Ist eine Rechtsschutzversicherung sinnvoll?
Fast die Hälfte aller Haushalte in Deutschland haben eine Rechtsschutzversicherung. Kein Wunder, denn wenn es tatsächlich zu einem Rechtsstreit kommt, kann das schnell sehr teuer werden. Aber ein Rechtsschutz ist nicht nur wirtschaftlich sinnvoll, sondern erleichtert auch den Zugang zu Ihrem guten Recht. Oft braucht es einen kompetenten Rechtsanwalt, damit ihre Chancen bei der Gegenseite oder vor Gericht optimal sind. Wer sich dabei um die Kosten keine Sorgen machen muss, wird eher für sein Recht kämpfen.
Dennoch sind Rechtsschutzversicherungen sehr unterschiedlich. Sie decken unterschiedliche Rechtsgebiete ab, unterscheiden sich bei den Kosten und Leistungen. Es lohnt sich also, einen genaueren Blick auf die Anbieter zu werfen.
Für welche Rechtsgebiete gibt es Rechtsschutzversicherungen?
Grundsätzlich gibt es die Möglichkeit, sich in einem ganz bestimmten, oder auch in mehreren Rechtsgebieten versichern zu lassen. Gängig sind Assekuranzen für folgende Rechtsgebiete:
- Privatrecht
- Verkehrsrecht
- Mietrecht
- Arbeitsrecht
- Vermieterrecht
- Strafrecht und Ordnungswidrigkeiten
Der Rechtsschutz ist darauf aber nicht unbedingt beschränkt. Es gibt mittlerweile sehr individuelle Angebote, die genau auf die Bedürfnisse der Versicherungskunden zugeschnitten sind.
Beim Privatrechtsschutz geht es in erster Linie um zivilrechtliche Verträge, wie Kauf von alltäglichen Gegenständen oder um Dienstleistungen, wie etwa Handwerker. Wenn Sie etwa nach dem Kauf eines wertvollen Elektrogeräts feststellen, dass das Produkt nicht funktioniert, kann es zum Rechtsstreit mit dem Verkäufer oder Hersteller kommen. Die Rechtsschutzversicherung kommt dann für Anwalts- und Gerichtskosten auf.
Der Verkehrsrechtsschutz kommt vor allem bei Verkehrsunfällen zum Tragen. Wenn Sie mit dem Auto einen Schaden an einem anderen Wagen verursachen, oder an Ihrem eigenen Auto ein Schaden entsteht. Oft sind aber auch Fälle abgedeckt, die mit der Reparatur des Autos zu tun haben, etwa Streitigkeiten mit der Werkstatt oder beim Autokauf.
Rechtsstreitigkeiten im Mietrecht sind sehr häufig. Hier können sich Mieter mit einer Mietrechtsschutzversicherung behelfen. Sie greift bei Streitigkeiten mit dem Vermieter über Schönheitsreparaturen, Mieterhöhung oder Kündigung des Mietvertrags.
Beim Arbeitsrechtsschutz geht es um Streitigkeiten mit dem Arbeitgeber. Der wichtigste Bereich, in dem eine Rechtsschutzversicherung zum Tragen kommt, ist der Schutz bei einer unrechtmäßigen Kündigung. Doch auch wenn es um die Durchsetzung einer Abfindung geht, greift sie.
Der Vermieterrechtsschutz schützt den Vermieter bei Rechtsstreitigkeiten mit seinen Mietern. Es kann etwa um Renovierungen oder Räumung gehen. Auch wenn die Mieter mit der Miete in Verzug kommen, kann es zu Rechtsstreitigkeiten kommen, die vom Rechtsschutz gedeckt sind. Er ist aber auch für Mieter sinnvoll.
Natürlich kann man sich auch im Strafrecht und bei Ordnungswidrigkeiten rechtsschutzversichern lassen. Sie kommt zum Tragen, wenn gegen Sie ein Ermittlungs- oder Gerichtsverfahren eingeleitet wird, denn in diesem Fall brauchen Sie meist einen Verteidiger und es fallen auch Gerichtskosten an. Oft gibt es im Strafrecht aber Einschränkungen. Zum Beispiel bezahlen manche Versicherer nicht bei schweren Straftaten, die als „Verbrechen“ eingestuft werden.
Private oder gewerbliche Rechtsschutzversicherung (Betriebe und Selbstständige)
Bei allen oben genannten Rechtsgebieten schützt die Rechtsschutzversicherung Privatpersonen. Gerade für Selbstständige und kleine Betriebe bietet sich häufig aber auch ein gewerblicher Schutz an (auch Firmenschutz oder Unternehmensschutz genannt).
Sie funktioniert im Grunde wie eine private Rechtsschutzversicherung, bei der man verschiedene Bereiche versichern lassen kann. Üblicherweise sind auch Mitarbeiter versichert. Oft ist es zudem möglich, eine Kombination aus privater und gewerblicher Rechtsschutzversicherung abzuschließen.
Wie viel kostet eine Rechtsschutzversicherung?
Es zeigt sich also, dass die verschiedenen Angebote sehr individuell sind. Demnach unterscheidet sich auch der monatliche Tarif zur Versicherung.
Meist liegt der monatliche Tarif zwischen zwölf und 25 Euro, allerdings variiert er je nach Leistungsumfang und Rechtsgebiet. So ist etwa der Vermieterrechtsschutz durchschnittlich am teuersten, besonders günstig ist die Verkehrsrechtsschutzversicherung. Außerdem variiert der Preis je nach Alter, Wohnort und Familienstand des Versicherten.
Durch Selbstbeteiligung wird es günstiger
Oft wird beim Abschluss einer Rechtsschutzversicherung eine Selbstbeteiligung für eventuelle Schadensfälle vereinbart. Dadurch reduzieren sich die monatlichen Beiträge. Die Selbstbeteiligung liegt in der Regel bei 150 bis 250 Euro.
Achten Sie bei der Selbstbeteiligung auf die Details des Versicherungsvertrags oder der Allgemeinen Geschäftsbedingungen: Die Selbstbeteiligung sollte laut Vertragsbedingungen nur einmal pro Vertragsfall fällig werden. Außerdem sollte der Versicherer die Selbstbeteiligung nicht mit der Zeit hochsetzen können. Auf solche Klauseln sollten Sie bei Vertragsschluss die Augen offenhalten.
Achtung Falle: Bei der Wahl des richtigen Schutzes geht es nicht nur um den Preis, sondern vor allem um den Leistungsumfang. Manche Anbieter können besonders günstige Angebote nur machen, weil sie essentielle Leistungen nicht abdecken. So kommt es vor, dass zwar die Gerichts- aber nicht die Anwaltskosten abgedeckt werden, oder dass die Versicherung nur die außergerichtliche Streitbeilegung bezahlt. Es bleibt ein wirtschaftliches Risiko für den Kunden. Der Vergleich zwischen mehreren Anbietern lohnt sich.
Wie viel kostet ein Rechtsstreit?
Viele fragen sich, wie teuer so ein Rechtsstreit eigentlich ist, um abschätzen zu können, ob die Rechtsschutzversicherung notwendig oder überflüssig ist. Die Kosten sind aber von Rechtsstreit zu Rechtsstreit unterschiedlich und im Vorhinein oft gar nicht absehbar. Folgendes ist zu beachten:
- die Kosten eines Rechtsstreits steigen, wenn der Fall vor Gericht geht
- die Kosten richten sich im Zivilrecht nach dem Streitwert, also der Summe um die gestritten wird (z.B. eine Abfindung in Höhe von 20.000 Euro). Je höher der Streitwert, desto höher die Anwalts- und Gerichtskosten, die in der Gebührenordnung geregelt sind
Beispiel: Bei einem Streitwert von 5.000 Euro, betragen die Anwaltsgebühren in der ersten Instanz laut Gebührenordnung 1.200 Euro. - je mehr Instanzen (also höhere Gerichte) der Fall durchläuft, desto teurer wird es
- auch Gutachter, Dolmetscher und Sachverständige können Kosten verursachen
Übrigens: Bei einem Erstgespräch oder einer Erstberatung durch den Anwalt oder die Anwältin, darf Verbrauchern nicht mehr als 190 Euro (zuzüglich Mehrwertsteuer) berechnet werden. So ist es im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vorgeschrieben.
Was deckt eine Rechtsschutzversicherung ab?
Abgedeckt sind die Kosten für Rechtsstreitigkeiten bis zur vereinbarten Deckungssumme. Das heißt für:
- (Gesetzliche) Anwaltsgebühren
- Gerichtskosten
- Mediationsverfahren (Streitschlichtung)
- Honorar von Sachverständigen und Dolmetschern
- Teile der Kosten des Gegners
Wichtig: Ob der Versicherte den Prozess gewinnt oder verliert, spielt für die Kostenübernahme erstmal keine Rolle. Wenn er gewinnt, kann sich die Versicherung das Geld höchstens vom unterlegenen Gegner zurückholen. Wenn er den Prozess verliert, muss die Versicherung trotzdem zahlen. Eine einmal gemachte Deckungszusage kann nicht wieder zurückgenommen werden. Die Versicherung muss dann außerdem die Kosten für den gegnerischen Anwalt übernehmen. Ihre Anwältin bzw. Ihr Anwalt kann sich um die Einholung der Deckungszusage kümmern.
Achtung: Honorarsätze für die Anwaltschaft, die über den gesetzlichen Anwaltsgebühren liegen, werden gegebenenfalls nicht übernommen.
Was deckt die Rechtsschutzversicherung nicht ab?
Manche Rechtsstreitigkeiten sind vertraglich von vornherein ausgeschlossen. So soll gewährleistet werden, dass die monatlichen Beiträge erschwinglich bleiben. Ausgeschlossen sind meist Rechtsstreitigkeiten wegen:
- Spiel- oder Wettverträgen
- Kapitalanlagen
- Hausbau
- Urheberrecht und Markenrecht
Auch wenn es um Erb- und Familienrechtliche Streitigkeiten geht, gibt es oft Einschränkungen. Meist kann man diese Bereiche aber gesondert versichern lassen.
Wer ist versichert?
Der Versicherungsschutz gilt jedenfalls für den Vertragspartner selbst. Meistens sind außerdem noch dessen minderjährige Kinder mitversichert, oft auch (Ehe)Partner. Auch hier kommt es darauf an, was genau im Vertrag vereinbart wurde.
Was leistet ein Rechtsschutzversicherer sonst noch?
Neben der Kostenübernahme, habe viele Anbieter noch weiterreichende Leistungen. Wenn ein Versicherungsfall eingetreten ist, bieten viele Versicherer eine kostenlose erste Einordnung oder sogar eine telefonische Erstberatung.
Außerdem haben viele Rechtsschutzversicherer eigene Vertragsanwälte, die sie bei Bedarf vermitteln.
Wichtig: Die freie Anwaltswahl!
Auch wenn die Anbieter eigene Anwälte haben, haben Sie als Kunde und als Bürger immer das Recht, Ihren Anwalt oder Ihre Anwältin selbst zu wählen. Denn bei anwaltlichem Beistand kommt es entscheidend auf ein Vertrauensverhältnis an. Die Versicherung sollte sie nicht vertraglich dazu verpflichten, sich an die Vertragsanwälte zu halten, oder die Zahlung verweigern, wenn Sie Ihren eigenen Anwalt beauftragen. Achten Sie beim Vertragsabschluss auf solche Klauseln.
Wann ist der beste Zeitpunkt, eine Versicherung abzuschließen?
Unverhofft kommt oft – das Sprichwort gibt es nicht zu unrecht. Denn auch ein Rechtsstreit kann überraschend kommen, etwa bei einem Verkehrsunfall oder einer plötzlichen Kündigung durch den Arbeitgeber. Es bietet sich daher an, den Versicherungsschutz gleich von Anfang an mitdenken, etwa beim Kauf eines neuen Fahrzeugs, oder Antritt einer neuen Arbeitsstelle.
Wartezeiten
Dazu kommt, dass Rechtsschutzversicherer in ihren Verträgen oft Wartezeiten einbauen. Die Wartezeit soll verhindern, dass Kunden eine Vorsorge erst abschließen, wenn sich ein Rechtsstreit bereits abzeichnet oder kurz bevorsteht. Erst wenn die Wartezeit abgeschlossen ist, werden die Kosten übernommen. Normalerweise beträgt die Wartezeit drei Monate.
Bei bestimmten Rechtsgebieten ist eine Wartezeit aber unüblich, zum Beispiel bei Schadensersatz-Rechtsschutz, Straf-Rechtsschutz und beim Erb-Rechtsschutz.
Schützt die Versicherung auch rückwirkend?
Normalerweise gibt es keinen rückwirkenden Schutz für Kunden, die eine Versicherung erst abschließen, wenn der Rechtsstreit bereits im Gange ist. Zwar bieten einzelne Versicherer sogar einen rückwirkenden Schutz an, allerdings steigen die Beiträge dann erheblich.
Wie läuft die Kostenübernahme ab?
Nun ist der Fall da. Sie haben eine Auseinandersetzung und möchten rechtliche Schritte einleiten. Ihr erster Gang soll zum Erstgespräch mit einem Anwalt führen. Wie gehen Sie mit der Versicherung um?
- Unverzüglich Meldung machen: Die Versicherung sollten Sie über den möglichen Rechtsstreit und den Gang des Verfahrens auf dem Laufenden halten.
- Erstgespräch beim Anwalt: Lassen Sie sich beraten. Wichtig ist, dass Sie dem Anwalt sofort mitteilen, dass Sie eine Rechtsschutzversicherung haben. Häufig verzichten Anwältinnen und Anwälte dann auf einen Vorschuss auf ihr Honorar.
- Deckungszusage beantragen: Sie können entweder selbst die Deckungszusage bei der Versicherung beantragen oder den Anwalt damit beauftragen. Häufig bieten Anwälte diesen Service kostenlos an. Sie können auch vom Anwalt einen Kostenvoranschlag einholen, mit dem sie sich an die Versicherung wenden.
Wichtig: Hat die Versicherung eine Deckungszusage einmal erteilt, darf sie das nicht mehr zurücknehmen. Ausnahmen gibt es nur, wenn der Kunde die Unwahrheit gesagt oder wichtige Informationen verschwiegen hat.
Oft gibt es eine Kostendeckungszusage nur für einen Abschnitt des Verfahrens zu. Wenn der Versicherte später beispielsweise vor Gericht ziehen will, muss er gegebenenfalls erneut die Deckungszusage beantragen.
Was tun, wenn die Versicherung nicht zahlt?
Die Rechtsschutzversicherung kann die Deckungszusage auch verweigern. Es gibt verschiedene Konstellationen, in denen sie nicht zahlt:
- wenn die dreimonatige Wartezeit noch nicht abgelaufen ist
- wenn der Streit sich um ein Rechtsgebiet dreht, dass von der Versicherung nicht abgedeckt ist (zum Beispiel ein Mietrechtsproblem bei einer Arbeitsrechtsschutzversicherung)
- wenn der Fall vertraglich ausgeschlossen wurde (zum Beispiel Ansprüche aus einer Sportwette)
- wenn der Versicherer in Ihrem Rechtsstreit keine Aussicht auf Erfolg sieht
Es ist noch nicht alles verloren! Wenn die Versicherung die Kostendeckung verweigert, können Sie als Versicherungskunde die Ablehnung überprüfen lassen. Besonders in Fällen, in denen die Erfolgsaussichten von der Versicherung als zu gering eingestuft werden, lohnt sich die Überprüfung.
Sie haben nun mehrere Möglichkeiten:
- Stichentscheid:Bei einem Stichentscheid überprüft eine Anwaltin Ihrer Wahl die Ablehnungsgründe. Er schätzt die Erfolgsaussichten ein und trifft dann eine Entscheidung, an die beide Seiten (Sie und die Versicherung) gebunden sind. Die Kosten trägt die Versicherung.
- Schiedsgutachten: Bei einem Schiedsgutachten wird ein Anwalt von der Rechtsanwaltskammer bestimmt, der die Erfolgsaussichten prüft und ein Gutachten erstellt. An das Gutachten ist nur die Versicherung gebunden, Sie als Versicherungskunde können gegen die Entscheidung des Gutachters gegebenenfalls Klage erheben.
- Ombudsmann: Sie können sich auch kostenlos an einen Versicherungsombudsmann wenden, der die Erfolgsaussichten prüft und gegebenenfalls die Versicherung zur Zahlung verpflichten kann.
Welche der drei Möglichkeiten Ihnen offen steht, hängt auch davon ab, was im Versicherungsvertrag oder den allgemeinen Geschäftsbedingungen geregelt ist.
Brauchen Sie Hilfe dabei, die Kostendeckung durchzusetzen?
Anwältinnen und Anwälte für Versicherungsrecht können helfen, Ihre Rechte durchzusetzen. Ansprechpartner in ganz Deutschland finden Sie über unsere Anwaltssuche.
- Datum
- Aktualisiert am
- 25.01.2022
- Autor
- red/dav