Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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ruf, m.

ruf, m.
clamor.
A.
Formen. mhd. ruof, ahd. ruof für hruof Graff 4, 1137. es entsprechen ags. hrôp, neuengl. nur mundartlich in roup auction, goth. hrops κραυγή Ephes. 4, 31. das altnord. besitzt ein neutrum hróp in der besonderen bedeutung von verspottung, verhöhnung. ebenso sind neutra dän. raab, schwed. rop, welche im verhältnis zu ruf eingeschränktes gebrauchsgebiet aufweisen. nld. roep, m. wird im allgemeinen ganz wie unser ruf verwendet (weiteres s. unter rufen). neben ahd. hruof erscheint in gleicher bedeutung hruoft, mhd. ruoft, altfries. hroft, roft, ruft, m.; das nhd. hat diese bildung aufgegeben. der plur. des wortes rufe wird im nhd. vermieden; im mhd. ist ein umgelauteter plur. rüefe belegt (s. Lexer mhd. wb. 2, 546). sing. in der umgelauteten form rief (für mhd. rüef):
sein son der tet so manchen rief : schlief.
Uhland volksl.² 272 (nr. 139 A, 9).
B.
Gebrauch.
I.
Lauter, durch die stimme von mensch oder thier hervorgerufener schall.
1)
von menschen.
a)
in allgemeiner anwendung, mehr mit betonung des schalles als des durch den schall ausgedrückten: aus der ferne hörte man ruf und lachen der kinder. Freytag handschr. 1, 106;
dô verbôt man den kinden   den weinenden ruof.
Gudrun 895, 2;
so raft von jeder eiteln bürde,
wenn des gesanges ruf erschallt,
der mensch sich auf zur geisterwürde,
und tritt in heilige gewalt.
Schiller 11, 16;
was für ein ruf
des jammers weckt die schläfer dieses hauses?
Wallensteins tod 5, 10.
b)
in besonderer anwendung, ruf mit mehr bestimmtem vorstellungsinhalt.
α)
ruf als zeichen für jemanden, besonders als aufforderung, zu dem rufenden zu kommen: auf den ruf jemandes hören; dem rufe folgen; der hund hört auf den ruf seines herrn; auf seinen ruf ruderte der fährmann hinüber; während auf den ruf herrn Strömli's die mägde herbeieilten. H. v. Kleist 4, 172.
β)
schlachtruf, wodurch die kämpfenden eines heeres sich im getümmel aufmunterten und zusammen hielten:
Monschoy was der getouften ruof,
die got ze dienste dar geschuof.
Wolfram v. Eschenbach Willeh. 19, 1;
mit sô maneger sundersprâche ûʒ landen wît
manec vremder ruof wart dô von in gehœret.
Lohengrin 5126;
(Hector) stürmte hinweg, wie ein schneegebirge von ansehn,
lautes rufs, und er flog durch Troer einher und genossen.
Voss Ilias 13, 752.
γ)
weidgeschrei der jäger:
plötzlich schallt ein lustig horn
sammt dem rufe wilder jäger.
Uhland ged. 273.
δ)
ruf, in älterer sprache zur bezeichnung eines kurzen, volksthümlichen gebetsliedes, welches die gemeinde vor oder am ende einer predigt anstimmte (s. Wackernagel gesch. der deutschen lit.² 1, 337, 13; 339, 28. Schm. 2, 68):
der predigære ein ende schuof
und huop den gebûren einen ruof,
den munt er wît ûf tet.
Seifr. Helbling 7, 100;
alsbald si ein kirchen oder stat ansichtig wurden, so sang etwa einer ein ruef vor, die andern sangen all nach. Aventin. bair. chron. 2, 383, 24; und so si sich mit den feinden haben wöllen schlahen, (haben sie) in (den gott) vor allen dingen mit besondern geistlichen rüefen, von im gemacht, ernstlich angerüeft. 1, 43, 33. freier im sinne von lied überhaupt: die sungen etliche in traurigem ton rüef und lieder von dem toten kaiser. 868, 20.
ε)
ruf als ankündigung: ruf des herolds; ruf des nachtwächters, der die stunden verkündet (s. unten rufer);
'zwölf uhr' ist der ruf erschollen
und mir sinkt das glas vom munde.
Uhland ged. 154.
im mittelalter von dem wächter, der den anbruch des tages verkündet; der ruf des wächters mahnt die liebenden zu scheiden:
diu vil süeʒe sprach : trût geselle,
nu merke disen rât,
wie der wahter dur triuwe   sîn warnen kan in ruofe senden.
minnes. 3, 425ᵇ Hagen.
schweiz. ruf im sinne von öffentliche bekanntmachung, kirchenruf, kirchliche bekanntmachung. Stalder 2, 288 (s. rufer).
2)
ruf von thieren, zunächst der vögel, besonders insofern durch ihn die geschlechter sich gegenseitig anlocken: im mertz ist die zeit ihrer begattung (der haselhühner), da sie sich zusammen pfeiffen (wird gespiszet genannt). ihre stimme oder ruff ist, gleich als ob ein mensch durch die fordern zähne einen einstimmigen hohen ton pfiffet. Döbel jägerpract. 1, 48ᵃ; (die weibliche wachtel) hat nur einen leisen doppelten ruff, damit sie den hahn zu sich lockt. 51ᵃ; da er (das männchen der wachtel) vielfältig nach einer pfeiffe, die der sieken (weibchen) ruff gleich lautet, gefangen wird. 51ᵇ. in zusammensetzungen: wachtelruf, kuckucksruf, unkenruf;
will vom glanz der morgensonne
bis zum schein der abendröthe ...
jeden ruf des kukuks hören,
jeden schlag der nachtigallen.
Rückert 2, 609.
II.
ruf vom schall, der von instrumenten erzeugt wird; zunächst in natürlicher anwendung von signalinstrumenten für krieg und jagd, trompete, trommel, horn:
horch! was bedeutet der trompeten ruf?
Schiller jungfrau 3, 2.
weidmännisch werden die mit dem jagdhorn gegebenen signale bei groszen jagden rufe genannt (s. oben fürstenruf th. 4, 1, 876): des andern tages frühe wird mit einem jagdhorne der ruff oder potecell geblasen, also versammlet sich die jägerey mit ihren leuten. Döbel jägerpract. 2, 40ᵃ. ruf von einem jagdsignal, das aus drei hiefen, drei in einem athem geblasenen stöszen besteht. es wird zu beginn des treibens geblasen. C. v. Heppe leithund 263. dichterisch:
hörst du das hifthorn? hörst du's klingen,
mächtigen rufes, durch feld und hain?
Schiller M. Stuart 3, 1.
vom klang der glocke:
da hört ich einer glocke helles läuten,
den ruf zur hora schien es zu bedeuten.
braut von Messina 714.
III.
Übertragung, übergang auf unsinnliches gebiet.
1)
ruf von jeder auch mittelbaren aufforderung: er folgte einem rufe an die universität Jena; er hat einen ruf als professor nach Heidelberg bekommen; der ruf, der so erhabene ruf meines fürsten, der mir ein heiligthum seyn musz, ist stark genug, mir ein verspruch, ein werk abzufordern, welches ich sonsten für unmöglich hielte. Schiller 1, 13. von einer rein unsinnlichen aufforderung, ruf des herzens, des gewissens, innerer ruf: er (Goldoni) war arzt, rechtsgelehrter und erhielt sogar die tonsur in Pavia; aber sein innrer ruf zur bühne siegte über alle versuche, die ihn derselben abtrünnig machen sollten. Schiller 6, 18; noch ist er nicht verhallt in mir, der innere ruf nach freyheit. Arnim Hollins liebel. 10 Minor;
wo ist der seele ruf?
wo ist die brust, die eine welt in sich erschuf?
Göthe Faust 490;
es tönt in allen landen
ein ruf zum heilgen streit.
Schenkendorf ged. (1815) 65.
der ruf gottes: der uns hat selig gemacht, und beruffen mit einem heiligen ruff. 2 Timoth. 1, 9;
wird was andres mir gegeben,
wil ich nach desz schöpffers ruff, nie nach meinen lüsten leben.
Logau 3, 231, 74;
so ist des geistes ruf an mich ergangen,
mich treibt nicht eitles, irdisches verlangen.
Schiller jungfr. von Orl., prol. 4.
ruf des schicksals:
ja, ich gehe mit euch, und folge dem rufe des schicksals.
Göthe 40, 309.
ruf des todes:
auch vor dem tode selbst erschrickt die tugend nicht:
sie folget seinem ruf mit fröhlichem gesicht.
2)
übergehend in den sinn von beruf, von innerer bestimmung:
mein ruf
zum königsthron pocht, wie ein gläubiger,
aus meinem schlummer mich empor.
Schiller don Carlos 2, 2;
gros o Rieger, gros war deine stufe,
gros dein geist, zu seinem groszen rufe,
gröszer war — dein herz!
werke 1, 357.
selten wird ruf im äuszeren sinne von beruf gebraucht: und ist zu wissen, das dis wörtlin, ruff, hie (1 Cor. 7, 20) nicht heisze den stand, darinnen jemand beruffen wird, wie man sagt, der ehestand ist dein ruff, der priesterstand ist dein ruff. Luther 2, 314ᵃ; ich kenne keinen andern ruf, als das zu vollenden, was mein vater begonnen hat. Klinger 5, 183;
jeder könig sey des hehren,
groszen rufes werth.
Claudius 7, 76.
3)
ruf im sinne von gerücht, kunde von etwas, in neuerer sprache mehr der gehobenen rede angemessen: nach desz gemeinen pöffels ruff. Zinkgref apophth. 1, 10; wo der gemeine ruff und die althergebrachte erfahrung gute früchte weisz. Hohberg 1, 332; man weysz nicht, wo der ruf herkommet. was hat doch der eitele ruf nicht vor lerm gemacht. der ruf gehet noch immer fort. Stieler 1628; wie der ruff gehet, ut fama fertur. Steinbach 2, 306; es ist auch nicht zu leugnen, dasz sogleich der ruf entstanden, der von der wahlstatt aufgehobene körper, sey nicht der wahre körper des Sebastians. Lessing 6, 151; der ruf ihrer vision hatte sich bald unter das volk verbreitet. Göthe 20, 279;
als uns der ruff entdeckt
des Meurabs wiederkunfft; ward iederman erschreckt.
A. Gryphius 1, 111;
es geht ein ganzer winter,
ein halber sommer hin, man senkt den weinstock ein,
als man den ruf vernimmt: es sollte friede seyn.
Lichtwer 3, 4 (s. 87);
erschollen war in diesen thälern schon
der ruf des neuen greuels der geschehn.
Schiller Tell 2, 2;
der ruf des krieges ist zu euch gekommen,
der, um den raub der schönsten frau zu rächen,
die ganze macht der fürsten Griechenlands
um Trojens mauern lagerte.
Göthe 9, 20;
kommt denn der menschen stimme nicht zu euch?
so weit sie reicht, trägt sie den ruf umher
von unerhörten thaten die geschah'n.
40;
von dem, was über länder und meer
träget der ruf.
Arndt ged. 163.
4)
besonders in dem sinne, dasz mit der sich verbreitenden kunde eine bestimmte meinung, eine wertschätzung, ein urtheil sich verknüpft. die meinung der welt ist tadelsüchtig und miszgünstig:
ich fürcht der welte ruͦff.
Cl. Hätzlerin 1, 17, 70;
dank der vernunft, und der edleren menschenerziehung,
auch des gefürchteten rufs lautstrafendem tadel und abscheu!
Voss 2, 53;
alsdann vermag die zeit, das alter nichts
auf dich, und nichts der freche ruf,
der hin und her des beifalls woge treibt.
Göthe 9, 182.
dieses urtheil, meinung der engeren oder weiteren umgebung wird als an der person oder dem gegenstand, auf welche sich der ruf bezieht, haftend, wie ein theil ihres wesens gedacht. gewöhnlich ist eine bestimmung hinzugefügt, welche angibt, ob das urtheil sich zu lob oder tadel neigt. fehlt eine solche angabe, so kann ruf nach beiden seiten hin gelten: er ist ein augenarzt von ruf; sein ruf als lehrer verschaffte ihm groszes ansehen; die composition hat einen ruf unter den sängern; das der jne mit unwarheit verclagt, und damit unpillich in ruef, schmach und unglauben gepracht hette. Nürnb. reform. (1564) 16ᵃ. guter ruf: in gutem, bösem rufe sein; in ruf kommen, in bösen ruf kommen; jemanden in schlechten ruf bringen; im rufe der wahrheit, eines verschwenders stehen; dem rufe nicht zuträglich; die leut darzu in ein bösen ruf kommen. Kirchhof milit. discipl. 59; sonst macht euch die critik ohne einiges bedenken den procesz, und greifft vermög ihrer gesätze auf euern ruff und namen. Drollinger 201; den guten ruf durch verleumdungen und list der menschen verlieren. Gellert 7, 75; durch mönchische künste verlor er vielleicht .. seinen ehrlichen namen und seinen guten ruf vor der nachwelt. Schiller 8, 353; sein neuer patron hatte den höchsten ruf als ein umsichtiger, tapferer, obwohl sonderbarer mann gewonnen. Göthe 26, 111; gerade jetzt, wo er sich vor solchen fremden zu zeigen und seinen ruf auszubreiten gelegenheit finde. 30, 128; sonst sagte man: guter ruf ist goldnen gürtel werth. 36, 50 (vgl. Wander sprichw.-lex. 3, 1761); er verbreitete einen solchen ruf vor sich her, dasz Tetzel es gar nicht wagte, vor ihm zu erscheinen. Ranke sämmtl. werke 1, 271; vor allem entschlossen, sich ganz der universität zu widmen, ihr in den kreisen der classischen studien ruf zu verschaffen. 275;
er hat schon den ruff bekommen, dasz er nur ein schalksnarr
sei.
doch ihr, die fähigkeit und glück, ein seltnes paar,
zu höhern dingen schuf, nehmt eures rufes wahr!
du kanst, gehüllt in blauen dunst,
dir freilich lauten ruf erklimpern.
Göckingk 1, 220;
das ärgste weisz die welt von mir und ich
kann sagen, ich bin besser als mein ruf.
Schiller M. Stuart 3, 4;
ihr steht in bösem ruf und leumund vetter,
dasz ihr der frauen schönste tugend schmäht.
jungfr. 3, 3;
es ist kein zeitungsblatt hierher gedrungen,
dasz dich es uns und deinen ruf beschriebe.
Platen 202ᵃ.
IV.
1)
weidmännisch von jagdpfeifen, durch welche man die stimme der thiere nachmacht, um sie anzulocken: wenn man nun so geschwinde, wie ein hirsch, anstöszet, musz man auch ein- oder zweymal in den ruff schreyen, als wie ein thier, wenn es vom hirsche gejaget wird. Döbel jägerpr. 2, 119ᵇ; und wird ersagter ruff aus buchs- oder nuszbaum, in gestalt eines schiffleins .. gemacht. adel. zeitvertreiber 2, 55; ruff, gelock, gesang, ein lebendiger, in ein bauer gesperrter vogel, der die vorbeifliegenden vögel anlockt. Jacobsson 3, 466ᵃ.
2)
beim whist:
und runzelt weniger die stirn', als ich beym whist,
wenn ich, zum ruf bereit, auf zwey figuren warte.
Gotter 1, 100.
3)
zusammenfassend für die fünf jedesmal gezogenen zahlen im österreichischen lottospiel: auf den ersten ruf. Hügel 130ᵃ.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 8 (1891), Bd. VIII (1893), Sp. 1393, Z. 3.

rufen, verb.

rufen, verb.
clamare, vocare.
I.
nhd. rufen, rief, gerufen; mhd. ruofen, rief, geruofen; ahd. ruofan, hruofan, hrôfan, reof, riof, giruofan. Graff 4, 1132. altfries. hropa, ropa Richthofen 829ᵃ; ags. hrôpan, prät. hreóp, im neuengl. nicht mehr vorhanden (abgesehen von dem mundartlichen to roup versteigern, vgl. oben unter ruf). mnd. ropen, rep Schiller-Lübben 3, 505ᵃ, neund. rôpen, rö͏̂p brem. wb. 3, 525. mnld. und neunld. roepen, riep. dieses starke reduplicierende verbum scheint nur westgerm. zu sein, es fehlt im goth. und altn.; βοᾶν, κραυγάζειν, κράζειν gibt die goth. bibelübersetzung mit dem schwachen verb. hropjan wieder, ahd. ruofen, ruofta Graff 4, 1135, mhd. rüefen, ruofte clamare. im altnord., wo das weitere bedeutungsgebiet des deutschen starken verb. rufen durch kalla, ahd. challôn, mhd. kallen eingenommen ist, findet sich daneben ein schwaches verbum hrópa, hrópaþa (einem goth. *hropon entsprechend), im sinne von laut schreien, rufen, ebenso dän. raabe, schwed. ropa; besonders aber erscheint hrópa, hrópaþa in der bedeutung 'jemanden schmähen, verspotten', vergl. oben unter ruf. Zarncke und Scherer sind der ansicht, dasz das starke westgermanische verbum hrôpan eine secundäre erscheinung und dem alten starken verbum hvôpan, sich rühmen, nachgebildet sei (mhd. wb. 2, 1, 803ᵇ. gesch. d. deutschen sprache² 273). über auszergermanische beziehungen s. Fick⁴ 1, 394. Schwache und starke formen des verbums im nhd. erst in diesem jahrh. hat die schriftsprache die schwachen formen rufte und geruft, die reste des mhd. rüefen aufgegeben. dagegen ist in oberd. mundarten die schwache flexion zum theil neben der starken gewahrt. bair. ich rueffet, geruefft, gerüefft neben ich rieff, gerueffen Schm. 2, 68, in Tirol rueffen, rüeffen, grüefft Schöpf 566, kärnt. geruoft, girüeft neben giruofn Lexer 210, schweiz. rüeffe, rief und rüefti, grueffe und grüeft Hunziker 211 (vgl. Seiler 242ᵇ. Frommann deutsche mundarten 3, 209, 91). im älteren nhd. sind auch umgelautete formen (mhd. rüefen) belegbar:
glück zu, glück zu, rüft jederman.
P. Gerhardt 11 Gödeke;
Luther in der bibelübersetzung gebraucht mehr das starke als das schwache präteritum: und sie rieffen mit lauter stimme auff jüdisch zum volck zu Jerusalem. 2 chron. 32, 18; ich rieff meinem knecht, und er antwortet mir nicht. Hiob 19, 16; gleich wie ein mensch der uber land zog, ruffete seinen knechten. Matth. 25, 14; rüffet der speisemeister dem breutgam. Joh. 2, 9. andere beispiele für schwache flexion: der pfarer ward des gewar und riefft (wie sonst rüeffte) seinen nachburen zuͦ hilf. Eulensp. 71 (s. 113 neudruck); nachmals rüeften die juden umb hilff zue got. Aventin. 1, 165, 20; die neben jm stunden munterten jn auff, ruffeten jhm. buch d. l. 209, 2; das junger schwesterle .. hat ein verlangen nach dem eltern gehapt und ime gerueft. Zimm. chron. 4, 226, 36. Schottel 592 stellt rufen unter die 'ungleichflieszenden' verba, Stieler dagegen führt die schwachen formen als gleichberechtigte neben den starken an: ich rufe, du rufest, rüfest, er rufet, rüfet; ich rief, riefe, rufte, rüfte; gerufen, geruft. 1627: dasz der Jesuwiter mich wider zurück ruffete. Schuppius schr. 538; daneben: habe er immer geruffen. 31; diser als er kein antwort geben wollen, hat di stimme zum andern und dritten mahle geruft. Butschky hochd. kanz. 703; er ruffte und schriehe. pol. stockf. 286;
der jetzund jungfraw rufft, der rif gar sehr genaw,
er hätte bald gerufft, viel fehlt nicht, junge-fraw.
Logau 1, 63, 54.
prät. riefe:
da gab ich mich zu felde,
laut riefe meinen schatz.
Spee trutzn. 34 Balke;
ausnahmsweise ruf:
hola! ruff er uns zu, jhr fromb kunst-reiche leut.
Steinbach führt neben ruffe, ich ruffte, geruffet auch das starke verbum auf, bemerkt aber, dasz geruffen mehr als adjectivum im gebrauch sei, als in verbaler fügung. 2, 306. Frisch erklärt das prät. rufte für veraltet. 2, 132ᵃ. Adelung führt als schriftgemäsz die starke flexion an, die schwachen formen bezeichnet er als mundartliche. indessen begegnen letztere nicht nur in der schriftsprache des früheren 18. jahrh.: rufte mich nicht herr Damis? Lessing 1, 227;
der priester wird geruft.
Gellert 1, 294 (1775);
Cyper rufte die wand, und Cyper! cyper! der pape.
Zachariä poet. schr. 2, 138;
bei rief oder rufte schwankt man nicht; denn es ist ausgemacht, dasz beides angehe. Klopstock 12, 212. rufte findet sich im Messias ungemein häufig:
das rufte vom aufgang
bis zu dem niedergange.
2, 735;
rufte gegen die erd', und sprach.
5, 335;
sie ergrimmten, nun ruften, und schwangen die bebenden fackeln.
6, 63.
rufte neben rief:
sie wurden ergrimmter,
ruften, und ihr geschrey beseeleten stimmen der priester,
stammelnd, und bleich, und knirschend, mit wildem flammenden
auge,
riefen sie: kreuzige! kreuzige!
7, 759;
sie riefen,
und das rufen der priester erscholl vor dem brüllen der menge:
kreuzige! ruften sie wieder.
7, 838;
als er noch betet', erhub Eloa sein angesicht, wandt' es
nach der versammlung der väter, und rief von der zinne des tempels ...
rufte mit einer stimme der traurigkeit und des entsetzens.
10, 991.
sondern auch später, und bis ins 19. jahrh. hinein:
ach, du kamst, wann ich dir rufte.
Gotter 1, 261 (1787);
doch Priamus rufte Helenen.
Bürger 208ᵃ;
Hector!
rufte die mutter.
Stolberg werke 2, 214;
du ruftest wehe über ihn aus. Schiller räub. 1, 3 schauspiel; rufte doch jemand die gräfin von Lavagna zu diesem reizenden schauspiel. Fiesco 1, 4;
nicht unser mitleid ruft' sie an.
M. Stuart 1, 8;
jedes rufte so ungekünstelt sein: danke! Göthe 16, 27; nun schluchtzt' er, nun weint' er, nun ruft' er aus. 36, 150;
gegen ihn rufte zuerst der glänzende sohn des Lykaon.
Voss Il. 5, 276;
jetzo stand sie und rufte, die lilienarmige göttin.
5, 784;
inmitten der fröhlichen krieger
sasz der kaiser im gras', und rufte den einen und andern
auf zu ergetzlichem schwank.
Pyrker Rudolph von Habsburg 2, 53;
sie schrie augenblicklich auf und rufte dem Theagenes. Jacobs Heliodors äthiop. gesch. (1837) 81.
II.
In ursprünglicher bedeutung wird das verbum vom lauten klange der menschlichen oder thierischen stimme gebraucht; dann mit verengerung des begriffes, wenn durch das rufen die aufmerksamkeit jemandes erregt, ein zeichen gegeben wird, jemand erscheinen, zu dem rufenden kommen soll; in diesem sinne einen rufen. daher auch von instrumenten, deren schall zum zeichen, zur aufforderung, anfeuerung bestimmt ist. indem der begriff des aufforderns, herbeiholens besonders hervortritt, wird rufen leicht in übertragenem sinne gebraucht: die pflicht ruft mich, etwas ins gedächtnis rufen.
1)
rufen als verbum intransitivum.
a)
absolut.
α)
vom erhobenen klange der menschlichen stimme, beim ausdruck des schmerzes, der wehklage oder der freude, des brünstigen gebetes, der eindringlichen predigt u. a., ebenso von der stimme menschlich gedachter wesen: ahd. stemma ruofentes in uuuostinnu. Tatian 13, 3;
si quam ruafenti,   kumta thio iro thurfti,
klagota ira wewa.
Otfrid 3, 10, 5.
mnd. Julianus swor, de duvel grep ime de hant unde helte ine vaste. Julianus begunde ropen. deutsche chron. 2, 1. 125, 6; mhd. singen und ruofen ein gebetslied anstimmen, s. die stelle aus Berth. v. Regensb. unter b, oben ruf I, 1, b, δ und Wackernagel gesch. d. d. litt.² 1, 339, 22; nhd. herr wenn trübsal da ist, so suchet man dich, wenn du sie züchtigest, so ruffen sie engstiglich. Jes. 26, 16; so wolte ich auch nicht hören, da sie rieffen, spricht der herr Zebaoth. Sacharja 7, 13; seins reichs art ist, das es elende, ruffende, betende leute hat. Luther werke 3, 19ᵇ; wann unser herrgot einen better wil machen, der jn anruͦffen sol .., so legt er jhm ein unglück auff den halsz .. not leret ruͦffen. Agr. spr. 193ᵇ;
hilf, dasz ich unverdrossen sei
zum rufen, seufzen, beten.
P. Gerhardt 210 Gödeke.
in allgemeinerer anwendung: brich erfür und ruffe, die du nicht schwanger bist. Gal. 4, 27; ruffe getrost, schone nicht, erhebe deine stim wie eine posaune. Jes. 58, 1; der prediger, der eine sehr heszliche und widerwärtige stimme hatte, sagte: ich will hinfort meine stimme zwingen und mäszig ruffen. pers. baumg. 4, 12; einer von uns, dem eine sonderliche andacht ankam, ging von uns in den wald, mit heller stimme ruffend. pers. rosenth. 2, 22;
engel brachten dir den kranz und riefen
und du giengst in gottes ruh!
Hölty 63 Halm.
in freiem dichterischen gebrauch:
wie weit er auch spähet und blicket
und die stimme, die rufende, schicket.
Schiller 11, 286.
rufen in besonderer anwendung; etwas öffentlich bekannt machen, öffentlich vorladen (vgl. oben ruf I, 1, b, ε und unten rufer); so schweiz. rüfen Stalder 2, 288: nach beschehenem rufen. Frankf. ref. I, 15, 2. vom weidgeschrei der jäger: dieweil die weydleute jre losung mit dem rufen auch unter das püffen und hörnen mengen. Sebiz feldbau 565. durch das rufen wird die aufforderung an den oder die hörenden gerichtet, aufzumerken, zu erscheinen, herbei zu kommen: der gnädige herr ruft eben (nach seinem diener, der kommen soll); der kutscher mochte auch seine liebesgrillen vor sich haben, also dasz er das geschrey nicht in acht nam, nach langem ruffen hielt er still. Chr. Weise erzn. 165 neudruck; wie die vorstellung also zu ende war, verlangte es ihn (das parterre den Voltaire) zu sehen, und rufte und schrie und lermte, bis der herr von Voltaire heraustreten .. muszte. Lessing 7, 163;
er rufte; kein seelchen erwiederte drauf.
Bürger 81ᵃ;
allgewaltige! lauscht meinem rufen!
hört Medeens stimme!
eure freundin ist's, die ruft.
gott ruft, wenn unsere todesstunde gekommen ist:
o laszt gottes weg' uns wandeln,
immer gut und redlich handeln:
dasz wir, ruft der vater nun,
fröhlich hingehn auszuruhn!
Voss 4, 86;
mein meister rufe wenn er will, diesz herz
ist freudensatt und ich kann fröhlich scheiden.
Schiller jungfr. von Orl. 3, 3.
β)
von thieren. in besonderer anwendung als weidmännischer ausdruck: so vom schreien und locken der feldhühner. Jacobsson 3, 466ᵃ. die haselhühner pisten sich, die rebhühner ruffen. Döbel jägerpr. 1, 50ᵇ. allgemeingebräuchlich von der wachtel und dem kuckuck: im april kommt der kuckuck an, und hält man nach der alten regel dafür, dasz er auf Tiburtius-tag zu ruffen anfangen musz. Döbel a. a. o. 1, 61ᵃ; nd. jei könnt räupen, wann eer dät jei will, sagt der kuckuck, ik räupe nit eer bis den feifteinten april. Wander 3, 1763. von anderen thieren: de Sassen richteden sik sere na der perde ropen unde der vogele. Magdeb. schöffenchron. 19, 7 bei Schiller-Lübben 3, 505ᵃ; denn sie gläuben, dasz selbiges cameel noch jtzo ruffe. pers. rosenth. 7, 20; unter und neben ihm rieffen und flatterten die kanarienvögel, singdrosseln, finken und nachtigallen. J. Paul Titan 2, 50;
der froosch, der wäscher, rief.
freier gewendet:
noch rufet nicht der finken schlag.
Arndt ged. 30.
altepisch, von wölfen auf dem leichenbedeckten schlachtfelde: ags.
hreópon mearcveardas middum nihtum.
exodus 168.
von raben:
on hväl hreópon herefugolas.
161.
γ)
vom schalle von instrumenten: die glocke ruft, die trompete, das horn, die trommel ruft;
o wie ruft die trommel so laut.
Rückert 1, 230.
vom kanonenschusz:
drüben der kartätschenschusz
ruft mit lautem todesgrusz.
ebenda.
von der todtenuhr:
ihr tauber glocken-schlag rufft die gewalt vom throne.
δ)
übertragen: es ruft das vaterland, die pflicht, die sünde u. ä.; ahd. bidiu, uuanta oba thesê suuîgênt, steinâ ruofent. Tatian 116, 5; rufft laut jr wüsten, und die stedte drinnen. Jes. 42, 11; ruffet nicht die weisheit, und die klugheit leszt sich hören? spr. Sal. 8, 1; horch! die rache ruft! Schiller räuber 5, 5 trauerspiel;
ich war nicht mit dabei — doch werd ich mich
dem lande nicht entziehen, wenn es ruft.
Tell 3, 1;
für die liebsten fallen,
wenn die freiheit ruft.
Schenkendorf (1815) 73.
mhd. ruofende sünden, so genannt, weil sie ze allen zîten ruofent vor gote über ir lîp und über ir sêle aller der, die in der selben sünden einer sint. Berthold von Regensburg 1, 88, 1.
b)
was gerufen wird, ist dem wortlaut oder dem inhalt nach beigefügt.
α)
mit directer angabe des gerufenen; so mit interjectionen, abgebrochenen sätzen, anrufungen, formelhaften wendungen: de lude kyrie eleyson ropen. Lüb. chron. 1, 192 bei Schiller - Lübben 3, 505ᵃ; und rieffen, hie schwert des herrn und Gideon. richter 7, 20; das man ruffen wird, glück zu, glück zu. Sacharja 4, 7; sondern jr habt einen kindlichen geist empfangen, durch welchen wir ruffen, Abba lieber vater. Römer 8, 15; zeter rufen Stieler 1628; feuer, hülfe rufen; als plözlich eine rauhe befehlende stimme vor mir her halt! rufte. Schiller 4, 74; geschah es etwa, um den streit auf fremden boden zu spielen, dasz H. B. (ürger) die ganze schaar deutscher liederdichter aufbietet, auf dem ganzen musenberge feuer ruft. 6, 339; jedes rufte so ungekünstelt sein: danke! Göthe 16, 27;
so riep hi harde hulpe up mi.
Reinaert 3233;
se repen beyde wach unde wee.
Reineke de Vos 312;
alsbald in eil
wie schneller pfeil
ach Jesu! rief es eben.
Spee trutzn. 9, 30 Balke;
hast du vordem gehört, wenn ich, mein freund! gerufft,
so hör auch künfftig hin, wenn ich, mein gönner! spreche.
es ist staub deines bruders,
staub, der wider dich rache ruft.
Schiller 1, 43;
trunken von siegrufenden päanen.
6, 276;
treibt sie auseinander!
was läuft das volk zusammen? wer ruft hilfe?
Tell 3, 3;
der feuerwächter
vom Selisberg hat eben zwey gerufen.
2, 2;
an der ecken, an dem platz,
wo ich sonsten bei ihr sasz,
steht die braut, und ruft in gram:
'ach, o weh, mein bräutigam!'
Rückert 1, 230;
ja darum ruf' ich vaterland
und freiheit.
Arndt ged. 411.
mit ganzen sätzen: ther heilant abur ruofenti mihileru stemme: fater, in thînô hentî biuiluhu ih mînan geist! inti nidar gihelditemo houbite santa then geist. Tat. 208, 6; de wunde sic uprichte unde rep: herre, dise hevet mic gemordet. deutsche chron. 2, 92, 10; er rieff, laszt jederman von mir hin aus gehen. 1 Mos. 45, 1; (sie sprangen über den zaun) und rufften: gibstu dich so gib ich mich auch. Kirchhof wendunm. 287ᵃ;
dô rief trûreclîchen diu küneginne milt
'wê mir dises leides. nu ist dir doch dîn schilt
mit swerten niht verhouwen.'
Nib. 953, 1;
Martinet riep 'ha ha, god danc!
ter gœder tijt heeft nu ghestaen
mijn stric.'
Reinaert 1226;
zünde die fackel an,
ruft der liebende hirt, leuchte mich durch den wald.
Hölty 68 Halm;
und rufet alle mann für mann:
die knechtschaft hat ein ende.
Arndt ged. 195.
β)
der inhalt des gerufenen wird durch einen indirecten satz angegeben: de keiser riep, dat he 't ware. deutsche chron. 2, 184, 6; einem rufen, dasz er umkehren soll. Steinbach 2, 306;
sus vuorters (der riese die vier gefangenen) vür daʒ bürgetor:
dâ hôrten sî in ruofen vor,
er hienges alle viere,
ob man sî niht vil schiere
mit ir swester lôste.
Iwein 4952.
c)
wendungen mit präpositionen.
α)
mit örtlichen angaben, wo, woher, wohin gerufen wird; im eigentlichen und übertragenen sinne: es jauchtzen die in felsen wonen, und ruffen von den höhen der berge. Jes. 42, 11; zwisschen den püsschen rieffen sie, und unter den disteln samleten sie. Hiob 30, 7; sahe der wechter einen andern man lauffen, und rieff in das thor. 2 Sam. 18, 26; und lasse ruffen fur jm her. Esther 6, 9; allein, wer kehret sich recht daran? die meisten lassen in sich ruffen wie in einen hohlen baum. Schuppius schriften 183; er rief ins betäubte volk. Klinger 2, 444;
er begunde ruofen   vaste über die fluot.
Nib. 1490, 1;
es rufet noch natur aus unsrer gruft; es lodert
ihr feuer unverlöscht, wenn unsre asche modert.
Gotter 1, 141;
geht's mädchen mir vorüber,
rufts laut zu mir, du bist ein mann!
Schiller 1, 267;
welche stimme
des jammers ruft in meiner tiefsten seele?
Phädra 5, 4.
sprichwörtlich: wie man in den wald schreit, so ruft es auch wieder heraus. die sollte ihren mann finden, der auch wieder aus dem walde riefe, wie sie hineinschreit. Göthe 11, 12.
β)
mit angabe der richtung, nach welcher der angerufene sich hinwenden, in bewegung setzen soll, sinnlich und übertragen: die geigen rufen zum tanze; der glockenschlag ruft zum abschied u. ähnl. ins gewehr rufen, zum antreten mit gewehr, an die gewehre rufen. zum gewehr ruffen, ad arma vocare Steinbach 2, 306. doch kam der hauszknecht und ruffte zur mahlzeiten. Chr. Weise erzn. 60 neudruck;
zum hochamt rufte dumpf und klar
der glocken ernster feierklang.
Bürger 69ᵇ;
greift an! macht, dasz ein ende wird! die wache
ruft in's gewehr.
Schiller Piccol. 2, 1;
ja, sie greifen in die saiten,
mit gewalt'gen götterschlägen
rufen sie zu recht und pflichten.
Göthe 2, 25;
zugvögel sammeln sich in scharen,
wenn sie empfinden in der luft
ein süsz geheimes offenbaren
des frühlings, der nach süden ruft.
Lenau 2, 237;
die fiedel ruft zum tanze.
W. Müller ged. 1, 81 Max Müller.
γ)
zu jemandem rufen, gewöhnlich nur zu gott rufen, von brünstigem beten: eno gat ni tuot giriht sînerô gicoronerô, thiê thâr ruofent zi imo tages inti nahtes. Tatian 122, 3; aus der tieffen, ruffe ich herr zu dir. ps. 130, 1; ich ruffe zu dir, das du gott woltest mich erhören. 17, 6;
biginnent thanne wuafan   joh zi gote ruafan.
Otfrid 5, 6, 47;
ginado, druhtin, quad si mir   bi thiu ruafu ih zi thir.
3, 10, 9;
ich stund beseits und rüft zu got,
das er mir bhüt vernunft und sin.
H. Sachs spruchged. 63, 24 Tittmann;
sie rufften auch zu got, der für sie kein gehör.
da zeigte mir gott, zu dem ich rief,
in der höchsten schrecklichen noth,
aus der tiefe ragend ein felsenriff.
Schiller 11, 224.
zu den heiligen rufen; zu den göttern, den geistern rufen:
bereitet die höhle, bereitet den altar!
Medea will zu den geistern rufen,
zu den düstern geistern der schaurigen nacht.
selten zu jemandem rufen in dem sinne 'jemandem etwas zurufen': und einer rieff zum andern, und sprach: heilig, heilig, heilig ist der herr Zebaoth. Jes. 6, 3; da rieff Pilatus abermal zu jnen, und wolte Jesum los lassen. Lucas 23, 20.
δ)
nach jemandem rufen, um zu erfahren, wo er sich befindet, ihn herbei kommen zu lassen, auch nur als klage um einen abwesenden: das kind ruft nach seiner mutter, der herr nach seinen dienern; er rief laut und ungeduldig nach den bewohnern, nach den gästen. Göthe 23, 227. nach etwas rufen, das herbeigeschafft werden soll: sie leckten vor durst die kacheln, oder ruͤfften wie der reich mann im nobiskrug nach eim nassen finger. Fischart Garg. 53ᵃ; Sylvie lag in einer gefährlichen ohnmacht .. der andere ruffte nach schlagwasser. Chr. Weise kl. leute 377. in übertragener anwendung: mit recht ruft die vernunft zuerst nach theorie und nur später nach zweckbestimmung. Kant 10, 67. selten mit auf:
ich ruffte mit verlangen
auf meiner freunde schaar.
Opitz 3, 32.
ε)
um hülfe, um rache, um gnade rufen:
da rief der Baiern wohlverdienter fürst
um schnelle hilf' in seiner höchsten noth.
Schiller Piccolomini 2, 7.
ζ)
über jemanden rufen; zur anklage: (sîn bluot) ruofet alsô iemer mêr über dînen lîp und über dîne sêle. Berthold v. Regensburg 1, 92, 9;
ik mach wol ropen over den mordener.
Reinke de Vos 5275.
hier ist der alte mordruf gemeint, vergl. Grimm rechtsalterth. 876 ff. rufen über von freudigem ruf: rufft uber Jacob mit freuden. Jer. 31, 7.
η)
gegen jemanden, gegen etwas rufen, zum ausdruck der feindschaft: und er rieff wider den altar (den götzenaltar) durch das wort des herrn. 1 kön. 13, 2;
gegen ihn rufte zuerst der glänzende sohn des Lykaon.
Voss Il. 5, 276.
d)
mit nachfolgendem infinitiv:
hörst? die trommel ruft zu scheiden.
Fr. Müller 2, 340.
2)
rufen als verbum transitivum, mit dem accus. oder dativ desjenigen, der durch den anruf veranlaszt werden soll, zu erscheinen, aufzumerken, besonders auch, heranzukommen. bei der eigentlichen anwendung sind object und subject personen oder doch belebte wesen; in freierem gebrauche finden nach beiden seiten hin übertragungen statt. aus dem ahd. ist die fügung mit acc. nicht zu belegen, dagegen rufen mit dem dativ: Helîase ruofit thesêr. Tatian 207, 3;
thaʒ ir in then sorgon   ruafet thesen bergon.
Otfrid 4, 26, 43.
auch im mhd. ist diese fügung die regelmäszige, s. mhd. wb. 2, 1, 804 und Zarncke zum narrensch. 31, 32.
unz er ir rief anderstunt.
Iwein 3614;
zu velde er alle tage lief,
als sîn gewonheit im rief.
Marienl. 154, 36.
mit acc. mnld.:
die coninc doe niet langher ne spaerde,
hine riepe sine baroene te rade.
Reinaert 1327.
Maaler führt nur wendungen mit dem dativ an: den seinen ruͤffen, vocare clamore suos; einem mit seinem nammen ruͤffen. 336ᵈ. Stieler 1627 bringt beispiele für beide fügungen: wer rufet mir; sollstu nicht kommen wenn ich dich rufe; es hat mir niemand gerufen. nach Frisch 2, 132ᵃ liegt bei der wendung einem rufen der nachdruck mehr auf dem nomine appellare, inclamare, bei einen rufen mehr auf dem arcessere. so auch Weigand 2, 499, der folgende belege für diese unterscheidung gibt: er (der vogel) pfiff, als ob er jemanden riefe; wen rufst du? deinen gespielen?; rufst du deinem männchen? ach ja! er ruft seinen geliebten, er klagt ihm. Geszner 2, 37; Caecilie: Stella! höre mich, Stella! Lucie: ruf' ihr nicht! sie ruht ... Stella, an der thüre: wer ruft mich? Göthe 10, 19. als allgemeine regel läszt sich diese unterscheidung durchaus nicht aufstellen, gewiss ist, dasz wir überhaupt nur dann noch die fügung mit dem dativ anwenden, wenn lediglich das anrufen ausgedrückt werden soll: er rief seinen hunden, dem diener rufen. die ältere sprache bewegt sich frei: ich bin komen zu ruffen den sündern zur busze, und nicht den gerechten. Marc. 2, 17 (belege für die fügung mit dem acc. aus der bibelübersetzung s. unter b); und er rieff zu sich dem volck sampt seinen jüngern. 8, 34; der pfarer ward des gewar und riefft seinen nachburen zuͦ hilff ... und sagt, kumen mir zuͦ hilff mein lieben nachburen. Eulensp. 71 (s. 113 neudruck); lehren sie, dem vatter, den sie sonst nicht kenten, Ette ruffen. Fischart Garg. 68ᵃ;
den reten sie da ruofft zuo ir.
Büheler königstochter von Frankreich 2199;
da lieff herfür die stättisch mausz
und rieff der feldtmausz auch herzu.
E. Alberus 27ᵇ;
ob dein herr wer zu disch gesessen,
und ruͤfft zur tafel dem gesind.
Grobian. 1522 neudruck;
dasz man dir ausz den federn tieff
zur guͦten morgensuppen rieff.
2406;
gleich wie ein hochschwangrer leib der die herbe zeit erkannt,
die ihm zu der arbeit rufft.
A. Gryphius 2, 407;
was nicht ist, dem rufft gott zum seyn und zum bestehn:
was ist, dem rufft der krieg zum nicht seyn, zum vergehn.
Logau 1, 65, 62.
rufen einem, ihm zurufen: da kam er und ruͤfft jhm, was newes da sey. Fischart Garg. 214ᵃ; (der lahme) hab demnach dem blinden geruffen, stehe still, da ligt etwas. Schuppius schriften 303.
a)
fügung mit dem dativ.
α)
in eigentlicher anwendung; so noch jetzt schweiz. Seiler 242ᵇ: da rieff der könig in Egypten den wehmüttern, und sprach zu jnen. 2 Mos. 1, 18; rüffet der speisemeister dem breutgam. Joh. 2, 9; bis das sie rieffen den eltern des, der sehend war worden. 9, 18; gieng sie hin, und rieff jrer schwester Maria heimlich. 11, 28. sprichwörtlich: wie man dir rüfft oder dich grüszt, also antwort. Franck spr. 2, 109ᵇ; schuster: wo ist der herr? köchin: er ist im sommerhaus, ich wil im ruͦfen. H. Sachs dial. 1, 4; lieb köchin, rüf unserm calefactor. 24, 30; er liesz seinem verschnittenen kämmerling ruffen. buch der liebe 214, 4; ich musz jetzt von euch scheiden, denn mir wird offt in der schlacht geruffen. 26, 2; ich habe drauszen aufgewartet und gedacht, der junker würde mir wohl rufen lassen. ped. schulfuchs 135; du hast mir geruffen. Gottsched sprachl.⁵ 136; rufe nun den druiden und den barden. Klopstock 8, 74; allein so bald don Sylvio seiner gewahr wurde, rief er ihm und sagte. Wieland 11, 124; wohin Araspes? siehest du mich nicht? .. Araspes: wer ruft mir? 16, 352; er getraut sich nicht dem mädchen im hause zu ruffen. Lessing 2, 576; ruf dem pastor — dasz er mir das abendmal reiche. Schiller räub. 2, 2 schauspiel; sie ruft mir! sie ruft mir! ich komme! Göthe 10, 120; ich musz meiner frau rufen. Elisabeth! 8, 45; ruft der mutter, sie soll blutwurzel bringen und pflaster. 151; (Philine,) die sogleich, nach ihrer lebhaften art, dem kinde rief und winkte. 18, 153;
eins tags ruft er dem delphin wider,
der delphin gieng zum knaben ans gestat.
H. Sachs meisterl. 143, 15 Gödeke;
darumb darfst du nit rufen mir,
wan ich kumm nimmer mer zu dir.
spruchged. 6, 131 Tittmann;
lasz dich kein mensch im hausz auff treiben,
bisz dir der hauszherr rüffen thuͦ
ein mal, zwey, drey, und vier darzuͦ.
Grob. 2423 neudr.;
lauft ir behend, die tür macht auff
und ruft dem gsinde allm zu hauf.
Rebhun Susanna 3, 2 (schausp. aus d. 16. jh. 1, 57);
rieff er der magt und sprach zu ihr.
E. Alberus 11ᵇ;
ich in felden, ich in wälden
rufe meinem zarten kind.
Spee trutzn. 201, 134 Balke;
die heiligen ruffen dir.
sie ruffen dich auffs fest, das kanst du nicht begehen.
A. Gryphius 2, 478;
der Diana solte ruffen Elsa, ruffte der Dione:
solt ins kloster, lag in wochen vor mit einem jungen sohne.
Logau 2, 238, 175;
nicht weil du mir riefst: dich zum zeugen zu machen erschein
ich.
Klopstock Mess. 15, 280;
(dasz er) nicht einmal erscheint, wenn ihm
sein könig ruft.
werke 10, 6;
mein könig und mein herr! du riefst mir, hier bin ich.
23;
sagt mir, o sagt mir, wer rufte mir?
19, 222;
auf einmal ruft er einem knaben
im vorgemach: man hohle mir Kombaben!
Wieland 10, 262;
ich, ich, dein ritter, rufe dir;
geschwind, geschwind herab zu mir!
Bürger 53ᵃ;
komm, rufe deinem sohne!
er eil in deinen arm; er herrsch' auf diesem throne.
Gotter 2, 18;
sie ruft der zof: 'ihr hört, was mir der bonze droht!'
1, 70;
den Galliern, die ihn gekrönet hatten,
rief mit umwölktem blick Leibnitzens groszer schatten:
weg mit dem lorberzweig, von fremden mir gereicht.
36;
und von diesem hügel rief Cythere
ach vergebens! ihrem schönen freund.
Schiller 6, 22;
habt ihr ihm denn nicht gerufen?
Göthe 10, 252;
wer ruft mir?
12, 34;
doch unruhiger ging sie, nachdem sie dem sohne gerufen
zwey- auch dreymal.
40, 266;
ruf ihr! sie soll heraus!
von der stimme eines thieres:
vor Magdalis pforte blieb keine (kuh) mehr stehn,
und rief ihr mit sanftem gebrülle.
Bürger 65ᵃ.
β)
in freierer und übertragener anwendung: ich ruffe dem schwert uber alle die auff erden wonen, spricht der herr Zebaoth. Jer. 25, 29; der dem wasser im meer ruffet, und schüttet es auff den erdboden, er heiszet herr. Amos 5, 8; und sihe, der herr rieff dem fewr, da mit zu straffen. 7, 4; (ich) wil dem korn ruffen und wil es mehren. Hes. 36, 29; er (gott) ruffet der dürre, das der himmel seinen tau und regen über uns verhalten mus. Butschky Pathmos 220;
waͤn (wen) hüt beruͤfft die gottes stym,
der weiszt nit, ob sie morn rüff jm.
Brant narrensch. 31, 32;
die liebe ruffte dir, es ruffte dir der tod,
sie in der himmel burg: er aus der erden noth.
A. Gryphius 2, 479;
Vetturia rufft jhrer jugend mit seuffzen.
Logau 3, 148, 63;
gott bleibt gott! wann jhm gefället, ruffet er dem würgeschwerdt.
2, 142, 7;
er (gott) wil, du solt sein wort
so dir rufft fort und fort,
mit rechter andacht hören.
H. Albert in ged. d. Königsb. dichterkr. 263 neudr.;
die verklärung
ihres (der seele) verflogenen staubes, wenn ihm das nahe gericht ruft.
Klopstock Mess. 11, 839;
einst rufet auch dir die posaune!
17, 776;
dasz der wurm auf dem felde der hohen wolke nicht rufe!
18, 586;
haine riefen hainen, und bergen berge: vollender!
20, 589 (werke 6, 258);
ein zu segnender laut, der mir rief, wie ein schatten dem schatten
liebend ruft.
werke 1, 23;
aber ich hätt' auch hier das nicht vollendet,
was schon in den blüthenjahren des lebens
mit lauter süszer stimme
mein beruf zu beginnen mir rief.
1, 122;
auf einmal hört' ich eine stimme,
die, von der seite her, mir rief:
wo wolt ihr hin? ihr reitet in die krümme!
Göckingk 1, 129;
die kunst, dem silberton zu rufen.
Schiller don Carlos 4, 21;
war's nicht schon leidenvoll genug, nicht etwa
schon thränenwerth genug, des menschen loos,
dasz er (Zeus) dem tod noch rief, es zu erschweren?
Schiller Iphig. in Aulis 5, 4;
vertheidige dein leben, denn dir ruft der tod.
jungfrau 2, 7;
(Jupiter) rief dem sohn der zeit, dem güldnen tag,
die meisterarbeit zu bescheinen.
Arndt ged. 6.
γ)
mit folgendem infinitiv:
hätt ihnen
Gabriel nicht mit der goldnen posaune zu folgen gerufen.
Klopstock Mess. 20, 1166 (werke 6, 290).
b)
rufen mit dem acc., arcessere, invocare.
α)
sol ich hin gehen, und der ebreischen weiber eine ruffen die da seuget. 2 Mos. 2, 7; soll ich sie rufen? oder soll ich meine hütte fest vor ihr verschlieszen? Klopstock 8, 41; rufte mich nicht herr Damis? wo ist er? was soll ich? Lessing 1, 227; gieng zur thüre, rufte einen seiner leute, hiesz ihn wieder gehen. Schiller 3, 555; das können sie hier! sagte sie, rief ihren kleinen diener. Göthe 18, 146; ich konnte ihm noch sagen einen arzt zu rufen. Arnim Hollins liebel. 81;
ich Jesum rief
aus herzen tief.
Spee trutzn. 8, 15 Balke;
der priester wird geruft.
Gellert 1, 294;
der Cherub,
welcher sie rief, stieg nieder vom thron zu dem offnen gerichtsplatz.
Klopstock Mess. 18, 64;
erlauben sie, dasz dieser fremde mann
gerufen werde.
Schiller Wallenst. tod 4, 9;
vater ich rufe ich!
Körner 1, 130.
mit sog. dat. commodi: der könig David antwortet und sprach, rufft mir BathSeba. 1 kön. 1, 28;
ruft mir den Wrangel, und es sollen gleich
drey boten satteln.
Schiller Wallenst. tod 1, 7;
den teufel rufen; geister rufen;
ich rief den teufel und er kam,
und ich sah ihn mit verwundrung an.
H. Heine 15, 151;
du rufst geister
und besprichst den mond.
weidmännisch, durch nachahmung der entsprechenden thierstimme locken: der jäger musz einen hirschen zu rufen, einen bock zu blätten, einen hasen zu räzen, einen fuchs zu quäcken und allerlei grosze und kleine vögel durch den ruf und die pfeife zu locken verstehen. Heppe jagdlust (1783) 1, 33. von thieren:
(die nachtigall)
ruft die verwandte menge.
Göthe 2, 23.
freier und übertragen: mich ruft die pflicht, die neigung, das vergnügen, mich rufen die geschäfte u. ähnl.;
dich ruft nicht die trommel, nicht die trompete.
Göthe 40, 269;
keine inschrift, ...
die von ahnen und von würden strotzet,
rufet hier den wandrer.
Hölty 50 Halm;
da rief mich deine stimme süsz.
Arndt ged. 96;
doch stehts nicht bei dir die neigung zu rufen,
der neigung zu folgen steht bei dir.
hülfe rufen (vgl. oben 1, b, α) im sinne 'hülfe erbitten':
voller angst und voller sorgen,
kommen wir durch nacht und nebel,
hülf' und rettung rufen wir.
Göthe 10, 251.
β)
jemanden mit, bei namen, bei seinem namen rufen: ja ich rieff dich bey deinem namen. Jes. 45, 4. mit dativ s. oben unter 2.
γ)
mit adverbien und präpositionen, zur angabe der richtung woher, wohin man jemanden ruft: einen vor gericht ruffen, vocare aliquem in judicium. Frisch 2, 132ᵃ; jemanden bei seite rufen;
auch frau und tochter ruft der fürst hieher?
Schiller Piccol. 1, 1;
gehn sie graf, wohin
die pflicht sie ruft.
Wallenst. tod 3, 23.
ins leben rufen, in eigentlichem sinne, einen ohnmächtigen:
die klage kommt zu spät — hier schaffet hilfe.
ruft sie ins leben!
Schiller braut v. Mess. 1921 (3, 4).
übertragen: dem pfalzgrafen wuchs dadurch der muth, und er arbeitete mit allem ernste daran, die union wieder ins leben zu rufen. Schiller 8, 111. sich etwas ins gedächtnisz rufen, sich etwas zur erinnerung bringen; vor's gedächtnisz: vergebens rief er sich den glücklichen zustand, in dem er sich doch eigentlich befand, vor's gedächtnisz. Göthe 20, 246. ähnlich sich etwas vor die seele rufen. ich musz nur dein eigenes bild wieder vor dich rufen. Schiller räuber 1, 2 schauspiel;
und heiszen dank, dasz er, sein lob zu melden,
auch mich auf diesen weiten schauplatz rief.
Gotter 1, 2;
disz paradies rief euer groszer könig
in eine fürchterliche wildnisz her —
er rufe doch — sein Karlos läszt ihn bitten —
ein lächeln auf mein angesicht.
Schiller dom Karlos 1, 1;
rufet, o freunde, mich
nicht wieder auf das meer, wo trümmer,
thürmende trümmer das ufer decken.
Hölty 85 Halm;
denn rief ich nicht, mit thörigem beginnen,
gefahr und tod auf dieses theure haupt?
Göthe 9, 313;
und ich habe die dürre geruffen, beide uber land und berge. Haggai 1, 11. wendungen mit zu, sprichwörtlich nd.: man röppt den esel nich anners tau hof, as wenn hei säck dragen sall. Wander 3, 1763; ruft michs zum genusz, warum kann ich ihn nicht ergreifen? Göthe 16, 201; ich bin komen die sünder zur busse zu ruffen, und nicht die fromen. Matth. 9, 13; man wird den ackerman zum trawren ruffen. Amos 5, 16; einen redner zur ordnung rufen, der sich gegen den parlamentarischen gebrauch vergangen hat;
als schnitter Christel sein Hannchen
rief zum duftenden busch.
Hölty 40 Halm;
zur versammlung zu rufen die hauptumlockten Achaeer.
Voss Od. 2, 8.
jemanden zu sich rufen: und er rieff zu sich alle schüldener seines herrn. Luc. 16, 5; der ruffe zu sich die eltesten von der gemeine. Jac. 5, 14;
er rufte mich zu sich
und ich sah hinter mich.
jemanden zu hülfe rufen, etwas zu hülfe rufen: rufen sie ihre geburt, ihren rang, ihre macht zu hilfe. Schiller kab. u. liebe 4, 6. daneben jemanden um hülfe rufen:
drang ..,
er kühn durch flamm und rauch der stimme nach,
die uns um hülfe rief.
Lessing Nathan 1, 1.
einen zum zeugen rufen, testem aliquem citare. Frisch 2, 132ᵃ. wird nicht der nidrere, den er zu seinem freunde ruft, in dem freunde den fürsten fürchten. Schiller 1, 34.
δ)
mit prädicativem adj. bei dem acc., jemanden wach rufen. reflexiv sich heiser rufen, sich nach jemandem heiser rufen; er rufte sich bald todt. Merck briefs. 1, lix.
ε)
mit nachfolgendem infinitiv und zu:
doch ruft ein denkmal noch ...
den frommen wanderer, mit thränen hier zu säumen.
Gotter 1, 140;
mit bloszem inf.:
euer engel, dessen zeichen
die toten auferstehen ruft.
Lenau Savonarola 594 (werke 2, 234 Koch).
ζ)
das part. gerufen im sinne von gewählt, bestimmt:
um den scepter Germaniens stritt mit Ludwig dem Bayer
Fridrich aus Habspurgs stamm, beyde gerufen zum thron.
Schiller 11, 72.
in besonderer wendung: wie gerufen, erwünscht: du kommest, als wärestu gerufen, opportune advenis Stieler 1627; du kömmst als geruffen, Lisette. Lessing 1, 284; die empörung kommt wie gerufen. Schiller Fiesco 2, 7 (vgl. 2, 15); (er) kommt, wie gerufen. kab. u. liebe 1, 5; sieh da das gefiederte paar! recht wie gerufen. Göthe 11, 219.
c)
rufen mit dem acc., exclamare aliquid: mhd. eʒ ist gar ein nütze sanc, ir sult in iemer deste gerner singen unde sult eʒ alle mit ganzer andâht unde mit innigem herzen hin ze gote singen unde ruofen. Berth. v. Regensburg 1, 43, 22 (s. oben 1, a und ruf I, 1, b, δ). jemandem etwas ins ohr rufen, beifall rufen:
umher die könige riefen ihm beifall.
Voss Ilias 7, 344.
eigenthümlich jemandem etwas rufen, im gerücht ihm beilegen, zuschreiben:
wahnsinn ruft man dem Calchas, und wahnsinn ruft man Cassandren,
eh' man nach Ilion zog, wenn man von Ilion kommt.
Göthe 1, 379.
besonders etwas öffentlich, feierlich verkünden: mnd. de mene vrede ward geropen unde vorkundiget openbar. quelle bei Schiller-Lübben 3, 505ᵇ; let ropen gnade unde vorschonynghe. ebenda;
nu hieʒ man ruofen in den sal
eine stille über all.
Tristan 282, 27 (11225);
dô begunde man den frideban
ruofen.
Biterolf 9372;
der hieʒ auch unverzait
ruofen zehand ein hervart.
ges. abent. 2, 603, 299.
der nachtwächter ruft die stunden. sich einer summe gewert rueffen, bekennen, dasz man sie empfangen hat. Schm. 2, 68.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 8 (1891), Bd. VIII (1893), Sp. 1397, Z. 70.

rufen, verb.

rufen, verb.,
einen schorf bilden (s.rufe): es haben auch die kinder offt scharpffe brandtblätterlein, die sie ubel brennen, die rat ich nicht, dasz man sie selber ausdörren und rüffen lasse. Würtz pract. d. wundarzn. kinderbüchlein (1612) 474.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 8 (1891), Bd. VIII (1893), Sp. 1406, Z. 74.

ruffe, f.

ruffe, f.,
s. rufe.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 8 (1891), Bd. VIII (1893), Sp. 1408, Z. 8.

ruft, f.

ruft, f.
schorf, rauhe rinde (s. rufe). hierzu rüftig, adj. soviel als rüfig. Schm. 2, 69. Spiesz 199.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 8 (1891), Bd. VIII (1893), Sp. 1409, Z. 54.

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Zitationshilfe
„rufen“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/rufen>.

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