Mutmacher Christoph Schmidt – Vom Anleger zum Fonds­chef

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Mutmacher - Christoph Schmidt – Vom Anleger zum Fonds­chef

Finanztest stellt Menschen vor, die hartnä­ckig großen Unternehmen oder Behörden die Stirn bieten und dadurch die Rechte von Verbrauchern stärken. Diesmal: Christoph Schmidt, Mathematiker aus Hamburg und streitlustiger Anleger­vertreter. Zunächst Fonds­beirat, ist er im Zuge seines Engagements inzwischen sogar zum Fonds­chef avanciert. Mit anderen Wölbern-Fonds­anlegern hat er eine Initiative gegründet, die „wie eine Firma organisiert“ ist und für die Rechte der Anleger eintritt.

Nach Feier­abend sucht Schmidt nach den verschwundenen Millionen

Christoph Schmidt hat neuerdings eine nicht alltägliche Frei­zeit­beschäftigung. Nach der Arbeit sucht der 49-jährige Mathematiker nach 5 Millionen Euro. Dieses Geld fehlt dem geschlossenen Immobilienfonds Polen 01 von Wölbern Invest. Den Fonds leitet der Hamburger seit Dezember 2013 gemein­sam mit der Fonds­geschäfts­führung in seiner Frei­zeit. Im Haupt­beruf betreut er für einen Anbieter von Informations- und Kommunikations­technologie Groß­kunden aus der Industrie. Schmidt wollte eigentlich nur etwas für den Vermögens­aufbau tun, als er sich ein paar Jahre zuvor an vier Fonds des Hamburger Emissions­hauses beteiligte. Im Jahre 2011 wird er als Anleger­vertreter in den Fonds­beirat gewählt. Er ist „gutgläubig und nicht besonders kritisch“, sagt er rück­blickend. Das ändert sich am 27. Dezember 2011 um 17 Uhr durch eine E-Mail. Darin bedrängt Wölbern die Anleger etlicher Fonds. Sie sollen abni­cken, dass Geld ihrer Fonds­gesell­schaften in den Nieder­landen gebündelt wird.

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Der Fonds­beirat über­nimmt Verantwortung

Schmidt ist klar, dass Gefahr für die Anleger droht: „Nun war ich halt Beirat und musste die Verantwortung wahr­nehmen“ – für 3 500 Anleger, „die Mehr­zahl davon im Renten­alter und kaum in der Lage, sich effektiv zu organisieren.“ Zugute kommt ihm seine kommunal­politische Erfahrung: „Ich saß neun Jahre in einem Stadt­parlament in Hessen. Insofern habe ich wenig Angst, traue mich in die Öffent­lich­keit und habe auch kein Problem, per Mikrofon vor 200 Leuten zu sprechen.“

Professionelle Initiative im Bistro gegründet

Schon im Januar 2012 gründen Schmidt und ein weiterer Wölbern-Anleger, der ehemalige Bank­chef Ove Franz, in einem Hamburger Bistro eine Initiative. Mit dabei sind rund 20 Beiräte und Gesell­schafter diverser Wölbern-Fonds. Schmidt vergleicht die Organisation der Initiative mit einer Firma: „Für jeden Fonds gibt es eine Vertrauens­person, die Adressen sammelt, E-Mail-Verteiler aufbaut, Schrift­wechsel führt, Geld sammelt, Anwälte mandatiert und so weiter.“ Schmidts Frau hat Verständnis für seinen Einsatz und hilft selbst mit. Sie ist Steuerberaterin und unterstützt ihn mit fachlichem Wissen, etwa beim Lesen von Bilanzen. „Ohne die Mitarbeit meiner Frau hätte ich das niemals geschafft“, urteilt er.

Wölbern-Chef über­zog die streit­baren Anleger mit Prozessen

Auch die Gemeinschaft mit anderen Mitstreitern sei für die Gegen­wehr unver­zicht­bar gewesen. Schließ­lich über­zog Wölbern-Chef Heinrich Maria Schulte Schmidt und andere sogar mit Rechts­streitig­keiten. Sein Fonds­beirats­kollege und er hielten im Gang durch die Instanzen dagegen. „Sehr mühsam und zeitraubend“ sei das gewesen, sagt er lapidar in seiner nüchternen, ruhigen Art.

Anleger bringen Staats­anwalt auf die Spur

Fürs Schach­spielen und Singen im Kammerchor bringt Schmidt viele Monate lang nur noch mit Mühe Zeit auf. Doch der Einsatz lohnt sich. Die Initiative verhindert nicht nur den umstrittenen Geldpool in den Nieder­landen, sie trägt auch dazu bei, einen mutmaß­lichen Skandal aufzudecken. Schließ­lich greift sogar die Staats­anwalt­schaft Hamburg ein. Schulte wurde im September 2013 verhaftet, weil er bis zu 137 Millionen Euro veruntreut haben soll. Er äußert sich dazu nicht. Schmidt hingegen über­nimmt weiter Verantwortung. Die Anleger des geschlossenen Immobilienfonds Polen 01 wählen ihn zum geschäfts­führenden Kommanditisten. Statt Anleger ist er nun auch Fonds­chef. Jetzt bemüht er sich mit einer neuen Geschäfts­führung um Darlehen für Bürotürme des Fonds. Und er sucht nach den 5 Millionen Euro, deren Verbleib ungeklärt ist.

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