Telematik-Tarife im Vergleich

„Den perfekten Fahrer gibt es nicht“

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Telematik wird von Versicherern auch als Mittel zur Unfall­vermeidung angepriesen. Unfall­forscher Sieg­fried Brock­mann verrät, wem die Technik bei der Fahr­sicherheit hilft.

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Telematik-Tarife im Vergleich - Kontrolliert fahren und Geld sparen

Experte. Sieg­fried Brock­mann ist Leiter der Unfall­forschung im Gesamt­verband der Deutschen Versicherungs­wirt­schaft (GDV). © privat

Sparen – schön und gut. Doch hilft Telematik wirk­lich, Unfälle zu vermeiden?

Grund­sätzlich gilt: Belohnung hilft mehr als Bestrafung – das kennen viele aus der Erziehung ihrer Kinder. Mit einem Belohnungs­system wie der Telematik kann man besser auf das Fahr­verhalten einwirken als beispiels­weise mit Bußgeldern. Trotzdem dürfen wir nicht vergessen, welche Fahrer einen solchen Tarif über­haupt nutzen. Sicherlich nicht diejenigen, die gern schnell und ruppig fahren. Es ist also keine Über­raschung, dass Telematik-Nutzer weniger Unfälle verursachen. Ob der Grund dafür aber die Telematik ist, ist schon metho­disch kaum zu beweisen.

Sind Telematik-Nutzer also von vorn­herein bessere Fahrer?

Die wichtigere Frage lautet: Was sind über­haupt „bessere“ Fahrer? Die Telematik sitzt ja nicht auf dem Beifahrersitz und bildet sich ein Gesamt­urteil, sondern misst nur bestimmte Para­meter. Sie muss den gesamten Fahr­stil und vor allem die Unfall­wahr­scheinlich­keit auf fünf, sechs Punkte herunter­brechen. Ziel ist, das Fahr­verhalten mit dem Score möglichst genau abzu­bilden, aber die Para­meter entwickeln sich noch. Da wird es in den nächsten Jahren ganz sicher einige Optimierungen geben.

Die Tarife sind vor allem auf Fahr­anfänger ausgerichtet. Lohnt sich die Nutzung für sie besonders?

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Junge Fahr­anfänger haben ein doppeltes Unfall­risiko, deshalb stechen sie in den Statistiken auch so heraus: das Anfänger- und das Jugend­lich­keits­risiko. Ersteres lässt sich kaum beein­flussen, man lernt das Auto­fahren nun mal durch eigene Erfahrung und Erleb­nisse. Das Jugend­lich­keits­risiko könnte sich hingegen schon beein­flussen lassen. Nutzt man Telematik, über­legt man sich zweimal, ob man mit einem rasanten Fahr­stil den Freunden imponieren will und damit Punkte aufs Spiel setzt.

Lohnt sich ein Telematik-Tarif trotzdem für ältere Fahrer?

Ab einem gewissen Alter sind Fahrer­typ und Fahr­verhalten fest­gelegt. Da kann die Telematik nur noch begrenzt einwirken. Für einen 80-Jährigen, der ohnehin umsichtig fährt, kann sich der Tarif finanziell trotzdem lohnen. Aus Sicht der Verkehrs­sicherheit macht die Nutzung jedoch kaum einen Unterschied.

Die volle Punkt­zahl ist sogar für Veteranen schwer zu erreichen. Ist ein perfekter Score für Fahr­anfänger über­haupt realistisch?

Das muss er gar nicht sein: Den perfekten Fahrer, der nie scharf bremst, nie etwas falsch macht und in jeder Situation den vollen Über­blick behält, gibt es nicht. Es käme mir eher komisch vor, wenn man regel­mäßig den perfekten Score erreichen würde. Das ist übrigens auch ein Problem vor Gericht: Richter spiegeln das Fahr­verhalten am sogenannten „idealen Kraft­fahrer“. Den gibt es aber nur in der Theorie.

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Kommentarliste

Nutzer­kommentare können sich auf einen früheren Stand oder einen älteren Test beziehen.

  • mopperle am 25.10.2023 um 17:48 Uhr
    Plausibilität der Paramater zweifelhaft

    Seit einem Jahr fahre ich mit dem HUK24 Telematiktarif. Da ich ein E-Fahrzeug habe, fahre ich sehr defensiv und so vorrausschauend, dass ich dank Rekuperation kaum bremsen muss und in 90% der Fälle punktgenau zum stehen komme.
    Sehr negative sehe ich die sog. Beschleunigungsfehler. So z.B. letztens als ich 20 km auf einer Bundesstraße hinter einem LKW hing wo wegen dichtem Verkehr und kurvenreicher Strecke zu keiner Zeit an Überholen zu denken war. Trotzdem dichtete die App mir 7 Beschleunigungsvorgänge an. Gestern Auffahrt auf die A8 hinter einem großen Kastenwagen (kein Überholvorgang), und wieder habe ich "stark beschleunigt". Sowas erlebe ich bei vielen meiner Fahrten. Spricht man die HUK darauf an, erhält man nur stereotype Antworten und den Verweis auf die FAQ. Mein Fazit: Um annähernd an den max. Rabatt zu kommen, pflegt man am besten einem Fahrstil als ob man einen 40-Tonner bewegt. Macht doch mal diesbezgl. einen Test Fahrlehrern, die dem perfekten Fahrer am nächsten kommen.

  • ko.rmoran am 28.11.2022 um 17:09 Uhr
    Bluetooth wird blockiert

    Ein Nachteil ist nirgendwo erwähnt, aber m. E. durchaus wichtig zu wissen:
    Die Systeme, die mit Bluetooth arbeiten, müssen eine permanente Bluetooth-Verbindung zum Telematik-Sensor herstellen. Dadurch wird Bluetooth für sämtliche anderen Funktionen blockiert. Man kann also das Smartphone nicht mehr mit dem Auto selbst koppeln und dann entsprechend nicht mehr über die Freisprechanlage telefonieren, Musik hören oder die Android-Auto-Funktion verwenden. Ich finde das völlig inakzeptabel.

  • bdfbdfbfbet am 27.04.2022 um 21:06 Uhr
    Huk24 Telematik = Mist

    Ich habe HUK24 Telematik ausprobiert, in meinem Fall hat sich das System Vollbremsungen auf Landstraßen ausgedacht und bei jeder Autobahnauffahrt habe ich Strafen für zu starkes Lenken bekommen, sogar mit 30 km/h in der Baustelle an der Auffahrt Holzkirchen Richtung München. Die Huk24 reagiert auf Anfragen nur mit Standard-Blabla. Ich habs dann wieder abbestellt.

  • mckaha am 04.02.2022 um 17:20 Uhr
    Ist der Bonus das wert?

    BonusDrive der Allianz hält mich mehr von einem guten Verkehrsverhalten ab als es mir hilft. Das schlecht funktionierendes App-Dot-System nervt mich mit seinen Fehlfunktionen genauso wie das intransparente Bewertungssystem und die mangelhaften Karten.
    Die Datenschutzerklärung in der App räumt der Allianz wesentlich mehr Rechte ein als im Internet frei zugänglich genannt werden, u.a. Rechte von Dritten. Die Allianz fordert, die Standortfreigabe auf „immer“ zu setzen. D.h., es wird dadurch ein permanentes Bewegungsprofil von mir erstellt, auch außerhalb des Fahrzeuges. „Wir bewerten Ihr Fahrverhalten transparent und fair“ ist Überschrift der Allianz! Das wünschte ich mir, muss aber eine hohe Intransparenz feststellen. Die Bewertungskriterien werden nicht offen gelegt. Aber vielleicht geht es ja auch nur um die Sammlung von Daten und Bewegungsprofilen. Und nicht um mein Wohl. Ich werde auch weiter an roten Ampeln halten, auch wenn das ein "mittelschweres Bremsvergehen" sein kann.

  • landebahn26 am 28.01.2022 um 17:50 Uhr
    Verkehrsgefährdend

    Ich fahre seit über 40 Jahren unfallfrei, abgesehen eines Blechschadens, den ich mir an meinem Auto in der Tiefgarage zugefügt habe. Pro Jahr hatte ich ca. 40.000 km Fahrstrecke. Seit Anfang 2022 bin ich bei der HUK mit Telematix-Tarif versichert. Will man tatsächlich Punkte sammeln um Kosten zu sparen, wird man zu einem Verkehrshindernis. Man wird durch den Sensor "gezwungen", rechtzeitig und behutsam die Geschwindigkeit zu reduzieren, um dann gemächlich um die Kurve zu fahren. Nachfolgende Verkehrsteilnehmer fahren extrem dicht auf, nicht selten wird man nach einiger Zeit riskant überholt. Niemals in meiner langjährigen Fahrpraxis habe ich mich so unwohl beim Autofahren gefühlt. Meiner Meinung nach ist der Sensor nicht nur verkehrsbehindernd, er ist verkehrsgefährdend. Was halten Sie von Tests mit verschiedenen Probanden (Gelegenheitsfahrern, Vielfahrern, Berufskraftfahrern)? Wäre das nicht eine Möglichkeit, die hinterlegten Fahrprofile heutigen Verkehrsverhältnissen anzupassen?