Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Kodex, der

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GrammatikSubstantiv (Maskulinum) · Genitiv Singular: Kodex/Kodexes · Nominativ Plural: Kodexe/Kodizes
Nebenform Codex · Substantiv · Genitiv Singular: Codex/Codexes · Nominativ Plural: Codexe/Codizes
Aussprache [ˈkoːdɛks]
Worttrennung Ko-dex · Co-dex
Rechtschreibregel § 32 (2)
Wortbildung  mit ›Kodex‹/›Codex‹ als Letztglied: Ehrenkodex / Ehrencodex · Kriegskodex / Kriegscodex · Moralkodex / Moralcodex · Sittenkodex / Sittencodex · Verhaltenskodex · Übernahmekodex
Herkunft aus cōdexmlat ‘Handschrift’ < cōdexlat ‘Urkunde, Buch, Verzeichnis, Rechnungsbuch’, ursprünglich ‘Baumstamm, zu Schreibtafeln gespaltenes Holz’ < cūderelat ‘schlagen, klopfen, stampfen, verfestigen’
Duden, GWDS, 1999 und DWDS

Bedeutungen

1.
a)
in der Antike   zu mehreren zusammengebundene, mit Wachs überzogene, hölzerne Schreibtäfelchen
Beispiele:
Hölzerne Schreibtafeln wurden früher viel im römischen Alltag benutzt. Man verwendete sie zum Beispiel für Notizen, Briefe, Verträge, Schreibübungen und Heiratsurkunden. […] Für längere Briefe wurden mehrere Wachstafeln mit einer Schnur zusammengebunden. Ein solches Päckchen mit vielen Wachstafeln nannte man Codex. [Schreiben in der Antike, aufgerufen am 24.01.2018]
Scherbe, Wachstafel, Buchrolle, Codex: Eine kleine Kulturgeschichte des Buches in der Antike, dargestellt von Ursula Vedder. [Süddeutsche Zeitung, 12.02.2001]
b)
im Mittelalter   Sammlung von Handschriften, die zwischen Holzdeckeln zu einer Art Buch zusammengefügt sind
Beispiele:
Der Codex [Manesse] ist die umfangreichste Sammlung mittelhochdeutscher Lied‑ und Spruchdichtung. [Der Standard, 20.06.2015]
Um 1190, als Hartmann dies schrieb, war das Buch noch der Kodex, eine Sammlung von Bögen aus Pergament. [Die Zeit, 11.10.2013]
Es gibt gute Gründe, den Übergang von der Antike zum Mittelalter im 5. Jahrhundert mit dem Aufkommen des Buches, des sogenannten Codex, gleichzusetzen. [Die Welt, 31.12.2004]
Man erfährt durch sie [die Rechnungsbücher], welche Drucke die Mönche erwarben und von wem, ferner was für Materialien sie kauften, um selbst Kodizes herzustellen, zu beschreiben und zu illuminieren (= mit Buchmalerei zu schmücken). [Jahresberichte für deutsche Geschichte, 1930, S. 109]
Alexandrinischer Kodex, wichtige Handschrift der Bibel in griech. Sprache, im 5. Jahrh. in Ägypten geschrieben[…]. [Brockhaus’ Kleines Konversations-Lexikon. Berlin: Directmedia Publ. 2001 [1906], S. 1658]
2.
römisches Recht Gesetzessammlung
Kollokationen:
mit Genitivattribut: der Kodex des kanonischen Rechts
Beispiele:
Ein besonderer solcher codex[…] war der Kodex des bürgerlichen Rechts, in dem Kaiser Justinian im 6. Jahrhundert n. Chr. die überlieferten Rechtsnormen »kodifizierte«. [Neue Zürcher Zeitung, 10.07.2006]
Ich werde die Disziplin der Gesamtkirche befolgen und fördern und alle kirchlichen Gesetze einhalten, vor allem jene, die im Codex des kanonischen Rechtes enthalten sind. [poschenker.wordpress.com, 16.08.2014]
Der Rücktritt eines Bischofs ist eine komplizierte Angelegenheit – und formal sogar unmöglich. Er kann dem Papst lediglich seinen Amtsverzicht anbieten. Dann greift der Codex des Kanonischen Rechts. [Der Spiegel, 08.10.2013 (online)]
Doch mußte das in Kodex und Pandekten überlieferte römische Rechtsgut sich erhebliche Eingriffe gefallen lassen. [Rubin, Berthold: Das Römische Reich im Osten. Byzanz. In: Propyläen Weltgeschichte, Berlin: Directmedia Publ. 2000 [1963], S. 6554]
3.
Sammlung von Normen, Regeln eines Sachbereichs
Kollokationen:
mit Adjektivattribut: ein ethischer, strenger, verbindlicher Kodex
als Akkusativobjekt: einen Kodex ausarbeiten, erarbeiten, verabschieden
als Dativobjekt: sich einem Kodex unterwerfen
in Präpositionalgruppe/-objekt: sich an einen Kodex halten; gegen einen Kodex verstoßen; ein Verstoß gegen den Kodex
mit Genitivattribut: der Kodex des Presserats
als Aktivsubjekt: der Kodex schreibt etw. vor, sieht etw. vor, regelt etw.
als Passivsubjekt: der Kodex wurde verabschiedet, wird angewendet
Beispiele:
Indem wir unaufhörlich Daten produzieren, werden wir immer mehr überwachbar und abhängig; auch da müsste ein Kodex als ethischer Kompass Orientierung schaffen. [Der Standard, 07.03.2016]
Seit den 1960er Jahren ist die Formel in aller Munde. Historisch gesehen war der Nürnberger Kodex (1947) ihre Geburtsstunde. Im Falle medizinischer Versuche, so heisst es im ersten Punkt dieses Kodexes, muss bei Patienten oder Probanden die freiwillige und informierte Zustimmung eingeholt werden. [Neue Zürcher Zeitung, 07.04.2015]
Die Agenturen sollen in Zukunft offenlegen, wie und in welchem Umfang sie die Normen des Kodex umsetzen. [Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.12.2004]
4.
ungeschriebene Regeln des Verhaltens, des Handelns, an denen sich eine (gesellschaftliche) Gruppe orientiert; Verhaltenskodex
Kollokationen:
mit Adjektivattribut: ein freiwilliger, moralischer, strenger, ungeschriebener Kodex
als Dativobjekt: sich einem Kodex unterwerfen
in Präpositionalgruppe/-objekt: sich an den Kodex halten; gegen einen Kodex verstoßen; ein Verstoß gegen den Kodex
Beispiele:
Der Herr, der jetzt neben mir sitzt, habe ihn auf der zweispurigen Fahrbahn plötzlich überholt. Das habe er nicht verstanden, weil es gegen »den Kodex unter Taxifahrern« verstosse. [Neue Zürcher Zeitung, 01.09.2015]
Wir hatten unsere eigenen moralischen Kodizes, zum Beispiel, dass man nicht von einer Frau stiehlt. [Der Spiegel, 27.01.2015 (online)]
Die Alten fahren noch Motorrad und halten den Codex ihres zweifelhaften Männerbundes hoch. [Der Spiegel, 10.03.2014]
Um die Militärs geht es [in der Erzählung], um Ihr Verhalten, ihre Mentalität und Sprache, ihren Stil und Kodex. [Der Spiegel, 17.03.1969]
Bei Fragen, die nicht der gesellschaftliche Kodex entscheiden kann, muß das Gefühl den Ausschlag geben: »Was ist in diesem Falle das Richtige, das Taktvolle?« [Baudissin, Wolf von / Baudissin, Eva von: Spemanns goldenes Buch der Sitte. In: Zillig, Werner (Hg.): Gutes Benehmen. Berlin: Directmedia Publ. 2004 [1901], S. 2866]

letzte Änderung:

Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)

Etymologie

Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)
Kodex · Ehrenkodex · kodifizieren · Kodifikation
Kodex m. ‘Gesetzbuch, Gesetzessammlung, alte Handschrift’; in die Gelehrtensprache aufgenommenes lat. cōdex ‘Baumstamm, zu Schreibtafeln gespaltenes Holz’, dann ‘Urkunde, Buch, Verzeichnis, Rechnungsbuch’, spätlat. ‘Gesetzbuch’, mlat. ‘Handschrift’ (zu lat. cūdere ‘schlagen, klopfen, stampfen, verfestigen’) wird im 18. Jh. in der Bildungssprache allgemein bekannt. Dazu im 19. Jh. Ehrenkodex m. ‘die für eine Gruppen-, Berufs- oder Standesehre geltenden Normen’; kodifizieren Vb. ‘Rechtsnormen gesetzesmäßig zusammenfassen’; Kodifikation f. ‘Aufzeichnung bzw. Herstellung einer Gesetzessammlung, vom Gesetzgeber erlassene Gesetzessammlung’.

Bedeutungsverwandte Ausdrücke

Codex · Dekret · Edikt · Erlass · Gebot · Kodex · Verfügung · Verordnung
Unterbegriffe
  • Dekalog · Zehn Gebote · Zehn Worte
  • Polenstrafrechtsverordnung · Verordnung über die Strafrechtspflege gegen Polen und Juden in den eingegliederten Ostgebieten
  • Edikt von Potsdam · Potsdamer Toleranzedikt
  • Noachidische Gebote · Noachitische Gebote  ●  Noachische Gebote veraltet
  • Führererlass · Führerverordnung
  • Extremistenbeschluss · Radikalenerlass

Geschichte

Jura
Unterbegriffe
Assoziationen

Oberbegriffe
  • handlungsleitende Norm(en)
Assoziationen

Typische Verbindungen zu ›Kodex‹ (berechnet)

Detailliertere Informationen bieten die DWDS-Wortprofile zu ›Kodex‹ und ›Codex‹.

anerkennen Anti-doping-agentur befolgen Befolgung berufsethisch Einhaltung Empfehlung enthalten ethisch freiwillig Handschrift illustriert Kirchenrecht lorscher ministeriell missen nowgoroder nürnberger Presserat Professur regeln Text trienter ungeschrieben uthmanischen verbindlich verstoßen Welt-anti-doping-agentur Welt-antidoping-agentur Wohlverhalten
Zitationshilfe
„Kodex“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/Kodex>.

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