Lebens­erhaltende Maßnahmen Kein Schmerzens­geld für künst­liche Ernährung

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Lebens­erhaltende Maßnahmen - Kein Schmerzens­geld für künst­liche Ernährung

Für viele Menschen eine Horrorvorstellung: Im Alter zu lange an „den Maschinen“ ange­schlossen sein. © picture-alliance / Christian Ender

Muss ein Arzt Schmerzens­geld und Schadens­ersatz für Behand­lungs- und Pfle­geaufwendungen zahlen, wenn er einen Schwerkranken mehrere Jahre mit einer Magensonde künst­lich ernährt? Nein, entschied jetzt der Bundes­gerichts­hof (BGH). Geklagt hatte der Sohn eines verstorbenen Mannes. Er hatte dem Arzt vorgeworfen, das krank­heits­bedingte Leiden des Vaters durch die künst­liche Ernährung sinn­los verlängert zu haben. Hier lesen Sie, wie der BGH seine Entscheidung begründete (Az. VI ZR 13/18).

Keine Patienten­verfügung und Vorsorgevoll­macht

Der chro­nisch kranke und demente Patient lebte von 2006 bis zu seinem Tod im Jahr 2011 in einem Pfle­geheim. Er war kommunikations- und bewegungs­unfähig. Eine Patienten­verfügung und Vorsorgevoll­macht hatte er nicht. Sein Haus­arzt ordnete im Jahre 2006 die künst­liche Ernährung in Form einer PEG - Magensonde an. Dieser Maßnahme stimmte ein vom Gericht einge­setzter Rechts­anwalt als Betreuer zu. Es konnte nicht ermittelt werden, welche Einstellung der Patient zur künst­lichen Ernährung hatte. Bis zu seinem Tod wurde der Patient künst­lich ernährt.

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Sohn verklagt behandelnden Haus­arzt

Der Sohn, der lange in den USA lebte, verklagte den behandelnden Arzt seines mitt­lerweile verstorbenen Vaters. Er argumentierte, die Magensonde sei in den letzten beiden Lebens­jahren nicht medizi­nisch indiziert gewesen und habe das Leiden seines Vaters fast zwei Jahre sinn­los verlängert. Es habe keine Aussicht auf Besserung gegeben. Der Arzt hätte das Therapieziel dahin gehend ändern müssen, dass das Sterben des Patienten durch Beendigung der lebens­erhaltenden Maßnahmen zugelassen werde.

Gericht entscheidet nicht über Pflicht­verletzung des Arztes

Darüber, ob tatsäch­lich ein Behand­lungs­fehler und damit eine Pflicht­verletzung des Arztes vorliegt, beur­teilte das Gericht nicht. Die Richter stellten sich auf den Stand­punkt, dass menschliches Leben ein höchst­rangiges Rechts­gut und absolut erhaltungs­würdig ist. Die Verfassungs­ordnung verbiete ein Urteil über das Leben des betroffenen Patienten mit der Schluss­folgerung, dieses Leben sei ein Schaden.

Recht­zeitig recht­lich vorsorgen

Die Konsequenz aus der Entscheidung sollte jedermann ganz individuell ziehen: Kümmern Sie sich recht­zeitig um ihre Dokumente für die recht­liche Vorsorge. Dazu gehören Patienten­verfügung, Vorsorgevoll­macht und Betreuungs­verfügung. In einer Patienten­verfügung können Sie regeln, ob Sie beispiels­weise mit einer künst­lichen Ernährung einverstanden sind oder nicht. Auf Ihren schriftlich fest­gelegten Willen kommt es an, wenn ein Patient selbst nicht mehr einwilligungs- und entscheidungs­fähig ist. Mehr Informationen unter Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung.

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  • Gelöschter Nutzer am 04.04.2019 um 19:11 Uhr
    Meinung

    Kann mich nur anschließen: Rechtssichere Patientenverfügungen können dafür sorgen, dass der eigene Wille beachtet wird. Wobei auch dann immer fraglich bleibt, ob der Patient im eintretenden Fall immer noch so entscheiden würde.
    Die Zuführung von Wasser und Nahrung hat aber nun nichts mit lebensverlängernden Maßnahmen zu tun. Das sind grundlegende menschliche Bedürfnisse. Ansonsten kann man einem Menschen auch eine Plastiktüte über den Kopf ziehen und agumentieren, man wolle sein Leben durch die Zuführung von Sauerstoff nicht künstlich verlängern. Absurd!