Deutsches Fremdwörterbuch | |
Tumult |
1. Aufl.
Band 5 (Kirkness u. a. 1981)
M. (-(e)s; -e), früher vereinzelt N., im späten 15. Jh. entlehnt aus gleichbed. lat. tumultus (zu tumere ‘(auf-)geschwollen sein, strotzen; (vor Zorn) aufbrausen, aufgebracht sein’); vor allem im politischen Bereich in der Bed. ‘(durch
öffentlichen Aufruhr verursachte) Unruhe(n), Wirren; (von Lärm und Erregung begleitete) Auseinandersetzung zwischen Menschen(-gruppen) in der Öffentlichkeit,
(bürgerkriegsähnlicher) Aufruhr, Aufstand; (gegen Personen oder Zustände gerichtete) Empörung, Erhebung, Rebellion’, gelegentlich auch ‘Tätlichkeit, Handgemenge, Schlägerei’, dann auch ‘(von öffentlichen Ausschreitungen bewirkter)
(Straßen-)Krawall, (Volks-, Massen-)Auflauf, Durcheinander lärmender, aufgeregter
Menschen(-massen), (Menschen-)Getümmel, Gedränge, Gewühl, Verwirrung, verwirrende Unordnung, Turbulenz’, von daher zunehmend abgeflacht auch für
‘(lauter, wilder) Lärm; Unruhe’ (Volks-, Straßentumult; Tumultszenen); häufig
bildlich vor allem im geistig-seelischen Bereich verwendet. Dazu seit späterem 16. Jh.
die auf gleichbed. lat. tumultuari zurückgehende verbale Ableitung tumultuieren
V.intrans., selten auch tumultieren, ‘Aufruhr machen, meutern, rebellieren; Unruhe stiften; laut, übermütig lärmen; unruhig, lebhaft sein’, auch bildlich verwendet,
heute veraltend; seit frühem 17. Jh. die subst. Ableitung Tumultuant M. (-en; -en),
anfangs mit der vereinzelten Nebenform Tumulterer, ‘Unruhestifter, Aufständischer; streitsüchtiger, lärmender Mensch, Randalierer, Ruhestörer, Radaubruder,
Querulant’; seit Mitte 17. Jh. die auf gleichbed. lat. tumultuosus zurückgehende adj.
Ableitung tumultuos, anfangs auch als Adv. tumultuose, im späten 18. Jh. von
(eventuell unter Einwirkung von gleichbed. frz. tumultueux aufgekommenem)
tumultuös verdrängt in der Bed. ‘voll Unruhe, sehr unruhig; mit viel Lärm verbunden; ein Durcheinander bewirkend, verwirrend; turbulent’ und von Personen
‘unbeherrscht, nervös, unstet’, auch bildlich verwendet, mit der in neuerer Zeit
selten nachgewiesenen Nebenform tumultös; seit Ende 17. Jh. das auf gleichbed.
lat. tumultuarius zurückgehende Adj. tumultuarisch ‘in der Eile, oberflächlich, im
Eilverfahren (durchgeführt)', auch ‘sehr unruhig; wild, laut lärmend, geräuschvoll;
verwirrend, ungeordnet, unordentlich, konfus, wild durcheinander, turbulent, überstürzt, verwirrt’, häufig bildlich verwendet, in neuester Zeit dafür auch vereinzelt
tumultarisch; im 18./19. Jh. die adj. Ableitung tumultvoll ‘voll Unruhe, mit viel
Lärm verbunden; bewegt, turbulent’; in neuester Zeit die seltene adj. Ableitung
tumultartig ‘tumultähnlich, wie ein Tumult’.
Belege
1488 Städtechr. III 176
under diesem
tumult [den Unruhen zu Böhmen] do het kaiser
Sigmund ... das concili [zu Konstanz] gesamelt
(DWB);
1514–41 Basler Chr. 182
ein solcher
tumult und grim by sinem volck entstanden ...
Das geschrey;
Eberlin v. Günzburg um 1525
S.Schr. II 88
lieben Freündt, ein Tumult, auch ein
gähe, schafft nichts guts in einer Gemeyn;
Sleidan
1531 Briefw. 184
geschrei und tumult;
1545 Städtechr. XXXIV 136
dieweil die rechten romischen
hölden in disem tumult und burgerlichen krieg
umbkommen (DWB);
Wickram 1557 W. II 423
das landfolck in ein tumult bewegen (DWB);
Mathesius 1566 Luther 170b
Ich will bitten/zu frid
vnnd einigkeyt helffen rathen, sagt er/weyl ich
lebe/ vnnd bin gewiß/ob schon etliche ein tumult
möchten anrichten, es soll kein Hauptkrieg bey
meiner zeyt angehen;
Zorn 1570 Wormser Chr. 88
es sind auch in diesem tumult und geschläg bei
60 mann umkommen;
Naß 1581 Examen 391
daß
baldt ein allgemeyner Tumult vnnd Aufflauff
folgen möchte;
Fugger 1584 Gestüterey 99a
vnnd
wirdt dess Tumults von Rossen mit der Zeit der
massen gewohnet, dass es [das Stallgesinde] von
einem schlechten Gedümmel nicht erwacht;
Pape
1586 Bettel- u. Garteteuffel D 3a
solche klumpenschmeltzer solten billich vber vnd für alle tumultbrüder on barmhertzigkeit gestrafft werden (DWB);
1588 Parisische Zeitung wie das gemeine Volck ...
ein Tumult ... erreget
(Titel);
1599 Oriental.
Indien III 12
rumor vnd tumult;
1600 Akten Gegenref. I 742
etliche tumult und muetwillige händl.;
Spangenberg 1605 Hecuba (Übers.) 235
ein Tumult
oder ein Lermen;
Sattler 1607 Orthographie 53
Warauff sich ein solcher tumult erhebt; dz man nit anderst vermeint: dann es werde zu einer entbörung
gerahten;
Spangenberg 1608 Ajax (Übers.) 99
Eyn
alter Eyssgrawer Mann fein, Der mit sanfften worten allein Solchen Tumult und Auffruhr wild
Durch seine Red zu letzt gestilt;
Sierk 1615–64
Bauernchr. 400
is ... ein grodt tumult angefangen
van des keisers folcke;
Wallhausen 1621 Kriegs-Kunst Schatzkammer 2
Tumult vnd Alarm;
ebd. 57
Meuterey oder die tumult;
1632 (Dtsch.
Ztg. 17. Jh. 135)
es war allenthalben in der Stadt
ein solcher Tumult gleich als ob der Feind schon an
den Thoren [wäre];
Meyfart 1636 V. d. Hochschulen 297
Sie giengen bißweilen in öffentliche
Bierhäuser / stiffteten Unfug vnd Tumult auff
Hochzeiten;
Schmidt 1656 Wundarznei 95
welcher
in einen Tumult gerieth mit einem Goldschmied;
Prätorius 1663 Saturnalia 409
hatten ... die
geister ... einen grossen tumult und gepolter darüber angefangen, dergestalt dasz den mägdigen
drinnen gegrauset (DWB);
Mitternacht 1667 Politica B 3b
es mögte ein Tumult und Auffruhr wider
den Raht entstehen;
Henel 1672 Einmischung i.
mancherley Händel B 1a
Es entstunde ... unter
etlichen Schulmeistern ein hefftiger Tumult, also,
dass jederman von der Versammlung sich entsetzte;
1672 Interims-Ordonantz B 8b
ein Bürger
oder Bauer mit einem Soldaten in Streitigkeit
kömmt, [so soll] sich keiner des andern annehmen,
sondern die ümbstehende, den Magistraten ...
sofort notificiren ... damit aller Aufflauff vnd
Tumult gäntzlich vermiden werden könne;
1677
Braunschw. SO I 194
sollen die kinder ohne
tumult und unruhe nach ihren schlaffkammern sich
begeben;
Abr. a S. Clara 1683 Auf, auf ihr Chr. 35
rebellische Tumult;
1686 (Nyström, Schulterm.
183)
dasz die Scholaren ohne sonderlichen Tumult
aus der Schul gehen;
1688 Braunschw. SO II 232
sie sollen sich alles tumults und geschreyes ...
enthalten;
Ertinger 1697 Reisebeschr. 14
ist damahls
grosser Dumult Entstanden von Einem Francossen
Vnnd spanier auff dem schiff wegen der Präsidenz;
Lucae 1711 Helicon 420
von wegen eines Tumults,
Aufflauffs oder Lermens, oder anderer gefährlicher
Händel;
Ettner 1719 Medizin. Maulaffe 245
indem
geschach ein solcher knall, der mich ohnmächtige
gantz ausser mir selbsten brachte ... währenden
solchen tumult war mir, als wann lauter wespen
mir in denen ohren summten (DWB);
Frisch 1719
Neukl. Harpfe Davids 1268
und stille den innerlichen tumult und unordnung der gedancken und
begierden desz hertzens (DWB);
Meier 1749
Religion 5
die Hütten vergnügter Landleute,
welche, entfernt von den Tumulten der grossen
Welt;
1756 Leipziger Avanturieur I 182
wo sie [das
Mädchen] in der kirche ordinnair platz nahm,
[war] ihrentwegen ein solches gedränge und tumult
(DWB);
Nicolay 1760 Elegien 61
Wen ein vergnügter Mittelstand vor dem Tumult der Leidenschaften schützet;
Wieland 1766 Agathon II 166
frey
von allen arten der sorgen, und in den tumult der
geschäfte selbst niemals verwickelt (DWB);
Sailer
1767 Lobrede 384
Der leidige Höllengeist, der
Feind der Einsamkeit, der Liebhaber des Welttumults, der Beywohner des Getümmels;
Goethe
1773 Götz VIII 152
Das Land ist voll Tumult
herum;
Zachariä 1777 Tayti IV 153
O Musse,
reisse mich aus dem Tumult Der Laster dieser
Europäerwelt;
Weisse 1778 Kl. lyr. Ged. II 94
er
verscheucht Nicht den Tumult der Brust, der Seeln
innern Harn!;
Zimmermann 1785 Einsamkeit IV
68
[der] vom Tumult des Lebens sich absondernde
Mensch;
ebd. 173
Felder, deren Stille ihnen besser
gefällt, als der Tumult der Städte;
Herder 1787
Ideen XIV 206
die Verwirrungen und Kriege, die
Unterdrückungen und leidenschaftlichen Tumulte
[der Völker];
Goethe 1788 Egmont VIII 299
im
Tumulte der Schlacht, unter dem Geräusch der
Waffen;
Gentz 1793 Betrachtungen I Einl. X
die
Hoffnungen eines Jeden, der seine Stimme in
diesem allgemeinen Tumult erhebt;
Jenisch 1800
Geist u. Charakter I 109
Tumulte und blutige Auftritte [im alten Rom];
1804 Academ. Gesetze Univ.
Landshut 8
Tumulte mit Störung der öffentlichen
Ruhe;
Klinger 1809 W. I 420
gefällt sich nur
allzusehr in dem tumult eines ungebundenen
lebens (DWB);
Gruber 1812 (Schütz, Leben I 156)
ertönt ... der Tumult eines einmarschirenden
Regiments;
1827 Satzungen Univ. Münch. 19
die
öffentliche Ruhe oder Sicherheit störenden Zusammenrottungen, oder Tumulte, nächtlicher Schwärmereien;
Hegel 1832 W. II 448
der geist wäre aus
diesem tumult zu seinem ausgangspunkt, der sittlichen und realen welt der bildung, zurückgeschleudert (DWB);
Diesterweg 1836 Lebensfrage
II 6
Da ein Tumult des Volkes Jeden bedroht, und
der Unschuldigste dabei sein Vermögen ... einbüssen kann;
Gutzkow 1838 Blasedow II 111
Tumult von Empfindungen;
Diesterweg 1838
Lebensfrage IV 78
Ihm sei es ergangen, wie einem
in seine Gedanken vertieften Spaziergänger, der
... plötzlich in einen Straßentumult geräht;
1848
Grenzboten I 2, 105
das Signal zu Tumulten über
Tumulten;
Raumer 1849 Br. Frankf.-Paris I 244
Man vestand kein Wort in dem Tumulte, und erst
nach langem Gebrüll, hörte man, dass der Präsident ihr Betragen ... als unwürdig bezeichnete;
Rodenberg 1863 Strassensängerin II 28
noch lange
durch die Stille der Nacht hörte er den rohen
Tumult [von Studenten] aus dem erleuchteten
Stockwerk des Jägerpfuhls;
Zwiedineck-Südenhorst 1877 Dorfleben 9
Untersuchung jenes nicht
unbedeutenden Bauerntumultes;
Freytag 1887 Erinn. 232
Auch den Leipzigern blieben 1849 die
Schrecken des Strassentumultes nicht erspart;
1896
Cosmopolis I 283
Auch sie ein Naturkind, dem
einmal im Tumult des Blutes die Sinne durchgehen;
Voss 1901 Fra Checco 53
Plötzlich hatte er
in dem dichten Gewühl hinterrücks einen heftigen
Stoß empfangen ... Bei dem Tumult ...
bemerkte man nicht einmal, ob jemand entfloh;
Schrönghamer-Heimdal 1924 Kronawitter o. S.
Ich
sah viele Männer ... in einem spaßigen Tumult,
wie bei einem Dattendorfer Volksfest;
Voss. Ztg.
20. 12. 1930
Im badischen Landtag kam es ... zu
bisher im badischen Parlament noch nicht erlebten
Tumultszenen;
Schäfer 1932 Tumultschäden. Ersatz der durch innere Unruhen verursachten Schäden
(Titel);
Lokal-Anz. 7. 7. 1934
daß die Polizei
gestern abend nicht in genügender Stärke ... eingesetzt werden konnte, da gleichzeitig an 14
anderen Stellen der Stadt Tumulte ausbrachen;
Dtsch. AZ. 24. 7. 1935
daß die nordirische Regierung selbst ... für die Verwüstung und Tumultorgien verantwortlich sei;
Grüne Post 6. 10. 1935
[der] als Taugenichts ... den politischen Tumulten nachrennt und den Aufrührer spielt;
Dörfler
1947 Sohn 148
wie ein Schüler, der im Tumult
eigener Gedanken ... den Vortrag des Lehrers
nur fetzenweise versteht;
Süddtsch. Ztg. 6. 8. 1949
Die Schimmel, Rappen und Füchse unserer Polizei
müssen neben anderen Eigenschaften besonders
„fromm“, schußfest und tumultsicher sein;
Müller
1952 Himmel 9
der ganze traurige Dunst von Geschwätz, Lärm, Tumult des aufgewühlten Lebens;
Bonn 1953 Gesch. 38
Bei der Premiere von Hauptmanns „Vor Sonnenaufgang“ hatte es Tumulte gegeben. Es war ein Zusammenprall zwischen zwei
Generationen;
Süddtsch. Ztg. 21. 3. 1955
Wieder
einmal mußte das Landtagsprotokoll im Zusammenhang mit Spielbankfragen den Ausdruck
„Tumulte“ gebrauchen;
Offenburger Tagebl.
5. 10. 1962
Der Zorn der oppositionellen Parlamentarier ... entlud sich während der Rede Pompidous in mehreren Tumult-Szenen und Pultdeckel-Geklapper;
ebd. 4. 2. 1972
Das Aufsichtspersonal hatte alle Hände voll zu tun, um des
Tumults Herr zu werden.
1625 Verordng. Stettin (Balt. Studien 9 (1843) 39)
tumultuanten [bei Hochzeiten];
1652 (Frauenholz, Entwicklungsgesch. d. dt.
Heerw. IV 120)
dasz ein jedweder magistratus ...
die delinquenten, aufwiegler, zäncker und friedbrüchige tumultuanten in arrest nehmen ... sollen
(DWB);
Gryphius vor 1664 Lustsp. 331
ihr seyd
zwey alte grein- und zancksichtige haderkatzen
und tumultuanten (DWB);
1707 Lebens-Spiegel
1277
Tumultuanten [aufständische Bauern];
Belemnon 1728 Bauernlex. 193
Tumultuant, ein aufrührerischer, unruhiger, böser Kerl, so allerhand
lose Händel anstellt, ein Empörer;
Michaelis 1768
Raisonnement I 282
Tumultuanten;
Hoffmann vor
1822 (S. W. XV 252)
der ... von dem tumultuanten, der plötzlich ... die grimmigsten hypothesen
losknallte, übertäubt wurde (DWB);
1830 Thür.
Volksfreund 356
[die] Dresdner Tumultuanten;
1835 Vorschr. Studien Bayern 22
Ruhestörer und
Tumultuanten;
Lassalle vor 1864 Ausgew. Reden
u. Schr. II 302
dasz die tumultuanten, auch wenn
sie in der minderheit sind, stets leichtes spiel haben
(DWB);
Hauff 1890 S. W. II 2, 254
ich ... liesz
die tumultuanten hinter meinem stuhle ... abtreten (DWB);
1932 Wissen u. Wehr 124
Die in der
Armee mit dem herrschenden Regime unzufriedenen Kreise sympathisierten mit den Tumultuanten;
Bebel 1946 Aus meinem Leben I 197
die
tumultuanten hätten besonders nach mir verlangt
und mich niederzuschlagen gedroht (DWB);
Werfel 1948 Bernadette 168
gegen dessen konservative
auffassung der berühmte de Maitre ein jakobinischer tumultuant war (DWB).
Stieler 1695 Auditeur 181
Insonderheit ist solche Geschwindigkeit des Verstandes
beym Krieges-Recht höchlich von nöhten, da alles
vor Gerichte, wo nicht tumultuarisch, doch ins
gemein summarisch gehandelt ... wird;
Fleming
1726 Vollk. teut. Soldat 371
die begräbnisse der
soldaten ... die drauszen vorgenommen wurden,
waren etwas tumultuarisch, es wurden alle die
cörper und knochen an einen ort zusammengeschüttet (DWB);
Boltz 1731 Auserl. Redensarten
107
In einer Sache tumultuarisch verfahren;
Meier
1744 Kunstrichter 113
dergestalt vermeidet ein
Kunstrichter das Tumultuarische in seinen Beurtheilungen;
Gellert um 1756 Br. VIII 130
Ihre
tumultuarische Art zu studieren;
Meister 1777
Schwärmerey II 1
dass tumultuarisch dein Blut
wallt!;
ders. 1777 Beiträge II 130
eine übertriebene, besonders tumultuarische Lesesucht;
Musäus
1778 Physiognom. Reisen IV 44
die unterredung
wurde so laut und tumultuarisch wie in einer trinkstube (DWB);
1783 Berlin. Mon'schr. II 573
an
den tumultuarischen Wahlen der Bauren;
Schubart
1791 Leben I 91
Nur Leibnize sind fähig, so
tumultuarisch zu lesen, ohne sich zu verwirren;
Hufeland 1795 Pathogenie 257
Wenn die Lebenskraft so gewaltsam und tumultuarisch regiert, dass
sie sich selbst und ihren eignen Körper aufreibt;
Garve 1797 Ges. I 73
Ein Mann, der stark an Geist
und Nerven ist, wird von dem Geräusche der
Gesellschaft und dem Tumultuarischen der Geschäfte weniger betäubt;
Lavater 1798 Br. an
Bremer Freunde 54
Ungeheuer tumultuarisch soll
der Auftritt in Meilen gewesen sein;
Schiller vor
1805 (XV 2, 456)
allgemeiner aufstand ... die
schranken werden eingestürzt, es entsteht ein
tumultuarisches getöse (DWB);
1809 Journal d.
pract. Arzneykunde XI 1, 23
Der ... gänzliche
Nichtgebrauch des Denkvermögens ist Unsinnigkeit ... d. i. eine Fertigkeit, gedankenlos zu
sprechen und zu handeln, oder eine tumultuarische
Verrücktheit;
Goethe 1813 (Schlossers Nachl. 49)
Es ist in der letzten Zeit etwas tumultuarisch um
mich her zugegangen;
Athenstädt 1823 Eur. II 287
Aber auch selbst in dem alten Rom und Athen
herrschte, bey dieser tumultuarischen Abstimmung, die größte Parteylichkeit und Ungerechtigkeit;
Kotzebue 1829 S. dram. W. XLIV 333
er
bediente sich dieser tumultuarischen stimmung
meines herzens (DWB);
Waiblinger um 1830 Britten I 178
die Bauern machten einen tumultuarischen Lärmen;
1836 Jahrbücher Gesch. II 321
dass
... der Ausbruch der Cholera ... tumultuarische
Scenen hervorrief;
Hahn-Hahn 1844 Oriental. Br.
II 4
ein tumultuarischer Morgen, an dem wir uns
in Bewegung setzten;
Steffens 1844 Was ich erlebte
IX 76
in jener tumultuarischen Versammlung;
Humboldt 1845 Kosmos III 387
die tumultuarischen entstehungen von flecken, sonnenfackeln
(DWB);
Preller 1848 Aufs. 527
schaarenweise
dringen sie [Bücher] in unser Haus, wollen schnell
abgefertigt sein, schreien durcheinander, wie ein
tumultuarischer Haufe;
1852 Prutz'Museum II 818
dieses tumultuarische Treiben im Innern der Erdrinde;
Rodenberg 1860 Insel d. Heiligen II 84
Aber
das Volk hatte sich um das Gefängnis versammelt,
und sein Murren und Grollen wuchs tumultuarisch;
Schneider 1860 Bayer. Mil'Ökonomie I 2, 77
Unterdrückung tumultuarischer Auftritte;
Eilers
1860 Wanderung V Vorr. V
unter solchen tumultuarischen Bewegungen des Parteigeistes;
Ranke
1865 Briefwerk 472
in dem tumultuarischen
Getriebe englischer Eisenbahnen;
Scherr 1865
Blücher II 374
Es wurde ziemlich tumultuarisch
durcheinander gesprochen;
Freytag 1870 Vogesen
18
[die] vollständige tumultuarische Flucht der
Franzosen;
Hartmann 1885 Erlebtes 170
drängten
sich ... tumultuarisch an den Wagen;
Schack 1890
Pandora 178
nach kurzem tumultuarischem
Verhör;
Hensel 1903 Lebensbild 262
wurde die
Stimmung sehr heiter und etwas zu tumultuarisch
für eine öffentliche Gesellschaft;
Friedell 1928
Kulturgesch. II 444
Einnahme und Zerstörung der
Bastille, ein tumultuarischer Akt von bloss symbolischer Bedeutung;
Voss. Ztg. 3. 10. 1929
Der Bildstreifen läuft weiter, führt zum Tor der Burg und
springt zur tumultuarischen Versammlung der
protestantischen Stände in einem großen Saale;
Schauwecker 1937 Kasematte 96
quoll ihm tumultuarisch ein Strom von Soldaten entgegen;
B. N.
6. 12. 1943
eine konfuse und tumultuarische
Improvisation von allen möglichen neuen Gedanken;
Die Gegenwart 28. 2. 1947
zu allen Zeiten,
und vor allem in Zeiten tumultuarischen Übergangs gab es Apostel des Untergangs;
Krauss 1949
Aufs. 310
[Spaniens] tumultuarische Vergangenheit.
Süddtsch. Ztg. 20. 4. 1951
In den
drei großen Betrieben ... protestierten die Arbeiter tumultarisch, als ihnen kommunistische Funktionäre ... die freiwillige Sonderarbeit vorschlugen.
1574 Jan d. Serres frantz. history
147a
das nach gestiltem krieg ... alle gelegenheit
zu tumultuieren auffgehoben wurde;
Pollio 1601
Zehn Pred. Vorw. 4b
in der kirchen Christi tumultuirt und rumort noch der leidige antichrist (beide
DWB);
1619 (Mitt. GErz'gesch. 3 (1893) 48)
Nächtliches tumultuiren [in Wirtshäusern];
Wallhausen 1621 Kriegs-Kunst Schatzkammer 57
tumultuirte vnd meutinirte;
Doverinus 1623
Geheimwissen 74
dass das gemeine Volck etwan
eines missthätigen Gefangenen halben ... sehr
tumultuirt;
1660 Edict 7
solch hochärgerliches vermaledeytes ... Pennal Vnwesen insolentien,
excessus vnd Frevel, vnd zumahl auch das Nacht
tumultuiren, provociren, Rauffen vnd Balgen;
Prätorius 1662 Phil.colus 184
der ... in ihr hausz
käme und fienge an ... wie der sausewind zu
schnauben und brausen, zu schnarchen und
pochen, zu tumultuiren, zu wüten und toben
(DWB);
Beer 1683 Sommer-Täge 114
ein so gross
Geschrey und tumultuiren;
Struve 1731 Reichs-Historie 126
[die] zu Breslau tumultuirenden
Burger;
Zinzendorf 1739 Biblia (Mark. V 39)
was
tumultuirt und weinet ihr? (DWB);
Edelmann
1752 Selbstbiogr. 41
mitten durch die tumultuirenden Musensöhne;
Chamberlain 1761 Weltweise
(Übers.) 286
die tumultuirenden Leidenschaften
fliehen;
Hagen 1772 Logen 101
ausgesetzt dem
tumultuirenden Parterre und den Grobheiten
einiger junger Leute;
Musäus 1781 Physiogn. Reisen II 110
wie Leidenschaft den Willen stimmt und
den ... Verstand durch ihr Tumultuiren bald
übertäubt;
1785 Holländ. Staats-Anz. III 8
Die
Nation ... tumultuirte dennoch nicht;
Goethe
1797 Br. (XII 149)
wird ein solches Tumultuiren
nur von Wenigen erregt und theilt sich erst nach
und nach mit;
1815 Ideen ü. d. Constit. d. preuss.
Monarchie 5
Die Geschichte beweist in den
grossen Begebenheiten des Jahres 1813, dass in
keinem Staate von Tumultuiren und Revolutionniren weniger zu befürchten sey, als in dem preussischen;
Jung-Stilling 1835 S. Schr. I 489
um zum
tumultuiren zu kommen ... sollte dann Stillings
haus gestürmt und die fenster eingeworfen werden
(DWB);
Diesterweg 1836 Lebensfrage II 4
der
Magistrat hat die guten Bürger ... angeredet und
sie ermuntert, ihren Gesellen und Lehrburschen
die Niederträchtigkeit des Tumultuirens vorzuhalten und sie zu warnen;
Steinmann 1842 Mefistofeles I 27
Siegesrufe der tumultuirenden Jugend;
Bülau 1857 Rittergüter 21
tumultuirten dieselben
Bauern gegen denselben Gutsherrn;
Görres 1858
Ges. Br. I 428
gehörig tumultuirend und laut sind
übrigens diese kinder (DWB);
1860 Landwirthsch.
i. Bayern 361
Eine weniger ins Auge fallende daher
nicht so tumultuirende, aber sehr bedeutende Art
von Flurfrevel;
Reumont 1862 Zeitgenossen I 282
Die ganze Bevölkerung Turin's erfüllte tumultuirend die Straßen;
Haym 1885 Herder II 659
[sollen
die jungen Männer] über die Philosophie ... hinausgehoben und von der Lust philosophisch zu
tumultuiren bewahrt werden;
Lingg 1899 Lebensreise 184
tumultuirenden Massen;
Hebbel 1904
Br. II 4
bei der fülle von kräften, die in meiner
brust tumultuiren (DWB).
Schütz 1592 Hist. rer. Pruss. III Y 1a
fingen auch ein gleichen an zu tumultieren ...
setzten den alten rath ab (DWB);
Goethe 1812 Br.
(Goethes Ehe 549)
hätten sich betrunken, tumultirt
und wären schuldig geblieben;
Hauptmann 1924
Insel 259
zahllose Götter, die um ein einziges
menschliches Haupt tumultieren.
Schoch 1658 Comödia 56
schlagen sich
tumultuose mit einander;
1786 Journal aller Journale VI 318
nach einem tumultuosen Tanz;
Schubart vor 1787 Br. I 113
ich bediene mich iezo der
kräutercur, und erwarte ihre würkung in einer
tumultuosen stille (DWB).
Lessing vor 1781 (XVII 56)
verdrieszliche und verwirrende vorbereitungen zu einer
langen reise ... haben ... mir Leipzig zu einem
tumultuösen ort gemacht (DWB);
Kohl 1844
Reisen E. u. W. II 81
weder eine grosse tumultuöse
Handels-, noch eine geschäftige unruhige Fabrikstadt;
Reumont 1862 Zeitgenossen I 259
tumultuöse Vernichtung des ... Polizeisystems;
Marx-Engels 1877 Briefw. IV 408
er glaubt, dasz, wenn
die palastintrigen nicht bald aufhören, tumultuöses
in Konstantinopel bevorsteht (DWB);
Schneider
1898 Paris IV 36
in Mitten einer tumultuösen
„geschäftsgierigen“ Menge;
Friedell 1928 Kulturgesch. II 380
[er war] nervös und irisierend, unbeherrscht und tumultuös und ganz und gar nicht abgeklärt;
Blei 1930 Männer 53
tumultuöse Frau;
Lokal-Anz. 27. 11. 1934
In Wien ereigneten sich
heute wiederum tumultuöse Studentenunruhen;
Münch. Merkur 14. 9. 1949
nach einer tumultuösen Aussprache;
Süddtsch. Ztg. 3. 9. 1951
Auf
einer tumultuösen Pressekonferenz, bei der es zu
erregten Auseinandersetzungen unter den Kritikern kam;
Eppelsheimer 1955 Schild 25
[dem]
tumultuösen Jahrzehnt [1900–10];
Kayser 1957
Groteske 122
die turbulente Häufung, die Dämonie eines Mechanismus, die, einmal ausgelöst, sich
nun tumultuös entfaltet und die Ordnung eines
ganzen Bereichs aus den Fugen gehen läßt.
Münch. N. N. 23. 5. 1938
daß es ... in
einigen Straßen vorübergehend etwas tumultös
zugehen wird;
Süddtsch. Ztg. 1. 9. 1954
Nach
einer erregten Sitzung, die oft tumultöse Formen
annahm.
Zachariae 1757 Tageszeiten 72
In der
tumultvollen Stadt ist alles in Eil und Aufruhr;
Campe 1790 Br. a. Paris 112
in den ersten tumultvollsten tagen der revolution (DWB);
Becker 1801
Weltgesch. IX 278
des königs eigener einzug in
Paris war tumultvoller als ein römischer triumph
(DWB);
Herder vor 1803 (XVII 374)
jener geist
der ruhe ... der unsern tumultvollen compositionen so oft fehlet;
ebd. XIX 338
in ihrer abgezogenheit genössen sie einer ruhe, die die tumultvolle welt nicht kenne (DWB);
Goethe vor 1832
(I 25, 1)
mitten in diesem tumultvoll scheinenden
leben, das zugleich sehr viel ruhige, müszigeinsame, ja langweilige stunden bietet (DWB).