Magnesium ist ein Kassenschlager. Doch beugt es Muskelkrämpfen vor, wie viele Nutzende glauben? Wir haben die Studienlage ausgewertet.
Kein Mineralstoff wird häufiger verkauft als Magnesiumpräparate: Laut Lebensmittelverband Deutschland ist Magnesium die Nummer eins. Mehr als 30 Millionen Packungen beträgt demnach der Jahresabsatz. Drogerien, Supermärkte oder Apotheken bieten Magnesium etwa als Brausetablette, als Granulat in kleinen Tütchen, als Kapsel, Dragee oder einfach als Tablette an.
Viele der Präparate gelten rechtlich als Nahrungsergänzungsmittel. Oft liefern sie 400 Milligramm Magnesium pro Tag und enthalten teils ergänzend weitere Mineralstoffe oder Vitamine. Die Preise reichen von etwa einem Cent bis über 50 Cent pro Tagesdosis. Auf den Monat hochgerechnet können Kosten von mehr als zehn Euro anfallen. Lohnen die Ausgaben?
Anbieter dürfen mit Health Claims werben
Wissenschaftlich belegt sind allgemeine Wirkungen des Mineralstoffs wie „Magnesium trägt zu einer normalen Muskelfunktion bei“. Deshalb hat die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) diese gesundheitsbezogenen Werbeslogans, Health Claims genannt, zugelassen. Sie dürfen auf den Verpackungen abgedruckt werden.
Einige Anwender erwarten mehr
Was die Anbieter auf ihren Produkten hingegen normalerweise nicht versprechen: konkrete Hilfe gegen schmerzhafte Muskelkrämpfe. Doch genau diese Wirkung von Magnesium wird etwa im Internet in Foren und auf Ratgeberseiten diskutiert. Von nächtlichen Muskelkrämpfen sind insbesondere Schwangere und ältere Menschen betroffen. Sportlerinnen und Sportler leiden häufig während oder nach der Belastung an den schmerzhaften Verhärtungen des Muskels.
Grundsätzlich erscheint es plausibel, Magnesium gegen Muskelkrämpfe einzunehmen. Denn die Muskelfunktion ist eng an das Zusammenspiel der beiden Mineralstoffe Kalzium und Magnesium geknüpft. Vereinfacht erklärt bewirken geladene Kalzium-Teilchen, dass sich die Muskelfasern zusammenziehen und der Muskel verhärtet. Magnesium wiederum hilft ihm, sich wieder zu entspannen. Beugen Magnesiumpräparate also Krämpfen vor?
Nutzen beim Sport kaum untersucht
Wir haben Studien zu dieser Fragestellung ausgewertet. Das Ergebnis ernüchtert: Sorgfältig durchgeführte, aussagekräftige Untersuchungen sind Mangelware. Das gilt insbesondere für Krämpfe durch sportliche Belastung, zeigt eine Meta-Analyse von Cochrane, einem unabhängigen Forschungsnetzwerk in der Medizin, aus dem Jahr 2020. Seither hat sich die Datenlage laut unseren Recherchen nicht verbessert.
Und: Zu wenig Magnesium ist bei weitem nicht die einzige Erklärung, warum es zu Muskelkrämpfen kommt. Gerade im Sportbereich können vielfältige andere Faktoren Ursache sein, darunter Stress, Schlafmangel, Krankheiten oder körperliche Überlastung, zeigt eine Übersichtsarbeit im Journal of Athletic Training.
Extrawissen auf test.de
Schlucken oder nicht? Unsere Tests zu Mineralstoffen, Vitaminen, Omega-3-Fettsäuren, Mitteln für Schwangere, Stillende und Sportler und weiteren vielverkauften Präparaten finden Sie auf unserer Themenseite Nahrungsergänzungsmittel.
Welcher Sport passt? Von Crosstrainer über E-Bike bis Yoga – auf unserer Themenseite Fitness- und Outdoorausrüstung geben wir zahlreiche Empfehlungen für körperliche Aktivitäten und nennen die besten Smartwatches und Fitnesstracker.
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Wirkung bei Älteren nicht belegt
Für ältere Menschen ist die Studienlage zwar besser, eine Empfehlung lässt sich aus der Cochrane-Analyse aber trotzdem nicht ableiten: In den fünf einbezogenen Studien waren vorwiegend ältere Menschen mit nächtlichen Wadenkrämpfen auf zwei Versuchsgruppen aufgeteilt worden – die eine erhielt Magnesium, die andere ein Scheinpräparat (Placebo).
Nach vier Wochen ließen sich zwischen den beiden Versuchsgruppen keine eindeutigen Unterschiede hinsichtlich der Anzahl und Intensität der Krämpfe feststellen. Wenn ältere Menschen Extra-Magnesium schlucken, schützt sie das also wahrscheinlich nicht vor Wadenkrämpfen.
Studienergebnisse für Schwangere widersprüchlich
Bei Schwangeren sind nächtliche Muskelkrämpfe möglicherweise auf Umstellungen im Stoffwechsel zurückzuführen. Ob Magnesium-Präparate hier vorbeugen können, ist laut der Cochrane-Analyse nicht eindeutig geklärt. Manche der einbezogenen Studien konnten zeigen, dass schwangere Probandinnen, die Mittel mit Magnesium einnahmen, seltener oder an weniger schmerzhaften Muskelkrämpfen litten. Andere Studien konnten das nicht bestätigen.
Magnesiummangel: In Deutschland selten
Magnesium übernimmt wichtige Funktionen im Körper. Daher empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung: 300 Milligramm Magnesium täglich für Frauen und 350 Milligramm Magnesium täglich für Männer. Ein Magnesiummangel sei bei Menschen in Deutschland selten, schreibt die Fachgesellschaft in ihren Fragen und Antworten zum Thema. „Magnesium ist in pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln in ausreichender Menge vorhanden.“
Tipp: Essen Sie regelmäßig magnesiumreiche Kost – etwa Vollkornprodukte, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen wie Mandeln, Sesam, Sonnenblumen- oder Kürbiskerne. Auch einige Mineralwässer liefern relativ viel Magnesium. Welche das sind, zeigt unser Produktfinder Mineralwasser.
Herz- und Nierenkranke sollten aufpassen
Nebenwirkungen sind bei der Einnahme von Magnesium-Präparaten möglich. Sie fallen bei niedriger Dosierung im Selbstmedikationsbereich aber eher mild aus und treten wenn überhaupt vor allem in Form von Durchfall auf.
Vorsichtig sein sollten Menschen mit eingeschränkter Nierenfunktion: Nehmen sie zu viel Magnesium ein, kann sich der Magnesiumgehalt im Blut stark erhöhen – mit ernsten Folgen wie Lähmungen oder Herzrhythmusstörungen. Wer bereits ein Herzleiden hat, nimmt Magnesium besser nur nach ärztlicher Rücksprache.
Tipp: Auch andere Vitamine und Mineralstoffe können im Übermaß schaden. Wir bieten einen Überblick, welche Mengen in Nahrungsergänzungsmitteln maximal empfohlen werden – und wie sich der Bedarf jeweils aus Lebensmitteln decken lässt.
Dehnen gegen Wadenkrämpfe
Alle, die unter nächtlichen Krämpfen leiden, können ausprobieren, die Wadenmuskulatur vor dem Schlafengehen einige Minuten zu dehnen.
Eine mögliche Übung: Setzen Sie sich hin, strecken Sie die Beine aus. Das rechte sollte möglichst ganz auf der Unterlage aufliegen. Greifen Sie nun an die rechte Fußspitze und ziehen Sie sie zu sich hin – sanft vorgehen, etwa zehn Sekunden halten. Dann folgt in gleicher Weise das linke Bein. Wiederholen Sie das Ganze mehrmals.
Auch Sportlerinnen und Sportlern kann Dehnen vor und nach dem Training helfen, Krämpfen vorzubeugen – und sie im Akutfall wieder zu lösen. Grundsätzlich sollte das Pensum immer an die eigene Leistungsfähigkeit angepasst sein. Wer neu anfängt, steigert es also behutsam.
Tipp: Wenn Sie trotz Maßnahmen häufig an Muskelkrämpfen leiden, sollten Sie das abklären lassen. Erste Anlaufstelle kann beispielsweise die Hausärztin sein. Bei einem nachgewiesenen Mangel bekommen Sie möglicherweise ein Magnesiumpräparat verordnet.
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@fintest_info: Wenn ein Magnesiummangel besteht, kann es tatsächlich einige Wochen dauern, bis dieser durch die tägliche Zufuhr von magnesiumhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln behoben ist. Allerdings sind die meisten Menschen hierzulande ausreichend mit Magnesium versorgt; dann müssten sich günstige Effekte einer Zusatzzufuhr schneller bemerkbar machen. Wie wir im Beitrag ausführen, ist die Datenlage zum Nutzen von Magnesiumpräparaten aber dünn, insbesondere im Sportbereich.
Können sie das bestätigen - dann würde das in den Artikel gehören.
https://de.wikipedia.org/wiki/Magnesium#Magnesium-Substitution
Außerdem verbleibt das zusätzliche Magnesium nur dann nutzbringend im Körper, wenn genug bindende Moleküle im Körper zur Verfügung stehen; dies geschieht durch biochemische Anpassungen erst nach längerer Erhöhung des Magnesiumangebots bzw. nach Einnahme über wenigstens vier Wochen.
Ist das wirklich der aktuelle Stand???
Wäre dankbar für einen Gegencheck.
LG
für Dich mag es ein Mythos sein. Für mich ist es Erfahrung aus sehr vielen Jahren verschiedener Ausdauersportarten.
Man man man. So manche Mythen bekommt man, auch wenn diese noch so falsch sind, einfach nicht aus den Köpfen der Menschen. Was das Vitamin C und Immunsysthem ist, gilt das Magnesium in Verbindung Krämpfe. Beides braucht der Körper zwar regulär für die "normale" Funktion des Körpers, haben aber wenig bis keine Auswirkungen jeweils.
Immunsystem = Zink / Krämpfe vorbeugen = viel trinken, Regenerationszeit, kalt abduschen.
Studienlage hin oder her... Magnesium wird benötigt um die Muskeln geschmeidig zu halten. Vorallem bei kraftintensiven Stuationen kann es lebensgefährlich werden, wenns krampft.
Bei schweißtreibendem Ausdauersport, also z.B ganztägigen alpinen Höhentouren im Sommer, ist der Effekt deutlich spürbar.
Für weniger schweißtreibende Sportarten wie Fußball (zwar intensiv, aber eher nicht ganztägig) oder Ski fahren (zwar intensiv, aber effektiv hauptsächlich im Lift) ist die Wirkung eher nicht wahrnehmbar.