ArchivDeutsches �rzteblatt43/2023Hochfrequente Surveillance von Indikatoren psychischer Gesundheit in der erwachsenen Bev�lkerung in Deutschland � Entwicklungen von 2022�2023

MEDIZIN: Kurzmitteilung

Hochfrequente Surveillance von Indikatoren psychischer Gesundheit in der erwachsenen Bev�lkerung in Deutschland � Entwicklungen von 2022�2023

High-frequency surveillance of mental health indicators in the adult population of Germany: trends from 2022 to 2023

Walther, Lena; Junker, Stephan; Thom, Julia; H�lling, Heike; Mauz, Elvira

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Zwischen April 2019 und Juni 2022 zeigten sich bemerkenswerte Verschlechterungen in drei Indikatoren psychischer Gesundheit in der erwachsenen Bev�lkerung in Deutschland. �ber diese Entwicklung berichtete eine vorhergehende Studie (1) auf Basis monatlicher Surveydaten. Der gesch�tzte Anteil der Bev�lkerung, der in einem Ultra-Kurz-Screening f�r depressive St�rungen Werte �ber dem Cut-off erreichte, stieg im jeweils gleichen Zeitraum im Fr�hjahr/Sommer von 11 % im Jahr 2019 und 9 % im Jahr 2020 auf 13 % im Jahr 2021 und weiter auf 17 % im Jahr 2022. Der Anteil, der in einem Screening f�r Angstst�rungen �ber dem Schwellenwert lag, nahm von 2021�2022 ebenfalls zu (von 7 auf 11 %). Dar�ber hinaus verschlechterte sich die selbsteingesch�tzte psychische Gesundheit (SRMH, �self-rated mental health�): W�hrend 44 % der Bev�lkerung ihre psychische Gesundheit in 2021 als sehr gut oder ausgezeichnet einstuften, verringerte sich dieser Anteil auf 40 % in 2022.

Die vorliegende Studie untersucht anhand von Daten bis Mitte Mai 2023, ob diese negativen Entwicklungen vor�bergehend waren oder ob der Zustand anhielt beziehungsweise sich weiter verschlechterte.

Methoden

Die vorliegenden Auswertungen beruhen auf repr�sentativen, telefonisch erhobenen Befragungsdaten der Studie �Gesundheit in Deutschland aktuell� (2), die seit 2019 mit nahezu unver�ndertem Design durchgef�hrt wird. Die Analysen beinhalten Daten von insgesamt 47 098 Erwachsenen (durchschnittlich etwa 3 120 Teilnehmende pro Monat), die zwischen Mitte Februar 2022 (Beginn der Datenerhebung f�r 2022) und Mitte Mai 2023 befragt wurden.

Fortgeschrieben wurden Zeitreihen f�r den Bev�lkerungsanteil mit einer �sehr guten� oder �ausgezeichneten� SRMH (3) sowie f�r die Anteile, deren Werte im Patient Health Questionnaire-2 (PHQ-2) (4) und der Generalized Anxiety Disorder Scale-2 (GAD-2) (5) �ber den jeweiligen Cut-offs lagen. Die Zeitreihen bestehen jeweils aus gleitenden Drei-Monats-Sch�tzern und Gl�ttungskurven. Werte �ber den Cut-offs der Screening-Inventare weisen auf Abkl�rungsbedarf einer m�glichen depressiven beziehungsweise Angstst�rung hin.

Um Ver�nderungen statistisch zu bewerten, wurden Sch�tzer f�r den Zeitraum Mitte Februar bis Ende des zuvor berichteten Beobachtungszeitraums Mitte Juni 2022 (Kalenderwoche [KW] 6�24) mit Sch�tzern f�r den Zeitraum Mitte Juni 2022 bis Mitte Mai 2023 (KW 25�19) mittels Wald-Tests (p < 0,05) verglichen. Nach Geschlecht oder Alter stratifizierte Vergleiche wurden nur durchgef�hrt, wenn in Omnibus-Tests die Nullhypothese abgelehnt werden konnte, dass in keiner der Geschlechter- beziehungsweise Altersgruppen Unterschiede zwischen den Zeitfenstern bestanden (p < 0,05). Alle Sch�tzer sind gewichtet (Design- sowie Anpassungsgewichtung nach Geschlecht, Alter, Bildung und Region) und zus�tzlich anhand des Mikrozensus 2018 nach Geschlecht, Alter und Bildung standardisiert. Subgruppen-Sch�tzer sind standardisiert nach der jeweiligen anderen Charakteristik (Geschlecht oder Alter) und Bildung. Die Methodik ist ausf�hrlich in (1) beschrieben.

Ergebnisse

Die Zeitreihen in der Grafik zeigen bis etwa Sp�tsommer 2022 einen weiteren Anstieg der Bev�lkerungsanteile, die im Screening f�r depressive und Angstst�rungen die Schwellenwerte �bertrafen, und einen weiteren R�ckgang des Anteils derjenigen, die ihre eigene psychische Gesundheit als �sehr gut� oder �ausgezeichnet� einsch�tzen, gefolgt von vergleichsweise stabilen Sch�tzungen auf diesen h�chsten beziehungsweise niedrigsten Niveaus.

Schätzer basierend auf Daten aus drei (Kreis) oder zwei (Diamant) Monaten innerhalb gleitender Drei-Monats-Fenster mit 95-%-Konfidenzintervallen und geschätzten Glättungskurven
Grafik
Sch�tzer basierend auf Daten aus drei (Kreis) oder zwei (Diamant) Monaten innerhalb gleitender Drei-Monats-Fenster mit 95-%-Konfidenzintervallen und gesch�tzten Gl�ttungskurven

Die statistischen Vergleiche der Sch�tzer f�r Februar bis Juni 2022 und Juni 2022 bis Mai 2023 best�tigen die in der Grafik visuell erkennbaren Trends. Der Anteil der Personen, deren Werte im Screening f�r depressive St�rungen �ber dem Cut-off lagen, stieg von 17,2 % (95-%-Konfidenzintervall: [15,9; 18,6]) auf 19,8 % [19,1; 20,6]. Statistisch signifikante Anstiege zeigen sich auch in den standardisierten Anteilen �ber dem Cut-off bei Frauen sowie 18- bis 29-J�hrigen und 30- bis 44-J�hrigen (Tabelle).

Statistische Vergleiche zwischen zwei längeren Zeiträumen stratifiziert nach Geschlecht und Alter
Tabelle
Statistische Vergleiche zwischen zwei l�ngeren Zeitr�umen stratifiziert nach Geschlecht und Alter

Der Anteil der Personen, die im Screening f�r Angstst�rungen Werte �ber dem Cut-off erreichten, nahm von 11,3 % [10,2; 12,5] auf 13,9 % [13,2; 14,6] zu. Bei Frauen und 30- bis 44-J�hrigen zeigte sich ein signifikanter Anstieg der standardisierten Anteile. Bei Frauen und 18- bis 29-J�hrigen lag insgesamt ein gr��erer Anteil �ber dem Schwellenwert im Screening f�r Angstst�rungen als bei ihren jeweiligen Vergleichsgruppen. Der Anteil derjenigen, die ihre eigene psychische Gesundheit als �sehr gut� oder �ausgezeichnet� einsch�tzen, sank von 39,5 % [38,1; 41,0] auf 36,8 % [36,0; 37,6]. Die standardisierten Anteile gingen sowohl bei Frauen als auch bei den 18- bis 29-J�hrigen zur�ck. Frauen und �ber 65-J�hrige wiesen insgesamt die geringsten Anteile mit �sehr guter� oder �ausgezeichneter� SRMH auf.

Diskussion

Die zwischen 2019 und Mitte 2022 beobachteten negativen Entwicklungen der psychischen Gesundheit der erwachsenen Bev�lkerung in Deutschland setzten sich bis etwa Sp�tsommer 2022 fort. Die erneut verschlechterte Lage hielt anschlie�end bis Mitte Mai 2023 an. Von der letzten Verschlechterung scheinen insbesondere Frauen und die j�ngeren Altersgruppen (18�29 und 30�44 Jahre) betroffen gewesen zu sein, wobei sich in allen Geschlechter- und Altersgruppen negative Entwicklungen seit 2019 zeigen (1).

Es scheinen daher verst�rkte Anstrengungen angezeigt zu sein, um die psychische Gesundheit zu sch�tzen und zu f�rdern. Dies gilt umso mehr, da zu mehreren Jahren der Pandemie weitere anhaltende kollektive Stressoren hinzugekommen sind � darunter der Krieg in der Ukraine, die wirtschaftlichen Entwicklungen und die sich versch�rfende Klimakrise. Zwar k�nnen die eingesetzten Messinstrumente weder eine psychische St�rung noch eine Behandlungsbed�rftigkeit nachweisen, jedoch sollten Gesundheitsfachkr�fte wachsam sein gegen�ber einem m�glicherweise vermehrten psychodiagnostischen Abkl�rungsbedarf bei ihren Patientinnen und Patienten. Eine weitere Surveillance ist erforderlich.

Lena Walther, Stephan Junker, Julia Thom, Heike H�lling, Elvira Mauz

F�rderung

Das Projekt �MHS � Aufbau einer nationalen Mental Health Surveillance am Robert Koch-Institut� wurde durch das Bundesministerium f�r Gesundheit gef�rdert (F�rderkennzeichen: ZMI5�2519FSB402).

Interessenkonflikt
Die Autorinnen und der Autor erkl�ren, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Manuskriptdaten
eingereicht: 08.05.2023, revidierte Fassung angenommen: 20.07.2023

Zitierweise
Walther L, Junker S, Thom J, H�lling H, Mauz E: High-frequency surveillance of mental health indicators in the adult population of Germany: trends from 2022 to 2023. Dtsch Arztebl Int 2023; 120: online first. DOI: 10.3238/arztebl.m2023.0180

Dieser Beitrag erschien online am 03.08.2023 (online first) unter: www.aerzteblatt.de

►Die englische Version des Artikels ist online abrufbar unter:
www.aerzteblatt-international.de

1.
Mauz E, Walther L, Junker S, et al.: Time trends in mental health indicators in Germany�s adult population before and during the COVID-19 pandemic. Front Pub Health 2023; 11: 1065938 CrossRef MEDLINE PubMed Central
2.
Allen J, Born S, Damerow S, et al.: German Health Update (GEDA 2019/2020-EHIS) � Background and Methodology. J Health Monitor 2021; 6: 66�79.
3.
Ahmad F, Jhajj AK, Stewart DE, Burghardt M, Bierman AS: Single item measures of self-rated mental health: a scoping review. BMC Health Serv Res 2014; 14: 398 CrossRef MEDLINE PubMed Central
4.
L�we B, Kroenke K, Gr�fe K: Detecting and monitoring depression with a two-item questionnaire (PHQ-2). J Psychosom Res 2005; 58: 163�71 CrossRef MEDLINE
5.
Kroenke K, Spitzer RL, Williams JBW, Monahan PO, L�we B: Anxiety disorders in primary care: prevalence, impairment, comorbidity, and detection. Ann Intern Med 2007; 146: 317�25 CrossRef MEDLINE
Abteilung f�r Epidemiologie und Gesundheitsmonitoring, Robert Koch-Institut, Berlin (Walther, Junker, Thom, H�lling, Mauz) [email protected]
Schätzer basierend auf Daten aus drei (Kreis) oder zwei (Diamant) Monaten innerhalb gleitender Drei-Monats-Fenster mit 95-%-Konfidenzintervallen und geschätzten Glättungskurven
Grafik
Sch�tzer basierend auf Daten aus drei (Kreis) oder zwei (Diamant) Monaten innerhalb gleitender Drei-Monats-Fenster mit 95-%-Konfidenzintervallen und gesch�tzten Gl�ttungskurven
Statistische Vergleiche zwischen zwei längeren Zeiträumen stratifiziert nach Geschlecht und Alter
Tabelle
Statistische Vergleiche zwischen zwei l�ngeren Zeitr�umen stratifiziert nach Geschlecht und Alter
1.Mauz E, Walther L, Junker S, et al.: Time trends in mental health indicators in Germany�s adult population before and during the COVID-19 pandemic. Front Pub Health 2023; 11: 1065938 CrossRef MEDLINE PubMed Central
2.Allen J, Born S, Damerow S, et al.: German Health Update (GEDA 2019/2020-EHIS) � Background and Methodology. J Health Monitor 2021; 6: 66�79.
3.Ahmad F, Jhajj AK, Stewart DE, Burghardt M, Bierman AS: Single item measures of self-rated mental health: a scoping review. BMC Health Serv Res 2014; 14: 398 CrossRef MEDLINE PubMed Central
4.L�we B, Kroenke K, Gr�fe K: Detecting and monitoring depression with a two-item questionnaire (PHQ-2). J Psychosom Res 2005; 58: 163�71 CrossRef MEDLINE
5.Kroenke K, Spitzer RL, Williams JBW, Monahan PO, L�we B: Anxiety disorders in primary care: prevalence, impairment, comorbidity, and detection. Ann Intern Med 2007; 146: 317�25 CrossRef MEDLINE

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