Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

zünden, v.

zünden, v.,

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ahd. zunden Graff 6, 886, mhd. zünden, zunden mhd. wb. 3, 896ᵃ; Lexer 3, 1175. das wort fehlt im as., mnd., neund., auch dem mitteldeutschen scheint es fremd gewesen zu sein:
kerczin hiz her enpornin gnug
Joh. Rothe pass. 1320 Heinrich.
seine eigentliche heimat ist das alem., wo es bis heute in besonderen anschaulichen verwendungen üblich ist, während anderswo und im allgemeinen nhd. die übertragenen sich befestigt haben. denselben ablaut zeigt nur got. tundnan, den ablaut der causativa auszer got. tandjan noch ags. tendan, â-tendan, on-tendan, friesisch tän Schmidt-Petersen 133ᵇ, tjen' B. P. Möller Sylter ma. 207, an. tenda, schwed. tænda, dän. tænde, ferner an. tendra, neunorw. ma. tandra J. Aasen 816ᵃ, auf hd. gebiet dagegen nur einmaliges enzant Otnit a 412, 2 Amelung, im reime. auch stammhaftes i nur je ein reim im ags. tinneđ reimlied 54, im mhd. ich zinne 'glühe': brinne Otto zem Turne in v. d. Hagen Minnes. 1, 345ᵇ. späteres zinden, zenden sind entrundet, die part. gezunden, enzunden sind ganz jung Paul dtsche gr. 2, 256. zu schwed. tindra s. bei zunder. ein gemeingerm. verb. *tindan ist also nicht bezeugt. hingegen haben alle germ. sprachen von alters in der gleichen bedeutung das subst. zunder, mit ausnahme des got. so wird man die verschiedenen verben als ableitungen von einem subst. auffassen, das in zunder u. zundel vorliegt. zünden ist ursprünglich und eigentlich ein feuer mit hilfe von zunder anmachen: durch die verwendung des schieszpulvers hat es seinen bereich, besonders in den ableitungen, stark erweitert.
1)
in der transitiven verwendung ist es jetzt allgemein durch anzünden, entzünden verdrängt, s. auch los zünden th. 6, 1175. nur in festen verbindungen
a)
eigentlich Stieler 2654; Kramer 2, 1484ᵇ. licht, feuer zünden:
als wie die schön gezündte kertz
sich selbest musz verzehren
Spee güld. tugendb. (1649) 241;
er schlug feuer seine pfeife zu zünden Schiller 4, 75 G.; (eine äbtissin,) die ... ihre zofe ... licht zünden ... liesz J. Grimm kl. schr. 5, 400;
früh, wann die hähne krähn,
eh die sternlein schwinden,
musz ich am herde stehn,
musz feuer zünden
Mörike 1, 64.
schieszpulver, sprengstoffe entzünden: (indem) zündet der narr uber zway fasz pulver, so im thurn ... stunden S. Franck chron. Germ. (1538) 267ᵇ; worauf der Engelländer seine gantze lage auf Tromps schiff zünden liesz E. G. Happel hist. mod. Europae (1692) 228; granaten zünden Fleming vollk. t. soldat 227; Alb. Schiffner 10, 568, raketen Schnabel insel Felsenburg 71 lit. dkm., minen Göthe 10, 191; 21, 148 W.; Hoyer-Kreuter 1, 878. in der sprache der dichtung, besonders vom opfer:
so wollen wir dir hier des dankes opfer zünden
Gottsched neueste 6, 76;
(der belagerer geschosz) zündete haus und thurm
Klopstock oden 2, 95 M.-P.;
aber mächtig befiedert, mit frisch geschliffener schärfe
dringen die andern ins mark, zünden behende das blut
Göthe 1, 236 W.;
sie werden in den zeitungen sehen, dasz wir hier nicht feiern; das feuer ist gezündet, die bälge keuchen Görres ges. br. 3, 508; du trägst allerlei wunderlich zeug zusammen, um eine opferflamme dran zu zünden Bettine die Günderode 1, 24.
b)
refl., in der dichtersprache: überall zündeten sich fackeln und feuer Arnim 3, 425;
wie von Kreusas brautkleid zündet sich
ein unauslöschlich feuer von mir fort
Göthe 10, 51 W.;
wenn sich das irrlicht zündet an der gruft
c)
übertragen:
mein hertz er zündet inniglich
Spee güld. tugendb. (1649) 305;
es war ein funke, der viele gedanken zündete W. Alexis ruhe ist die erste bürgerpflicht 1, 168.
2)
ohne object.
a)
vereinzelt persönlichem subj.: wer och nahtes in der stat an den strassen zündet mit strow ald mit holtz, der git dem ammann 3 sol. oberschwäb. stadtrechte 1, 29.
b)
allgemein von dem, was feuer verursacht.
α)
eigentlich: dreissig grosze fewrkugeln ..., welche zwar an unterschiedlichen orten gezündet, doch ohne schaden Chemnitz schwed. krieg 2, 168; irgend ein funke mochte gezündet haben, und eine stunde später war die flamme ausgebrochen Moltke 6, 79;
auch flämmchen spend ich dann und wann,
erwartend, wo es zünden kann
Göthe 15, 1, 43 W. (Faust 5589).
stets vom blitz:
sind fünffe nur noch from in Sodoma zu finden?
so bist der erste du und stillst des himmels zünden
Logau 219 Eitner;
mir war, als ob ich den blitz in einer pulvermine zünden sähe L. v. François letzte Reckenburgerin 1, 238; auch schlug der blitz in das haus Frobenstrasze nummer 39 ..., ohne zu zünden H. Seidel Leb. Hühnchen 299.
β)
bildlich und übertragen: ein erfinderischer geist, dessen glut im alter noch zündet und leuchtet Schubart leben und gesinn. 1, 64; arbeit und einsamkeit rufen die glücklichsten augenblicke hervor; der funke springt, zündet Göthe 41, 1, 15 W.; zum ersten mal seit dem 18. märz sehen wir einen festen entschlusz, und der zündet in millionen herzen Moltke 4, 130; worte, gedanken zünden; der funke eines blicks, eines verlangens, der hoffnung, der liebe, eines gedankens zündet bei den menschen, in den herzen; der zündende funken, s. u. 3.
c)
feuer fangen: der zunder zündet nicht, will nicht zünden Kramer 2, 1484ᵇ; es soll auch kein bürger oder baursmann birsch- oder selbstzündende büchsen oder armbrust in unserm gehöltze ... tragen forstordnung v. 1693 bei Schwappach handb. d. forst- u. jagdgesch. 2, 630; zündende büchsen (in Sachsen auf 'ordentlichen straszen' verboten) Zedler 63, 1331 (vgl. zündbüchse);
die rothe welle (des morgenroths) schlägt der berge saum
allmählich zündets, geht in flammen auf
sprichwörtlich: feuer und stroh zündet gern Schellhorn sprichw. 95; feuer bei werg zündet rasch Düringsfeld 1, 234ᵇ;
nam juvenis, ein bündel stroh,
cum virgine, am feuer,
der zündt und brennet lichterloh
Chr. Fr. Henrici ernst-, scherzh. u. sat. ged. 4, 272.
d)
leuchten, licht geben, von personen, oberd., bes. alem. Martin-Lienhart 2, 907ᵇ; Seiler Basel 329ᵃ; Bühler Davos 1, 238. mit richtungsadv.:
herr, besecht die büchsen mein
und zündet mit dem liecht darein
Teuerdank 96 Gödeke;
halt! was liegt hier im weeg? zündet hieher Schiller 2, 190 G. mit persönlichem dativ: und die weyszheit des herrn wirt im vor seinen tritten zünden Zürcher bibel (1531) Jes. 49 d (des herren licht leitet ihn Luther Jes. 50, 31); eim zünden, die facklen vortragen Maaler 524ᵃ; der teufel zünd mir nicht, er gibt mir auch das liecht nicht Paracelsus op. (1616) 2, 250 (ähnl. 402); zündet mir ein wenig Kramer 2, 1484ᵇ;
(liebe sonne) zünd durch dein liecht den weg uns heut
Fischart glückh. schiff 8 ndr.;
einem zu bett zünden U. Füetrer Merlin 213 lit. ver., ins bett z. Kramer, schlafen z. Zinkgref apophth. 353; 'ich seh', rief er, 'es ist höchste zeit, dasz wir ins bett gehen! nimm die ampel und zünde mir Melch. Meyr erz. aus dem Ries 1, 138. einem heim zünden Schmid schwäb. wb. 552, s. th. 4, 2, 864: als Daniel seim vatter heim zünden wolt mit der laternen Felix Platter 174 Boos. übertragen wie heim leuchten:
drauf sprang er ausz dem fenster gleich,
dasz in der meister nicht vieleicht
im fenster noch so stecken findt
und im mit prügeln heim zu zindt
Fischart Eulenspiegel 222 Hauffen.
ebenso einem nider zünden N. Manuel 530 Bächtold; H. R. Manuel weinspiel v. 2194 ndr. auch ohne heim Stalder vers. 2, 482; Seiler; Martin-Lienhart.
e)
leuchten, von leuchtenden gegenständen:
da zunten inne (in einem gewölbe) sunn und man,
Mars und Mercurius
Joh. v. Würzburg Wilh. v. Österreich 4992.
sein augen wie die sternen zinden
Wickram 4, 73 B. (ähnl. 7, 54);
ewer himelweit glate stirn
hat ein gestirn,
das wie ein liecht den blinden zindet
Weckherlin 1, 268 Fischer (ähnl. 1, 146; 2, 248).
wie scheinen: glauben sie denn, man läszt sich ohne weiteres für andere die sonne auf den buckel zünden? G. Keller 2, 29. übertragen: zerschmiltzt der gaist da all zuͦ male und tzündet im selber in allen dingen Joh. Tauler sermon. (1508) 65ᵃ; und der nicht also eyngehet in das liecht der natur, der wirt nimmermehr zu keinem liecht, und wirdt auch niemandts zünden Paracelsus op. (1616) 2, 402.
3)
wie zündeln: während sie (die mädchen) mit ihren brennenden lämpchen mir um haar und nase herumzündelten und mich hart bedrängten G. Keller gr. Heinrich 2, 222.
4)
zündend als adj., wie 2 b β, in neuerer zeit allgemein: ein zündender blitz fuhr durch eine seele Pfeffel pros. vers. 2, 118; der knabe schien ein mädchen, und die jungfrau mit ihrem zündenden blick ein verkleideter jüngling Heinse 4, 201 Schüddekopf; jene verse der Ilias haben den zündenden funken in des künstlers seele geworfen H. Meyer gesch. d. bild. kunst 1, 63; einer der zündenden gedanken, an deren feuer die deutschen einheitsbestrebungen sich zu erwärmen ... pflegten Bismarck ged. u. er. 2, 75 volksausg.; einige kurze, warme, zündende dankesworte Detlev v. Liliencron 1, 116; zündende beredsamkeit.
5)
die mannigfachen ableitungen, s. auch o. zündbar u. ff., gehören
a)
zur verwendung des schieszpulvers und anderer sprengmittel.
ältere:
zündgasse
zündhalm
Veith 260,
zündkern
Heppe wohlred. jäger (1769) 344ᵇ,
zündring
Zingerle inventare 53,
zündrinne
E. Vollhahn lebensbilder 1, 52,
zündschwefel
E. Francisci trauersaal (1665) 1, 670,
zündseil
Grob ausreden d. schützen zschr. f. dtsch. alterth. 3, 252,
zündthurm
Hartig lex. für jäger 444.
in der neueren sprache der feuerwerker und artillerie: zündbolzen, -deckel, -feld, -glocke, -gurt, -kammer, -kappe, -kapsel, -kegel, -kitt, -korn, -ladung, -muschel, -patrone, -pille, -satz, -schlag, -schlosz, -stift, -stollen, -streifen u. ä.
b)
zu anderen techn. verwendungen: zündflamme, -feuerzeug, -kanal, -körper, -kuchen, -lampe, -leitung, -licht, -mischung, -pfropfen, -punkt u. s. w. weitere ableitungen unten.
c)
neuerdings zum motor der kraftwagen u. ä.: zündflansch, -hebel, -kerze.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1927), Bd. XVI (1954), Sp. 553, Z. 75.

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s t u v w x y z -
zündkern
Zitationshilfe
„zundkern“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/z%C3%BCndkern>.

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