Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache (WDG)

WDG, 2. Band, 1967

geben

WDG, 2. Band, 1967
geben(er gibt), gab, hat gegeben
/vgl. gegeben /
1. jmdn. zum Eigentümer von etw. machen
a) jmdm. etw. schenken: jmdm. (Trink)geld, eine milde Gabe, ein Geschenk g.; jmdm. etw. zu eigen g.; jeder muß sein Scherflein g.; mit offenen Händen g.; der gebende Teil sein; niemand gab etw. /sprichw./ ein Schelm gibt mehr, als er hat; wer gerne gibt, fragt nicht lange; doppelt gibt, wer schnell gibt; den Seinen gibt's der Herr im Schlafe; bibl. Geben ist seliger denn Nehmen; /bildl./ jmdm. einen Kuß g.; jmdm. seine ganze Liebe g.; jmdm. ist etw. gegeben jmd. hat die Eigenschaft, Gabe: es ist mir nicht gegeben, die Dinge leicht, schwer, tragisch zu nehmen; so gern ich einräume, daß es großen Schauspielern gegeben war, in den Rollen solcher Stücke eine gewisse Heiterkeit zu verbreiten K. Kraus 2,208 (Sprache) ; Singe, wem Gesang gegeben Uhland 1,32
b) jmdm. etw. aushändigen: jmdm. seinen Lohn, einen Vorschuß, sein Zeugnis g.; sich seine Papiere g. lassen; der Überfallene mußte dem Räuber seine Brieftasche g. /bildl./ jmdm. einen Korb g. (jmdn. abweisen) jmdm. den Laufpaß g. (jmdn. fortjagen) ich kann dir Brief und Siegel darauf g. (versichere dir, daß es wahr ist) die Besucher gaben sich die Tür, Klinke in die Hand (es kamen viele Besucher) das Heft (die Leitung) nicht aus der Hand g. /übertr./ etw. ist in jmds. Hand gegeben; jmdm. etw. an die Hand g.; jmdm. gute Lehren mit auf den Weg g.
c) etw. verkaufen: der Kaufmann kann die Ware nicht billiger g.; etw. auf Kredit, salopp auf Pump⌝ g.; veralt. der Händler gibt seine Ware nur um einen hohen Preis
d) etw. bezahlen: umg. ich habe drei Mark für die Blumen gegeben; er hat einen Scheck in Zahlung gegeben (mit einem Scheck bezahlt) /bildl./ umg. ich gebe keinen Pfennig, Pfifferling dafür (etw. ist mir keinen Pfennig, Pfifferling wert) ich gäbe viel darum, wenn (wünschte sehr, daß) ich dabeisein könnte, wenn er gesund würde Ich gäb was drum, wenn ich nur wüßt, / Wer heut der Herr gewesen ist Goethe Faust I 2678
2. jmdm. etw. reichen: gib mir meinen Mantel; dem Kind die Flasche, Nahrung, Brust g.; dem Kranken leichte Speisen g.; dem Vieh Futter g.; jmdm. etw. zu essen, trinken, verzehren g.; es gibt Kohl zu Mittag; eine Flasche Wein zum besten g.; jmdm. die Hand g. /sprichw./ wenn man ihm den kleinen Finger gibt, nimmt er gleich die ganze Hand (ein Entgegenkommen nutzt er aus) jmdm. Feuer (für eine Zigarette) g.; /bildl./ g. Sie mir bitte Herrn N (verbinden Sie mich bitte telefonisch mit Herrn N)
3. jmdm. etw. versetzen: jmdm. einen Schlag, Stoß, Tritt, umg. Klaps, salopp eins hinter die Ohren, eins aufs Dach⌝ g.; jmdm. einen Verweis, umg. einen Denkzettel g.; salopp es jmdm. ordentlich, feste, tüchtig g. (jmdn. verprügeln; jmdn. mit Worten zurechtweisen) gib's ihm!; gut gegeben!; das hat ihm den Rest gegeben; einem kranken Tier den Gnadenstoß g. (es töten)
4. jmdm. etw., jmdn. zu einem bestimmten Zweck überlassen, übergeben: jmdm. etw. in Verwahrung g.; ein Paket zur Post g.; jmdm. etw. zum, als Pfand g.; den Jungen in Obhut, Pflege, in die Lehre, in Kost, Pension g.; jmdm. seine Tochter zur Frau g.; den Aufsatz in Druck, Satz g.; die Aussage zu Protokoll, zu den Akten g. /bildl./ jmdm. eine harte Nuß zu knacken g.; jmdn. mit etw. beauftragen: einen Anzug in Arbeit g.;
5. etw. hervorbringen: der Baum gibt Schatten; der Ofen gibt Wärme; landsch. die Sonne gab warm Frisch Stiller 408; die Lampe gab schwaches, helles Licht; die Kühe g. Milch; Jägerspr. die Hunde gaben Hals, Laut (bellten) /sprichw./ Kleinvieh gibt auch Mist; etw. ergeben: das gibt eine gute Suppe; dieser Most wird einen guten Wein g.; zwei mal zwei gibt vier; zwei Hälften g. ein Ganzes; der Aufsatz wird zwei Druckbogen g.; das gibt ein schiefes Bild, kein richtiges Bild; ein Wort gab das andere; etw. werden: der Junge wird einen guten Kaufmann g. /sprichw./ rauhe Füllen g. gute Pferde
6. etw. veranstalten: e. Fest, Essen, Frühstück, Bankett, Abend, Gesellschaft, Ball g.; mit etw. auftreten: e. Konzert, Gastspiel g.; eine Vorstellung g.; sein Debüt g.; etw. aufführen: welches Stück, was wird heute im Theater gegeben?; etw. darstellen: der Schauspieler gab den Faust, Tell;
7. landsch. etw. an, in etw. tun: an das Essen Salz g.; eine Soße über den Braten g.; Kräuter unter die Rühreier g.; indem er sich einen Berg Kartoffelsalat auf seinen Teller gab Hausm. Abel 59; Im Gestrüpp sitzen und warten, bis eine Person an einem heißen Tag das Bein in den Fluß gibt Brecht Kaukas. Kreidekreis 2
8. etw. von sich g.
a) etw. äußern: abwertend er gibt nur Unsinn, Gemeinplätze von sich; Sie stehen hier nicht, um geistreiche Zynismen von sich zu geben Nossack Spirale 209; er gab Schmerzenslaute, keinen Ton von sich; umg. er kann es nicht so recht von sich g. (sich nicht ausdrücken)
b) umg. er mußte alles wieder von sich g. (sich erbrechen)
9. etw. auf etw. g. Wert auf etw. legen: sie gibt viel auf gute Kleidung; ich gebe viel, wenig auf sein Urteil, diese Behauptung; auf eine Verleumdung, jmds. Worte nichts g.; ich gebe nichts auf ihn (halte nichts von ihm)
10. jmdm., einer Sache etw. zukommen lassen
a) jmdm. etw. erteilen: jmdm. (Nachhilfe)stunden g.; Unterricht g.; eine Lektion g.; der Lehrer gab Physik und Mathematik; ein Aufsatzthema g. (stellen) jmdm. Verhaltungsmaßregeln g.; jmdm. Aufschluß, Auskunft über etw. g.; jmdm. einen Auftrag g.; jmdm. das Wort g.;
b) sich, jmdm. Rechenschaft g. (ablegen)
c) jmdm., einer Sache etw. zuteil werden lassen: jmdm. einen Hinweis, guten Rat, Wink, umg. Tip⌝ g.; jmdm. Hilfe g.; dem Kind eine gute Erziehung g.; geh. der Wahrheit die Ehre g. (die Wahrheit sagen) jmdm. das Nachsehen g.; jmdm. Schuld, Recht, Unrecht g.; jmdm. etw. zu verdienen, wissen, verstehen g.; Das Blut dieser Frau komme über Sie und Ihre Kinder, gab der Baron ihm noch zu schlucken A. Zweig Junge Frau 203; Kaufm. (jmdm.) Rabatt g. (zugestehen)
d) jmdm. etw. vermitteln: jmdm. Bescheid, Nachricht, Kunde von etw. g.; jmdm. einen Vorgeschmack, Begriff von etw. g.; jmdm. Aufklärung, einen Überblick g.;
e) jmdm. etw. gewähren: ein Interview g.; jmdm. eine Genehmigung, seinen Segen g.; er gab seine Einwilligung; jmdm. einen Freibrief g.; dem Beleidigten Genugtuung g.; jmdm. eine (letzte) Frist g.; dem Kranken noch ein halbes Jahr (zu leben) g.; jmdm. Einblick in etw. g.;
f) jmdm. etw. bieten: jmdm. e. Chance, Perspektive, Rückhalt, Handhabe g.; jmdm. Gelegenheit, Grund, Anlaß, Veranlassung zu etw. g.; ein schlechtes, gutes Beispiel g.;
g) jmdm., einer Sache etw. verleihen: dem Werk letzte Vollendung g.; etw. gibt dem Kleid eine festliche, sportliche Note; seinem Dasein, Leben einen Sinn g.; einer Sache einen geheimnisvollen Anstrich g.; seinen Worten Nachdruck g.; seiner Stimme Festigkeit g.; jmdm., jmds. Arbeit neue Impulse, Anregungen g.; jmdm. neuen Ansporn, Auftrieb, Schwung, neue Hoffnung g.; sein Auftreten gab allen anderen Mut; die Liebe zur schönen Gamaheh … gab mir Riesenkraft E. T. A. Hoffm. 6,66
h) etw. erlassen: Gesetze g.; (An)weisung, Order g.; daß der Herr General Befehl gegeben habe, jeden Morgen um zehn Uhr anzurufen Musil Mann 789; eine Anordnung, papierdt. Auflage g.
11. etw. auslösen: ein Ärgernis g.; jmdm. gibt es einen Stich sich /Dat./ einen Ruck g.; einen Anstoß zu etw. g.; einer Angelegenheit eine glückliche Wendung g.; etw. veranlassen: sein Verhalten gibt zu denken; jmdm. etw. zu bedenken g.; Stoff zum Lachen g.;
12. /g. + abhängiges Subst. dient in abgeblaßter Bedeutung häufig zur Umschreibung eines Verbalbegriffes / dem Kind einen Namen g. (es benennen) jmdm. den Vorzug g. (jmdn. vorziehen) jmdm. die Versicherung, e. Zusage, Beschreibung, Erklärung, Versprechen g. (jmdm. etw. versichern, zusagen, beschreiben, erklären, versprechen) jmdm. sein (Ehren)wort g. (jmdm. etw. versichern, versprechen) jmdm. einen Bericht, seine Zustimmung g. (jmdm. berichten, zustimmen) jmdm. einen Beweis seiner Reue, Liebe g. (jmdm. seine Reue, Liebe beweisen) umg. jmdm. gute Worte g. (jmdm. gut zureden) jmdm. den Abschied g. (jmdn. verabschieden, aus einem Dienstverhältnis entlassen) geh. jmdm. das letzte Geleit g. (jmdn. zur letzten Ruhe geleiten) veraltend Herr und Frau M geben sich /Dat./ die Ehre (beehren sich) sich ein Stelldichein g. (sich treffen) ich gebe mir den Anschein, geh. das Ansehen⌝, daß … (tue so, als ob …) ; du hast dir viel Mühe gegeben (dich sehr bemüht) ; sich /Dat./ eine Blöße g. (sich blamieren, eine Schwäche zeigen) Obacht g. (aufpassen) umg. scherzh. Fersengeld g. (fliehen) Frieden, Ruhe g. (sich beruhigen) die Kompanie gab Feuer (feuerte) Alarm g. (jmdn. alarmieren) ein Signal g. (signalisieren) Gas g. (die Fahrt des Autos beschleunigen) den Ausschlag g. (entscheidend sein)
13. sich g.
a) sich ergeben: sich besiegt, gefangen, geschlagen g.; sich jmdm. hingeben: dicht. sich jmdm. zu eigen g.; sich in jmds. Hände g.; daß sie einem Würdigen sich gegeben und versprochen hat St. Zweig Balzac 292; aus jener ersten Nacht, da sie sich ihm gegeben hatte H. Mann 8,330
b) sich benehmen: sich natürlich, steif g.; sie gibt sich sehr weiblich; seine Art, sich zu g.; er gibt sich, wie er ist; sich zeigen: sich witzig, leichtsinnig g.; er gibt sich gern als Sachverständiger; Ob Toinette sich stolz gab oder freundlich, sie durfte ihrem Gefühl nicht nachgeben Feuchtw. Füchse 589; Ich gebe mich hin und wieder herzlich Nossack Spirale 94; sich (ver)stellen: sich nach außen hin gelassen g.; sie gab sich unbefangen;
c) nachlassen: nach dieser Medizin wird sich das Fieber bald g.; die Schmerzen haben sich schon gegeben; das wird sich schon noch g. (legen)
d) sich finden: wenn die Gelegenheit sich gibt; das übrige, Weitere wird sich schon g.;
14. es gibt
a) es ist, sind vorhanden: in diesem Fluß gibt es viele Fische; hier gibt es Mäuse; Es muß auch solche Käuze geben Goethe Faust I 3483; gibt es einen Gott?; es gab bei der Premiere viele Vorhänge; das gibt es (kommt vor) das gab es damals noch nicht; umg. was es nicht alles gibt!; was gibt es (ist) da zu reden /bezeichnet in der Verneinung häufig eine Unmöglichkeit/ es gibt kein Entweichen, kein Zurück mehr; es gab kein Halten mehr; da gibt es keine Widerrede
b) es kommt, wird sein: umg. es gibt Sturm, Regen, Schnee, ein Gewitter; heute wird's noch etwas (Regen oder Gewitter) g. morgen gibt es schönes Wetter; es wird eine gute Ernte g.; es entsteht, tritt ein: es gibt Streit, Händel, Scherereien, umg. Krach, ein Malheur ; wenn du das tust, gibt es ein Unglück; es gab Krieg
c) es wird bei Tisch gereicht, vgl. 2: heute gibt es Kohl

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„geben“, in: Wörterbuch der deutschen Gegenwartssprache (1964–1977), kuratiert und bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/wdg/geben>.

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