![Lebenserhaltende Maßnahmen - Kein Schmerzensgeld für künstliche Ernährung](https://cdn.test.de/file/image/52/13/a2743591-2a73-4310-840d-6b84ce69f632-web/5459087_kuenstliche-ernaehrung-a201904.jpg)
Für viele Menschen eine Horrorvorstellung: Im Alter zu lange an „den Maschinen“ angeschlossen sein. © picture-alliance / Christian Ender
Muss ein Arzt Schmerzensgeld und Schadensersatz für Behandlungs- und Pflegeaufwendungen zahlen, wenn er einen Schwerkranken mehrere Jahre mit einer Magensonde künstlich ernährt? Nein, entschied jetzt der Bundesgerichtshof (BGH). Geklagt hatte der Sohn eines verstorbenen Mannes. Er hatte dem Arzt vorgeworfen, das krankheitsbedingte Leiden des Vaters durch die künstliche Ernährung sinnlos verlängert zu haben. Hier lesen Sie, wie der BGH seine Entscheidung begründete (Az. VI ZR 13/18).
Keine Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht
Der chronisch kranke und demente Patient lebte von 2006 bis zu seinem Tod im Jahr 2011 in einem Pflegeheim. Er war kommunikations- und bewegungsunfähig. Eine Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht hatte er nicht. Sein Hausarzt ordnete im Jahre 2006 die künstliche Ernährung in Form einer PEG - Magensonde an. Dieser Maßnahme stimmte ein vom Gericht eingesetzter Rechtsanwalt als Betreuer zu. Es konnte nicht ermittelt werden, welche Einstellung der Patient zur künstlichen Ernährung hatte. Bis zu seinem Tod wurde der Patient künstlich ernährt.
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Sohn verklagt behandelnden Hausarzt
Der Sohn, der lange in den USA lebte, verklagte den behandelnden Arzt seines mittlerweile verstorbenen Vaters. Er argumentierte, die Magensonde sei in den letzten beiden Lebensjahren nicht medizinisch indiziert gewesen und habe das Leiden seines Vaters fast zwei Jahre sinnlos verlängert. Es habe keine Aussicht auf Besserung gegeben. Der Arzt hätte das Therapieziel dahin gehend ändern müssen, dass das Sterben des Patienten durch Beendigung der lebenserhaltenden Maßnahmen zugelassen werde.
Gericht entscheidet nicht über Pflichtverletzung des Arztes
Darüber, ob tatsächlich ein Behandlungsfehler und damit eine Pflichtverletzung des Arztes vorliegt, beurteilte das Gericht nicht. Die Richter stellten sich auf den Standpunkt, dass menschliches Leben ein höchstrangiges Rechtsgut und absolut erhaltungswürdig ist. Die Verfassungsordnung verbiete ein Urteil über das Leben des betroffenen Patienten mit der Schlussfolgerung, dieses Leben sei ein Schaden.
Rechtzeitig rechtlich vorsorgen
Die Konsequenz aus der Entscheidung sollte jedermann ganz individuell ziehen: Kümmern Sie sich rechtzeitig um ihre Dokumente für die rechtliche Vorsorge. Dazu gehören Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung. In einer Patientenverfügung können Sie regeln, ob Sie beispielsweise mit einer künstlichen Ernährung einverstanden sind oder nicht. Auf Ihren schriftlich festgelegten Willen kommt es an, wenn ein Patient selbst nicht mehr einwilligungs- und entscheidungsfähig ist. Mehr Informationen unter Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung.
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Kann mich nur anschließen: Rechtssichere Patientenverfügungen können dafür sorgen, dass der eigene Wille beachtet wird. Wobei auch dann immer fraglich bleibt, ob der Patient im eintretenden Fall immer noch so entscheiden würde.
Die Zuführung von Wasser und Nahrung hat aber nun nichts mit lebensverlängernden Maßnahmen zu tun. Das sind grundlegende menschliche Bedürfnisse. Ansonsten kann man einem Menschen auch eine Plastiktüte über den Kopf ziehen und agumentieren, man wolle sein Leben durch die Zuführung von Sauerstoff nicht künstlich verlängern. Absurd!