Schlaflos, ruhelos, abgespannt: Wer dauerhaft an diesen Symptomen leidet, bekommt oft Benzodiazepine oder Benzodiazepin-Analoga – das sind Schlaf- und Beruhigungsmittel – verschrieben. Nehmen Patienten sie jedoch über einen längeren Zeitraum ein, besteht nicht nur die Gefahr, abhängig zu werden. Auch das Risiko, früher zu sterben als ohne diese Mittel, steigt an. Das hat eine aktuelle Studie jetzt eindrücklich belegt.
1,2 Millionen Deutsche nehmen betroffene Mittel
Rund 1,2 Millionen Menschen in Deutschland nehmen nach Expertenschätzungen regelmäßig Benzodiazepine beziehungsweise Medikamente mit ähnlichem Wirkmechanismus, sogenannte Benzodiazepin-Analoga (Zolpidem, Zopiclon, Zaleplon – als „Z-Drugs“ bezeichnet) als Schlaf- oder Beruhigungsmittel ein. Die Namen der Mittel: zum Beispiel Noctamid, Rohypnol, Dalmadorm, Lendormin, Halcion oder Stilnox, daneben Generika mit den Wirkstoffnamen, etwa Lormetazepam, Nitrazepam, Flunitrazepam, Flurazepam, Zolpidem oder Zopiclon. Die Patienten sind meist ältere Menschen, vor allem Frauen. Eine aktuelle Beobachtungsstudie liefert nun eindrückliche Hinweise darauf, dass Menschen, die über lange Zeiträume diese Mittel nehmen, das Risiko eingehen, deshalb früher zu sterben.
Sterberisiko deutlich erhöht
Die Studie stammt von Forschern um Scott Weich von der britischen Universität Warwick und erschien 2014 im „British Medical Journal“. Die Wissenschaftler hatten dafür über einen Zeitraum von mehr als sieben Jahren knapp 35 000 Erwachsene beobachtet, die erstmals Schlaf- oder Beruhigungsmittel verschrieben bekamen, und mit Menschen ohne eine solche Verschreibung verglichen. Das Ergebnis: Pro 100 Patienten im Alter von 35 bis 75 Jahren, die Schlaf- oder Beruhigungsmittel einnehmen, wurden vier Todesfälle mehr beobachtet als bei der Gruppe, die ohne Schlaf- und Beruhigungsmittel auskam. Dabei wurden Todesfälle, die sich im ersten Einnahmejahr ereigneten, nicht einmal berücksichtigt, da sie auch Folge zugrunde liegender Krankheiten sein könnten. Bei der Untersuchung handelt es sich um eine Beobachtungsstudie, die generell ihre methodischen Grenzen hat: Viele Faktoren können das Ergebnis beeinflussen. So kann auch Schlaflosigkeit selbst, also die Erkrankung, zu einer erhöhten Sterblichkeit führen. Auch andere zugrunde liegende Erkrankungen oder der Lebensstil haben Einfluss auf das Sterberisiko. Zahlreiche dieser Einflussfaktoren konnten aber von den Autoren der Studie berücksichtigt werden. Daher sind ihre Ergebnisse ernst zu nehmen. Die dauerhafte Einnahme von Schlafmitteln kann insbesondere älteren Menschen schaden.
Ab zwei Wochen Einnahme wird es bedenklich
Bei kurzfristiger Anwendung sind Benzodiazepine und Benzodiazepin-Analoga sinnvolle, hochwirksame und zumeist auch gut verträgliche Arzneimittel. Der Arzt verordnet solche Beruhigungs- und Schlafmittel oft wegen einer akuten Krise. Nach längerer Einnahme – ab etwa zwei Wochen – verschwindet jedoch die erhoffte Wirkung der Medikamente, wie die Befreiung von Ängsten oder die Reduzierung von Schlafstörungen; oder sie wird zumindest spürbar schwächer. Weitere Probleme, die bei Langzeiteinnahme auftreten können, ähneln den natürlichen Veränderungen im Alter: kognitive Störungen und nachlassende Gedächtnisleistung, fehlende körperliche Energie, Verflachung des Gefühlserlebens, und gerade bei älteren Betroffenen Unsicherheit beim Gehen und ein erhöhtes Risiko für Stürze. Auch eine eingeschränkte Fahrtüchtigkeit einschließlich Verkehrsunfälle und Schlafwandeln sind Risiken, die mit der Anwendung dieser Substanzen verbunden sind.
Entzugssymptome ähneln Einnahmegründen
Hat sich bei dauerhafter Einnahme der Mittel bereits eine Abhängigkeit entwickelt, ist dies den Betroffenen oft gar nicht bewusst. Denn die Nebenwirkungen werden nicht mit den Schlafmitteln in Verbindung gebracht. Signale einer Abhängigkeit sind: sich unausgeglichen, antriebslos oder „gerädert“ fühlen. Die Betroffenen verlieren dadurch erheblich an Lebensqualität und ziehen sich aus Beziehungen zurück. Dass Schlafmittel so leicht abhängig machen, hat auch einen Grund: Die Entzugssymptome nach kurzfristigem Absetzen der Mittel ähneln den Einnahmegründen. Die Patienten denken dann oft fälschlicherweise, ihre Grunderkrankung habe sich verschlechtert. Die Folge: Sie nehmen die Mittel weiter – die Abhängigkeit verfestigt sich.
So setzen Sie die Mittel ab
Dabei kann das erfolgreiche Absetzen der Arzneimittel durchaus gelingen. Allerdings dürfen sie keinesfalls abrupt abgesetzt werden, sondern müssen schrittweise niedriger dosiert werden. Das heißt, dass die eingenommene Menge langsam verringert werden muss. Betroffene sollten auf jeden Fall Hilfsangebote annehmen. Dabei muss ein Entzug nicht unbedingt in einer Klinik stattfinden. So zeigte eine Studie in Allgemeinarztpraxen in Spanien, an der mehr als 500 erwachsene Patienten teilnahmen, dass das Herabsetzen der Einnahmemenge deutlich besser gelingt, wenn ein Arzt den Prozess begleitet: entweder durch 14-tägige Arztbesuche zur stufenweisen Reduktion der Benzodiazepine oder allein durch schriftliches Instruktionsmaterial zur Dosisminderung. Nach einem Jahr waren in den beiden Gruppen 45 Prozent der Patienten abstinent. In der Kontrollgruppe hingegen, in der die Patienten weder schriftliche Anleitungen noch direkte Unterstützung durch den Arzt hatten, traf dies nur auf 15 Prozent zu. Ein anderes erfolgreich getestetes Modellprojekt stammt aus Deutschland. Dabei konnte sogar jeder zweite der rund 100 Projektteilnehmer seine Abhängigkeit besiegen – begleitet von Apotheker und Hausarzt.
Schlafhygiene-Regeln beachten
Gezielte Instruktionen helfen also, von Schlaf- und Beruhigungsmitteln wegzukommen. Wer den eigenen Schlafmittelgebrauch kritisch hinterfragen will, kann einen Selbsttest machen, den Lippstädter Benzo-Check für Patienten. Der Test gibt Rückmeldung, ob es mehr oder weniger wahrscheinlich ist, dass aktuelle Beschwerden Folge der Langzeiteinnahme von Benzodiazepinen oder Z-Drugs sind. Er ersetzt nicht das Beratungsgespräch, stellt auch keine Diagnosen, ist aber eine gute Grundlage für einen Gesprächseinstieg mit Therapeuten.
Generell gilt: Benzodiazepine oder Z-Drugs sollten möglichst nicht länger als 14 Tage hintereinander verordnet und angewendet werden. Dann kann die unerwünschte Wirkung, abhängig zu werden, erst gar nicht auftreten. Die Verschreibung der Mittel muss auf jeden Fall medizinisch notwendig sein. Außerdem sollten Ärzte stets nur die kleinste notwendige Dosierung vorsehen. Oftmals können Schlafstörungen auch mit den sogenannten „Schlafregeln“ besiegt werden. Dazu gehören etwa die Entspannungsphase zwischen Tagesaktivität und Bettruhe, ein kühles dunkles Schlafzimmer oder eine feste morgendliche Aufstehzeit. Was sich sonst noch gegen Ein- und Durchschlafproblemen tun lässt, erfahren Interessierte im Special Besser schlafen.
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Kommentar vom Administrator gelöscht. Grund: Schleichwerbung
Kommentar vom Administrator gelöscht. Grund: Schleichwerbung
Bevor man zu Benzodiazepinen und verwandten Wirkstoffen greift, sollte man dringend andere Methoden zur Schlafverbesserung ausprobieren: Schlafhygiene wurde bereits genannt. Drüber hinaus kann man versuchen, seinen Melatoninhaushalt in Schwung zu bringen. Nichtthermische Lichtquellen (LED, ESL) haben physikalisch bedingt immer einen höheren Blauanteil als thermische Lichtquellen, Hier kann man ansetzen. Monitore nicht vergessen (LED). Melatonin kann man einnehmen, ebenfalls Baldrianpräparate (meine Empfehlung: Baldrian-Presssaft). Hilft das nicht empfehlen sich Antihistamine der ersten Generation wie bspw. Dimenhydramin. Sie betäuben nicht, machen aber schläfrig. Sie machen nicht abhängig, wirken aber nach zu häufiger Einnahme schlicht nicht mehr. Auch ein Schlaflabor kann verborgene Probleme aufdecken. Bei psychischen Problemen können selbst Psychopharmaka immer noch die bessere Wahl sein als Benzodiazepine. Erst wenn alles nichts hilft, sollte man zu Benzodiazepinen greifen.