Deutsches Fremdwörterbuch
Grippe
F. (-; -n ungebr.), Ende 18. Jh. entlehnt aus gleichbed. frz. grippe, eigentlich ‘Laune, Grille’, Verbalsubst. zu gripper ‘(plötzlich) (er-)haschen/-greifen/-fassen’ (ausgehend von der Vorstellung des sprunghaften Ausbruchs dieser die Menschen plötzlich ergreifenden Krankheit, vgl. être grippé ‘(plötzlich) erfasst/ergriffen werden’) german. Ursprungs (wohl zurückgehend auf altniederfränk. *grîpan, vgl. altsächs. grīpan, mittelniederl. grīpen, vgl. dtsch. greifen; gelegentlich auch in Verbindung gebracht mit russ. chrip ‘Heiserkeit, Röcheln’ zu lautmalendem chripet’ ‘heiser sein, krächzen, röcheln’.
Populärmedizinisch verbreitete, gleichzeitig aufgekommenes Influenza (< ital. influenza ‘Beeinflussung; Ansteckung, Epidemie’) seit dem 1. Weltkrieg verdrängende Bezeichnung für eine ursprünglich aus Russland oder Asien stammende, bes. in den Wintermonaten epidemisch oder pandemisch auftretende, durch Influenzaviren hervorgerufene und über das Trinkwasser bzw. durch Kontakt- oder Tröpfcheninfektion (beim Husten oder Niesen) übertragene akute Infektionskrankheit bei Menschen, anderen Säugetieren und Vögeln, mit Symptomen wie Fieber, Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen, Husten, Schnupfen, Heiserkeit, Mandelentzündung und Mattheit, die durch Folgeinfektionen zu weiteren Krankheiten (Lungen-, Gehirn-, Herzmuskelentzündungen) und darüber bis zum Tod führen kann, daneben auch in populärmedizinischer Vermischung und Verwechslung ugs. für die beim Menschen am häufigsten und unabhängig von der Jahreszeit auftretende Virusinfektion, den deutlich harmloser verlaufenden grippalen Infekt (Erkältung), der durch viele sehr verschiedene Viren (jedoch nicht durch Influenzaviren) ausgelöst, durch Kälte begünstigt und durch Kontakt- oder Tröpfcheninfektion übertragen wird, mit Symptomen wie Halsschmerzen, Schluckbeschwerden, Kopf- und Gliederschmerzen, Husten, Schnupfen, seltener auch Mattheit und Fieber, und der beim Übergreifen auf Rachen, Hals, Bronchien, Stirn- und Nebenhöhlen und in den Gehörgang zu Entzündungen in diesen Bereichen (bis hin zur Lungenentzündung) führen kann; in Wendungen wie asiatische/russische/spanische Grippe, Angaben über das Ausmaß der Grippe können noch nicht gemacht werden, große Menschenansammlungen tragen zur schnellen Verbreitung der Grippe bei, dieses Jahr ist die Grippe früher ausgebrochen als sonst, die Grippe grassiert, fordert ihre Opfer, er ist an einer leichten Grippe erkrankt, liegt mit Grippe im Bett, laboriert an einer schweren Grippe, gegen (die) Grippe gibt es seit kurzem ein Medikament, haben Sie sich von Ihrer Grippe erholt?, sich rechtzeitig gegen die Grippe impfen lassen und als Bestimmungswort in Zss. wie Anti-Grippe-Medikament, Grippeanfälligkeit, -ausbruch, -beschwerden, -epidemie, -erreger, -folgen, -gefahr, -impfstoff, -kranker, -medikament, -mittel, -opfer, -patient, -saison/-zeit, -schutzimpfung, -statistik, -symptom, -toter, -verdacht, -virus, -vorbeugung, -welle; grippeartig, -ähnlich, -bedingt, -geplagt, -geschwächt, -krank, -typisch, und als Grundwort in Bezeichnungen für weitere Krankheiten, die nicht mit Grippe oder Erkältung in Zusammenhang stehen wie (nach den Symptomen:) Bauch-, Darm-, Kopf-, Magen-, Magen-Darmgrippe ‘durch Viren, Bakterien, Toxine oder physikalische Einwirkungen verursachte Magen-Darm-Entzündung’, (nach Vorkommen und Verbreitung:) Dauer-, Langzeit-, Sommer-/Frühjahrs-/Winter-, Volksgrippe, (nach der vermuteten Herkunft:) Asien-/Balkan-/Hongkong-/Russlandgrippe, (nach den Auslöserfaktoren:) Virusgrippe, (bei Tieren:) Ferkel-, Hühner-, Pferde-, Rinder-, Schweine-, Vogelgrippe sowie pleonastischem Erkältungs-, Influenzagrippe; gelegentlich übertragen bes. im politischen und wirtschaftlichen Bereich im Sinne von ‘schlechter, ungünstiger Zeitraum, Zustand; (vorübergehende) Krise, Seuche’ (s. Belege 1992, 1997), bes. in okkasionellen Zss. wie Börsen-, Teilzeit-, (Welt-)Wirtschafts-, Entlastungs-, Finanz-, Monetär-, Wachstumsgrippe.
Dazu das seit Mitte des 19. Jhs. vereinzelt nachgewiesene französisierende Adj. grippös ‘durch Grippe verursacht; in der Art einer Grippe’, etwa gleichzeitig vereinzelt auch grippig, abgelöst von der Anfang des 20. Jhs. wohl unter Einfluss von gleichbed. frz. grippal aufgekommenen adj. Ableitung grippal zur Kennzeichnung von verschiedenartigen, mit der Grippe verwandten, aber weniger ernsthaft verlaufenden fiebrigen Infektionskrankheiten der oberen Luftwege, ugs. auch des Magen- und Darmtraktes, in Wendungen wie grippale Halsentzündung, grippaler Rückschlag, Schwächeanfall und bes. grippaler Infekt.

Belege

zu Grippe (22)
Thümmel 1791–1805 Reise II 107
[die Hauswirtin] schimpft auf die häßliche grippe, die ihr schon manchen guten fremden verjagt hätte (DWB);
Campe 1813 Fremdwb. 343
Influenza . . Die Franzosen nennen es la Grippe;
Goethe vor 1832 (W. XXXVII 372)
[Ich bin] mit einem kleinen Husten und Schnupfen der Grippe, die viel Unheil angerichtet hat, glücklich entwischt (KEHREIN);
Streicher 1836 Schillers Flucht 49
die russische Grippe oder Influenza (KLUGE 1975);
1837 (Döderlein, Reden u. Aufs. 142)
die weitverbreitete Grippe;
Chamisso vor 1838 W. VI 85
das jahr 1831 . . brachte die grippe (DWB);
1860 Beschr. OA. Calw 61
Grippe (Influenza, Catarrhus epidemicus);
1862 Briefw. G. Freytag-Herzog Ernst v. Gotha 159
Noch bin ich etwas von einer Grippe herunter und würde etwa am Mittwoch mich auf die Eisenbahn getrauen;
Hebbel vor 1863 Br. I 168
die grippe, die in Hamburg so stark grassieren soll (DWB);
Berlepsch 1875 Schweizerkunde 386
Die Grippe, im Kanton Luzern das „Hühnerweh“ genannt;
Kerr 1900 Br. a. d. Reichshauptstadt 571
Alle schleichen dahin, in diesem elenden, gottverfluchten, heimtückischen Wetter, das die Grippe herumschleppt;
Klemperer 1919 Tagebücher 80
Eva ist ernstlich an der Grippe erkrankt, liegt heute den ganzen Tag. Das Fieber ist auf 39° gestiegen;
Th. Mann 1929 Reden u. Aufs. (W. X 454)
Als er das letzte Mal hier bei mir war . . hatte er . . einige Tage mit Grippe im Hotel gelegen, und man sah es ihm an;
Münch. N. N. 19. 12. 1939
Aber auch die Schatten des Todes senkten sich in diesem Jahr besonders schwer auf München. Die Grippe oder, wie sie damals genannt wurde, die Influenza, hatte in München ihren Einzug gehalten;
N. Z. Z. 4. 1. 1944
Erhebungen über die Grippeepidemie (Überschr.) Das genaue Studium der Pandemie von 1918–19 führt zur Feststellung, daß die Grippe fast alle Länder der Welt ergriffen hatte . . In Europa gab man ihr den Namen „spanische Grippe“;
Th. Mann 1949 Reden u. Aufs. (W. XI 211)
Schon zwei Tage später stand ich während einer Abendgesellschaft . . unter heftigem Kopfschmerz-Druck, und am folgenden lag ich mit einer Grippe, die sich auf Magen und Darm warf und mich im Lauf einer Woche vierzehn Pfund meines Körpergewichts kostete;
Süddtsch. Ztg. 18. 10. 1957
Grippe – die mild-wütende Pandemie (Überschr.);
Bad. Ztg. 20. 10. 1969
Die Erreger der echten Grippe würden wie die zahlreichen Erreger sonstiger Erkältungskrankheiten durch Tröpfcheninfektion, besonders beim Husten, Niesen und auch beim Sprechen von Mensch zu Mensch übertragen;
Mannh. Morgen 27. 2. 1985
Grippewelle namens „Philippina“ grassiert (Überschr.) Gefährlich könne die Grippe bei Kindern, älteren Menschen über 65 Jahre und chronisch Kranken verlaufen;
Presse 9. 11. 1992
Falls . . die wirtschaftliche Grippe der USA . . noch immer umgeht, wird der neue Präsident kaum eine andere Wahl haben als sofort in Infrastrukturmaßnahmen im Lande zu investieren . . daß Amerikas wirtschaftliche Malaise aus zwei Krankheiten besteht: einer Rezessionsgrippe, die die Nation überleben wird, und einer chronischen Infektion, die sie vielleicht nicht übersteht;
Zeit 31. 10. 1997
Das rasche Zusammenwachsen der Finanzzentren erhöht die Ansteckungsgefahr: Wenn in Asien die Börsengrippe grassiert, müssen heute die Anleger in London, Frankfurt und Sydney stärker niesen als früher;
Berl. Ztg. 2. 10. 2002
Erst kratzt es im Hals, die Nase juckt, und irgendwann tut alles weh: Grippe!
zu grippal (11)
1906–07 Excerpta medica XVI 280
Pyrenol wurde mit gutem Erfolge bei acuten und subacuten Rheumatismen, bei Gelenkserkrankungen und Neuralgien, die auf Influenza beruhten, bei den grippalen Erkrankungen des Respirationstractus angewandt;
Langstein 1914 Säuglingsernährung 351
Das Auftreten asthmaartiger Zustände bei einem spasmophilen Kind ohne vorangegangene grippale Erkrankung muss an Bronchotetanie denken lassen;
Brugsch 1926 Biologie d. Person I 667
So sind familiäre Dispositionen zu Affektionen der Ohren, der Bronchien, der Niere, des Magen-Darm-Kanals etc. wohl bekannt, die gelegentlich des grippalen Infektes zu entsprechenden Organerkrankungen führen können;
1930 Ergebnisse d. inn. Med. u. Kinderheilkunde XXXVII 28
Diese [Erkrankungen der Siebbeinhöhle] werden schon bei ganz jungen Säuglingen im Anschluß an einen grippalen Schnupfen beobachtet;
Bauer/Just 1939 Handb. d. Erbbiologie d. Menschen 647
Als Belege dienten Fälle von unterernährten und überdies durch wiederholte grippale Hausinfektionen in der Entwicklung gehemmten Kindern ohne irgend ausreichend erwiesene entzündliche Krankheitsbereitschaft;
Münch. Allg. 14. 5. 1950
es handelte sich nur um eine grippale Halsentzündung;
Zeit 1. 4. 1986
Ein Faulenzerurlaub oder auch wenige Tage Bettruhe etwa wegen eines grippalen Infektes können ältere Menschen wieder auf den Trainingsnullpunkt zurückwerfen;
Salzb. Nachr. 14. 9. 1991
Grippaler Infekt, fieberhafte Erkältungskrankheit – dies könne der Hausarzt diagnostizieren. Es sei aber wichtig, zwischen Influenzagrippe, also einer Grippe zu unterscheiden, die durch ein Virus verursacht wurde, und einem sogenannten banalen, für den Patienten aber auch nicht erfreulichen grippalen Infekt;
taz 22. 2. 1992
Feuchte Minusgrade und ein lauernder grippaler Rückschlag treiben mich hurtig zur Telefonzelle auf der anderen Straßenseite;
St. Galler Tagbl. 12. 1. 2001
Tatsächlich fing das Mädchen eine grippale Infektion ein, die sie „mehr schlauchte als die ganze Operation“;
Mannh. Morgen 5. 1. 2002
Solidarisch reiht man sich ein in die Einheitsfront jener, die mit unzähligen Taschentüchern bewaffnet, die Pillen und Hustensäfte provozierend vor sich, dem grippalen Jammertal nie mehr zu entkommen scheinen.
zu grippig (10)
1838 Krisenjahre d. Frühromantik II 509
Bey uns ist Alles in hellen Husten, Schnupfen und grippigen Zuständen begriffen, auch Phillip muß sich [!] seit einigen Tagen das Sopha hüthen, (um nicht Bett zu sagen.);
Arndt 1840 (1919 Heimatbriefe Arndts 150)
Und zu Dir, Du arme gichtbrüchige und grippige Trägerin und Liegerin, komme ich zuletzt mit Klagen und Wünschen!;
Roon 1870 Brief (Elster 1938 Kriegsminister) 491 f.
Der König ist noch immer grippig und konnte den letzten Jagden nicht beiwohnen, aber er fährt aus und macht seine Geschäfte;
Bismarck vor 1898 Br. an Schwester u. Schwager 83
ich bin von den grippigen zuständen und den dîners . .. in die mitte genommen (DWB);
Niemöller 1938 Br. a. d. Gefangenschaft 255
Du hast mich also im Gewicht eingeholt, das ist kein schlechtes Zeichen; und ich hoffe, daß Du den grippigen Anfall nicht zum Ausbruch kommen läßt;
Th. Mann 1949 Reden u. Aufs. (W. XI 253)
Spät kam ich zu Bette – und verließ es dann einige Tage nicht, da eine grippige Erkrankung, nachmittags immer 39 Fieber erzeugend, mich darin festhielt;
Naso 1953 Ich liebe das Leben 557
Sie fühle sich schon seit Tagen grippig, nähme gerade ein heißes Bad und werde sich dann sogleich zu Bett begeben;
taz 19. 3. 1990
Rosenheims Stürmer gefährdeten das DEG-Tor . . nur bei 19 Kontern, doch vier von ihnen trafen trotz des Fehlens des grippigen Torjägers Gordon Sherven;
Mannh. Morgen 14. 10. 2002
Die Hoffnung auf einen goldenen, lichtdurchfluteten Oktober dringt aber bislang nicht durch die dicke Wolkendecke. Also heißt es sich warm anziehen und sich zurückziehen. Und vor allem mit erntefrischen Vitaminen gegen die grippigen Kaltfronten und ihre Begleiterscheinungen Schnupfen, Husten, Heiserkeit saft- und kraftvoll ankämpfen;
Herberger 2005 Ganzheitl. beraten 46
Bei beginnendem grippigem Gefühl hilft es oft, die Krankheitskeime durch ein heißes Wannenbad mit entsprechendem Zusatz, zum Beispiel Eukalyptus, auszuschwitzen.
zu grippös (12)
1853 Zeitschr. f. wiss. Therapie I 474
Diese eigenthümliche Blutveränderung . . bildet auf der muskösen [!] Fläche der Organe entzündliche Stasen mit ihren Produkten (grippöse Lokalisationen);
1854 Handb. d. speciellen Pathologie u. Therapie V 620
Einzelne Fälle von Apoplexie mögen zwar durch die grippöse Gehirncongestion vermittelt worden sein, aber eine besondere paralytische Form der Grippe zu unterscheiden . . halten wir nicht für gerechtfertigt;
Politzer 1887 Lehrb. d. Ohrenheilkunde 333
Nach Hochsinger . . führt die Coryza syphilitica neonatorum viel seltener als der grippöse Schnupfen zur perforativen Mittelohrentzündung;
1898 Dt. Zeitschr. f. Nervenheilkunde XII 99
Die jetzige Erkrankung entwickelte sich bei unserem Patienten ganz plötzlich, ohne vorhergegangene grippöse oder irgend welche andere Infection;
Economo 1918 Encephalitis lethargica 33
Diese grippösen Frühsymptome machen einem angenehmen Unbehagen Platz, das gewöhnlich ein bis zwei Tage dauert, worauf rapid anwachsend die Symptome von Seiten des Sensoriums einsetzen;
Prager Rundsch. 21. 3. 1936
grippöse Erkrankung;
Süddtsch. Ztg. 26. 1. 1953
Wilhelm Furtwängler, der am Freitag bei der Aufführung der Neunten Symphonie . . ohnmächtig wurde, leidet nach Mitteilung der behandelnden Ärzte an einer grippösen Infektion;
Gsell/Mohr 1967 Infektionskrankheiten I 820
Treten die bronchitischen Erscheinungen in den Vordergrund, so wird eine Grippe oder eine grippöse Komplikation in Betracht gezogen;
Holler 1982 Franz Ferdinand 246
Tatsächlich hatte sich Franz Joseph Ende April 1914 einen grippösen Infekt mit fieberhafter Bronchitis zugezogen;
Salzb. Nachr. 24. 9. 1994
Trainer Ivica Osim, etwas fiebrig, weil grippös, ist sich des Drucks bewußt;
Berl. Ztg. 12. 1. 2000
gerade haben wir von der Influenza in den Nachrichten gehört, haben wir monströse Spritzen und Kanülen von den Titelbildern sorgenvoller Zeitungen prangen sehen, da fühlen wir uns auch schon schlapp und grippös, wittern um uns herum nur noch Kranke und Sieche;
Mannh. Morgen 11. 2. 2005
Im 12. Jahrhundert machte die Infektionskrankheit als Tac und Horion von sich reden. Mailänder gaben ihr den Namen Influenza, was Ergießung des Gestirns heißt – weil man früher glaubte, dass Sterne nicht nur Schicksale bestimmen. In Frankreich, wo das tückische Erreger-Phänomen einst die Kokette oder auch Follette (Verrückte) genannt wurde, verpasste ihr ein gewisser Francois Boissier Sauvanges, seines Zeichens Medizin-Professor, den bis heute gültigen Namen Grippe: abgeleitet von „gripper“ (nach etwas haschen oder greifen). Schließlich befällt einen die Krankheit launenhaft plötzlich – und ist damit ganz schön „grippös“.