Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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säule, f.

säule, f.
columna, goth. sauls, ahd. sûl, sûli Graff 6, 186, altn. sûla, ags. sŷl, mhd. sûl (gen., dat. und plur. siule), siule, sûwel, mnd. sule, suwel, mnl. suyle, sulle, dän. sule oder söile; niederd. süle (brem. wb. 4, 1091), kurhess. sûl (Vilmar 407), bair. saulen, seulen, seltener saul, seul (Schm. 2, 255), tirol. saul, sauln (Schöpf 583). die form saule als der schriftsprache angehörige bei Steinbach 2, 364. der vocal des wortes entstand durch alte innere zerrüttung, vorform der stammsilbe ist sval-, als nächste verwandte, auch in der bedeutung nahe stehend, sind anzusehen altn. svalir gebälk, svolir stamm, pfahl, ferner ahd. suil die hautanschwellung, schwiele, und jedenfalls auch ahd. swellan, schwellen, ahd. swella, schwelle, balken.
Bedeutung.
1)
im eigentlichen sinne.
a)
in der architectur jede freistehende runde stütze, die zum tragen des gebälkes dient, aus holz, stein oder eisen:
die sûlen wâren reine
von edelem gesteine.
Lamprecht Alex. 5889;
dechein sûl stuont dar unde
diu sich gelîchen kunde
der grôʒen sûl dâ zwischen stuont.
Parz. 589, 28;
nu was das haus auf einer seul erhaben
da die hochzeit inne was,
nu gieng Sampson under den palas
und hiez sich füeren zue der seulen eben.
H. Vintler pluemen der tugent 4313;
desgleichen sahe er viel heydnische verworfene tempel, item viel seulen, steigbogen etc. Faustbuch 59; es ist sehr wahrscheinlich, dasz man bei hölzernen tempeln auch die stärksten stämme zu säulen genommen habe, weil man sie, wie es scheint, ohne eigentliche verbindung der zimmerkunst, dem hauptbalken nur gerad untersetzte. Göthe 38, 164;
wie sich jene marmorsäule brüstet,
die vielleicht die asche
eines Harpagon mit pomp bekleidet,
der nur münze zählte.
Hölty 54 Halm;
kennst du das haus, auf säulen ruht sein dach.
Göthe 18, 233;
dasz in den alten hallen, wo die trauer
noch manchmal stille meinen namen lispelt,
die freude wie um eine neugeborene
den schönsten kranz von säul' an säulen schlinge.
10, 21 (Weim. ausg.);
da brach sein groszes herz.
und in den mantel sein gesicht verhüllend,
grad am gestell der säule des Pompejus,
von der das blut rann, fiel der grosze Cäsar.
Shakesp. Julius Cäsar 3, 2;
noch eine hohe säule zeugt von verschwundener pracht,
auch diese, schon geborsten, kann stürzen über nacht.
Uhland ged. 392;
ein blick, nicht strafend, doch von solcher macht,
dasz er mich ausschlosz von der festlichkeit,
dasz ich geheftet an der säule stand.
dramen (1885) 16;
in dem dome zu Cordova
stehen säulen dreizehnhundert,
dreizehnhundert riesensäulen
tragen die gewalt'ge kuppel.
H. Heine 1, 143;
ihr mädchen auf! mehr blumen bringt herbei!
in ganzen haufen blumen. schmückt das haus
und hof und halle, säule, thür und schwelle.
Grillparzer 3, 168;
gewisz, wenn du
der pilgerruh erst einen blick gegönnt,
die dort ganz nah auf schlanken säulen steht.
6, 74.
b)
im weiteren sinne, aufrechtstehender, säulenförmiger körper, pfahl, pfeiler, pfosten, stützbalken u. ähnl.:
wît unt hôch gelîche
als man der venster siule sach,
der art was obene al daʒ dach.
Parz. 589, 25;
von marmel ein tor gemûret lac,
des ein rat von êre pflac:
daʒ lief umbe vor dem tor
ûf îsenînen siulen enbor.
Wigalois 6777;
des rê wart, gebalsemt gar
geleit in einen edeln stein
ûf eine sûl, dâ durch er schein
vor der stat über al daʒ her.
10725;
er hieʒ mit groʒer grimmekeit
an einer sul in wol durchslahen.
passional 285, 35 Köpke;
er liesz in gaiseln permklîch an ainer seule plôs.
Absalom aber hatte im eine seule auffgericht, da er noch lebet. 2 Sam. 18, 18; ir solt euch keinen götzen machen, noch bilder und sollt euch keine seulen auffrichten, noch keinen malstein setzen in euerem lande, dasz ir dafur anbetet. 3 Mos. 26, 1; diese (eine fischotterfalle) wirt also zubereitet: man nimmt darzu zwey säulen, drittehalb elle hoch und faltzet in beide auf einer seite einen recht gleichen und glatten faltz. Döbel jägerpract. 2, 151. scherzhaft vom galgen, unter engerer anlehnung an 1:
ich hab einen leeren tempel stahn,
wohl auf drei säulen ist er weidentlich geschicket,
ein offen münster, daraus man weite blicket;
darauf musz Engelmayer sein amte han.
des knaben wunderhorn 1, 146 Boxberger.
brunnensäule, pfosten eines brunnens; eine bornseule in den preisverzeichnissen bei Colerus 2, 252; kurhess. sûl, der holzpfosten, der die ecken der gebäude bildet Vilmar 407; säule eines prangers, schandpfahl, daher zeichen der criminalgerichtsbarkeit Haltaus 1594; in Tirol die aufrechtstehende stange der weinberge Schöpf 583; technischer ausdruck des zimmergewerbes, zur bezeichnung eines aufrechtstehenden zimmerholzes, insbesondere der aufrechtstehenden hölzer bei einer bettstelle oder einem kutschkasten. Adelung. Jacobsson 3, 524.
2)
in vergleichen und bildlich, wie stütze, pfeiler, grundfeste.
a)
bei sinnlichen gegenständen: der hals ist ain säul, diu daʒ haupt aufhelt, und veraint daʒ haupt mit dem leib. Megenberg 18, 32; das universum ist ein ungeheures gebäude, unser insectenblick verweilt auf diesem flügel, und findet vielleicht diese säulen, diese statuen übel angebracht; das auge eines besseren wesens umfaszt auch den gegenüberstehenden flügel, und nimmt dort statuen und säulen gewahr, die ihren kameradinnen hier symmetrisch entsprechen. Schiller 2, 344; unter diesem gedränge also, fuhr er fort, liesz mich derjenige, welcher zunächst an mir sasz, einen Franciskanermönch bemerken, der unbeweglich wie eine säule stand. 4, 245; aus dem einförmigen dunkel hoben sich nur die säulen der nächsten bäume als düstere schatten von dem hintergrunde ab. Freytag soll u. haben 2, 212; da stand an einer erhöhten stelle des weges die schöne Judith unter einer dunklen tanne, deren stamm wie eine säule von grauem marmor emporstieg. Keller gr. Heinrich (1880) 2, 123. feuersäule:
ein michel liecht, daʒ gegen im brach,
schînlich unde offenbâr,
diz was ein sûl schône unde klâr,
die von himele nider gienc
unde daʒ hol gar bevienc.
pass. 198, 84 Köpke;
dâ er ein sûl von vuere sach,
die sich mit lenge ûf erbrach
unz an daʒ firmamente.
126, 19;
dasz ... die flamme selbst, des feuers rote säule,
die sich von eurem scheiterhaufen hebt,
sich zweigespalten von einander theile,
ein schaudernd bild, wie ihr gestorben und gelebt.
Schiller 14, 32.
luftsäule, s. d. theil 6, 1261; wassersäule, übertragen:
im hexameter steigt des springquells flüssige säule;
im pentameter drauf fällt sie melodisch herab.
Schiller 11, 185;
wolkensäule: er sprah in zuo ûʒʒer dero uuolkensûle. Notker 2, 413 (Ps. 98, 7); dampfsäule:
rauch ist alles ird'sche wesen,
wie des dampfes säule weht,
schwinden alle erdengröszen,
nur die götter bleiben stet.
Schiller 11, 395;
da bewegt sich die subtellurische macht als windsbraut unter der erde,
und sie weht als dunst von der hölle herauf, kohlschwarz wie die säule des dampfboots.
Platen 264;
berge und felsen, als stützen des darüber liegenden himmels gedacht:
unz her dir werilte einde
bi güldinin siulin bikande.
Annolied 207;
die seulen des himmels zittern. Hiob 26, 11; das land zittert und alle die drinnen wohnen, aber ich halte seine seulen fest. ps. 75, 4; da werd ihr durch die sybillische enge rauschen und viel stattlicher seylen als des Herculis daselbs zu ewigem gedenckmal aufrichten. Garg. 219ᵇ;
wär' es an öde klippen angebunden
und an des Atlas himmeltragende säulen,
so wird ein flügelross es dort ereilen.
Schiller 11, 54;
so begrabt mich denn, ihr mauern,
und verwüstung brich herein!
stürzet ein, ihr festen säulen,
die der erde ball getragen!
Grillparzer 3, 106.
b)
bei personen: goth. Paitrus jah Jakôbus jah Johannês, þaiei þûhtêdun sauleis visan. Gal. 2, 9; dero geloubigen sûle sint apostoli. Notker 2, 301; dirre heilige (sanct Augustinus) ist der vir sûle eine der kristenheit, di da bewêrt sint vor allen meisteren unde vor allen lêrern. myst. 1, 185; und bist darzu der ritter allhier in der stadt, und also ein glied und seule des regiments. Heinr. Jul. v. Braunschweig 64;
was? wiltu uns denen vergleich'n,
wir sind zwo vornehme seulen des landes.
Hollonius somnium vitae hum. 17, 201;
guter Cid, du unseres hauses
säule, thu' es mir zu liebe.
Herder Cid 26.
c)
bei abstractionen: goth. aikklêsjô guþs libandins, sauls jah tulgiþa sunjôs. 1 Tim. 3, 15;
wann rehte liebe ist so mugent,
daʒ si ist wurz anevank und leben,
wan si misset alle ding gar eben,
si ist auch ain seul aller tugenthait.
H. Vintler pluemen der tugent 249;
er wird mit den füszen seiner rosse alle deine gassen zutreten, dein volk wird er mit dem schwert erwürgen und deine starken seulen zu boden reiszen. Hes. 26, 11; die saule eines staates, reipublicae columen Steinbach 2, 364: derjenige, welcher zuerst die bemerkung machte, dasz eines staates festeste säule religion sei, .. hat vielleicht, ohne es zu wollen oder zu wissen, die schaubühne von ihrer edelsten seite verteidigt. Schiller 3, 513.
3)
säule, in besonderer anwendung.
a)
das quecksilber im barometer und thermometer.
b)
die spindel des schneckenhauses Campe.
c)
die in eine dicke fleischige säule verwachsenen staubfäden bei den stengellaubpflanzen. Oken 3, 1026.
d)
eine der grundformen in der krystallographie Oken 1, 88.
e)
im bergbau werden die in die erde eingegrabenen pfosten, welche das gerüste der bohrmaschine tragen, säulen genannt. Jacobsson 3, 525.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 10 (1892), Bd. VIII (1893), Sp. 1900, Z. 76.

säule, f.

säule, f.
subula, ahle, pfrieme, ahd. suila, siula, sûla Graff 6, 61 (entstanden aus älterem siuwila), mhd. siuwele, siule Lexer 2, 949, md. sûwel, sûle, mnl. suyle, sulla, dän. sull; ein heute in der schriftsprache abgestorbenes und nur noch dialektisch fortlebendes wort. brem.-niedersächs. sule brem. wb. 4, 1091, märk. sûl Danneil 216, westfäl. süll, süggel Woeste 262, lippisch subbel, suwwel, süwwel Frommanns ztschr. 4, 487, kurhess. saul, saubel, sauwel Vilmar 339, bair. seuel, seul Schm.² 2, 202, schweiz. säule Stalder 2, 304, appenz. süla, süleli Tobler 428. das wort gehört zu der indogerm. wurzel siw, nähen, goth. siujan, ahd. siuwan, und lat. suere; siuwila wurde mit dem suffix ila von siuwan gebildet, wie das lat. subula von suere: darnach sol man die hawt uf der hertten geswulst mit ainer glüenden sülen an vil enden durch prennen. Mynsinger von den falken, pferden u. hunden 75; und sol den speck entzünden, also das er die kluft abtrieff und durch das tuͦch, das da leit uf der geswulst, trieffen in die löcher der geswulst, die mit den sülen geprennt sind. ebenda;
das euter braucht er (der schuhmacher) zu dem sack mit seulen,
das pech und die garnkneulen
die wirft er alle drein,
die seulen grosz und klein.
Gödeke-Tittmann liederb. 1, 376, 67.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 10 (1892), Bd. VIII (1893), Sp. 1903, Z. 25.

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Zitationshilfe
„saule“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/s%C3%A4ule>.

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