In Heimen sind Zwangsmaßnahmen häufig. Es gibt Alternativen, um Gefährdungen zu verhindern, so Michael Rapp, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie.
Wie häufig sind Zwangsmaßnahmen im Pflege- und Altersheim?
Dazu gibt es wenige Statistiken. Eine gute Studie von 2012 hat ergeben, dass etwa jeder dritte Bewohner in Pflegeheimen solchen Maßnahmen unterliegt. Bis zu einem Viertel der Beschränkungen war nicht von einem Richter genehmigt.
Wann wenden Heime Zwang an?
Typischerweise bei Sturzgefahr, wenn Bewohner dazu tendieren wegzulaufen oder wenn sie aggressiv sind.
Welche Maßnahmen kommen zum Einsatz?
Zum Schutz vor Stürzen und Weglaufen installieren manche Heime Bettgitter. Tatsächlich können diese aber erst recht Stürze verursachen, etwa wenn ein alter Mensch versucht, darüber zu klettern. Einige Heime setzen Bewohner in einen Stuhl und montieren einen Tisch davor, sodass sie nicht aufstehen können. Gurte um den Bauch habe ich auch schon gesehen.
Muss das denn sein?
Nein, Untersuchungen haben ganz klar gezeigt, dass sich Zwangsmaßnahmen reduzieren und vermeiden lassen. Zum Beispiel durch die Schulung des Pflegepersonals und Bewegungs- und Beschäftigungsangebote. Außerdem gibt es heute sehr viele Alternativen, um Stürze und Weglaufen zu verhindern oder Aggressionen zu begegnen.
Welche zum Beispiel?
Um Verletzungen durch Stürze zu vermeiden, haben viele Heime mittlerweile Niederflurbetten. Man kann auch eine Matratze vors Bett legen, um einen Sturz abzufedern. Ebenso gibt es gepolsterte Unterhosen, die die Hüftknochen schützen. Oder: Fußmatten mit einem Sensor, der den Pflegern ein Signal sendet, wenn jemand aus dem Bett gestiegen ist.
Und beim Weglaufen?
Die meisten dieser Maßnahmen bedürfen einer richterlichen Genehmigung, weil sie die Bewegungsfreiheit einschränken. Dazu zählen verschlossene Heimtüren oder auch GPS-Armbänder, die im Dienstzimmer der Pfleger einen Alarm auslösen und aufzeichnen, wohin ein Bewohner geht, sobald er die Tür durchschritten hat. In einen rechtlichen Graubereich fallen versteckte Türen, die aussehen wie der Rest der Wand in einem Raum, aber offen sind. Eher unproblematisch ist es, Personal zum Aufpassen vor die Tür zu setzen.
Und wenn jemand aggressiv und unruhig ist?
Beides wird meist nicht besser, wenn man mit Zwangsmaßnahmen wie einer Fixierung ans Bett reagiert. Das kann bei alten Menschen sehr gefährlich werden. Hier sollten Einrichtungen vorbeugen. In Heimen, in denen zum Beispiel ausreichend Bewegungs- und Beschäftigungsangebote existieren, sind Bewohner deutlich seltener agitiert.
Was können Medikamente bringen?
Medikamente sollten eine kurzfristige Ausnahme sein. Ihr Einsatz muss außerdem mit dem Patienten, seinem Betreuer oder Bevollmächtigten abgesprochen werden.
Absolut tabu ist es, Medikamente unters Essen oder Trinken zu mischen. Das ist Zwangsmedikation und Heime dürfen das auf keinen Fall tun.
Wie können Betroffene und Angehörige auf Zwangsmaßnahmen Einfluss nehmen?
Angehörige mit Vorsorgevollmacht können Heime fragen, ob angewandte freiheitsbeschränkende Maßnahmen richterlich genehmigt sind, solch eine Genehmigung einfordern und auf alternative Methoden drängen. Betroffene können vorab solche Situationen in ihrer Patientenverfügung regeln. Sie sollten darüber nachdenken, wie bei ihnen Stürze und Weglaufen verhindert werden sollen und wie nicht; und wie mit ihnen umgegangen werden soll, wenn sie aggressiv sind.
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- Oft liegen Dokumente zu Hause in der Schublade, im Ordner oder bei Angehörigen. Zusätzlich sollte eine Vorsorgevollmacht beim Zentralen Vorsorgeregister registriert sein.
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- Eine Vorsorgevollmacht und eine Patientenverfügung geben Angehörigen Sicherheit, wenn sie die Wünsche und Interessen einer anderen Person vertreten sollen.
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- Eine Pandemie kann zu Versorgungsengpässen in Kliniken führen. Das so genannte Triage-Gesetz regelt, wie Ärzte bei zu wenig Betten oder Beatmungsgeräten entscheiden.
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Psychiater definieren den menschlichen Willen als Krankheit. Das heißt, die Per-son selbst wird durch die Krankheit bestimmt. Erzwungene "Behandlung" ist die Zerstörung des Menschen. Es kann nichts anderes geben. Dies ist ein offensicht-liches Verbrechen. Und es sollte als Verbrechen verboten werden.
…Siehe mein Kommentar vom 30.06.2019, 13:02 Uhr.
@Stiftung_Warentest: Auf Desinformations-Themen-Drifts antworte ich nicht mehr.
@alle: Weder die Patientenverfügung, noch die Vorsorgevollmacht schützen vor Zwangseinweisung, also der Unterbringung nach den Psychisch-Kranken-Gesetzen der Bundesländer. Denn die Unterbringung kann nicht vom Arzt angeordnet werden, sondern nur vomGericht, und zwar bei krankheitsbedingter, erheblicher Selbst- oder Fremdgefährdung. Sie muss das allerletzte Mittel sein. (maa)
→ Teile und desinformiere? Die Vorsorgevollmacht bringt wie bestätigt ebenfalls KEINEN WERT. Bitte keinen Themen-Drift.
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…Siehe mein Kommentar startend 21.04.2019, 16:19 Uhr.
https://www.test.de/Vorsorgevollmacht-und-Patientenverfuegung-Wie-Sie-rechtzeitig-Klarheit-schaffen-4641470-0/
@alle: Auch wer im Heim lebt, kann über eine Patientenverfügung festlegen, welche Behandlungen er für sich ausschließen und zulassen möchte, falls er nicht einwilligungsfähig ist. Doch die Patientenverfügung allein reicht nicht, um für alle Fälle vorzusorgen. Wer noch Angehörige oder Freunde hat, kann ihnen über eine Vorsorgevollmacht das Recht übertragen, im Krisen- und Notfall eine Behandlung zu erlauben oder zu verneinen. Über die Vorsorgevollmacht können noch weitere Angelegenheiten geklärt haben.
Liegt keine Vorsorgevollmacht vor, wird im Notfall ein gesetzlicher Betreuer bestellt, der anstelle der betreuten Person eine Entscheidung trifft. Über eine Betreuungsverfügung kann man darauf Einfluss nehmen, wer iie Betreuung vornehmen soll. (maa)