Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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kratze, f.

kratze, f.
1)
werkzeug zum kratzen, scharren.
a)
z. b. zum entfernen von schmutz: wiewol die zolner unter iedem thore ir ieder ein hawen, ein schaufel und ein kratzen hat (das pflaster zu reinigen). Tucher baum. 256, 28, so nd. krâsche Schamb. 111ᵇ. erzgeb. mistkratze zum reinigen des stalles (Spiesz 63), luxemb. das scharreisen des kaminfegers.
b)
bei den bergleuten, mit stiel, in krückenform, schon mhd. Pf. Germ. 1, 348ᵃ, schwachf.: zu gleicher weis haben auch die kratze und schaufel von den gemeinen kein underscheid, mit den einen scharren sie die erd und kies zusammen, mit den andern werfen sie diese ding in die gefäsz. Bechius Agricolae bergwerk 114, auch reutkratze (Dief. 505ᶜ); vgl. kräuel, der auch kratze heiszt. ähnlich bei den minierern, auch krücke genannt. in den zinnhütten rautkratze, die schlacken wegzuscharren. entlehnt böhm. krace (kratce), poln. graca.
c)
ligo, kratzce Trochus Q 5ᵇ (Dief. 329ᵇ), also karst, krauthacke u. ä.; ebenso wieder poln. graca, böhm. krace, dazu als verb. gracować, kraciti, die erde hacken, karsten, nicht auch deutsch kratzen? schwed. gibt es kratta f. harke, während das entlehnte krats kratzeisen masc. ist.
d)
bei wollarbeitern gleich krämpel, kratzkamm, gewiss auch alt (böhm. kracinka), schles. kratzel n. drahtkamm für werch, böhmisch kracle, dazu kracluju krämpeln, den flachs kämmen, gewiss also auch hd. kratzeln. ähnlich in baumwollenspinnereien (vorkratze und feinkratze) Karmarsch 1, 122. 830, auch bei hutmachern, zur lockerung des haars 2, 282.
e)
grob für finger, nägel: mit denen schwarzen kirschen (beim essen) must du deine kratzen und saurüssel wol befärben. L. Tölpels baurenmoral 39.
2)
abgekratztes, abgeschabtes, kratz (aber als fem.) M. Kramer 1787; die breikruste in topf und tiegel, bodenscharre Schmidt westerw. id. 88, franz. gratin. vgl. henneb. ôkratze (wäre mhd. âkratze) werch, vürkratze schlechtes werch Fromm. 3, 137. 140. vgl. krätze 2.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 9 (1869), Bd. V (1873), Sp. 2072, Z. 41.

krätze, f.

krätze, f.
1)
scabies, räude, mhd. eine spur in ankretzic (s. 1, 387), von kratzen, wie scabies von scabere, ψώρα von ψάω, auch engl. cratches pl., von pferden (mauke); anklingend altsl. slov. krasta, böhm. chrásta, russ. korosta.
a)
im sing.: kretz prurigo, cutella. voc. inc. teut. n 6ᵇ, durre krecz impetigo, scabies sicca e 4ᵇ, die kretze voc. th. 1482 r 3ᵇ (auch juck m., ahd. jukido);
doch wem kalt flüsz und kretz we dunt,
die werden schnell geheilet do (in Ems).
Folz, fastnachtsp. 1259;
der herr wird dich schlahen .. mit grind und kretz. 5 Mos. 28, 27;
kelt, kretz und husten in zustat.
H. Sachs 1, 519ᶜ;
gesell, ir seit ein rechte hadermetz.
fraw, ei, des hab dir die welschen kretz (franzosen?).
2, 127 Göz;
i. f. gnaden aber entschuldigen sich wegen krankheit und dasz sie die krätz hatten. Schweinichen 2, 97; mit krankheit und sonderlich mit einer krätze also angegriffen. 2, 108; auch die krätze hat melancholien und tobsuchten geheilt, ist die krätze darum weniger krankheit? Schiller 694ᵃ; das allertollste aber ist dieses, dasz er — (wie soll ich mich gleich rund genug ausdrücken? ich will, mit ihrer erlaubniss, einen ausdruck aus dem Hudibras borgen) dasz er seinem autor die krätze giebt, um ihn reiben zu können. Lessing 6, 8. dazu bäckerkrätze, ein ausschlag der hand, der besonders bei bäckern vorkommt; bartkrätze, auch baumkrätze.
b)
auch im plur., wie oben engl. cratches. so tirol. kretzen pl. Schöpf 344, und östr.: das ist so wenig möglich, als ein jude nach ambra riechen, ein bauerkäs nicht stinken .. und ein schneider ohne kretzen sein kann. Weisz die Wiener haupt- u. staatsact. 158.
c)
bildlich: zur zeit der interimistischen krätze (des interims) Hamelmann dedic. des chron. Erdmannianum 1564.
2)
im hüttenwesen und bei metallarbeitern, der abgang vom bearbeiteten metall, besonders von silber, ramentum Stieler 1028, Frisch 1, 545ᶜ. ursprünglich war es wol abfall, abschabsel überhaupt, daher lat. im 16. jh. ramentum genannt (s. Lessing 11, 456).
a)
als fem., wie bei Stieler, Frisch: der goldschmied schmelzt die gewaschene krätze wieder. Steinbach 1, 929, vgl. krätzbereiter; 'âschrot, krätze bein münzschlagen'. Schmeller 3, 521. bildlich: gelehrte kretze. Lessing 11, 455 (11, 2, 27 Maltz.). s. auch darrkrätze, kirchenkrätze.
b)
aber auch krätz neutr.: (kein bürger soll) keinerlei kupfer, kurnts, test, kretz oder weinstein nicht schmelzen noch abtreiben, ausgenommen in der stat gemeinen schmelzhutten. Baaders Nürnb. polizeiordn. 150 v. j. 1483; test oder kretz .. das durch ine ... gemacht were. 151; ist ein salz .. wird in den glashütten den goltschmieden zum flusz des kretzes und der anfeilung verkauft. Thurneisser alch. 2, 29. auch folg. kretz kann n. sein: das übrige silber bleibt im abstrich, kretz und schlacken. L. Erker 105ᵃ; von dem frischen, dem seigern und dem darren fält eine blesische unart ab, die man krätz nennt. Cancrinus bergw. 18. auch schwed. krats n. vgl. das gleichbed. gekrätz n. und krätzich.
c)
bildlich in die krätze gehn, in den abfall kommen, verloren gehn (bei Frisch 1, 546ᵃ ins krätze, Schmotther 2, 391 ins kretz gehn, nd. in de kretse br. wb. 2, 871): ich wollte nicht gern, dasz ein tröpflein in die krätze ginge. Bodes Tristr. Schandi 3, 91; meine anmerkungen über den Falco ... die werden wol in die krätze gehen. Lessing 12, 358. auch bei Zelter an Göthe 6, 312. man findet auch in die kratze g.
3)
krätze f. gleich kratze 1, rutrum metallicorum Stieler 1028, auch bei M. Kramer 1787 als sandschaufel, bagger u. ä.; wol zu krätzen.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 9 (1869), Bd. V (1873), Sp. 2072, Z. 75.

krätze, kretze, m., f.

krätze, kretze, m. f.
korb, korbgeflecht, ahd. crezzo m. calathus Graff 4, 593, mhd. kretze m. f. wb. 1, 879ᵃ (vgl. gramm. 3, 460).
I.
Gebrauch, bedeutung, formen.
1)
korb.
a)
als rückenkorb, mhd. kreze, cophinus qui in dorso portatur Mones anz. 8, 395ᵇ; auch die krezzen in dem Neidhart MSH. 3, 293ᵇ ff. ist offenbar ein rückenkorb. daher folg.: auf Eneisch (d. h. wie Aeneas) ein krätzen ausz ihr (d. i. sich) machen, die ihren liebsten schatz ausz Winsberg trag. Fischart Garg. 70ᵃ (Sch. 118), den gatten tragen wie ein rückenkorb. daher schweiz. kräzen geradezu für auf dem rücken tragen, s. Stalder 2, 131, vgl. das gleichbed. kreinzeln unter kreinze korb. noch schweiz. chræza f. geschlossen geflochtner tragekorb Tobler 118ᵇ (zu dem æ s. unter h).
b)
ähnlich als tragkorb eines esels: Christus hat uns in einem schnoden dienst gedient, wan er hat uns unsern mist ausgeführt, das ist unser sünd, und in zweien kretzen. wann man mist an einen berg wil füren, so legt man eim esel zwen körbkretzen uf und füllet sie mit mist u. s. w. Keisersb. evang. 1517 50ᵃ; die vollen krätzen trucken den esel am aller minsten. Fischart bien. 143ᵇ (1588 156ᵇ), der doppelkorb. nach dem körbkretzen führten auch andere vorrichtungen der art den namen kretze. s. dazu 2.
c)
als handkorb oder korb überhaupt: wie sie (die einsiedler) in iren wüsteneien und clausen körbe und kretzen geflochten. Mathesius Luther (1583) 27ᵃ, so dasz also korb und kretze doch unterschieden werden; canistrum, kretz vel zain. voc. rer. Augsb. 1478, vgl. brotkretze; cretzen, korb. Henisch 624; sie brachen einem krämer sin krätzen auf. Tschudi 2, 489ᵃ; krätze f. hängekorb, handkorb Rädlein 563ᵃ mit der redensart einem was in die krätze legen, faire le présent accoutumè à son compère, vgl. das verbot des kretzentragens bei kindtaufen, d. h. schenken von seiten der gevattern an den kindtaufsvater bei Schm. 2, 400.
d)
vogelkorb: aviarium, ein vogelkrätze oder kötze. Dasyp. 16ᵇ, vögelkretz 368ᵃ; cretze vogelhaus Henisch 624. noch in Schmidts idiot. bernense chräze cavea Fromm. 2, 371ᵇ, auch bei Rütte 50 kräze käfig. ebenso korb als vogelbauer.
e)
als wagenkorb: auf dem rüstwagen zwo gut hoch und lang gezäunte krätzen. Krenners bair. landtagsh. 7, 70 ad a. 1460, noch bair. wagenkretzen, die wagenflechte Schm. 2, 399. auch schwäb.: darnach hat man den enthaupteten auf ein krezen gelegt. Birlinger Augsb. wb. 291ᵇ.
f)
form und stoff weichen wesentlich ab. aus Baiern z. b. gibt Schmeller als begriff 'geflecht, das nach verschiednen gegenden bald die gestalt eines korbes, bald die einer wanne u. dgl. hat', Frisch 1, 545ᶜ gibt es als korb von holz geflochten, liegt im stoffe der unterschied von korb und kretze unter c? Ringwald 2, 77 gibt es aus dem Henneberg. als handkorb von weiden geflochten, aber auch als backmulde von gleicher arbeit, und 1, 89 als rückenkorb.
g)
zum geschlecht ist zu bemerken, dasz noch nhd., wie mhd., m. und f. neben einander gehn. älteres masc. z. b.:
hört ir, frau mit dem kretzen,
wie gebt ir des reis ein metzen?
fastn. sp. 368, 11;
nim .. drei pfennig und den kretzen, geh gen markt, kauf u. s. w. A. v. Eybe Plautus 97ᵃ; nim den kretzen und gehe mir nach, das wir kraut kaufen. Steinhöwel Aesop 1555 bl. 8, in der Freiburger ausg. 1569 aber nim die kretzen 8ᵃ. das fem. gibt Rädlein (s. u. c), m. aber Frisch (krätz, krätzen); das m. ist bair., schwäb. (kretzen Schmeller, Schmid 240), das fem. aber schweiz., auch hessisch Vilmar 223, fränkisch, daher bei Rückert: die krätz' an der hand haben. makamen 2, 57, um früchte zu sammeln.
h)
endlich ist in der wortform mehrfach langer vocal angegeben. so aus der Schweiz 'kräze, kräätze' f. hängekorb Stald. 2, 131, vgl. Tobler unter a; aus dem Bregenzerwalde kræze f., 'tragkiste mit bändern' (auch ein kind, das immer getragen werden musz) Felder. aber auch aus Nordfranken krêtze Reinwald 2, 77. in Thüringen, wenigstens am nördlichen abhange des waldes, hat man ein m. krätzer, grobgeflochtner korb, z. b. zum obstabnehmen, aber auch kræzert gesprochen. diese länge vor z musz auffallen, kann es erst spätere dehnung sein? oder bestehn kürze und länge von jeher nebeneinander? einen gleichen fall s. unter katze.
2)
tragreff; so bei Maaler 250ᶜ, Frisius 51ᵃ 'krätzen f., aerumna'. krätz, tragräff Aler 1236ᵃ. eigner weise auch nl. bei Kilian 261ᵃ, kretse, mit genauer beschreibung. ebenso ist krenze zugleich korb und reff, und das gleichfalls nah anklingende krächse reff ist ebenso auch korb (sp. 1924).
3)
nach Adelung heiszen auch wiegen krätzen, gerade wie kötze korb auch wiege ist, s. d. I, 4 und II, 3, a, auch hier II, a und c.
II.
Verwandtschaft und herkunft.
a)
es gehört zusammen mit seiner nebenform kratte (ahd. auch chretto), die dort angeführten engl. crate korb, nl. kratte entsprechen dem hd. krätze, während auch kratte mit seiner lautstufe sein entsprechendes finden mag in engl. cradle wiege, ags. cradul (eig. körbchen?), vergl. vorhin unter 3 krätze wiege und engl. crib wiege mit cribs salzkörbe.
b)
merkwürdig ist dabei nl. kretse aviarium und corbis vimineus, doch wol vom Oberrhein eingeführt, wie kretse reff; sonst könnte man an eine ableitung mittelst s denken, wie sie deutlich in krächse vorliegt, das sich auch sonst mit krätze deckt; zudem wird auch ein krepse reff angegeben (s. dort).
c)
zwischen krächse und krätze, und wenn es echt ist, krepse, liegt denn wieder wurzelhafter auslautwandel vor (s. sp. 6). gutturalen einfachen auslaut zeigt auch engl. creke, creak korb Hall. 278ᵇ und wol auch cratch 278ᵃ korb und wiege, auch raufe, krippe und 'a kind of a handbarrow', eine art reff? labialen auslaut zeigen krebe korb und krippe.
d)
denn auch geflechtähnliches, gitterförmiges wird mit der wurzel bezeichnet, die raufe, krippe, das tragreff sehen einem groben geflechte ähnlich; so in bair. kritze gitterstall für hühner, auch ostfr. kreite ein leichter, aus latten gezimmerter kasten zum torftragen, auch die hohe wagenleiter, das seitenheck auf dem heuwagen Stürenb. 122ᵇ (vgl. bair. kretzen wagenkorb) zeigt diesen begriff und zugleich dieselbe vocalisierung wie kreinze korb (ahd. einmal creito korb), zu der auch die vocallänge in der schweiz. thür. form eine beziehung haben mag.
e)
dem kræze ähnelt schweiz. gräze, grätze gerte, rute, reisig Stald. 1, 474, und diesem wieder it. grettola, gretola weidengerte zum korbflechten, gitterstab eines käfigs, gehören sie hieher?
f)
auch in slav., litt., kelt. sprachen bestehn stark anklingende worte in der bed. gitter, rost, flechtwerk, z. b. poln. krata gitter, litt. krátis, s. Diefenbach goth. wb. 2, 536.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 9 (1869), Bd. V (1873), Sp. 2073, Z. 62.

kratzen

kratzen,
scabere, scalpere, radere, fricare.
I.
Formen und verwandtschaft.
a)
ahd. chrazzôn, mhd. kratzen und kretzen, wie auch nhd. einzeln umlautend, haupts. alem. (mittelrh. Dief. s. v. scabere); entlehnt ital. grattare, franz. gratter (engl. grate), span. prov. gratar, überall alt eingebürgert und weiter entwickelt, auch mlat. cratare, gratare. merkwürdig tirol. gratten von hühnern.
b)
aber auch nd. mit dem z (ts), schon mnd., z. b.:
dâr schole gi krazen unde schaven.
Rein. vos 2464,
die erde aufscharren, um einen schatz zu finden;
de mûsebîter het scharpe klauwen,
dârmede scholde he kratsen den lauwen.
Liliencron hist. volksl. 2, 217ᵃ.
so noch nnd., auch wie hd. kratzen geschrieben, z. b. bei Dähnert 254ᵃ. ebenso altnrh. im Karlm. 171, 44, nl. kratsen, kretsen schon bei Kilian, ferner dän. kradse, schwed. kratsa. dasz das alles und so weit hin nur hd. entlehnung sein sollte, will schwer einleuchten. vgl. unter kreis.
c)
aber auch unserm kratzen regelrecht entsprechend, schwed. kratta kratzen Rietz 350ᵇ (gemeinschwed. nur harken, rechen), dän. kratte, wovon doch nd. nl. keine spur. eigen schwed. dial. auch karta kratzen (auch klettern). s. Rietz 311ᵃ, umgestellt für krata? vgl. altschottisch keyrth to scratch Jamieson 1, 629ᵇ. die gleiche umstellung des r in engl. chark neben crack, schon ags., s. krachen I, b, auch hier unter e schott. carke.
d)
sonst heiszt es nd. krâschen und krassen (Dief. s. v. scalpere, Rein. vos, Claws bûr 752), kraschen wolle, tuch krämpeln brem. wb. (nl. kretsen Kil.), krâschen harken, scharren Schamb., auch nl. krassen kratzen, ritzen, kritzeln, isl. krassa, die mit mhd. kriseln krauen, livl. krâsen kratzen eine selbstständige wurzelbildung darstellen.
e)
aber merkwürdig tritt auch hier auslautwandel auf. zunächst mit gutturalem auslaut älter mhd.:
(daʒ si) mit hegenînen hâken (haken von hagedorn) ...
die âdir ouʒ chraken (oder chrâken?).
Diemer gen. 65, 26,
von den juden, die dem schlachtvieh die muskeln herauszerren, kratzen. und falls das zweifelhaft scheint, zumal die entsprechende stelle fundgr. 2, 48 dafür chracen hat (: hâken), so genügt folg. als beweis: altengl. cracche kratzen Halliwell 276ᵇ, Stratmann 122, mit umgesprungnem r (wie schwedisch karta unter c) schott. carke nach carkin, scratching, grating Jamieson suppl. 1, 183ᵇ. aus dem cracche wurde cratch kratzen Halliw. 278ᵃ, wie scratch auf ein scracche zurückgehn musz. auf deutschem boden erscheint der guttural in nrh. kragen kratzen, ritzen, praet. krôch: mit ener nâlden (nadel) si in krôch. Karlm. 163, 27, Bartsch über Karlm. 300.
f)
labialen auslaut können krappeln, krabbeln bieten, die in der bed. krauen, jucken mit kratzen zusammentreffen; vgl. besonders krappe kralle, östr. krebbe. deutlicher mit s- vorn nd. nl. schrâpen, schrappen, schrabben kratzen u. ä., dän. skrabe, hd. schrafen, auch engl. scrap und scrab, scrabble, die alle drei bei Halliwell 714ᵃ. 713ᵇ mit to scratch erklärt werden. auch diesz scratch selbst gehört in diese gestaltung der wurzel mit s- (auch scrank, scranch das. 714ᵃ), und mit dentalem auslaut scrat und scrattle to scratch 714ᵃ. diese fülle der ausgestaltung weist allein auf höchstes alter hin.
g)
das vortretende s ist wie in scribere gleich γράφειν, sculpere gleich γλύφειν, nd. scharven gleich karven, die selbst zur sippe gehören werden; s. unter kerben, klieben; so könnte auch hd. schroten her gehören.
h)
der wurzelauslaut tritt aber, wie bei klauben, auch vocalisch auf in krauen, und mit -s in krasen, krassen und kräuseln krabbeln (vgl. auch kresen kriechen); mit l in kralle, mit m in krimmen u. s. w.; für r auch l in klatte, kralle.
i)
Diefenbach goth. wb. 1, 241 vergleicht auswärtig kelt. sgrath to scrape, russ. skresty kratzen (vgl. unter krätze scabies), böhm. krtiti scharren, Pott 2, 204 lat. radere (für cradere), wie es mhd. ratzen kratzen gibt. die ganze weitverzweigte sippe ist offenbar bei uns am reichsten entwickelt, sie bleibt nur geschichtlich zu sichten. s. auch kritzeln, und kreis.
II.
Bedeutung und gebrauch.
1,
a)
im kampfe, feindselig:
krazen noch gebîʒen kund eʒ niht den man (der gebundne bär).
Nib. 891, 1;
nu bîʒâ bîʒ! nu limmâ lim!
nu kratzâ kratz! nu krimmâ krim!
sie biʒʒen unde lummen,
sie kratzten und krummen
einander alsô grimmiclich.
schretel und wasserbär Haupt 6, 161.
oft sprichw. katzen, die vorn lecken und hinten kratzen, z. b.: ein fein ketzlin, das forn lecken und hinden kratzen kan. Luther 6, 158ᵇ von einem verleumder, noch im 18. jh. so bildlich:
(ich) sah schmunzeln ins gesicht, und hinterm rücken kratzen.
Gotter 1, 302.
trans.: dieweil er nichts hatt, damit er ihm auch die haut kratzen möcht. Amadis 290; die katze hat mich blutig gekratzt, mir eine schramme gekratzt. ungewöhnlich: über die ich Wieland hätte die augen kratzen mögen. Herder in Mercks briefs. 1, 15.
b)
daher sich kratzen, kratzend kämpfen (die nägel sind ja die ältesten waffen):
swer sich kratzet mit dem bern,
dem muoʒ sîn hant vil dicke swern.
Freidank 139, 7;
wer iez mit dir kretzen well,
ist not dasz er die negel spitz.
dein pauren im land die schweigen still
und stecken (doch) voller hitz,
si kratzten lieber heut dann morn.
Uhland volksl. 485, v. j. 1516;
(die schwarzen und die grauen mönche), die mit den dapen und den klawen
wie schwarz und grawe ramlecht katzen
nun lange zeit einander kratzen.
Fischart S. Domin. B 2ᵃ;
ich musz mich auf allen seiten mit dem teufel kratzen und schlagen. J. Böhme aurora (Stuttg. 835) 87; weil wir in dieser welt also in groszer gefahr zwischen himmel und hölle leben und uns stäts müssen mit dem teufel kratzen. drei princip. 8. vgl. krauen 1, a so.
c)
der hund kratzt an der thüre, um einlasz, die hühner am boden, im sande (auch scharren); ich (der eingesargte alte Moor) kratzte an dem deckel der bahre, er ward aufgethan. Schiller 136ᵃ; du wirst noch an der decke kratzen, conscientiae morsus non effugies. Aler 1236ᵇ;
drink (das ei) nit bisz du kumst zu dem end,
kratz nit am boden (des eis) mit der hend.
S. Brant tischzucht 310 (Zarncke s. 149ᵇ).
seltener trans. so: der rapp (rabe) kratzet das ärdrich. Maaler 251ᵈ;
das tolle thier (bär) erblickt es kaum,
so stutzt es, brummt und kratzt den baum (auf den sich der jäger geflüchtet).
Lessing 1, 124;
meine hände prickelten mir, ich kratzte die tische (vor ungeduld).
Göthe 40, 323.
d)
wens juckt, der kratze (kratzt) sich (frz. qui se sent galeux, se gratte, ital. grattar dov' è la rogna Dante par. 17, 129): also ist es auch mit denen die schebig sind und sich kratzen, so fil sie sich me kratzen, so fil sie me biszet. Keisersb. hell. löw d 8ᵇ; (Gargantua) kratzt sich wa ihn nicht bisz. Garg. 129ᵇ.
e)
vor verlegenheit u. ä. (caput scabere Horat. sat. 1, 10, 71): do der jüngling das wort hort, do kratzt er sich hinder den oren und gieng trurig hinweg. Keisersb. post. 1, 29ᵇ;
er kratzt sich über dem nabel
vor armuͤte (den magen zu stillen).
Uhland volksl. 719;
er grimmt sich ser und straft sich auch,
vast kratzt er sich über den pauch:
'ach ich armer tummer man,
das ich mein hab verloren han (im spiel)!'
Suchenwirt bei der Hätzl. 204ᵃ;
er gewint 'das kratzen hinter den ohren' (wie eine krankheit). Agricolä spr. no. 330, von einem der im spiel verliert, als spielerredensart bei Wesenigk böse spielsieben (1702) 65, vgl. krauen 1, d;
hierauf verstummet er und kratzet sich im kopf.
A. Gryphius 1, 732 (Squenz);
da schlich er sich fort und kratzte sich hinter den ohren. Wieland 8, 268;
und kratzt' am ohr, als wenn beim amtsetat
ein minus sich statt plus geäuszert hätte.
Gökingk 2, 201.
f)
ebenso trans.: der ein kratzt uf dem kopf, der ander kratzt den nacken (weil sie sich betrogen sehen, keiner wagt zuerst zu reden). Eulensp. hist. 87 s. 127; mit heulen und klagen kratzet der auf dem wagen sein haupt. Kirchhof mil. disc. 219; Philip krazte seine borsten (haare). Soph. reise 6, 209;
ich kratz den kopf, reib an den händen.
Göthe 12, 141.
g)
zur reinigung:
rüspel (räuspere) ser und wasch dich drat,
strail dirs haubt und chrecz die pain,
dar zuo mach die oren rain.
ring 27ᶜ, 28;
und das man dem grind kratz gar lind (verkehrte welt). Garg. 143ᵃ, den grind Scheible 263, der dativ ist aber ebenso richtig nach damaligem gebrauch (vgl. kämmen 3); underdes er (früh beim aufstehn) sich ... kämmet und mit eim hölzinen reisbürstlin das haubt kratzet und rib. 173ᵃ (317). das gehörte auch zum geschäft des baders: ein bader, der in dem bad köpflet, zwacht (wäscht) auch die leute, kratzet und ausweschet. Thurneisser alch. 2, 139; ein bader kratzt, wäscht und butzt dich (nur) umb seines lohns willen, gleichwol aber wirstu sauber darvon. Zinkgref 1653 1, 158. noch den bart kratzen, derb für rasieren (vgl. bartkratzer):
tritt her, bartputzer, aufgeschaut!
du sollst den bart mir kratzen.
Chamisso ged. 195.
h)
intrans. es kratzt, z. b. ein kind klagt beim kämmen, dasz 'es kratzt': das unverständige volk spricht viel von bartkratzern und bedenkt nicht, wie viel dazu gehört, jemanden zu barbiren, eben dasz es nicht kratze. Göthe 15, 59 (aufger. 4, 2).
i)
der dorn u. dgl. kratzet, vgl. kratzdorn und krauen 1:
dér dorn (die sünde) siu niht mê kretzit,
den hie der tiefil wetzit.
Martina 4, 30;
hahnebutten .... kratzen mich im hintern.
Göthe 47, 264 (s. arschkitzel).
schlechter taback, schlechter wein, schlechtes fett kratzen im halse, mit inf. ein kratzen im halse haben.
2)
gelinder für krauen, jucken (Maaler), kitzeln (vergleiche krätzelen):
si schmuckt mich zu ir schone
ain rippeln, kratzen das ward mir
von der lieben ze lone.
Hätzl. 45ᵃ;
da schwetz man mit einander, da kratzen sie einander in den henden. Keisersb. narrensch. 127ᵃ, vgl. unter kitzeln II, 1, b, krauen 2; ein esel cratzet den andern. Henisch 617, 32;
und kratz du mich, so kratz ich dich,
und schwig du mir, so schwig ich dir.
Brant 33, 8;
ich habe dir lange genug den rücken gekratzet, bin aber von dir niemals wieder gekratzt worden. Olearius pers. reise 320; wenn du Paul den Peter rühmen hörst, so wirst du finden rühmt Peter den Paul wieder, und das heiszen sie denn freunde, und ist oft zwischen ihnen weiter nichts als dasz einer den andern kratzt, damit er ihn wieder kratze. Claudius 4, 11 (7), vgl. das frz. sprichw. deux ânes qui se grattent (vgl. krauen 1, b a. e.); zu eener (jener) süszigkeit des kratzens und kitzlens thut das thier (vor wolbehagen) sein mund auf so weit es mag. Brant bei Steinhöwel 164. auch bildlich, wie kitzeln: andre, die am gröbern witz, der etwas kratzt, vergnügen finden. Lichtenberg 8, 245, ein gröberes kitzeln.
3)
stärker für scharren.
a)
mehr eigentlich:
behandelst mich, dasz ich wie jene katze
dir die kastanien aus den gluthen kratze.
Göthe 41, 75, scharrend hole;
den straszenkot u. dgl. zusammen kratzen, auf einen haufen kratzen.
b)
besonders bildlich von geldgierigen, wie scharren, schinden, schaben (vgl.Kratzhart): das man allein alles was man kan zu sich kratzet. Luther 4, 108ᵇ; viel sind, die rüren kein gelt an, aber wenn mans inen .. haufenweis gibt, das .. reiszens und kratzens zu inen. Aventinus chr. 370ᵇ;
ja sie kratzen noch gelt und schaben
auch aus den todten schon begraben.
Fischart S. Domin. F 3ᵃ;
der münchwolf samt der klosterkatzen
des nährstands güter zu sich kratzen.
Opel u. Cohn 30jähr. kr. 5.
daher das zornige witzwort: ich musz mir geld schaffen, und wenn ichs aus einem steine kratzen sollte. Hoffmann Eviana 117.
c)
auch bloszes kratzen, ohne ausgesprochnes object, schon mhd.:
swer sîn arme liute (unterthanen) beschatzet
und hin und her zesamen kratzet.
Renner 18813;
mit wûchere zû en (sich) kratzin.
Rothe rittersp. 1188;
darum scharren und kratzen wir so viel, auf das wir je nicht dürfen gleuben. Luther 4, 14ᵇ; das er nicht so geize und kratze. 5, 350ᵇ;
so bist du doch geizig und karg ...
du kratzt und wilt noch me gewinnen.
H. Sachs 1, 101 Göz;
wer kan hie das kratzen lassen?
die rosnobeln und ducaten
sehen uns allzu lieblich an.
Stricker schlemmer 1584 O 4ᵃ;
ein jeder kratzt und scharrt und sammelt
und unsre cassen bleiben leer.
Göthe 41, 13.
d)
kratzen um ..., in einem liede vom schlaraffenlande:
im land ist geld zu gwinnen gut,
sonderlich der viel schlafen thut,
hat von der stund ein batzen,
der mag sein geld schlafend gewinnen,
hie musz er hart drum kratzen.
altd. bl. 1, 172, Haupt 2, 568,
oder für hart arbeiten, die hände rühren?
4)
gewerblich, wolle kratzen mit kardätschen, carminare (vgl.krätzkamm). Frisch 1, 546ᵃ. kratzen, wie die goldschmiede das silber, scabendo polire. das., metallarbeiter kratzen ihre arbeiten, reiben sie mit der kratzbürste Adelung; allg. 'reiben, glat machen' schon Maaler 251ᶜ. vgl. aufkratzen.
5)
auf der laute kratzen, greifen, spielen, auf einer chitarre, zitter Frisch:
des nachtes uf der luten kratzen.
fastn. 895, 33;
indessen hörte ich ein gethöns von zittern und geigen, welche etliche passamezos, passacailles und sarrabandes daher kratzten und fiedelten. Philander ges. (1642) 139. vgl. bei Keisersberg: wann etwan einer nur auf eim brotspiesz (bratspiesz) kratzet, das ist inen genug zu eim tanz. brös. 1, 18ᵇ. noch jetzt geringschätzig vom geigenspiel u. ä.: orchester ... das nicht aufhört zu kratzen. Göthe 36, 198; ich will im lande herumziehen .. und dem volk stückchen auf meiner geige kratzen. Klinger S. Grisaldo 84.
6)
geistig, peinigen, schmerzen, von reue: wenn ain junkfraw ir junkfrawschaft verleürt ... so hat si dann ain nagen und kratzen und ain beiszen in irem herzen. Keisersberg geistl. spinn. (granatapf.) M 5ᶜ. heute nicht mehr, höchstens so: 'zärtliche freundin', die beiden R in diesen wörtern kratzen mir durch die seele. Möser phant. 4, 105. aber bair. lasz dichs nicht kratzen, kümmern.
7)
prägnant,
a)
kratzend machen u. ä.: ein loch ins papier kratzen;
sie kratzte mit blutigen nägeln ein grab.
Bürger 2, 37;
durch die steinerne mauern gelang es Isegrim endlich
eine spalte zu kratzen.
Göthe 40, 50.
geringschätzig von kupferstecherei: landschaften in kupfer kratzen. Keller grüner Heinr. 2, 153.
b)
kratzend entfernen, weg kratzen: ein alten langverehrten heiligen ausz mustern und seinen namen ausz dem calender kratzen. Fischart bien. 1588 133ᵃ; trutz der ihn darausz kratze (s. Longinum aus dem kalender). 158ᵇ.
c)
aber auch derb für schlecht schreiben ( Adelung): wann er mit solchen litern, die man nicht recht lesen konnte, nach hoffärtiger herrn manier etwas darunter kratzte. Schuppius 247;
die hand die diesz gekratzt.
Wieland 11, 215 (vgl. krähenfusz);
darfst du dein leberreimchen kratzen
ins grosze buch, den weltenplan?
Immermann ged. (1822) 161,
wie eine schlechte feder kratzt; vgl. kratzerei. Dazu abkratzen, aufkratzen, auskratzen, bekratzen, durchkratzen, einkratzen, erkratzen, umkratzen, verkratzen, zerkratzen, zukratzen.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 9 (1869), Bd. V (1873), Sp. 2075, Z. 35.

krätzen

krätzen
gleich kratzen, umlautende nebenform, schon mhd. kretzen wb. 1, 877ᵇ, gewiss auch schon ahd. chrezzan (chrazian). auch nhd. noch einzeln, besonders alem.: ain katz, die man ertrenken wil, die da zablet und umb sich beiszet und kretzet. Keisersb. has im pf. (granatapfel) b 1ᵇ; kretzen gleicht sich ferzen nicht. ring 38, 11; das nicht vergebens Christus die reichthumb dorn heiszt, mit den man kleiszpar muͦsz umbgehen, als an den (quippe quibus) man sich bald kretzet (sich kratzend verwundet). S. Frank chron. 1531 123ᵇ. das praet. dazu hiesz aber kratzte, wie zu jenem, in folge des (sehr unpassend) sogenannten rückumlauts, z. b.:
wer iez mit dir kretzen well ....
si kratzten lieber heut dann morn.
Uhland volksl. 485.
es ist noch z. b. bregenzerw.: dkatz kretzt; er hat a mûl, das kretzt und bîszt.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 9 (1869), Bd. V (1873), Sp. 2079, Z. 13.

krätzen

krätzen,
auf dem rücken tragen, kretzen. Frisius v. 1697 2, 155ᵇ, krätzen Aler 1236ᵃ, s. krätze korb.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 9 (1869), Bd. V (1873), Sp. 2079, Z. 29.

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Zitationshilfe
„kratzen“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/kratzen>.

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