Mutmacherin Warten auf gerechten Lohn

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Mutmacherin - Warten auf gerechten Lohn

Birgit Trennt aus Reinbek bei Hamburg klagt seit fast 14 Jahren auf angemessene Bezahlung. Jetzt bekam sie eine Entschädigung. © Stefan Korte

In der Rubrik „Mutmacher“ stellen wir Menschen vor, die Rechte von Verbrauchern stärken. Diesmal: Birgit Trennt will eine Gehalts­kürzung stoppen und wird entschädigt.

Wie viel Geld Birgit Trennt im Jahr 2007 verdient hat, weiß sie immer noch nicht. Damals strich das Land Schleswig-Holstein der Grund­schul­lehrerin so wie allen Landes­beamten das Weihnachts­geld. Die Sonderzahlung, wie das Extrageld korrekt heißt, ist bei Beamten – anders als bei Angestellten – oft fester Bestand­teil der Besoldung, auf den sie ein Recht haben.

Recht auf faire Besoldung

Streiken dürfen Beamte wie Birgit Trennt nicht. Dafür gibt ihnen das Grund­gesetz ein Recht auf faire Bezahlung. Also legte die Pädagogin gemein­sam mit vielen Kolleginnen und Kollegen Wider­spruch ein und klagte schließ­lich. Heute ist sie 73 Jahre alt, längst pensioniert und eine der wenigen, die im Kampf um den gerechten Lohn noch durch­hält. Denn ein Urteil ist auch fast 14 Jahre nach Klageerhebung nicht in Sicht.

Empörung über Gehalts­kürzung

„Ich war damals so empört“, erinnert sich die Pensionärin an den Tag, an dem die Nach­richt kam, dass sich das Land ihr Weihnachts­geld spart. Von den rund 1 800 Euro hatte die allein­erziehende Mutter bis dahin immer die zum Jahres­wechsel fälligen Versicherungs­beiträge für sich und ihre beiden Söhne bezahlt.

Mehr für Politiker, weniger für Beamte

Birgit Trennt schrieb an Ralf Stegner. Der linke Sozialdemokrat war damals Innen­minister in Kiel. Es kann doch nicht sein, dass das Land kleinen Beamten die Bezüge kürze, während sich die Land­tags­abge­ordneten gleich­zeitig die Diäten erhöhten, argumentiert sie. Stegner antwortete nicht. Immerhin: Einer seiner Beamten rief an. „Er habe Verständnis“, beruhigte er. Kaufen kann sie sich dafür nichts.

Klage gegen das Land

Dank Rechts­schutz­versicherung kann sich Birgit Trennt die Klage gegen das Land Schleswig-Holstein leisten. Sie weiß: Die Rechts­lage ist kompliziert. Damals wusste niemand, was „amtsan­gemessene Besoldung“ genau bedeutet. Das Bundes­verfassungs­gericht beschließt später: Die Besoldung etlicher Beamter in Hessen und Hamburg ist zu gering und verstößt gegen die Verfassung. Zur Besoldung in Schleswig-Holstein gibt es bislang noch keine Entscheidung.

Die Kriterien des Bundes­verfassungs­gerichts

Fünf Kriterien haben die Richter in Karls­ruhe entwickelt: Der Beamtensold soll nicht hinter den Tarifen für Angestellte im öffent­lichen Dienst zurück­bleiben und sich am Durch­schnitt aller Gehälter sowie dem Verbraucher­preis­index orientieren. Er soll die Verhält­nisse im Besoldungs­gefüge des jeweiligen Landes wahren und schließ­lich im Verhältnis zu den Beamtenbezügen bleiben, die Bund und andere Länder zahlen. Bleibt die Besoldung hinter mindestens drei der fünf Kriterien zurück, sei sie stets verfassungs­widrig. Ansonsten sollen Gerichte eine Gesamt­abwägung vornehmen.

Entschädigung wegen Verfahrens­verzögerung

Das für Birgit Trennt zuständige Schleswig-Holsteinische Verwaltungs­gericht tut sich schwer mit der Beamten­besoldung. Ein ums andere Mal legen die Richter die Akten beiseite, um auf weitere Entscheidungen des Bundes­verfassungs­gerichts zu warten. Immerhin gibt es einen kleinen Trost für Birgit Trennt: Sie bekommt jetzt trotzdem sofort Geld. Statt Besoldungs­nach­zahlung gibt es allerdings eine Entschädigung wegen der Verzögerung des Verfahrens. 3 800 Euro zuzüglich Zinsen muss das Land der Pensionärin über­weisen. Anwalt Olaf Eckert hatte die Verzögerung im Jahr 2017 moniert. Da ist das Verfahren bereits über acht Jahre alt. Als sich bis 2019 immer noch nichts getan hat, klagt er beim Ober­verwaltungs­gericht auf Entschädigung wegen Verfahrens­verzögerung.

Streit um Sonderzahlung immer noch nicht entschieden

Das Ober­verwaltungs­gericht will auch erst mal abwarten. Es ist üblich, über die Entschädigung erst zu entscheiden, wenn das verzögerte Verfahren abge­schlossen ist. Das Gericht muss sonst später erneut entscheiden, ob das Land eine noch höhere Entschädigung zahlen muss. Doch Birgit Trennts Anwalt protestiert. Inzwischen sei die Klage zehn Jahre alt, argumentiert er. Und siehe da: Die Richter haben ein Einsehen. Erst­mals über­haupt sprechen sie einer Klägerin eine Entschädigung wegen unan­gemessener Verzögerung eines Verfahrens zu, das noch gar nicht abge­schlossen ist. Unterdessen ist über Birgit Trennts Klage auf faire Bezahlung noch immer nicht entschieden. Immerhin: Das Verwaltungs­gericht hat inzwischen für den Herbst 2023 einen Verhand­lungs­termin angekündigt.

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • Schiri75 am 07.08.2023 um 11:30 Uhr
    Es wird mehr als Zeit!!!

    Es wird mehr als Zeit das das Bundesverfassungsgericht das Land Schleswig Holstein verurteilt.Seine Landesbeamten wegen ihrer "Haushaltsnotlage" ihr Weihnachtsgeld zahlt...