halten solche Klauseln für unwirk­sam. Denn es bleibt unklar, wann und unter welchen Voraus­setzungen die Preise steigen. Es fehlt außerdem eine Verpflichtung zur Preissenkung, wenn sich die Kosten verringern. Ganz ähnliche Rege­lungen in den Geschäfts­bedingungen von Netflix und Spotify haben das Land- und das Kammerge­richt in Berlin als unwirk­sam beur­teilt.

Netflix:
Land­gericht Berlin, Urteil vom 16.12.2021
Aktenzeichen: 52 O 157/21 (nicht rechts­kräftig)
Kammerge­richt Berlin, Urteil vom 15.11.2023
Aktenzeichen: 23 U 15/22 (nicht rechts­kräftig)

Spotify:
Land­gericht Berlin, Urteil vom 28.06.2022
Aktenzeichen: 52 O 296/21 (nicht rechts­kräftig)
Kammerge­richt Berlin, Urteil vom 15.11.2023
Aktenzeichen: 23 U 112/22 (nicht rechts­kräftig)
Beide Verfahren sind noch nicht rechts­kräftig abge­schlossen. Netflix und Spotify haben jeweils noch den Bundes­gerichts­hof angerufen. Die Rechts­experten der Stiftung Warentest halten das allerdings für aussichts­los und sind sich sicher: Die Richter in Karls­ruhe werden die Urteile bestätigen.

Spotify bat zuletzt um Zustimmung

Spotify hat aus der Pleite offen­bar gelernt. Bei zuletzt anstehenden Preis­erhöhungen bat das Unternehmen seine Kunden ausdrück­lich um Zustimmung. Sonst blieben die Preise unver­ändert. Spotify behielt sich allerdings vor, Verträge mit altem Preis zu kündigen.

Wider­spruch und Sammelklage lohnen

1&1 scheint seine Strategie selbst nicht so ganz ernst zu nehmen. Jedenfalls berichten test.de-Leser: Der 1&1-Kunden­service versicherte ihnen ausdrück­lich, dass es beim alten Sonder­angebots­preis bleibe, nachdem sie der Preis­erhöhung per E-Mail wider­sprochen hatten. Vodafone dagegen bleibt offen­bar hart. Auf test.de-Anfrage jedenfalls erklärte Unter­nehmens­sprecher Thorsten Georg Höpken: Vodafone sehe sich weiterhin berechtigt, die Preise einseitig zu erhöhen – auch schon inner­halb der Mindest­vertrags­lauf­zeit von oft zwei Jahren. Im Gegen­zug könnten Kunden sofort kündigen, auch wenn die Mindest­lauf­zeit noch nicht abge­laufen ist. Der Verbraucherzentrale Bundes­verband (vzbv) hält das wie wir für rechts­widrig und hat eine Sammelklage erhoben, um Vodafone zur Erstattung der rechts­widrigen Preis­erhöhung zu zwingen. Eine erst im Oktober in Kraft getretene Gesetzes­änderung macht es möglich. Betroffene Kunden können sich mit minimalem Aufwand anmelden. Unter test.de/sammelklagen erklären wir die Einzel­heiten. Wir gehen davon aus: Vodafone muss allen Betroffenen die rechts­widrigen Preis­erhöhungen erstatten. Hinzu kommen Zinsen in Höhe von aktuell 8,62 Prozent. Allerdings: Wahr­scheinlich ist viel Geduld nötig, wenn Vodafone nicht doch noch ein Einsehen hat. Zuständig ist das Ober­landes­gericht Hamm. Dort liegen noch vier andere Verbands­klagen. Die älteste davon erhob der vzbv bereits im Dezember 2021 und das Verfahren ist immer noch nicht abge­schlossen.

Bei Zahlung per Last­schrift

Zahlen Kundinnen und Kunden per Sepa-Last­schrift, können sie sich auch selbst helfen. Sepa-Last­schrift-Buchungen lassen sich acht Wochen lang ohne Angabe von Gründen stornieren, um sich rechts­widrige Gebühren­erhöhungen zurück­zuholen. Wir empfehlen, das aber erst zu tun, wenn die Anbieter die Erstattung trotz ausdrück­licher Forderung verweigert haben oder die Frist für die Rückgabe der Lastschrift schon fast abge­laufen ist.

Tipp: Bieten Sie in diesem Fall unbe­dingt so schnell wie möglich an, die vereinbarten geringeren Gebühren anschließend sofort wieder zu zahlen. Sie geraten sonst mit der Zahlung des mit dem jeweiligen Anbieter vereinbarten Preises in Verzug und kann der gegen sie recht­liche Schritte einleiten.

Risiko Kündigung

Klar ist: Die Anbieter sind berechtigt, DSL-Verträge von sich aus zu kündigen. Ob und unter welchen Umständen 1&1 und Vodafone das tun, wissen wir nicht. Es kann sein, dass Kundinnen und Kunden, die die Zustimmung zu veränderten Verträgen verweigern, über kurz oder lang die Kündigung bekommen. Dann ist aber auch der Weg zu güns­tigen Angeboten anderer Anbieter frei. Es gibt viele Alternativen.

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Kommentarliste

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  • testo22 am 16.05.2024 um 13:05 Uhr
    1&1-Kunden­service

    1&1 hat bei mir sogar während der Freimonate die Preise erhöht und plötzlich 5 € abgebucht. Ein schriftlicher Widerspruch mit Kündigungsandrohung wurde einfach ignoriert, genauso wie die Kündigung. 1&1 hat die perfide Masche alles zu ignorieren was Ihnen nicht passt. Mittlerweile bin ich dort raus, nie wieder 1&1, habe noch nie ein Unternehmen getroffen dass schlechter und unverschämter mit seinen Kunden umgeht.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 10.05.2024 um 09:57 Uhr
    Endverbraucher sind leider immer im Nachteil

    @Adamantan: Immerhin gibt es inzwischen automatische Verlängerungen der Vertragslaufzeit um ein oder sogar zwei Jahre nicht mehr. Nach Ablauf der ersten Vertragslaufzeit von höchstens 24 Monaten können Verbraucher immer mit einer Frist von höchstens einem Monat kündigen.

  • Adamantan am 09.05.2024 um 17:33 Uhr
    Endverbraucher sind leider immer im Nachteil

    Wieso habe ich als Kunde nicht das Recht, den Vertrag unterjährig nach billigem Ermessen zu kündigen? Nämlich dann, wenn ein Mitbewerber deutlich günstigere Konditionen anbietet?

  • suchender1 am 28.12.2023 um 10:50 Uhr
    Nachfrage zu "Bundesnetzagentur einschalten!"

    Hallo teldkm,
    bitte um die Info ob das nur eine Ankündigung war, dass Sie die Bundesnetzagentur einschalten werden.
    Wenn nein, haben Sie die Info von der Bundesnetzagentur schriftlich erhalten?
    Vielen Dank

  • d123456 am 30.10.2023 um 13:42 Uhr

    Kommentar vom Autor gelöscht.