Hühnerhaltung Mehr Überlebens­chancen für Bruderküken

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40 bis 50 Millionen männ­liche Hühnerküken werden hier­zulande bisher jedes Jahr nach dem Schlüpfen getötet. Grund: Sie können weder Eier legen noch viel Fleisch ansetzen. Bis Ende 2021 soll diese unethische Praxis nun verboten werden. Durch Geschlechts­erkennung sollen männ­liche Brut­eier künftig früher aussortiert werden. Hier erfahren Sie mehr über die politischen Pläne und über zahlreiche Initiativen, die sich dem Aufwachsen von „Bruderküken“ widmen.

Männ­liche Küken sind nicht rentabel

Legehennen sind, so besagt es der Name, zum Eierlegen da. Und das können naturgemäß nur Hennen, keine Hähne. Die Rassen, die für die Eierzeugung gehalten werden, eignen sich aber auch nicht wirk­lich zur Mast. Dafür gibt es eigene Mast­linien. Seit dem vergangenen Jahr­hundert ist es üblich, Hühner­rassen zur Eier- oder Fleisch­erzeugung zu züchten und zu halten. Damals stieg die Nach­frage nach Geflügel­produkten an.

Hähne aus Lege­linien, auch Bruderküken genannt, haben ein geringeres Wachs­tum und eine geringere Gesamt­fleisch­menge. Ihr Fleisch ist dunkler und fester. Auch wie das Fleisch am Körper verteilt ist, unterscheidet sich. Sie werden darum als unrentabel einge­stuft – und bis heute jähr­lich zu Millionen nach dem Schlüpfen getötet und dann beispiels­weise in Tier­parks verfüttert.

Tipp: Sie finden auf test.de auch weitergehende Informationen zu Tierwohl-Labeln.

Gesetz soll Töten von Eintags­küken verbieten

Diese Praxis will die Bundes­ministerin für Ernährung und Land­wirt­schaft, Julia Klöckner (CDU), bis Ende 2021 flächen­deckend verbieten lassen (Verbot des Kükentötens kommt). „Welt­weit sind wir die ersten, die so klar vorgehen“, lobt Julia Klöckner ihren Gesetzes­entwurf.

Geschlechts­erkennung per Hormon­analyse oder Laser­strahl

Künftig soll verhindert werden, dass männ­liche Küken über­haupt erst schlüpfen. 21 Tage dauert es, bis ein Küken die Schale durch­bricht. Mithilfe verschiedener Verfahren der Geschlechts­erkennung, die üblicher­weise zwischen dem neunten und vierzehnten Bebrütungs­tag angewandt werden, sollen männ­liche Küken früh­zeitig erkannt und aussortiert werden. Dem Bundes­ministerium für Land­wirt­schaft und Ernährung zufolge gelten vor allem zwei Verfahren als geeignet:

  • Bei der Hormon-Analyse wird am achten bis zehnten Tag des Bebrütens über ein winziges Loch in der Eierschale Allantoisflüssig­keit entnommen. Wird darin Östronsulfat nachgewiesen, ist es ein weibliches Brutei.
  • Bei dem optischen Verfahren wird das Ei via Licht oder Laser nach drei Tagen durch­leuchtet, was Geschlechter­unterschiede offen­bart.

Auch Hühner-Embryonen empfinden Schmerz

Die Verfahren gelten nur als Brücken­technologie. Sie müssen weiter entwickelt werden, um früher in der Brut­phase angewandt werden zu können. Denn ab 1.1. 2024 wird der Embryonen­schutz ausgeweitet werden. Dann soll das Töten von Embryonen nach dem sechsten Bruttag verboten werden, da die Tiere danach Schmerz empfinden.

Tierschützer und Vertreter der Biobranche kritisieren generell die Geschlechts­erkennungs­tests. Ihr Vorwurf: Statt Küken würden nun Embryonen getötet. „Die drängenden Fragen werden mit diesem Gesetzes­text leider immer noch nicht beant­wortet: wie verhindern wir, dass Tiere erst erzeugt und dann als angeblich nutzlos aussortiert und getötet werden?“, hinterfragen etwa die Betreiber der Bruderhahn-Initiative.

Initiativen zur Aufzucht männ­licher Küken

Es gibt Initiativen, die das Töten männ­licher Küken verhindern wollen – und sie werden immer mehr. Pioniere waren Biohändler und Bioland­wirte, inzwischen ist auch der konventionelle Lebens­mittel­handel mit einge­stiegen. Die Idee dahinter: Sie verlangen mehr Geld für die Eier der Schwesterhennen. Durch den Preis­aufschlag wird die Aufzucht der männ­lichen Küken finanziert. Hier eine Auswahl an Initiativen:

  • Bruderküken-Initiative von Alnatura. Sie wurde 2016 ins Leben gerufen, um die Aufzucht der männ­lichen Geschwisterküken von Legehennen zu finanzieren. Alle Eier der Eigenmarke Alnatura sind inzwischen so genannte Brüderküken-Eier und in allen Filialen der Biosu­permarkt-Kette erhältlich. Ein Bruderküken-Ei in der 10er-Packung kostet 4 Cent mehr, ein Ei in der 6er-Packung 5 Cent mehr. Inzwischen bietet Alnatura auch vereinzelte Produkte mit dem Fleisch der Bruderhähne an, darunter Baby­kost und Geflügel-Bratwurst. Ein großer Teil des Fleisches wird zur Herstellung von Hühner­suppe verwendet.
  • Bruderhahn Initiative Deutsch­land (BID). Seit 2012 gibt es dieses Projekt. Die beteiligten Höfe sind Bioland- und Demeter-Betriebe, die die Bruderhähne der Legehennen mit aufziehen. Für jedes Ei wird im Laden ein Zuschlag von 4 Cent fällig. Auf der BID-Home­page finden Sie eine Händlerliste. Als lang­fristige Lösung sieht die Initiative die Zucht von Zweinut­zungs­rassen (siehe unten) an.
  • Haehnlein. Das ist ein Zusam­menschluss aus 23 land­wirt­schaftlichen Bio-Betrieben in Meck­lenburg-Vorpommern und Brandenburg. Die männ­lichen Tiere werden mitaufgezogen und ihr Fleisch verkauft. Haehnlein-Eier und -Fleisch gibt es in verschiedenen Supermärkten, unter anderem bei Alnatura, Denn’s, Edeka und tegut. Auf der Haehnlein-Seite gibt es eine Händlersuche.
  • Spitz & Bube. In diesem, im Jahr 2016 entstandenen Projekt von Rewe werden den Legehennen die Schnäbel nicht gekürzt und die männ­lichen Küken mitaufgezogen. Daher der Name Spitz & Bube. Bodenhaltungs-Eier aus diesem Programm sind in allen Rewe-Filialen im Angebot, mancher­orts auch Bio-Eier.

Supermarkt­ketten greifen Trend auf

Schon vor dem Gesetz­entwurf aus dem Land­wirt­schafts­ministerium haben große Händler angekündigt, ihr Eier-Sortiment sukzessive so umstellen zu wollen, dass künftig Eier „ohne Kükentöten“ angeboten werden. Dabei sollen sowohl Methoden zur Erkennung des Geschlechts zum Einsatz kommen als auch die Bruderhahn-Aufzucht. Aldi Süd und Aldi Nord etwa wollen daran arbeiten, „das Kükentöten entlang ihrer Lieferketten abzu­schaffen“. Sie haben sich verpflichtet, „bis 2022 deutsch­land­weit die gesamte Produktion ihrer Boden-, Frei­land- und Bio-Eier umzu­stellen.“ Ähnliches haben Kaufland und Lidl angekündigt.

Der Ansatz des Zweinut­zungs­huhns

Ein weiterer Weg, das Töten von Küken zu vermeiden: Die Zucht so genannter Zweinut­zungs­hühner. Das sind spezielle Rassen, die nicht auf Eier- oder Fleisch­menge gezüchtet wurden. Die Hennen legen Eier und die Hähne werden als Mast­hähn­chen gehalten. Ihre Leistung ist nicht mit denen von optimierten Lege- und Masttieren vergleich­bar. Um das auszugleichen, wird die Ware mit einem Preis­aufschlag verkauft. Beispiele für Initiativen, die diesen Ansatz verfolgen:

  • Das Zweinut­zungs­huhn. Diese Initiative setzt sich für das Rassehuhn Les Bleus ein. Sie werden wegen ihrer blauen Beine so genannt. Auf der Webseite findet sich eine Liste mit Höfen, die Les Bleus-Hühner halten oder Produkte verkaufen.
  • ei care. Das Regional­projekt Zweinut­zungs­huhn ei care umfasst fünf Bio-Höfe in Brandenburg und Meck­lenburg-Vorpommern, die Les Bleus-Hühner halten und Natur­land-zertifiziert sind. Eier und Fleisch gibt es in Bio-Läden im Osten Deutsch­lands zu kaufen. Auf der ei-care-Seite gibt es eine Karte mit Läden.

Diese Meldung ist im November 2016 auf test.de erschienen und wurde zuletzt im Februar 2021 aktualisiert. Ältere Nutzer­kommentare können sich auf eine frühere Fassung beziehen.

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Kommentarliste

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  • PinguinMambo am 03.03.2021 um 12:55 Uhr
    etwas kurz gedacht mit den männlichen Kücken

    Ja, das mit dem Kückensterben nur weil sie Hähne werden sollen, ist zwar grausam mit anzuschauen. Aber da muß man auch ein paar Unterschiede machen. Wenn Kücken lebendig in den Shredder transportiert werden, dann ist ihr Tod recht schnell, wenn auch ziemlich schrecklich mit anzuschauen. Aber was meiner Meinung nach wichtiger ist, ist, daß sie volllkommen unnütz sterben müssen. Wenn die Kücken, welche getötet werden sollen, aus welchen Gründen auch immer, mit Hilfe von CO² getötet werden, dann geht das unblutig, schnell und schmerzarm, wenn nicht gar schmerzfrei von Statten.
    Dazu kommt noch, daß die getöteten Kücken, wenn sie im CO² sterben nicht unnütz sterben, sondern als Tierfutter für Reptilien und andere Tiere in Zoo´s und in anderen Haltungen verwendet werden könnten. Was wurde denn mit den getöteten Kücken denn bisher getan? Also wenn die männlichen Kücken "schonend" in CO² getötet werden, dann könnten sie noch einen sinnvollen Zweck als Tierfutter erfüllen. Denkt drüber nach!

  • halsbandschnaepper am 03.03.2021 um 12:14 Uhr
    Lächerlich

    So lange die Hühner später eh geschlachtet und gegessen werden, macht das meines Erachtens keinen Unterschied. Richtig scheinheilig sich um die armen Küken Sorgen zu machen, während man Chicken-Nuggets isst. Dabei sterben die Küken ohne Schmerzen, anders als die Hühner...

  • halsbandschnaepper am 18.11.2016 um 19:23 Uhr
    @Remember_Carthage

    Dann gehen Sie bitte mit gutem Beispiel voran. Kein Mensch interessiert sich dass sie Waschmaschinen kaufen die besonders viel Wasser verbrauchen etc.

  • Gelöschter Nutzer am 18.11.2016 um 11:30 Uhr
    @fuerTiere

    Und wenn ihnen etwas an ihren Mitmenschen liegt, nerven sie sie nicht.

  • fuerTiere am 18.11.2016 um 10:24 Uhr
    Klimakiller Nr. 1

    Die Tierhaltung, und damit der Konsum tierischer Produkte, ist einer der Hauptverursacher für die größten Probleme unserer Zeit: vom Klimawandel über die Rodung der Wälder, bis hin zur Ressourcenverschwendung und Trinkwasserproblematik. Wenn Ihnen etwas an unserem Planeten liegt, leben Sie vegan.