Die Wohnungsbaugenossenschaften Genokap und Protectum bieten telefonisch Verträge für vermögenswirksame Leistungen (VL) an. Wer nicht aufpasst, hat eine riskante Unternehmensbeteiligung am Hals. Finanztest schildert die dubiose Masche und sagt, was betroffene Verbraucher tun können.
Plötzlich ein Vertrag über vermögenswirksame Leistungen
Rosemarie Riedl wundert sich, dass ihr Arbeitgeber seit Mai 2015 jeden Monat 40 Euro für einen Vertrag über vermögenswirksame Leistungen (VL) vom Gehalt abzieht. Sie hat sich doch noch gar nicht für ein Sparangebot entschieden, mit dem sie Zuschüsse von Arbeitgeber und Staat einstreichen kann – denkt sie jedenfalls. Ihr Arbeitgeber legt ihr ein Schreiben der Genokap Wohnungsbaugenossenschaft aus Großwallstadt vor. Darin steht: „Ich, Rosemarie Riedl, beantrage“, die vermögenswirksamen Leistungen auf „mein Einlagenkonto“ bei Genokap zu überweisen. Die VL dienen also dazu, Anteile an der Genossenschaft zu erwerben und sich somit an dem Unternehmen zu beteiligen. „Auftrag und Vollmacht erteilt am 23.04.2015 durch telefonische Aufzeichnung“, fügt Genokap hinzu und verweist auf eine Audio-Datei.
Sie hat doch nichts unterschrieben
Genokap? Nun erinnert sich Riedl an einen Anrufer, der ihr am Handy VL-Verträge dieser Genossenschaft vorgestellt hat. „Ich habe aber wegen der schlechten Verbindung wenig verstanden.“ An Telefonnummern kommen die Werber zum Beispiel über Gewinnspiele oder Umfragen im Internet. Teilnehmer stimmen per Klick zu, dass Sponsoren wie Genokap sie telefonisch oder per E-Mail über Angebote informieren können. Informieren will sich Riedl ja. Sie wundert sich aber, denn sie hat doch nichts unterschrieben!
Keine Unterschrift notwendig
Das hält die Genossenschaft auch nicht für nötig, um Mitglied zu werden. „Unsere Gespräche werden ja mit Ihrem Einverständnis aufgezeichnet und Ihnen wird das Wesen der Mitgliedschaft erläutert“, heißt es dazu auf den Internetseiten der Genossenschaften Genokap und Protectum Moderne Wohnungsbaugenossenschaft aus Großwallstadt, die beide sehr ähnlich auftreten.
„Freiwilliges Rücktrittsrecht“
„Zu Ihrer Sicherheit und Ihrem besseren Verständnis erhalten Sie Ihre Mitgliedsunterlagen nochmals per Einschreiben“, so erläutern sie. Damit es sich die Mitglieder noch einmal überlegen können, gewähren sie laut Antwort von Protectum auf eine Finanztest-Anfrage ein „14-tägiges freiwilliges Rücktrittsrecht“. Genokap antwortete nicht. Die Frist kann ungenutzt verstreichen, wenn Verbraucher verreist, krank oder beschäftigt sind. Viele rechnen nicht damit, ohne Unterschrift einen VL-Vertrag abzuschließen oder Genossen zu werden.
Vollmacht am Telefon erteilt
Das Genossenschaftsgesetz schreibt eine schriftliche Erklärung vor. Beitrittswillige können aber jemanden bevollmächtigen, für sie zu unterschreiben. Das geht auch mündlich. Genokap etwa verwies darauf, Riedl habe die Vollmacht telefonisch erteilt. Angerufene erkennen aber am Telefon unter Umständen nicht einfach, dass und wofür genau sie gerade eine Vollmacht erteilen. Sie können in einer Anlageform landen, die zu riskant für sie ist.
Risiken als Mitunternehmer
Auf Youtube stellen die Genossenschaften ihr Angebot zwar als „sicher“ dar und rechnen vor, welchen Auszahlungsanspruch Mitglieder durch eigene Einzahlung, hohe Förderung und Dividende erreichen. Tatsächlich kann ihr Anspruch aber deutlich niedriger sein, denn er hängt vom Wert ihres Genossenschaftsanteils ab. Protectum bezeichnet die Darstellung auf Nachfrage als „Rechenbeispiel“. Beide Genossenschaften legen einen Schwerpunkt auf Bauprojekte. Dieses Geschäft ist riskanter als das Vermieten eigener Immobilien.
Verbraucherzentrale warnt
Gabriele Schmitz von der Verbraucherzentrale Hamburg warnt: „Es handelt sich um eine Gesellschaftsbeteiligung. Die Mitglieder tragen alle Verluste bis zur Höhe der vertraglich übernommenen Einlage.“ Protectum teilt mit, es habe sich gezeigt, „dass telefonisch geworbene beitrittswillige Mitglieder aufgeklärter sind als Mitglieder, die zum Beispiel über Versicherungsagenturen geworben wurden“.
Warten auf die Bilanz
Als Rosemarie Riedl bewusst wird, dass sie nun Genossin ist, kündigt sie. Genokap schickt ihr eine Übersicht: Riedls Einzahlungen decken noch nicht einmal das „Eintrittsgeld“ von angeblich 816 Euro ab. Erst wenn diese Aufnahmegebühr in Höhe von 10 Prozent der Zeichnungssumme beglichen ist, fließt Geld in Genossenschaftsanteile. Nun muss Riedl warten. Bis Ende 2021 ist sie Mitglied, die Kündigungsfrist beträgt fünf Jahre. Genokap kündigt an, ihr Guthaben, „soweit ein solches besteht“, werde frühestens im Folgejahr nach der Feststellung und Genehmigung der Bilanz ausgezahlt.
Brief nicht zugegangen?
Bleibt noch ein Punkt: „Ich habe die Mitgliedsunterlagen nie bekommen“, sagt Riedl. Protectum erklärt: Wenn Mitglieder behaupteten, keine Unterlagen bekommen zu haben, hielten sie die Einschreiben „meistens für Werbung“ und entsorgten sie. „Wir konnten jedoch in allen Fällen die Zustellung nachweisen“, behauptet die Genossenschaft und bietet an, solche Mitglieder mit ihrer Zustimmung zum Jahresende auszuschließen. Dann würden „keine weiteren Beiträge fällig“.
Besser zum Anwalt gehen
Bereits bezahltes Geld sei bei einer unternehmerischen Beteiligung wie einer Genossenschaft schwer zurückzuholen, erklärt Verbraucherschützerin Schmitz und rät, „sofort die Zahlungen zu stoppen und rechtliche Beratung in Anspruch nehmen“. Riedl hat einen Rechtsanwalt eingeschaltet.
Fazit: Riskantes Angebot
Wir setzen Genokap und Protectum auf unsere Warnliste Geldanlage: Ihr Angebot ist nicht sicher. Der Verzicht auf eine Unterschrift der Verbraucher birgt die Gefahr, dass diese sich unbewusst auf Jahre unternehmerisch beteiligen und erhebliche Risiken tragen.
Tipp: Sie wollen einen VL-Vertrag abschließen, wissen aber noch nicht welche Sparform die richtige ist: Banksparplan, Bausparvertrag, Tilgung eines Baukredits, Aktienfondssparplan? Wir haben Angebote für alle Sparformen getestet: Vermögenswirksame Leistungen, Finanztest 9/2016.
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Wenn im Display des Telefons eine unbekannte Telefonnummer oder gar keine Telefonnummer erscheint, wird der Anruf gar nicht erst angenommen. -
Wer etwas wichtiges mitteilen will, kann dann auf den Anrufbeantworter sprechen. Dann kann man in Ruhe die Nachricht abhören und sich überlegen, ob man reagiert. -
Hinterlässt der Anrufer nicht seinen Namen und Grund des Anrufs, wird grundsätzlich nicht zurückgerufen. -
Von Werbenden wird in der Regel keine Nachricht hinterlassen. :-) -
Wem das Telefon zu oft klingelt, kann die Klingel auf "aus" stellen und zu bestimmten Zeiten nachsehen, ob jemand angerufen hat. -
Dasselbe Verfahren kann man bei eingehenden Emails machen.
Ich kann ihre Empörung verstehen und teile sie teilweise. Dennoch bleibt es für mich dabei: Wer keine telefonischen Geschäfte abschließen möchte, legt einfach auf, wenn er einen entsprechenden Anruf bekommt.
Die ganze komplizierte StiWa-Ablaufdarstellung des Falls schreit doch danach, telefonisch-gewerbliche, insbesondere mobiltelefonische Akquise gesetzlich nicht nur gem. UWG einzuschränken, sondern grundsätzlich immer auch zu ahnden, wenn sie nicht innerhalb von zwei Wochen nachträglich in allen Einzelheiten schriftlich einwandfrei gegenbestätigt worden ist. So lange kann ein Vertragsbeginn bzw. eine Laufzeit immer warten !
Hatte gerade einen Anruf mit [echter?] Rufnummeranzeige von FORSA. "Sie kennen uns doch? Wir hätten gern Ihre Meinung bei unserer neuen Telefonumfrage!". -- Nein danke, seitdem aus solchen Antworten z.B. "ja, da stimme ich zu" herausgeschnitten und später anderen Fragen und Angeboten zugeschnitten werden können, wird Telefonwerbung per se kriminell bzw. hier: "Nicht empfehlenswert".