Lohn­gerechtig­keit Chefs müssen verraten, was Kollegen verdienen

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Lohn­gerechtig­keit - Chefs müssen verraten, was Kollegen verdienen

Lohn­lücke? Oft kein Geheimnis mehr. © mauritius images / Westend61 / lyzs

Seit es das Entgelt­trans­parenzgesetz gibt, müssen Arbeit­geber verraten, wie viel Kollegen in gleicher Position verdienen. Wir sagen, wer einen Auskunfts­anspruch hat.

Im Schnitt 7 Prozent weniger bei vergleich­barer Position

Im Jahr 2022 lag der Brutto­lohn von Frauen durch­schnitt­lich 18 Prozent unter denen von Männern, so das Statistische Bundes­amt. Die Gründe: Frauen arbeiten öfter in Teil­zeit und in schlechter bezahlten Berufen und haben seltener eine Führungs­position. Das Amt ermittelt auch, wie hoch die Lohn­unterschiede bei vergleich­barer Qualifikation und Tätig­keit sind. Frauen verdienen durch­schnitt­lich 7 Prozent pro Stunde weniger als männ­liche Kollegen in gleicher Position.

Ab 200 Beschäftigten Auskunfts­anspruch

Das Entgelt­trans­parenzgesetz soll für mehr Lohn­gerechtig­keit sorgen. Mitarbeiter in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten haben einen Auskunfts­anspruch. Wie viel verdienen Mitarbeiter des anderen Geschlechts bei gleicher oder vergleich­barer Arbeit? Darüber muss der Chef die Beschäftigten informieren.

Erst einmal zum Betriebsrat

Seit Anfang 2018 können Beschäftigte die Auskunft beantragen. Erster Ansprech­partner ist immer der Betriebsrat – wenn es keinen Betriebsrat im Unternehmen gibt: der Arbeit­geber.

Durch­schnitts­gehalt von sechs Kollegen maßgeblich

Beschäftigte erhalten jedoch keine Auskunft über das Gehalt eines bestimmten Mitarbeiters. Zahlt der Arbeit­geber nicht nach einem Tarif­vertrag, muss er einer Beschäftigten den Median der Gehälter von sechs männ­lichen Kollegen mit gleicher oder vergleich­barer Tätig­keit nennen. „Das ist eine hohe Hürde“, kritisiert Anja Weust­hoff, Gleich­stellungs­expertin des Deutschen Gewerk­schafts­bunds (DGB). „Auch in vielen größeren Unternehmen gibt es nicht immer sechs männ­liche Kollegen mit vergleich­barer Tätig­keit.“

Betroffene müssen im Zweifel auf gleichen Lohn klagen

Was passiert, wenn eine Beschäftigte fest­stellt, dass sie zu Unrecht weniger verdient als ihre männ­lichen Kollegen? „Zunächst erst einmal – nichts“ sagt Anja Weust­hoff vom DGB. „Betroffene müssen im Streitfall vor Gericht ziehen und ihr höheres Entgelt einklagen.“

Neues EU-Gesetz schafft Erleichterung

Es ist allerdings Besserung in Sicht, denn seit Ende April 2023 gilt auf Ebene der Europäischen Union (EU) die neue Lohn­trans­parenz­richt­linie und damit ändert sich auch die Beweislast zugunsten der Arbeitnehme­rinnen und Arbeitnehmer. Zukünftig obliegt es den Arbeit­gebern zu beweisen, dass in ihrer Firma keine Diskriminierung bei der ­Bezahlung statt­findet. Die neue EU-Richt­linie verpflichtet außerdem alle EU-Unternehmen, egal wie groß oder klein, offen­zulegen, wer wie viel Geld verdient. Geheimhaltungs­klauseln zum Gehalt in Arbeits­verträgen sind künftig verboten und Arbeit­geber müssen Strafen fürchten, wenn sie sich nicht an die Regeln halten. Deutsch­land und alle anderen EU-Mitglied­staaten haben nun drei Jahre Zeit, die neue Lohn­trans­parenz­richt­linie in nationales Recht umzu­setzen.

Urteil des Bundes­arbeits­gerichts

Das Bundes­arbeits­arbeits­gericht (BAG) hat Anfang 2023 ein wichtiges Grund­satz­urteil zur Entgelt­gleichheit gefällt.

Der Fall: Eine Frau ist als Außen­dienst­mit­arbeiterin im Vertrieb beschäftigt. Mit ihr sind weitere Kollegen in gleicher Position tätig, zwei wurden gerade genauso wie sie neu einge­stellt. Bei der Einstellung hatte der Arbeit­geber allen dreien ein Grund­entgelt in Höhe von 3 500 Euro pro Monat angeboten. Einer der beiden Männer forderte mehr, das Unternehmen gab nach. Der Unterschied beim Grund­gehalt betrug zunächst 1 000 Euro monatlich, später nach Einführung eines Tarif­vertrags etwa 500 Euro. Dagegen zog die Angestellte vor Gericht. Der Arbeit­geber konnte den Vorwurf, er hätte die Mitarbeiterin aufgrund ihres Geschlechts benach­teiligt, nicht entkräften, auch wenn er argumentierte, dass ihr Kollege besser verhandelt hätte. Dieses Argument ließ das BAG nicht gelten und sprach der Frau eine Gehalts­nach­zahlung von 14 500 Euro und eine Entschädigung von 2  000 Euro zu.

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 08.05.2023 um 15:53 Uhr
    Entgeltunterschiede gleichgeschlechtlich?

    @stiwa897: Nein,das Gesetz schützt vor unmittelbarer oder mittelbarer Benachteiligung wegen des Geschlechts im Hinblick auf sämtliche Entgeltbestandteile und Entgeltbedingungen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit. Unter Männer wird es dann schwierig. Also natürlich soll es vor allem Frauen schützen, aber wenn ein Mann gegenüber Frauen benachteiligt wird, dann gilt das Gesetz auch andersherum.

  • stiwa897 am 07.05.2023 um 14:44 Uhr
    Entgeltunterschiede gleichgeschlechtlich?

    Bringt das Gesetz auch etwas wenn es große Entgeltunterschiede zwischen Mitarbeitern eines Geschlechtes gibt?
    In meinen Fall gibt es unter gleichgeschlechtigen Kollegen, einen Kollegen mit gleichen Arbeitsinhalt, weniger Verantwortung und deutlich weniger Leistungen welcher ~25% mehr in Jahr verdient.

  • Profilbild Stiftung_Warentest am 04.05.2023 um 09:50 Uhr
    Seriös berichtet / keine Verzerrung der Wahrheit

    @ninick: Ihr Sichtweise teilen wir nicht. Im Text wird nicht impliziert, dass das Entgelt­trans­parenzgesetz und die Lohntransparenzrichtlinie nur für Frauen gilt.
    Unsere Ausführungen zum Entgelt­trans­parenzgesetz beginnen mit der Verwendung des generischen Maskulinums. "Mitarbeiter in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten haben einen Auskunftsanspruch."
    Im folgenden Beispiel ist die Frau diejenige ist, die einen Auskunftsanspruch geltend macht.
    Und im Absatz zur Lohntransparenzrichtlinie werden beide Geschlechter genannt.

  • ninick am 03.05.2023 um 07:01 Uhr
    Bitte seriöser berichten mit weniger Bias

    Der Text impliziert an mehreren Stellen, dass dieses Gesetz für Frauen gilt bzw. nur für diese relevant ist, was beides irreführend und falsch ist. Tatsächlich ist es so, dass es eine Menge von Berufen gibt, in denen Männer weniger verdienen als Frauen (und Prostitution und/oder Erotik-Dienstleistungen sind in der unten verlinkten Liste explizit nicht enthalten). Nach besserer Recherche, kombiniert mit dem Wunsch, ausgeglichen mit möglichst wenig Bias zu berichten, wäre das auch hier erwähnt worden. https://interaktiv.morgenpost.de/gender-pay-gap/