Sicherheit in Stadien Viermal die rote Karte

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Schmale Treppen, lange Fluchtwege, gefährliche Stolperfallen und unüberwindbare Gräben: Einige der deutschen WM-Stadien sind wenig weltmeisterlich gebaut. Die Stiftung Warentest hat die Sicherheit in zwölf WM-Stadien untersucht. Ergebnis: Bei einer Massenpanik drohen verheerende Folgen. Die Zuschauer können nicht schnell genug fliehen. Besonders gravierend sind die Baumängel in Berlin, Gelsenkirchen, Kaiserslautern und Leipzig. test.de klärt auf.

Sicherheit nicht Stand der Technik

Noch 150 Tage: Im Juni ist die Welt zu Gast bei Freunden. Ein großes Fußballfest soll es werden. In den modernsten Arenen der Welt – sagen die Betreiber. Zwölf Stadien wurden für die WM modernisiert oder neu gebaut. Regensicher, bequem und auf der Höhe der Zeit. Baukosten insgesamt etwa 1,5 Milliarden Euro. Und doch bleiben Mängel bei der Sicherheit. Bauausführung und Fluchtwege entsprechen nicht dem Stand der Technik. Das sagen Experten der Stiftung Warentest. Sie haben die zwölf WM-Stadien inspiziert und nach den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen bewertet. Schwerpunkt der Untersuchung: Flucht und Evakuierung im Falle einer Panik.

Gefährliche Gräben und Mauern

Vier Stadien haben erhebliche Mängel: das Olympiastadion in Berlin, die Veltins-Arena in Gelsenkirchen, das Fritz-Walter-Stadion in Kaiserslautern und das Zentralstadion in Leipzig. Beispiel Berlin: Hier klafft ein Graben fast drei Meter tief zwischen Tribüne und Tartanbahn. Eine gefährliche Falle für Zuschauer, die sich bei einem Unglück auf das Spielfeld retten wollen. Auch in Leipzig ist der Fluchtweg auf den Rasen versperrt. Die Zuschauer müssten erst auf eine 90 Zentimeter hohe Betonmauer steigen und dann 3,40 Meter tief springen. In der Veltins-Arena in Gelsenkirchen lässt sich die Lücke zwischen den unteren Rängen und dem Spielfeld zwar überbrücken, doch die Öffnungen in der Brüstung sollen während der Weltmeisterschaft verschlossen werden. Wieder eine Falle.

Rettungstore schützen doppelt

Wie wichtig der Fluchtweg über das Spielfeld ist, zeigen die Katastrophen in Brüssel 1985 und im englischen Sheffield 1989. Bei einer Panik auf der Tribüne fliehen die Zuschauer meist nach unten. Im Heysel-Stadion in Brüssel starben 39 Menschen, in Sheffield 96, weil sie auf der Flucht buchstäblich zertrampelt wurden. Der Auslöser: Zu hoher Staudruck durch Hindernisse auf dem Weg nach unten. Rettungstore bauen diesen Staudruck ab. Die Zuschauer können bei Katastrophen durch die geöffneten Tore direkt aufs Spielfeld fliehen. Während des Spiels bleiben die Tore geschlossen und schützen so vor Flitzern und übermütigen Fans. Gräben und andere Hindernisse sind überflüssig.

Kaiserslautern brandgefährlich

Gut abgebaut wird der Staudruck nur in Hannover, Nürnberg und Köln. In diesen Stadien gibt es Rettungstore, oder – wie in Köln – zumindest einen breiten unteren Rundlauf für die Flucht. Befriedigend ist die Allianz-Arena in München. Die Rettungstore sind hier etwas schmal. Auch die Fluchtwege auf den Rängen müssten breiter sein. Der Brandschutz ist in München aber gut. Bestes Ergebnis von allen getesteten Stadien. Brandgefährlich wird ein Feuer dagegen in Kaiserslautern: Hier fehlen Brandmelder und Steigleitungen für die Feuerwehr. Die kommt überdies nicht schnell genug im Stadion herum. Eine durchgängige Feuerwehrumfahrt gibt es im Fritz-Walter-Stadion nicht.

Verbleibende Zeit nutzen

Auch in Berlin, Dortmund und Gelsenkirchen hat die Feuerwehr einen schweren Job. In den Stadien ist viel brennbares Material verbaut. In Berlin fehlen Sprinkleranlagen in den Logen, in Dortmund ist die Entrauchung problematisch und in Gelsenkirchen kommt die Feuerwehr an einige Steigleitungen nur schwer heran. Insgesamt ein trauriges Ergebnis bei einem heißen Thema. Deutschland hätte internationale Sicherheitsstandards setzen können. Doch noch sind fünf Monate Zeit. Zeit, die die Verantwortlichen nutzen sollten um die festgestellten Mängel so weit als möglich abzustellen oder zu entschärfen.

(Das pdf enthält zusätzlich eine englische Fassung + + + pdf includes an English version)

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