Klima­schutz CO2 sparen – ein Selbst­versuch

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Klima­schutz - CO2 sparen – ein Selbst­versuch

Ökologischer Fußabdruck. Was kann jeder Einzelne tun, um seine persönliche CO2-Bilanz zu verbessern? © Getty Images / Petmal

„Was tun wir eigentlich gegen den Klimawandel?“, fragt die Tochter von Finanztest-Redak­teurin Sophie Mecchia. Gute Frage. Mecchia und ihre Familie nehmen sich vor, ihren CO2-Ausstoß zu verringern: Frisieren im Dunkeln, Rad statt Auto, Verzicht auf Fleisch. Und was bringt das konkret? Hier ist die Bilanz nach einer Woche Selbst­versuch.

„Was tun wir eigentlich gegen den Klimawandel?“

Im Halb­dunkel stehe ich im Bade­zimmer und versuche, meine Frisur zu richten. Ich merke: Es geht ohne Licht. Ich weiß aus Erfahrung: Ohne Föhn geht es nicht. Es ist der erste Tag unseres Selbst­versuchs und ich denke an die Einladung zum Essen heute Abend. Hoffentlich gibt es kein Fleisch. Auf die Idee, unseren CO2-Ausstoß zu senken, hat uns unsere elfjäh­rige Tochter Anni gebracht. „Was tun wir eigentlich gegen den Klimawandel?“, fragte sie, nachdem sie das Thema mit Greta Thun­berg und „Fridays for Future“ erreicht hat. Uns fällt dies und das ein. Wie hoch unser CO2-Ausstoß ist, wissen wir nicht. Auch nicht, was wir besser machen könnten.

Wie viel CO2 verbraucht ein einzelner Mensch?

Wir legen los. Mit dem CO2-Rechner des Umweltbundesamtes lässt sich ausrechnen, für wie viel CO2 ein Einzelner verantwort­lich ist. Der Wert des Einzelnen wird dem Durch­schnitt von rund 11,6 Tonnen CO2 und anderen Treib­hausgasen pro Jahr und Person gegen­überge­stellt. Einen Wert für einen fünf­köpfigen Haushalt finde ich nicht. Um einen Anhalts­punkt zu haben, rechnen wir nur meine CO2-Bilanz aus: rund 7,4 Tonnen – besser als der Schnitt, aber nicht gut. Der Ausstoß von Treib­hausgasen muss auf weniger als 1 Tonne pro Jahr und Person gesenkt werden, so sagen es das Umwelt­bundes­amt und viele andere – allein um das Ziel erreichen zu können, die welt­weite Erwärmung auf maximal 2 Grad Celsius zu beschränken.

Duschen, Essen, Fortbewegung – über­all lässt sich CO2 sparen

Mein Mann, unsere drei Töchter und ich wollen mitmachen. In vier Bereichen des Alltags ist das sofort möglich: Ernährung, Strom, Heizung und Mobilität – eine Woche lang das Auto stehen lassen, statt Fleisch Gemüse essen und elektrische Geräte und warmes Wasser spar­sam nutzen. Auch die Heizung bleibt aus. Wie viel CO2 wir in sieben Tagen sparen, lässt sich natürlich nicht genau messen. Für uns soll es der Start in ein klimabewuss­teres Leben werden – mit offenem Ende.

Kälteeinbruch im Mai: „Wir sitzen zu Hause bei 18 Grad im Pulli“, Sebastian Mecchia, 42 Jahre.

Die Heizung herunter­zudrehen ist Ende April leicht. Draußen ist es fast schon sommerlich warm. In der Wohnung sind es um die 20 Grad. Doch nach dem einwöchigen Selbst­versuch wird es im Mai ungewöhnlich frisch, im Wohn­zimmer sind es zwischen 18 und 19 Grad. In dicken Pullovern bleiben wir standhaft und schalten die Heizung nicht wieder ein. Als Mieter einer Altbau­wohnung können wir nur unser eigenes Heiz­verhalten beein­flussen, das Haus dämmen können wir nicht.

Heiz­temperatur ein Grad senken spart sechs Prozent Energie

Die Verbraucherzentralen bieten kostenlose Energieberatung und einen Basis-Check im eigenen Zuhause an. Ich frage Andreas Henning, Energieberater bei der Verbraucherzentrale Berlin, wie viel Energie und Geld wir sparen können, wenn wir die Wohnung während der Heiz­periode statt auf 22 auf 21 Grad oder gar nur auf 20 Grad Celsius heizen. „Pro Grad weniger kann jeder im Schnitt 6 Prozent Energie einsparen“, sagt Henning. Bezogen auf unsere Wohnungs­größe und ausgehend von Erdgas als Energieträger könnten wir rund 850 Kilowatt­stunden pro Jahr sparen, damit etwa 51 Euro und 172 Kilogramm CO2 – so Hennings Rechnung. Ohne baulichen Aufwand können wir dem Klimaziel etwas näher kommen.

„Unser letzer Lang­stre­cken­flug ist über zehn Jahre her. Dafür reisen wir viel mit dem Auto. Da hilft nur kompensieren!“, Sophie Mecchia, 40 Jahre.

Eine Woche das Auto stehen lassen? Das scheint auf den ersten Blick kein Problem zu sein. Für meinen Arbeitsweg nehme ich ohnehin das Fahr­rad. Mein Mann fährt mit der S-Bahn, unsere Kinder sind zu Fuß oder mit dem Tret­roller unterwegs. Dadurch, dass wir unser Auto unter der Woche nicht nutzen, sparen wir Geld für Benzin. Außerdem hilft es unserer CO2-Bilanz. Wie sehr, möchte ich ganz konkret wissen. Mein Arbeitsweg ist hin und zurück 9,6 Kilo­meter lang, ich fahre die Strecke viermal pro Woche, das macht 38,4 km. Unser Auto verbraucht im Schnitt 6,8 Liter pro 100 Kilo­meter. Für meinen Arbeitsweg sind es also 2,6 Liter pro Woche. Pro Liter Benzin beträgt der CO2-Ausstoß etwa 2,5 Kilogramm. Wenn ich radle, spare ich pro Woche 6,5 Kilogramm CO2. Das wirkt kläglich auf mich. Aufs Jahr bezogen, macht das Ergebnis etwas mehr her: Bei 46 Arbeits­wochen spare ich rund 300 Kilogramm CO2. Nicht genug für einen Heiligen­schein, zumal ich weiß, dass vor allem unsere Urlaubs­reisen einen Schlag ins Kontor bedeuten.

Bahn statt Auto

Beim Reisen gelingt es uns nur selten, vom Auto auf klima­schonendere Verkehrs­mittel wie die Bahn umzu­steigen. Ein Städtetrip zum Beispiel führt uns demnächst nach Prag. Die Fahr­karten hätten für uns rund 180 Euro gekostet, den Tank für Hin- und Rückweg bekommen wir für rund 75 Euro voll. Wir wählen: das Auto. So kommen bei uns pro Jahr im Schnitt 9 000 Kilo­meter zustande, die für den persönlichen CO2-Ausstoß durch uns fünf Familien­mitglieder zu teilen sind. Laut CO2-Rechner sind es pro Person 330 Kilogramm CO2.

CO2-Ausstoß kompensieren

Besonders schwer fallen Flugreisen ins Gewicht, vor allem Lang­stre­ckenflüge. Wir fliegen als Familie maximal einmal im Jahr, immer nur inner­halb Europas. In diesem Jahr geht es nach Sizilien. Der Flug verursacht einen CO2-Ausstoß von 638 Kilogramm – pro Flug­gast! Um unsere Klima­bilanz zu verbessern, wollen wir zumindest den CO2-Ausstoß unserer Flüge kompensieren und Geld für ein Klima­schutz­projekt spenden, das zum Beispiel Haushalte in Afrika mit effizienten Öfen versorgt oder Biogas­anlagen in Nepal baut. Wir wählen den Anbieter Atmosfair, der im Test CO2-Kompensation in Finanztest 3/2018 sehr gut abge­schnitten hat, und zahlen für uns fünf 74 Euro.

Fünf Leute im Auto, ein Liter Benzin = 500 Gramm CO2 pro Nase

Während der Versuchs­woche steigen wir doch einmal ins Auto. Sams­tags reiten unsere Töchter Anni und Ada auf einem rund sieben Kilo­meter entfernten Hof. Auf den Vorschlag, dorthin zu radeln, heißt es: „Das schaffen wir nicht!“ Wir steigen zu fünft ins Auto, verbrauchen für Hin- und Rückweg knapp einen Liter Benzin. Das sind 500 Gramm CO2 pro Person.

„Papi hat mir in der Woche ein Salamibrot für die Kita einge­packt. Das war doof.“, Ella, sechs Jahre.

Unsere Ernährung ist laut Umwelt­bundes­amt für 15 Prozent der deutschen Treib­hausgas-Emissionen verantwort­lich. Der Konsum von Fleisch setzt dem Klima besonders zu. Damit ein Kilogramm Rind­fleisch im Topf oder in der Pfanne landen kann, werden rund 13 Kilogramm Treib­hausgase in die Atmosphäre geschickt. Zum Vergleich: Für ein Kilogramm Gemüse sind es nur rund 150 Gramm. Bei der Rinderhaltung wird vor allem das Treib­hausgas Methan freigesetzt. Es entsteht, wenn die Tiere ihre pflanzliche Nahrung verdauen. Auch einige vegetarische Lebens­mittel haben eine schlechte CO2-Bilanz, allen voran Milch­produkte wie Käse und Butter. Ist es Zeit, Veganer zu werden? Ein Umwelt­wissenschaftler der britischen Universität Oxford hat für das Nach­richtenmagazin Der Spiegel den CO2-Fußabdruck eines deutschen Veganers berechnet: Der soll für 2 Tonnen CO2 weniger verantwort­lich sein als jemand, bei dem Misch­kost auf den Teller kommt.

Butter ist noch schädlicher fürs Klima als Rind­fleisch

Ich versuche es eine Woche lang mit veganer Ernährung, meine Familie setzt auf vegetarische Kost und streicht Fleisch, Wurst und Fisch von ihrem Speiseplan. Milch­frei ist zu schwierig. Meine Tochter Anni ist ohnehin so mäkelig beim Essen, da möchte ich ihr nicht noch die Butter vom Brot nehmen. Oder doch? Butter ist das Lebens­mittel, das pro Kilogramm am schädlichsten fürs Klima ist, noch schädlicher als Rind­fleisch. Rund 24 Kilogramm CO2 landen in der Atmosphäre, um 1 Kilogramm Butter herzu­stellen. Denn Butter wird natürlich aus Milch gemacht, die von den fürs Klima besonders schädlichen Kühen stammt. 21 bis 25 Liter Milch verstecken sich in einem Kilogramm. Allerdings verzehren Menschen hier­zulande pro Kopf im Schnitt nur 6 Kilogramm Butter im Jahr. Beim Fleisch sind es 60 Kilogramm.

Ernährungs­gewohn­heiten hinterfragen

Wir merken schnell: Es ist nicht leicht, die Ernährung von einem Tag auf den anderen umzu­stellen. Als wir gleich zu Beginn des Selbst­versuchs zum Abend­essen einge­laden sind, wird Pizza serviert: mit Thun­fisch und Salami. Ich schleiche in der Woche um zwei leckere Torten herum, die eine Kollegin mitgebracht hat, und frage mich, ob „eine Woche“ bedeutet, dass es sich um sieben aufeinander­folgende Tage handeln muss. Aber wir alle merken auch: Es geht. Ernährungs­gewohn­heiten lassen sich zwar nicht gleich von Grund auf umstellen, aber zumindest hinterfragen.

„Fürs Zähneputzen brauchen wir kein Licht.“, Anni und Ada, elf und neun Jahre.

Beim Thema Strom scheinen wir schon Vieles richtig zu machen. Wir haben keinen Wäschetrockner, keine extra Tiefkühl­truhe, kein Aquarium. In den vergangenen Jahren haben wir jeweils zu fünft weniger als 1 700 Kilowatt­stunden (kWh) im Jahr verbraucht. Als Durch­schnitts­wert für einen Fünf-Personen-Haushalt im Mehr­familien­haus gilt ein Verbrauch von 3 600 kWh, wenn wie bei uns Wasser nicht mittels Strom erhitzt wird. Im Schnitt geht mehr als ein Viertel des Strom­verbrauchs im Haushalt aufs Konto von Computer, Fernseher und Co. Unsere Film­abende mit „Ostwind“ und „Wendy“ fallen aber offen­bar nicht groß ins Gewicht.

Mehr Zeit, weniger Energie

Plus­punkt neben dem nied­rigen Verbrauch: Wir beziehen Ökostrom – für monatlich 50 Euro. Der Rechner des Umwelt­bundes­amtes ergibt für mich beim Strom einen CO2-Ausstoß von 0,01 Tonnen. Der lässt sich zwar kaum noch verringern, Energie und Geld können wir trotzdem sparen. Unsere Stell­schrauben: Fest­tags­beleuchtung nur bei Festen, Stecker­leisten anschaffen für Geräte, die im Stand-by-Betrieb laufen, und Ökoprogramme von Wasch- und Geschirr­spül­maschine nutzen. Ich frage mich: Wie kann ein Programm, das mehr als doppelt so lang dauert, weniger Energie verbrauchen? Christiane Bött­cher-Tiedemann, die bei der Stiftung Warentest als Projektleiterin für Tests von Haus­halts­geräten zuständig ist, weiß es: „Bei Wasch­vorgängen wirken Zeit, Energie, Chemie und Wasch­bewegung zusammen, um ein gutes Ergebnis zu erzielen. Das Energiespar­programm nutzt mehr Zeit und kommt deshalb mit weniger Energie aus.“ Es wird also nicht so heiß gewaschen, aber dennoch sauber. „Moderne Wasch­mittel und -maschinen entfalten ihre volle Wasch­kraft auch bei nied­rigeren Temperaturen. Koch­wäsche ist höchs­tens bei anste­ckenden Krankheiten nötig.“

Lade­kabel aus der Steck­dose

Beim Stromsparen sind meine Töchter eifrig bei der Sache. „Klima schützen!“, hallt es durch den Flur, während die eine der anderen das Licht ausknipst. Besonders leicht umzu­setzen: Lade­kabel von Smartphones aus der Steck­dose ziehen, denn diese fressen auch Strom, wenn kein Gerät ange­schlossen ist.

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  • MarkRad am 21.08.2019 um 13:05 Uhr
    CO2-Einsparung allein reicht nicht

    Die Einsparung von CO2 allein reicht meiner Meinung nicht. Ohne die gleichzeitige CO2-Kompensation kommen wir nicht schnell genug auf die nötige Nullemission. Bei der CO2-Kompensation sollte man die Möglichkeiten der Eigeninitiative nicht außer Acht lassen. Photovoltaik auf dem eigenen Dach oder über Anteile an lokalen Energiegenossenschaften (da auch mit Wind und Wasser) bringen eine CO2-Kompensation bei gleichzeitiger Rendite. Die Rendite kann man dann in weitere Projekte zur CO2-Kompensation stecken oder sich guten Gewissens auch mal eine etwas gönnen, das in der CO2-Bilanz nicht gut aussieht. Ich würde mich freuen, wenn test.de in der Thematik der aktiven Einbindung der Menschen in die Energiewende und der Abwendung des Klimawandels deutlich schneller und aktiver wäre. Wie z.B. bei der erfolgreichen Verbesserung von Versicherungsklauseln hätte test.de auch hier die Möglichkeit die Angebote der Marktteilnehmer zu verbessern.

  • A.Schmidt am 04.07.2019 um 09:13 Uhr
    Hauptstromverbrauch ist (Wasser) wärmen

    Die Hälfte des Stroms im Haushalt wird für das Erwärmen, hauptsächlich von Wasser, verbraucht.
    Ein Durchlauferhitzer hat 18.000 Watt, ein Boiler 2.000 Watt und er läuft 10 mal so lang.
    Auch bei der Spül- und Waschmaschine geht ein Großteil des Verbrauchs in's Wassererwärmen, beim Trockner sowieso.
    Ein Handy-Ladegerät verbraucht Dank EU-Regeln im Standby 0,1 Watt, da lohnt sich das Ausstecken nicht.
    Der Anteil der Beleuchtung ist, sofern Energiesparlampen, Leuchtstoffröhren und LEDs eingesetzt werden, auch überschaubar.

  • Gelöschter Nutzer am 03.07.2019 um 06:41 Uhr
    @Adri84

    Auch an sie die Frage: "Wie groß ist denn der Unterschied?"
    Denn sie behaupten ja, wir könnten einen "großen" Unterschied machen. Und wenn sie so etwas behaupten, werden sie das ja zumindest ansatzweise quantifizieren können.

  • Adri84 am 02.07.2019 um 22:38 Uhr
    Ein Schritt in die richtige Richtung

    Ich finde es super, dass die Familie über ihre Gewohnheiten nachdenken und ein Beitrag leisten möchte. Aus meiner Sicht müssen wir uns die Frage stellen, wie wir miteinander leben wollen. Und mit Flügen, Autos, Fleisch und Co können wir nicht alle Menschen, oder gar die Hälfte der weltbewohner verwöhnen. In Deutschland leben wir über unsere Ressourcen. Und wir können ja nicht darauf warten, dass alle andere anfangen verantwortlich mit Ressourcen und Klima umzugehen: staat, industrie, USA oder China. Wir sind auch selbst verantwortlich, auch wenn es andere gibt die "schlimmer" sind. Also auch im Alltag, mit öffis, Fahrrad und weniger Fleisch machen wir zusammen einen großen Unterschied und ein Beitrag zu einer Kultur von Rücksicht und Solidarität.

  • Gelöschter Nutzer am 02.07.2019 um 09:22 Uhr
    Frage

    Zitat: „Papi hat mir in der Woche ein Salamibrot für die Kita einge­packt. Das war doof.“
    Spätestens hier steigt mir die Galle hoch. Religiöser Fundamentalismus ist auch dann zu verurteilen, wenn es sich um die Klimareligion handelt.
    Aber nun mal eine ganz praktische Frage. Um wie viel weniger ist nun die Erdmitteltemperatur gestiegen, durch die Selbstkasteiung der Familie? Die Frage können unsere devoten Klimareligionsanhänger doch sicher beantworten. Oder etwa nicht?