Millionen Angestellte erhofften sich von der Einführung des Mindestlohns netto mehr Geld auf dem Konto. Für manche hat sich das erfüllt. Bei anderen werden zusätzliche Leistungen nun mit dem Lohn verrechnet. Was rechtlich gilt und was die Gerichte dazu sagen.
Gilt der Mindestlohn auch für Bereitschaftsdienste?
Ja, auch für Bereitschaftsdienste müssen Arbeitgeber ihren Mitarbeitern den Mindestlohn zahlen. Das geht aus einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) vom 29. Juni 2016 hervor (AZ: 5 AZR 716/15). Wie das Gericht erklärte, mache das Mindestlohngesetz keinen Unterschied zwischen regulärer Arbeitszeit und Bereitschaftsdiensten. Geklagt hatte ein Sanitäter als Nordrhein-Westfalen.
Werden Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf den Mindestlohn angerechnet?
Wie die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltvereins (DAV) mitteilt, hat das BAG außerdem entschieden: Urlaubsgeld und Weihnachtsgeld werden dann auf den Mindestlohn angerechnet, wenn der Arbeitgeber es als monatliche Zahlung zu jeweils einem Zwölftel zahlt (Urteil vom 25. Mai 2016, AZ: 5 AZ R 135/16). In dem Fall wandelte der Arbeitgeber das Urlaubsgeld und das Weihnachtsgeld in monatliche Zahlungen gemäß einer Betriebsvereinbarung um. Die Zahlungen waren dann dem Mindestlohn anzurechnen.
Gilt der Mindestlohn für Minijobber?
Ja, auch Minijobber bekommen den Mindestlohn. Derzeit erhalten Minijobber 520 Euro im Monat.
Mehr dürfen Minijobber nicht mehr arbeiten. Andernfalls kommen sie über die Grenze von 520 Euro und rutschen in die Sozialversicherungspflicht. Das sind 43 Stunden pro Monat. Ab einem Verdienst von 520,01 Euro müssten sie dann die Kranken-, Pflege-, Arbeitslosen- und Rentenversicherungsbeiträge abführen. Wenn der Mindestlohn steigt, wird auch die Verdienstgrenze angehoben.
Mindestlohn steigt 2024
Ab dem 1. Januar 2024 soll der derzeitige Mindestlohn auf 12,41€ steigen, zwölf Monate später auf 12,82€. Eine unabhängige Mindestlohnkommission berät alle zwei Jahre und unterbreitet dann Vorschläge zur Anpassung der Löhne.
Gilt der Mindestlohn bei Nacht- und Feiertagszuschlägen?
Bei der Berechnung von Nacht- und Feiertagszuschlägen gilt der Mindestlohn als untere Grenze. Das hat das BAG am 20. September 2017 entschieden (AZ: 10 AZR 171/16).
Eine Schichtarbeiterin hatte gegen ihren Arbeitgeber, eine Kunststofftechnikfirma, geklagt. Er zahlte seinen Produktionsarbeitern in der Regel einen Grundlohn von sieben Euro pro Stunde. Die Bezahlung wird durch Zuschläge am Monatsende auf Mindestlohnniveau aufgestockt.
Tariflich stand der Klägerin ein Nachtzuschlag von 25 Prozent zu. Ihr Arbeitgeber nutzte den niedrigen Grundlohn als Berechnungsgrundlage. Das akzeptierte die Frau nicht. Das BAG gab ihr Recht. Die Richter stellten klar, dass für Nachtzuschläge, die nach dem tatsächlichen Stundenverdienst berechnet werden, der Mindestlohn als untere Linie gilt. Auch für die Vergütung von Feiertagen sei der Mindestlohn fällig.
In einem anderen Fall hat das Landesarbeitsgericht Hamm am 8. September 2016 entschieden, dass der Zuschlag zur Nachtarbeit dann nicht zum Mindestlohn zählt, wenn der Nachtarbeitszuschlag pauschal monatlich gezahlt wird (AZ: 11 Sa 78/16). Voraussetzung ist, dass es bei der Zahlung nicht auf die tatsächlich erbrachte Nachtarbeit, Sonntagsarbeit oder Feiertagsarbeit ankommt.
In dem Fall wollte der Arbeitgeber generell die Zuschläge reduzieren. Mit der Arbeitnehmerin vereinbarte der Arbeitgeber im Juli 2014, ihr eine Zulage als Ausgleichsbetrag zu zahlen, damit die Arbeitnehmerin auf ein ordentliches Einkommen komme. Die Mitarbeiterin erhielt monatlich 119,34 Euro zusätzlich. Die Höhe hing nicht davon ab, ob die Frau mehr oder weniger Nachtarbeit, Sonntagsarbeit oder Feiertagsarbeit erbrachte. Für das Gericht war diese Zulage dem Einkommen zuzurechnen und für die Berechnung des Mindestlohns relevant.
Das BAG hat diese Entscheidung bestätigt und die Revision der Arbeitnehmerin abgewiesen (Urteil vom 6.12.2017, 5 AZR 699/16).
Wird ein Leistungsbonus auf den Mindestlohn angerechnet?
In die Berechnung des Mindestlohns fließen alle Lohnbestandteile ein, die einen unmittelbaren Bezug zur Arbeitsleistung haben. Dazu zählt auch ein Leistungsbonus, wie das Arbeitsgericht Düsseldorf am 20. April 2015 entschieden hat (AZ: 5 Ca 1675/15). Darüber informiert die Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im DAV.
In dem Fall enthielt eine Arbeitnehmerin eine Grundvergütung von 8,10 Euro pro Stunde. Daneben zahlte der Arbeitgeber einen freiwilligen Leistungsbonus von maximal einem Euro. Als der Mindestlohn eingeführt wurde, betrug die Grundvergütung weiterhin 8,10 Euro brutto pro Stunde. Von dem Bonus zahlte der Arbeitgeber allerdings 0,40 Euro pro Stunde fix. Die Frau war der Meinung, der Leistungsbonus sei zusätzlich zu der Grundvergütung von 8,50 Euro – dem damaligen gesetzlichen Mindestlohn – zu zahlen.
Das Gericht wies die Klage ab. Es komme beim Mindestlohn allein auf das Verhältnis zwischen dem an den Arbeitnehmer gezahlten Lohn und dessen geleisteter Arbeitszeit an. Daher müssten alle Zahlungen einbezogen werden, die als Gegenleistung für die erbrachte Arbeitsleistung gezahlt würden. Das gelte auch für einen Leistungsbonus.
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- Datum
- Aktualisiert am
- 10.11.2023
- Autor
- red/dpa/DAV