Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

gärtner, m.

gärtner, m.
hortulanus.
I.
Die formen.
a)
ahd. in doppelform, gartâri, garteri und gartinâri (Graff 4, 252), das erstere scheint älter, gebildet vom stamme oder vom starken gart (sp. 1388), das zweite von der schwachen form. alts. nur gardâri einmal bezeugt, mhd. nur gartenære, gartnære, gartener, später auch gertenære (fundgr. 1, 372ᵇ), die einfachere form nur noch in wîngartære gl. Blas. 32ᵇ (neben gartinære das.), wîngerter weisth. 1, 754, wie in wîngart die starke form am längsten blieb (sp. 1388). vgl. übrigens gärter, auch gärtler.
b)
der heute allein geltende umlaut hat sich nur allmälich durchgesetzt, noch im 15. bis 17. jahrh. erscheint gartner umlautlos (wie noch nd., s. c), oberd. wie md.: gartner, ortulanus, orticula, ceparius. voc. 1482 k ijᵇ; andere kumen wie die thorherrn under den gartnern mit den letzen belzen (umgekehrten pelzen). Keisersb. evang. 1517 153ᵃ; spricht Jhesus zu ir, weib, was weinestu? wen suchestu? sie meinet es sei der gartner. Luther Joh. 20, 15 (auch weingartner Matth. 21, 33. 34); die unfleiszigen gartner ders., doch auch gertner, s. Dietz 2, 11ᵇ. noch bei Rist gartner, auch gahrtner, d. h. er sprach gârtner, wie gârte, s. sp. 1389 (β), und wie wol schon Luther, auch in gærtner ist die länge weit verbreitet. auch oberd. gartner noch Dasypodius 96ᵈ, Maaler 157ᶜ.
c)
nd. im 16. jh. gardener Chytraeus 340 (gesprochen wahrscheinlich gârdenêr), im 15. jh. gardener, auch gerdener Dief. 402ᵃ, jetzt gârner Schütze 2, 6, Dähnert 142ᵇ, aber auch gärner Brem. wb. 2, 489; daneben erweitert gärtnierer (s. gärtnen 3). engl. gardener, nl. aber gaardenier (mehr hovenier u. a.), was sich denn mit franz. jardinier berührt, das doch seinerseits, wie noch hörbar ital. giardinajo, in der bildung mit ahd. gartinâri zusammenfällt.
II.
Bedeutung und gebrauch.
1)
zu garten im engeren sinne.
a)
einer der den gartenbau kunst- oder zunftmäszig übt und versteht, z. b.: die gärten der königlichen anlage zu Sanssouci stehen unter der aufsicht von sechs gärtnern und einem planteur. einer derselben hat den alten küchengarten daselbst .. zu besorgen ... der dritte die melonerie .. der vierte die orangerie u. s. w. (der planteur die irregulären pflanzungen im garten nebst einigen plantagen in Potsdam). Krünitz 16, 268 vom j. 1779. bei Stieler 613 sind unterschieden küchengärtner, baumgärtner, kunstgärtner, bei Steinbach 1, 560 auch weingärtner, blumengärtner, kohlgärtner, zwiebelgärtner, lustgärtner, vgl. 'blumist (blumengärtner), kunstgärtner, obst- und küchengärtner' Göthe 43, 365, blumist und tafelgärtner 39, 234, handelsgärtner 17, 305. für kunstgärtner, ziergärtner auch blosz 'gärtner, der mit gartenwerk umbgehet, hüpsche lust im garten zuricht, der den garten mit lustigen gängen zieret, topiarius' Henisch 1359. dann schloszgärtner, hofgärtner, stadtgärtner, klostergärtner u. ä.
b)
einzeln wol auch für gartenarbeiter überhaupt, z. b.: arborator, ein gartner, der die böum erhauwet und seübert, ein baumschorer. Frisius 131ᵃ, Maaler 157ᶜ.
c)
gärtner schlechthin auch für gemüsegärtner oder auch obstgärtner: gartner oder kreuter, altor, olitor, cultor olerum vel mercenarius. voc. 1482 k ijᵇ, auch ceparius das., vgl. olitor, gartner, gertner, gertener Dief. 395ᵃ; die gertner, die mit irem gewechse und früchten, als ruben, kraut und andern den rechten mark (im gegensatze zum obsmarkt) teglichs besuchen. Nürnb. poliz. 271; allen gartnern und gertnerin, so hie burger sind. 272 (es sind zugleich obstgärtner). ebenso die alte innung der gärtner in Frankfurt a. M. (in Leipzig kohlgärtner). es entspricht dem bloszen garten für gemüsegarten sp. 1394 unten. von obstgärtnern z. b.: ain puecheineu zullen .. sol ennaw (d. h. die Donau abwärts, nach Wien) fueren den gartneren (in Nuszdorf) ir obs. weisth. 3, 702.
d)
aber auch für den weingärtner: vindemiator, gartener. Melber varil., vgl. Dief. 620ᵃ; item ainem schopfer und ainem gartner sol man geben des tags 1 sch. den. .. und essen und trinken (für arbeit im weinberg). Mones zeitschr. 10, 314, wie ebenda garten gleich wingarten vorher, in einer taglöhnerordnung der rebleute zu Constanz vom j. 1436.
e)
redensarten, besonders vom bock (s. d. 8) und gärtner:
und so der bock ain gärtner wirt,
die jungen bäum er selten ziert (vgl. ziergärtner).
Schwarzenberg 89ᵃ, Henisch 1359;
wer ein bock zuͦ einem gärtner setzt
und schaf, geisz und gens an wolf hetzt ...
eins freiharts predig Frankf. 1563 C ijᵃ.
von der heil. Gertrud und den gärtnern: eine zeit von ungefähr drei wochen war mein probierjahr, in welcher eben S. Gertraud mit den gärtnern zu feld lag, also dasz ich mich auch in deren profession gebrauchen liesz. Simpl. 1, 34 Kz. (1, 9), die heilige unter ihnen als ihre führerin (wie S. Martin unter den gänsen sp. 1263), denn an ihrem tage (17. märz) beginnt die feld- und gartenarbeit, daher sprichw. z. b. Sünte Gerderût gêt de êrste gærnerske (gärtnerin) ût. Woeste volksüberl. 60, vgl. R. Köhler im lit. centralbl. 1866 s. 1192. anlasz dazu gab das denken über die sprache, indem man Gertrût anlehnte an gerte, garte.
f)
bildlich, z. b. gott, der lehrer als gärtner:
zwar ist es (dein antlitz) als ein gart, alda mit höchstem fleisz
der höchste gärtner wolt die blumen ... vermischen.
du (mein lehrer) kannst allein ein urtheil sprechen,
ob noch mein herz dem herzen gleicht,
das du geformt hast, ob dem keime,
des gärtner du gewesen bist,
ein solcher baum entwachsen ist,
als du wol hofftest.
Gökingk 2, 34;
die, welche des volkes gärtner sein sollen. Gotthelf 6, 335, die lehrer.
2)
im östlichen theile Deutschlands das, was anderwärts seldner, köter, kotsasz, kossäte, brinksitzer heiszt, 'ein bauer ohne feld, rusticus casarius' Steinbach 1, 560; s. dazu unter köter (vergl. RA. 318) über die allgemeinen verhältnisse, die hier in der hauptsache dieselben sind.
a)
zeugnisse: achimus, kossat vel gertener. Bresl. voc. (mhd. wb. 1, 866ᵃ, 30), ebenso in drei andern md. vocc. bei Dief. 11ᶜ achimus, gertener, gertner, sie heiszen lateinisch sonst hortulani (ortulani), in Schlesien z. b. seit dem 13. jh. bezeugt. im gegensatze stehn, wie im nordwesten ackermann und köter (s. V, 1888), so hier ackermann und gärtner, z. b.: der könig zu Babylon füret alles, was grosz war im lande, weg, und liesz alleine die armen geringen ackerleute und gertner im lande. Luther 3, 230ᵇ, nach 2 kön. 25, 12, wo er aber weingartner und ackerleute setzte, dort jedoch übertrug er wie so oft (s. z. b. unter kiefer, kröte 2, b) die bekannten heimischen verhältnisse auf die fremden. ebenso bauer und gärtner: mit deme schultheise .. gebuern und gertenern. cod. dipl. Siles. 4, 39 (14. jh.); summa summ. 4 malder 113⁄4 scheffel ist des kornes .. unter die pauren und gärtner ausgetheilet worden (in einem notjahre). 4, 96, vom jahre 1630;
der bauer hatte schon das winterfeld bestellet.
der gärtner für den frost nach nohtturft holz gefället ...
Fleming 79 (Lappenb. 167).
im folgenden als einer der geringsten in der gemeinde:
viel augn sehn mehr, denn eins allein,
was einer nit wust, weisz die gemein ...
oft gab ein gärtner schlechten (einfachen) rath,
der sehr nütz war, viel gutes that.
Froschmeus. V 7ᵃ.
in einem schles. dorfe z. b. werden im j. 1632 als unterthanen verzeichnet (auszer dem erbschulzen und kretschmer): 12 erbpauern, 4 besatzte bauern, 1 freigärtner, 6 erbgärtner und 38 hausleute (häusler). cod. dipl. Sil. 4, 97.
b)
bei Adelung sind die gärtner „diejenigen hintersättler, welche keinen acker, wohl aber ein stück garten haben, von dessen ertrage sie sich nähren, und dadurch von den übrigen häuslern unterschieden“, wonach sie doch unter den häuslern auch inbegriffen sein könnten. in Schlesien stehn sie nach Weinhold 26ᵃ zwischen bauer und häusler in der mitte, haben nur einen garten bei dem hause, in Ostpreuszen nach Hennig 80 (vom j. 1785) „diejenigen landleute, die nicht auf taglohn arbeiten, sondern (für ihre dienste) auf deputat und naturalien angesezt sind“ (vgl. u. c), gewöhnlich mit einem garten bei ihrer wohnung (den gärtner im gewöhnlichen sinne unterscheidet man durch gärtnierer). nach Wohlbrück gesch. des ehemaligen bisth. Lebus (Berl. 1829) 1, 286 besaszen sie in Schlesien und der mark Brandenburg keinen oder doch geringen acker und meistens nur gärten; so noch jetzt in der Leipziger gegend, wo die gärtner oft genug auch acker haben, aber kein ackervieh. in einer chursächs. verordnung von 1735 über den milizvorspann im Leipziger kreise wird bestimmt, dasz derselbe lediglich auf die würklichen pferdner oder anspänner ausgeschrieben werde .. die gärthner und häusler aber das bothschaftlaufen verrichten. Klingner dorf- und baurenrechte 2, 799, sie sind also ohne pferde wie die häusler (während cothsassen genannt werden, die unter die anspänner mit zu rechnen sind, im nordöstl. theile des kreises). vergl. eine verfügung das. 145, dasz kein gärtner einiges anspann- oder zugvieh halten, sondern ihre felder denen bauren und keinem fremden zu arbeiten verdingen sollen.
c)
übrigens war, wie bei köter (s. d. 1, d), der begriff auch in sich weiter entwickelt, besonders in Schlesien (s. Weinhold); da waren zunächst unterschieden freigärtner und hofegärtner, letztere von den frohndiensten oder hofediensten benannt, von denen jene frei waren; dann dreschgärtner, zum drescherdienste auf dem hofe verpflichtet, groszgärtner, die so viel feld hatten, um ein pferd darauf halten zu können, landgärtner, die einen acker zu bauen hatten im dienste des hofes gegen einen bestimmten theil des ertrages (vergl. gärtnerbrief), ferner erbgärtner, und mietgärtner (mittgärtner), dorfgärtner, pfarrgärtner u. andere, s. Meitzen im cod. dipl. Sil. 4, 365ᵃ.
d)
der garten, nach dem sie von haus aus benannt sind, kann aber nicht wol der im gewöhnlichen sinne blosz sein. in der Leipziger gegend nennen sie sich jetzt gartengutsbesitzer (nach gutsbesitzer für das veraltende bauer), ihre besitzung auch früher schon gartengut (s. d.), sie musz aber einst garten geheiszen haben, und zwar vielleicht in dem altgerm. sinne der sich sp. 1392 (γ) herausstellte, eingehegtes stück vom gemeindegrunde, einem einzelnen zugemessen zur wohnstätte; diese alte bedeutung erhielt sich hier durch den gegensatz zum felde (sp. 1393) oder acker, der noch im 16. jh. ausgedrückt ist in ackermann gegen gärtner (s. a). bemerkenswert scheint dabei wenn noch feldstücke mit der benennung gärten vorkommen, z. b. schlesisch in Schönbrunner flur die Pommergärten, wo an frühere benutzung als garten nicht zu denken scheint, s. cod. dipl. 4, einl. 71.
e)
garten für gärtnergut erscheint wirklich in Schlesien neben gärtnerstelle, gärtnernahrung, z. b. cod. dipl. 4, 100 vom verkauf eines gartens, dabei alle beschwerden (lasten), so diser garte vor diesem ertragen, vom j. 1644; hufen und gärten als eintheilung der güter das. einl. s. 61, wie gärtnerstellen s. 42; item aldo ist ein garte, den sullen sie miten wider das closter .. und sullen scharwerken, wen man in gebawet (die feldarbeit thut). 4, 257 vom j. 1410, vgl. dazu garteneinfall. im 13. jahrh. z. b.: ortus liber, a ducalibus censibus, laboribus et gravaminibus (lasten) exemptus, im j. 1258 neben villae und mansi (hufen) genannt. cod. dipl. 2, 4, wol der besitz eines freigärtners. dafür übrigens auch gärtner selbst, z. b. im j. 1690 werden verkauft vier pauergütter ... sammt dero zugehörigen 4 erbgärtnern und ausgesetzten 3 mittgärtnern cod. dipl. 4, 114, vgl. umgekehrt den garten gesetzt für den besitzer sp. 1394.
f)
auch slav. erscheint das wort zum theil, z. b. poln. ogrodnik gärtner zugleich in diesem besonderen sinne (vgl. auch littauisch žardininkas instmann sp. 1400), und da unser wort auf den osten beschränkt erscheint, liegt der gedanke an slav. ursprung nahe. aber ohne der untersuchung vorgreifen zu können, musz ich doch darauf verweisen, wie einmal garten in diesem sinne sachlich bei uns sich ganz eingewurzelt zeigt und dann wie es in Schlesien mit der hufe zusammen auftritt, die von den Deutschen ins land mitgebracht wurde gegenüber der poln. dziedzina, die daneben lange fortbestand. auch in der Niederlausitz bei den Wenden hat der gärtner vielmehr den deutschen namen, kossaz, kossät Zwahr 166 (polabisch kann ich ihn nicht finden), und wenn gärtner selbst im übrigen Deutschland nicht entwickelt ist, so zeigt sich doch gleichsam der ansatz dazu in genügenden spuren, s. gartenbauer 1, gartenhaus 1 (und 3), besonders gartenhuhn 1.
3)
gärtner gleich zehrgärtner, s. d. und Adelung.
4)
der goldkäfer oder goldschmidt. Birlinger Augsb. wb. 181ᵇ.
5)
ein doppelt gekrümmtes ausreutmesser. das., vgl. gärtnerkneif und gerter Frisch 1, 321ᶜ. Nur aus einem druck- oder lesefehler entstanden ist Stielers angabe sp. 613: gärtner etiam est nomen cancri, scylla dicta; das stammt aus Henisch 1360, der gartner hat, diesz aber ist verlesen für gariner bei Maaler 157ᵇ, das selbst schon verlesen scheint, s. unter garnat.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 7 (1876), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 1420, Z. 66.

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Zitationshilfe
„gartner“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/g%C3%A4rtner>.

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