Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

Es wurden mehrere Einträge zu Ihrer Abfrage gefunden:

gefahr, gefar, adj.

gefahr, gefar, adj.,
farbig, mhd. gevar und gevare (s. nachher noch nhd.), ahd. 'cafaro colorata' (unkifarwêr decolor) Graff 3, 700, noch im 16. jahrh.:
kein girig mensch ist wol gefahr,
auch wirt sein herz fro nümmer gar.
Renner Frankf. 1549 s. 27,
mhd. wol gevar v. 4839, von guter farbe, gesichtsfarbe, wie übele gevar von blassem ansehen Lexer 1, 956. immer so mit bestimmung der farbe, mhd. z. b. bleich gevâr, rôt gevar, snêgevar, liehtgevar (s. wb. 3, 241), auch mit dem subst. sich mischend: ob einer geslagen würde, dem dy slege zuswullen wern .. brun, blaw adir welcher gevar dy swulst gestalt ist. Homeyer richtst. landr. s. 247 anm., Leipz. hs. 15. jahrh. (es ist gedacht brungevar, blawgevar); nhd. z. b. brun gefar, graw gefare: thier und viehe, die da seint graw gefare, seind im glucklich zu ziehen und zu kaufen (in diesem monat). Scherz 494 aus einem Straszb. kalender von 1511;
iedoch zuletst da nam ich war
ains durnlins das was brun gefar.
Zimm. chr. 2, 5, 16.
vergl. übrigens das adj. farb, die nhd. form des mhd. var (für varw, ahd. varo), z. b.: dasz der himmel schwarzfarb ward. Avent. chr. 194ᵃ, vgl. blutfarb, feuerfarb; im 15. jahrh. z. b. missevarwe discoloratus Dief. 184ᶜ (neben wintvar varius 607ᵃ), blutfarw Keisersberg. Auch gefarb musz sich nhd. finden (s. dort), muszte freilich leicht ins part. übertreten (sp. 1612), es wird enthalten sein in gefarbt, das z. b. Henisch 1002 neben gefärbt gibt: ubel gefarbt, dasz ein bös farb hat, dasz sein natürliche farb verloren hat, decolor; ungefarbt kleider, von ungefärbter wollen, beides genau wie mhd. übel gevar, ungevar, während gefärbt 'farbig gemacht' bezeichnet. so noch schwäb. gefarbt farbig, unterschieden von gefärbt, s. Schmid 177, bair. e gefârbts gsicht, von gesunder farbe (neben gefárbts künstlich gefärbtes) Schm.² 1, 751; vgl. im 16. jahrh. z. b. blutgefärbt und in den östr. weisth. 1, 323 und (der fronbote) sol auch beruefen (ausrufen) wie es gevar sei (das abhanden gekommene stück vieh) mit var. gevarbt.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 10 (1878), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 2060, Z. 18.

gefahr, gefar

gefahr, gefar,
adj. infestus, obnoxius, in zwei gegensätzlichen bedeutungen; mhd. gevâr in den wbb. fehlend, doch anzunehmen nach seinem auftreten bei Wolkenstein (neben gevaͤr), gewöhnlich gevære, s. unter gefähr adj.
1)
feindlich nachstellend, feindlich gesinnt, mit dat.: und die vorgeschriben pürgen alle sullen mir darumb (wenn ich das breche) als gevar und als feint sein als mein vorgenanteu herrschaft. mon. boica 10, 123, vom j. 1356 (Schm. 1, 551);
ob mir die faigen (schlechten) sein gevar,
noch trost ich mich der frummen zwar (doch gewiss).
Osw. v. Wolkenstein s. 214 (ⅩⅭ, 1, 21);
von seiner frauen, die ihn so lang betrogen hat:
mich hat geplent mein tummer sin
und nie bekant (erkannt) das sy mir was gevar.
(: jar) s. 277 (ⅭⅩⅤⅠⅠⅠ, 7, 12).
auch als adv. gevâr, eigentlich gevâre, das auch zu gevære (s. gefähr) gehören kann:
si nam den man bî dem hâr,
si zôch in umb vil und gevâr (gedr. ungevar).
lieders. 1, 249.
nhd.: den psittich haszt er (der adler) billich als der seinen eiern gefahr ist. S. Frank chron. 1536 1, 158ᵃ; weil der drack des adlers art gefar ist. das.; darin (in der augsb. confession) auch die papisten, ob sie uns wol über alle mas gefahr sind, dennoch keiner schwermerartikel uns können schuld geben. Luther 6, 108ᵃ (warnungschr. an die zu Frankf. a. M.), d. h. auf blöszen bei uns passen, um sie feindlich zu benutzen; für die beschedigung der hasen, welche den jungen beumen sonderlich gefar seien. Zimm. chron. 4, 23, 14;
die teufel sind deiner seel gefahr.
geistl. schaubühne, Schmeller 1, 551.
2)
einer gefahr ausgesetzt, gefährdet, gleichfalls mit dativ: glaubs auch gänzlich, das die schaf eben so wol als die säu der pestilenz gar gefar sein. M. Sebiz feldbau 1580 s. 141 (gefähr 488). wie diese entgegengesetzte bed. entstehen konnte und berechtigt ist, zeigt das nhd. subst. selber, denn auch da liegt die doppelheit der bed. vor, und zwar entspricht die gewöhnliche bed. der zweiten bed. hier, der ersten entsprechend aber noch im 17. jh. gefahr der feinde.
3)
auch ohne dativ: neüe wasserleitungen sollen nach erkantnus nutzens oder schadens befördert oder verhindert werden. an bergen aber oder wo schlipf und rüszi (l. rüffi) gefahr, soll es ... verbotten sein. weisth. 6, 375, schweiz., wo bergrutsche drohen, gefährlich möglich sind; gefare zeit, gefährliche, schlimme, schweiz.:
erzellend das mit kurzer summ,
von wannen uns der unfal kumm,
das unglück und die gfaren zyt (wol pl. zeitläufte).
Ruff etter Heini 357,
in der spätern hs. in gfarlich geändert; vgl. das adj. gefähr 3 gleich gefährlich.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 10 (1878), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 2060, Z. 54.

gefahr, f.

gefahr, f.
insidiae, dolus, periculum.
I.
Form und nebenformen, ziemlich manigfaltig.
1)
gefahr ist eine wesentlich erst nhd. bildung. die ursprüngliche form (s. unter fahr f.) war, im geschlecht verschieden ausgeprägt, mhd. vâre f. und vâr m. (wie kêre f. und kêr m., vgl. unter 4), ahd. nur fâra f. bezeugt, aber gewiss auch schon fâr m., wie alts. auszer fâr m. gewiss auch schon fâra f., wie mnd. vâre f.; ags. fær m. (engl. fear, s. u. II, 4)), altn. dagegen fâr n. (vergl. unter 4), norw. aber auch fare m. neben far n. Aasen 148ᵃ.
2)
auch nhd. war noch lange fahr vorherschend (s. III, 1245 fg.), das selbst Wieland, Herder, Göthe, Schiller noch brauchten und auch jetzt noch nachklingt in fährlichkeit; im 16. jh. selbst noch in voller form fahre, obwol selten (s. fahr 2): kirchendienen hat viel mühe, fahre und unlust. Luther vorrede zu Daniel, Bindseil 7, 381. Anderseits tritt doch auch schon mhd. allmälich öfter vâr f. auf, s. im mhd. wb. 3, 266ᵃ, 1. 4 sîne vâr, diser vâr, bei Lexer 3, 21 ân alle vâr Elis. 2157, in aller vâr Apoll. 1200 (wie nd. z. b. ût der vâr Rein. 1902), gewiss auch oft in dem formelhaften âne vâr u. ä.; das ist aber wol nicht ursprünglich, sondern gewaltsam gekürzt, durch die gewalt des häufigsten gebrauchs im leben (wie kêr f. für kêre), das schwanken und nachklingen des -e gieng aber eben bis ins 16. jh. Unser gefahr ist also anzusehen (oder anzuhören) wie etwa das ältere und mundartliche bahr für bahre, lehr für lehre, d. h. es ist bei der wiederherstellung der -e (vgl. sp. 1597. 1599 ff.) vergessen worden, wie kehr in rückkehr u. ä. (s. kehre).
3,
a)
die verstärkung durch ge- ist bis jetzt erst im 14. 15. jh. beobachtet (Lexer 1, 956), aber schon in fester formel mit gevar u. ähnl. (s. II, 2, a), sodasz es älter sein musz, zuerst natürlich gevâre; noch im 16. jahrh. schreibt der schreiber der Ambr. hs. im Biterolf 12596 on gfare für mhd. âne vâre. daneben aber ist im adj. gefährlich das ge- auch schon gut mhd. (s. dort). bemerkenswert übrigens im 16. jh. auch befahr f. (s. dort), in der bedeutung furcht (s. II, 4), vgl. sp. 1623 unter b.
b)
auszer dem hd. ist es unbezeugt im nd., musz aber nach gevarlicheit u. a. im 16. jahrh. auch bestanden haben, vielleicht durch hd. einflusz; aber dem nnd. ist es wieder fremd, obwol das adj. nicht (s. gefährlich I, d). fürs nl. geben es am ende des 16. jahrh. Kilian, Binnaert, ghevaer, periculum, discrimen (neben vaer, s. unter II, 5); noch jetzt gevaar (aber als n.), bei Weiland zich in gevaar begeven, gevaar loopen u. ähnl., aber es steht doch wol auch unter hd. einflusz, vielleicht von anfang an, obwol es auch im leben gilt, z. b. fläm. Schuermans 153ᵃ; ist doch auch in schwed. fara f. neben altem fâr n. ein hochd. (oder nd.) einflusz nicht zu verkennen.
c)
das anschieben des ge- muszte schon veranlaszt werden durch die zur seite gehenden mhd. gevære adj. und subst. (s. gefähr), geværde subst. (s. gefährde), bei denen es überliefert und natürlich war als adj. und subst. verb.: man mochte nun auch gevâr als subst. verb. fühlen, wie ein adj. verb. gevâr bestand (s. das vorige gefahr), während umgekehrt das zeitwort vâren, væren erst vom subst. vâre gebildet ist. wie lose man aber noch im 16. jh. das ge- fühlte, zeigt z. b. Ölinger gramm. (1574) 51, der es mit nennt unter composita quibus ge euphoniae tantum gratia apponitur, e. gr. die gezeugnus, die geschrift, die geschwulst, die gefar, die gelust, der gepräst (s. gebreste), der geschmuck (zugleich nachträglich zu sp. 1623 γ).
4)
auch das mhd. masc. vâr erscheint mit ge- verstärkt, im anfang des 16. jh., alem.: also verlech er (der päbstl. legat) .. dem gotzhus, das ain herr von Ow (der abt) möchte .. bichtvetter, weltlich priester oder ordensman .. erwellen und setzen (zur beförderung des beichtens) .. doch das söllich, so allda bichten wellen, kainen gevar und arglist mit iren pfarrer triben, sonder denselben in der vast korsamy (gehorsam) in bicht geton hetten. G. Oheim chron. von Reichenau 33, 18, dasz sie die rechte ihrer eigenen pfarrer damit nicht schädigten und verkürzten (s. II, 2, a). so vielleicht auch folg. bair. gefars gen.: ob sich ain zehentherr gefars oder betrugs zu besorgen het. landordn. von 1553 Schm. 1, 550, in derselben bedeutung. Aber auch ein neutr. oberd. und md., an das altn. fâr n. und nl. gevaar n. erinnernd: ohn alles gefar, casu, fortuito, temere, forte. Schönsleder S 5ᵈ;
ein esel hat derselbig man ..
der kam ins haus on als gefahr,
des hunds ward er beim herrn gewar u. s. w.
Waldis Es. I, 13, 11,
wie sonst on alles gefär, von ungefähr (s. gefähr 1, c, β). noch bair. östr. das gefâr Schm. 1, 550, Höfer 1, 279, aber es fällt in der dortigen aussprache leicht mit gefär n. zusammen und wird auch von Schmeller als gefär aufgestellt, wie umgekehrt gefär bei Schönsleder als gefar aufgefaszt sein kann; auch bei Waldis könnte nur die gebräuchlichere wendung mit gefär das n. herbeigezogen haben, das sonst keinen anhalt hat.
5)
der heutige schwache plur. gefahren ist eigentlich unrichtig, noch im 17. jh. vielmehr stark gefahre, doch mit verlust des -e, z. b.: grosze gefahr bedörfen grosze arznei, in maximis periculis etc. Henisch 974; so bei Luther fahre pl. (Dietz 1, 624ᵇ). doch erscheint es auch im 16. jh. schon schwachformig, im alem., das die schwache bildung früh gern erstreckte: er hat vil gefaaren zuͦ wasser und zuͦ land bestanden und erlitten. Maaler 161ᵃ.
II.
Bedeutung und gebrauch.
1)
gefahr ist ursprünglich feindliche nachstellung, auflauern, auch der überfall (s. u. gefähr 2, b), als subst. zu mhd. vâren, ahd. fârên nachstellen, nachtrachten, auch auf der jagd, z. b. durch fallstricke (s.faaren, foren III, 1257 fg., auch gefahren, gefähren).
a)
so noch im 17. jh. gefahr der feinde, überraschend genug, vgl. gefähren 1, a so im 17. jh.: gib deinen freunden dein geld nicht zum besten auf einmahl, und stehe auch auf der wacht vor der gefahr deiner feinde. Olearius pers. baumg. 2, 4, noch wie ahd. vâra des vîantes (teufels), mhd. vîentlîche, mortlîche vâre u. ähnl.; vgl. übrigens befahren gefährden, verfolgen auch noch im 17. jh. (I, 1248), gleich gefahren, und das adj. gefähr feindlich gesinnt.
b)
ähnlich im 16. jahrh. einem gefar zufügen (vgl. zurichten nachher), wie mhd. wol einem vâre tuon:
gedacht er (Neidelhart) im: warlich ich han
nit wol darinn gehandelt zwar,
das ich so mancherlei gefar
hab zuͦgefuͤgt dem edlen held.
Teuerd. 99, 6,
er hatte ihn mit tückischer berechnung aus einer lebensgefahr in die andere geführt.
c)
auch der heutige begriff ist noch im grunde derselbe, nur so zu sagen auf das andere ende einseitig beschränkt (wie beim adj. gefahr 2) und mit vergessen des ersten endes oder anfanges, d. h. nur noch von der lage des gefährdeten, nicht mehr von dem thun des gefährdenden, von dem das ganze ausgieng. wie der begriff zwischen beiden enden schwankt, zeigt z. b. einem gefar zurichten im folgenden: so rupfen die den adler (das reich), die in beschirmen solten und der vögel meniklich richt im zu gefar und schaden. Nürnb. chron. 3, 58 (var. geferd und schaden); einem ein grosze gfaar zuͦ richten, eim auf leib und läben tringen. Maaler 181ᶜ.
2)
daher dann böse absicht, arge berechnung, arglist, betrug, übervortheilung u. ähnl., d. h. aus dem kriegsleben, in dem sichs ausgebildet haben wird (und auf der jagd) in das gewöhnliche leben übertragen.
a)
so besonders im gemeinde- und rechtsleben.
α)
mit gevar, on gevar. ein schreiber der stadt Augsburg, der 1370 von der stadt nach Nürnberg geschickt wird, entnimmt dann von den ratsherren weit mehr kosten als er gehabt hat, durch falsche berechnung: des wurdens hernach innen, das er von in ze vil mit gevar eingenommen hett wol 137 guldin. Augsb. chron. 1, 310, 30; nun solt ir wissen, dasz es ainem erbarn rat gar laid wär, solt iemant unpillich beschwert sein in diser stat, besonder mit gefar, also ob (wenn z. b.) ainer mer müest geben (steuern) dann der ander. 2, 119, 4, 'zumal mit absichtlicher, bewuszter schädigung', antwort des rates an die klagenden zünfte, vgl. bei Maaler 181ᵈ etwas mit gfaar thuͦn oder gfaarlichen handlen, facere periculose; dasz diese vorgeschr. stücke (einer schenkung) .. mit unsern willen .. geschehen seind und unverbrüchlichen gehalten werden one allerlei argelist und gefar. urk. v. 1402 bei Schamelius beschr. des klosters zu Roszleben s. 67.
β)
gefar brauchen, suchen, treiben u. ä.: und (dasz) darinn kain gevar oder laszung gepraucht würde. Haltaus 609, von pflichtschuldiger hülfeleistung, aus Worms vom j. 1495. beamte sollen beim erheben des zehnten kein gfar suchen noch ainichen fürkauf treiben, mit den zehentgarben kein gfar oder betrug brauchen. Schm. 1, 550 aus der bair. landordn. von 1553, vgl. gefar und betrug unter I, 4, gevar und arglist treiben das. in einem schützenbrief der stadt Meiningen von 1579, der das schieszen ausschreibt, wird zum schutze der gäste u. a. bestimmt: es werden auch keine krumme oder gleich gereifte, gewundene, holnätige rhor zugelassen, sondern alle gefahr ausgeschlossen. L. Bechstein d. museum 1, 284. noch um 1600: (er solle das geforderte) vollziehen und (dabei) gar kein gefahr brauchen. Ayrer proc. 1, 10; die mülner sollen dem malman die stund, wann man ihme das getraid aufschüttet, wissentlich benennen .. damit am malen ainige gefahr gespüret werde. östr. weisth. 1, 13, jede unredlichkeit bemerkt. auch altn. fâr n. von ränken und betrug im handel, s. Fritzner 133ᵇ. s. auch gefähr und gefahren 1, b, gefähren 1, c, betrügen.
b)
jenes mit gevâr entspricht als gegensatz dem häufigen mhd. âne vâr oder vâre, ân alle vâre, womit betheuert ward dasz etwas in bester absicht, oder ohne absicht, ganz arglos gesagt, gethan werde (vgl. Boner unter 4, b), noch im 16. jh. on fahr (s. fahr 2 aus S. Frank). dafür denn später auch ân gevâr, on gefar, z. b.: (ein flöszer, der mit dem flosz aufgefahren, sagt aus) daʒ er an gevar gevaren sei und under seinen dank (wider willen) auf die wur gerunnen. Münchner stadtbuch bei Schm.; in dem sihet on alle gefar, oder vil mer durch gottes schickung Maximilian den glast (des lichtes hinter ihm, beim pulverfasse, und löscht es). S. Frank clavis zum Teuerdank c. 60, deutlich schon vom bloszen zufall, 'ohngefähr', eig. ohne absicht von jemandes seite (s. auch ungefar unter gefährde 1, e, ε). noch im 17. jh.: dise ding geschehen ohngefar, fors ita tulit, ohn alles gefar casu, fortuito Schönsleder S 7ᵈ. gewöhnlich doch on gefär (s. gefähr 1, c), auch neben mit gefar im 16. jh. z. b.: an S. Valentins tag (man kundte nit wissen, ob es ongefehr oder mit gefahr geschehen wer) gieng zu mitternacht ein grosz fewr auf in der statt München. Avent. chron. 494ᵇ, die worte klingen übrigens wie aus versen entnommen.
c)
hierher gehört auch die gefahr im alten rechts leben, von der die rechtswissenschaft noch spricht, doch zugleich in die folg. bedeutung übertretend und sonst eigenthümlich entwickelt. die herschende alte form ist übrigens noch vâre, nd. und md. (vgl. übrigens mhd. unter gefährlich), und bezeichnet eigentlich den fall oder die lage, wo einer vor gericht sich einen formfehler zu schulden kommen läszt, z. b. beim ablegen eines eides, sich gleichsam eine blösze gibt (eigentlich im kampfe), die dann der gegner auflauernd (vârende) zum schaden des andern ausbeutet; denn aus dem kampfleben ist auch das übertragen, wie so vieles im rechtsleben (vgl. krieg II, 2). Aber auch gefahr, im anfang des 17. jh., als einleitung einer wichtigen rede vor dem geding: hat der älteste (scheffe, im namen der andern bescheid gebend) .. also gesprochen .. schulteisz, wollet ihr mich nit fahren, ob ich mehr red als ich bescheid seie (sicher weisz)? .. darauf der schulteisz gesprochen: die gefahr ist abgestattet. weisth. 6, 539, von der untern Mosel, d. h. das strenge aufpassen auf ein zu viel sagen und der daraus etwa euch oder der gemeinde erwachsende schade soll bei seite gesetzt sein (ab staten gethan), ich will euch nicht fâren, eigentlich nachstellen. Der eigentliche sinn tritt im 12. jh. noch deutlich hervor in dem lat. ausdruck dafür insidiae verborum 'quod vulgo dicitur vare' Brem. wb. 1, 346; in einem Naumburger rechtsbriefe von 1152 wird flämischen ansiedlern u. a. auch als schutz zugesprochen: si quis eorum juramento expurgare voluerit, nulla occasione impediatur, nullis verborum insidiis capiatur. Michelsen rechtsd. aus Thür. 145 (auch capere aus dem kriegs- oder jagdleben); daher lat. auch captio, calumnia verborum, juricapium, s. Homeyer Ssp. II, 1 s. 618, ausdrücke die zugleich darauf deuten, wie man dem gegner gegenüber 'gefährlich' verfuhr (s. u. gefährlich II, 2, c, auch gefähr adj. 1, c), ihn zu einem solchen 'gefährlichen' fehler zu verleiten, ihm eine falle zu legen suchte, ihn zu gefahren (s. d. 1, a); weiteres s. bei Homeyer a. a. o., auch richtst. landr. s. 431, H. Siegel die gefahr vor gericht u. im rechtsgang Wien 1866 (sitz. der ak. 51, 120 ff.). Es hiesz dann auch so der schaden, den sich einer zuzog, besonders die fällige geldbusze (gewedde, vergl. gefahren 2, c), aber auch der eid oder die bürgschaft die man zu leisten hatte dafür, dasz man âne vâre handeln wolle, s. Brem. wörterb. 1, 346 (vergl. gefährde 1, c, γ). übrigens auch 'gefährde, hinterlist in verträgen' das. 345; vergl. gefährde 1, c, auch gefähr. wie das zugleich in die folgende bedeutung einlenkt, zeigt z. b.: nun fällt jedem in die augen, dasz seine (des gegenadvocaten) letzte schrift nicht abgefaszt ist, dem urteil folge zu leisten, sondern dasselbe zu eludiren. er hat also seine sache mehr als jemals in gefahr gesetzt. Göthe als rechtsanwalt in Frankf. bei Kriegk kulturb. 307.
3)
gefahr von der lage des gefährdeten (vgl. 1 am ende), der gebrauch der nhd. allein auf dem platze geblieben ist.
a)
schon bei der einfachen form findet sich auch diesz bereits in mhd. zeit, wenigstens im 14. jahrh., besonders md.; folgende stellen lassen zugleich den übertritt aus der ursprünglichen in die neue bedeutung sehen (vergl. 1, c):
und di uberblibne schar,
dî gesetzit bleib in vâr (von feinden umringt).
Jeroschin 10870;
und lac alsus mit grôʒir vâr
bevlochtin und mit sorgin (vom teufel bedroht)
unz an den lîchtin morgin.
22449;
ir îclîcher hette (im bette liegend)
sîn swert ûf sîne huf (hüfte) vorwâr
gebundin durch (wegen) der nachte vâr.
2289.
ebenso mnd., z. b. im Reineke vos:
de slange, beide raven, wulf unde bare,
hir mankt (mitten darunter) stunt he in groter vare.
4644,
denn er war da in groszer gefahr.
Reinicke fuchs Frankf. 1583 148ᵃ;
bi nacht to wanken bringet var.
R. vos 994,
bei nacht wandern bringt gefahr.
R. fuchs 45ᵃ;
Isegrim bevol al de he kende ..
dat se Reinkens nemen war,
dat he nich wechqueme ut der var.
R. vos 1902,
dasz er nicht komm aus dieser gefahr.
R. fuchs 70ᵇ.
auszer dem hd. aber schon weit früher, z. b. ags.:
flugon (flohen) forhtigende, fær ongêton (witterten gefahr).
exod. 452.
auch altn. fâr n. und noch dän. fare, schwed. fara f., norw. faara m.
b)
die verstärkte form ist noch im 16. jh. z. b. bei Luther äuszerst selten, nach Dietz 2, 35ᵃ, er hat nur eine stelle: auch mit gefahr des lebens. schr. 1, 405ᵇ; in den alten einzeldrucken aber scheint nur fahr gebraucht, und auch wo die bibeln gefahr geben, wie Tob. 4, 4. Sir. 13, 17. 1 Macc. 4, 18, hat noch die von 1545 vielmehr fahr; aber bemerkenswert ungefar schon in einem drucke von 1520: des nehsten far und ungefar. Dietz 1, 624ᵃ (durch den rhythmus empfohlen). auch von oberd. wbb. haben die neue form noch nicht der voc. inc. teut., der voc. 1482 (aber geverde); aber Dasypodius zwar im lat. theil nur gevarlichkeit u. ä. (s. gefährlichkeit, im 16. jahrh. häufig für unser gefahr), aber im deutschen neben fahr 323ᶜ auch gefahr periculum, discrimen 337ᵃ, sich in gefahr geben, in gefahr des lebens stohn, aus gefahr erlösen u. ähnl., d. h. erst bei der bearbeitung des 2. theils ist es in seinem bewusztsein durchgedrungen. dagegen bei Maaler nur noch gefaar 161ᵃ, öfter gfaar 181ᵈ, mit viel beispielen. merkwürdig ist dabei, dasz im j. 1523 in dem Baseler nachdruck von Luthers N. T. auch das einfache fahr (gefahr lag ja nicht vor) noch mit unter den auslendigen wörtern erscheint, mit ferligkeit, sorgligkeit erklärt (Fromm. 6, 42ᵃ).
c)
es heiszt in gefahr sein u. ähnl., die gefahr noch wie ein raum, eine gegend gedacht, in dem ein feind, ein unheil oder schade auf uns lauert: in gfaar ston (vgl. d), in gfaar kummen, setzen, gäben, in ein gfaar bringen. Maaler 182ᵃ, in die gefaar bringen, setzen, dare in discrimen. 161ᵃ; auszert der gfaar sein oder weit von der gfaar, abesse a periculo. 181ᵈ (ohn gefahr sein, in portu navigare Henisch 1413); einer gfaar entgon, entrünnen. das.; sich in gfaar gäben. 182ᵃ; wer sich in gefahr begibt, kommt darin um (wer sich gern in fahr gibt, verdirbt darinne Sir. 3, 27); sich der gefahr entziehen. einen der gefahr entreiszen, aus der gefahr retten u. a.; in groszer gefahr schweben. Rädlein 330ᵇ; einen in gefahr stürzen. Frisch 1, 238ᶜ;
und wie beide heilig geschworen, in allen gefahren
tapfer zusammen zu halten.
Göthe 40, 175.
Wie sehr sich aber der begriff sachlich verdünnt oder seinen kreis erweitert hat, zeigt z. b. folgendes, selbst mit der alten kräftigen wendung in gefahr stehn, die noch sehr geläufig ist, obwol mit vergessen des ursprünglichen sinnes (s. d):
denn wenn es, freund, noch zwanzig jahr
beständig lenz und sommer bliebe,
ich stünde wahrlich in gefahr,
dasz ich kein wort, so sehr ich dich auch liebe,
in allen zwanzig jahren schriebe.
Gökingk 2, 142.
auch ironisch, wie vielfach im alltagsverkehr, z. b.: A. sie wollen mir die summe doch nicht etwa schenken. B. nein, damit hats keine gefahr (wie davor sind sie sicher).
d)
gefahr stehn, laufen, mit seltnem acc. bei intransitiven verben.
α)
jenes in gefahr stehn wird unmittelbar aus dem kampfleben stammen, eigentlich wie mitten in der gefahr, von feinden umgeben (von gefahren umgeben, vgl. gefahrumgeben):
bei dem mein leben offenbar
zuͦ mermal ist gstanden in gefar.
Teuerd. 98, 156.
dazu dann mit acc. (seine) gefar stehen, eigentlich ihr gegenüber stand halten, dann sie mutig auf sich nehmen:
kam ein jeger und bracht die mer,
wie in dem wald ein pyrin (bärin) wer
mit sambt iren welflein klein ..
(Teuerd.) sprach: ja, weis mich newr allein dar,
ich wil damit steen mein gefar.
Teuerd. 14, 16;
denke dran was sie für fahr gestanden hat, da sie dich unter irem herzen trug. Tob. 4, 4;
so musz ich auch wol stehn gefahr.
Rein. fuchs (1583) 99ᵇ;
der wiedersprechende (der in der volksversammlung der mehrheit widersprach) muste aber auch so dann seine gefahr stehen, indem der stärkere theil sich selbst helfen konnte. Möser osn. gesch. 1, 216. auch ein gfaar beston, adire periculum (wie einen feind) Maaler 181ᵈ, ihr entgegen treten, gefahr ausstehen, defungi periculis Henisch 1413, eigentlich bis zu ende stand halten; die gefahr überstehen. Frisch 1, 239ᵃ.
β)
ähnlich gefahr laufen, sich einer gefahr aussetzen, eig. hineinlaufen: ich will alle gefahr laufen, auf mich nehmen, I will stand or run all hazards. Ludwig 707 (also auch englisch run und stand, franz. courir risque), vergl. noch in derselben zeit in doppelte gefahr laufen Aler 859ᵃ, noch später der ganze staat wird mit in gefahr laufen Steinbach 1, 406; aber ohne in bis jetzt: ich hätte gefahr gelaufen, mich ... vielleicht zu verschnappen. Lessing 12, 196; o ihr Athener .. werdet ihr jemals glauben können, was für gefahren ich laufe, um mir euere gute meinung zu erwerben. Wieland 9, 40 (Musar. 1, anmerk. 8); und wolltest du .. die gefahr laufen und einem freien volke .. fesseln schmieden? 8, 213 (Danischm. c. 26); in solchen fällen scheint uns rathsamer zu sein, den vorhang ein wenig wegzuziehen, als aus übertriebener bedenklichkeit gefahr zu laufen, vielleicht die unschuld selbst ungegründeten vermuthungen auszusetzen. 1, 257 (Agath. 5, 7); man müste also diese gefahr laufen, man möchte wollen oder nicht. Schiller IV, 165. die franz. wendung wird darauf einflusz gehabt haben.
γ)
eigen aber 'gefahr laufen' wie éin wort selbst wieder mit acc., im 18. jh.:
dasz er, anstatt diesen .. weg einzuschlagen, lieber das äuszerste gefahr läuft.
Schiller VI, 69, 18 (11. br. üb. d. Carl.);
aber ist sie die künstlerin, welche einen ostracismus gefahr laufen könnte?
III, 591;
doch wollten sie lieber die ungnade ihres herrn gefahr laufen.
VII, 197, 28. 327, 25.
jetzt herscht dafür riskieren, d. i. franz. risquer, und das franz. wort mag dahinter gedacht sein. früher hiesz es wagen, eigentlich besteht aber auch gefährden (3, c) und gefahren (3) in dieser bedeutung.
e)
die gefahr wird näher bezeichnet
α)
durch einen inf. oder satz: hier ist gefahr zu stürzen, auf gefährlichen wegen; die truppe kam in die gefahr abgeschnitten zu werden; fürchtest du nicht die gefahr, dein ansehen zu verlieren?; die gefahr, dasz er sein ansehen verlieren könnte.
β)
durch den gen.: gefahr des leibs und lebens, capitis discrimen. Henisch 1413, noch jetzt lebensgefahr (aber sonst lieber gefahr für das leben); er begibt sich in gefahr ehren und guts. Agricola spr. 10ᵃ; in gefahr des lebens stohn. Dasyp. 337ᵃ; er stehet in gefahr seiner ehre. Stieler 401; ich will sie mit gefahr meines lebens stehlen. Schiller II, 172, 23; ihm über die dringendste gefahr seiner person und des ganzen staats die augen zu öfnen. IX, 371;
sie haften mir dafür ... bei gefahr des kopfs.
V, 2, 374 (Carlos 4, 16).
γ)
aber auch mit dem gen. dessen was uns mit der gefahr bedroht: gfaar des meers, maris alea. Maaler 181ᵈ, wie noch die gefahren der see, der nacht u. ähnl.; in gfaar ston des kräbses, es ist zeförchten, der kräbs schlahe darzuͦ. 182ᵃ; ehe der tag die gefahr der nacht vertrieben. Aler 858ᵇ; gefahr des tods. das., jetzt todesgefahr (neben lebensgefahr, doch sachlich gleich), feuersgefahr, kriegsgefahr, aber mit doppeltem sinne, gefahr die ein vorhandener krieg bringt und gefährliche möglichkeit dasz krieg werde.
δ)
natürlich auch mit dem gen. dessen, den die gefahr trifft, z. b.: sie theilte alle gefahren ihres gatten; ich liebe meines herrn (d. h. 'ihre') gefahr nicht. A. Gryphius 1, 775; vgl. meine gefahr unter f, β, eigne gefahr:
der hund mit seiner eigen gefahr
hat uns gegeben diese lahr.
Alberus Es. 19ᵇ;
dagegen fremde gefahr, für einen andern übernommen: es darf (braucht) niemand frembde gefahr suchen, er hat sein selbst gnug. Henisch 1413, 51.
f)
bemerkenswert sind noch andere wendungen.
α)
einfach es ist gefahr (dasz u. s. w.), periculum est, von einer gefährlichen, nachtheiligen möglichkeit; es ist gefahr dabei, res est periculosa. Frisch 1, 239ᵃ; es ist gefahr vorhanden, imminet periculum. Stieler 401. auch es hat nicht gefahr Steinb. 1, 406, keine gefahr Frisch, Göthe 15, 8 (s. IV², 68), das hat oder damit hats keine gefahr. früher mit stehn ähnlich: sonst möchte meinem g. h. eine fahr so wol als uns allen drauf stehn. Luther 4, 374ᵇ; es stat im gfaar darauf und nit mir, es stat im kein gfaar darauf. Maaler 181ᵈ. und dem entsprechend es hat gefahr auf sich, im 17. jh.: über das hatte es auch gefahr auf sich, so lang da zu bleiben, dann ich muste sorgen dasz .. ich verkundschaft würde. Simpl. 1, 344, 15 Kz. (3, 23); vgl. das heutige es hat nichts auf sich, das schadet nichts, was aus jenem gekürzt sein mag.
β)
auf seine gefahr, auf die gefahr etwas wagen u. ähnl.: auf meine gefahr, meo periculo, meo damno. Aler 858ᵇ; vor eure rechnung und auf eure gefahr, four your accompt and risk. Ludwig 707, im handelsleben, z. b. von einer waarenversendung (vgl.γ), schon bei M. Krämer 511ᵇ auf euer gefahr, a vostro rischio, alle spese vostre;
dasz ers auf seine
gefahr thut.
Schiller Piccol. 5, 3.
auch eingeschoben in den satz, wie ein ausruf, mit gehobenem tone: ich antwortete ihr .. dasz sie, auf ihre gefahr, über das leben meiner jungen freundin gebieten könne. Wieland 2, 65 (Agath. 7, 8);
bleib du dem wahren getreu und der ungeschminkten natur,
so kannst du, auf meine gefahr, die andern regeln verletzen.
4, 3 (Amad. 1, 2),
d. h. ich nehme es auf meine gefahr, nehme den etwaigen schaden auf mich, übernehme die verantwortung: wie sie denn auch das gegentheil zu verantworten auf ihre eigene gefahr nehmen. Ludwig 707; er nahm es auf seine gefahr, nach aufgehobener tafel mit dem kaiser davon zu sprechen. Schiller 1104ᵃ. tirol. auf wag und gfar, a rischio Schöpf 122. Wenn bei einem vorhaben von einer drohenden schwierigkeit gesprochen wird, sagt einer wol auf die gefahr (hin) geh ich mit, d. h. davor fürchte ich mich nicht, das nehme ich auf mich;
auf die gefahr, denkt Psyche, wollt ichs wagen.
Wieland 9, 292.
daher im Gottfried von Berl.: Georg. würden wir dann auch reiten (wenn dieser allgemeine friede einträte)? Gottfr. der unruhigste kopf wird zu thun genug finden. auf die gefahr wollte gott Deutschland wäre diesen augenblick so! Göthe 42, 145, Hirzels j. G. 2, 138 (vgl. 333), eine kühne volksmäszige wendung, bei der die ausgaben noch keine interpunction versucht haben; d. h.: auf die gefahr! fürchtest du das?! ich nicht, auch auf diese gefahr hin wünschte ich doch u. s. w., auch das sollte mir nicht bange machen. vgl. auf gefährd hin unter gefährde 2, c.
γ)
im handelsleben: die verkaufte sache steht sogleich nach geschlossenem kaufcontracte auf der gefahr des käufers, ihn trifft der schade den sie etwa erfährt; der käufer trägt die gefahr; der verkäufer hat die gefahr bis zur ablieferung übernommen u. ä.; vgl. unter β auf eure gefahr, jetzt lieber ital. risico (neben franz. riskieren).
g)
auch zum begriffe ist noch bemerkenswert, wie er sich auf einer seite nun so verdünnt hat, dasz man auch eine blosz unangenehme, ja nur unwillkommene möglichkeit eine gefahr nennt (vgl. unter c aus Gökingk, s. auch gefährlich 4, d), wie aber anderseits doch auch die alte volle kraft noch nachklingt z. b. in dem beliebten drohende gefahr, gefahrdrohend, es droht die äuszerste gefahr (das allerschlimmste denkbare), wo nicht eine blosze möglichkeit, sondern ein wirklicher schade das drohende oder gedrohte ist; so im 16. jahrh.:
da ich noch war ein junger mann,
fieng ich an jungen zieglein an,
der hab ich mancher den tod gethan,
manch lämblein jung bracht ich in gefahr.
Reinicke fuchs (1583) 73ᵃ,
d. h. habe sie erbissen, nicht blosz mit dem tode bedroht. daher mit schade verbunden, beide wesentlich gleich (s. auch ebenso gefähr 2, b a. e., gefährde 3, a):
wir hettens alle schand fürwar
und dar zu schaden und gefahr.
70ᵃ.
in vocc. des 15. jahrh. wird auch periculum mit schade erklärt (Dief. 426ᶜ), wie bei Maaler 181ᵈ 'gfaar, schad' (s. auch gefähr 2, b, gefährde 3, a). im 18. jh. verdeutlicht Rädlein 320ᵇ gefahr mit not. doch auch das gefahr drohen ist da inhaltlich schon recht klein geworden, folgendes z. b. würde wol noch dem 17. jh. als stark übertriebener ausdruck fast lächerlich erschienen sein, in einem frühlingsliede:
kein nordwind drohet weiter
der zarten haut gefahr.
Gotter 1, 27 (vom j. 1769).
Auch mundartlich zeigen sich verdünnungen des begriffes, z. b. bairisch es is oder es hat e gfar, ob .., es ist ungewiss, ich zweifle, s. Schm. 1, 550; es is e leichte gfar, das schadet nicht viel, hat nichts zu bedeuten. 551, schwäb. 's ist a gfahr, hat wol etwas zu bedeuten, s. Schmid 178; schweiz. dagegen es is e gfahr, öb .. oder .., ist einerlei, eigentlich ironisch, s. Tobler 219ᵇ.
h)
sprichwörtlich: nicht mehr denn täglich not und gefahr. Henisch 1413; gefahr und creuz machen andächtige und fleiszige leut. das.; vil jahr vil gefahr. 1414; vil jahr und gefahr bringt weisheit gar. das., also von den heimsuchungen, prüfungen des lebens. bemerkenswert ist: gefahr wird nicht ungefahr vertriben. 1413, 63, ungefahr schon für on gefahr, wie gleich darauf gefahr musz man mit gefahr überwinden, wo zugleich der ursprüngliche begriff noch herausblickt, anfeindung des lebens o. ähnl., der man nicht weichen, sondern mit eignem angreifen begegnen musz.
4)
zu erwähnen ist doch auch eine seite des begriffes, die nur gerade hd. nicht völlig entwickelt ward, die verlegung ins innere, d. h. die gefährliche lage wie man sie in sich empfindet, also furcht, angst, schreck (vergl. diesz schreck als äuszerlich und innerlich zugleich).
a)
am bekanntesten ist so engl. fear, altengl. feer, fere, auch ags. fær schreck schon mit ins innere übergehend (gefæran schrecken). auch schwed. mundartlich fara f. furcht Rietz 128ᵃ, altdän. fare Molb. dansk gl. 1, 199, fries. fær Halbertsma 961, Outzen 69, nl. 'vaer metus, terror, horror et periculum' Kilian, noch jetzt alterthümlich vaar f., auch landsch., wie fläm. Schuermans 770ᵃ. auch dem hd. immer näher rückend nrh. im 15. jh. vair, sorge Teuth. 283ᵃ, mnd. vare pavor Dief. 418ᵃ, oft z. b. im Rein. vos; dann auch md. vâr, pl. vâre zwischen dem äuszeren und inneren schwankend, im pass. und bei Jeroschin, ins letztere wol ganz übertretend in eines vâr hân, ihn fürchten Herb. 14840, s. mhd. wb. 3, 267ᵃ.
b)
aber hd. dennoch nicht, denn die beiden hd. stellen dort sind anders zu fassen. in der klage 1848 L. (3700 B.) ist für Lachmanns enwâge und envâr mit Bartsch enwage und envar zu schreiben, in wogender, fahrender bewegung, zu var weg, wanderung, wie das enwage schon im mhd. wb. 3, 641ᵃ so berichtigt ist. bei Boner 91, 29 aber, wolte trinken âne vâr (von dem heiszen weine, den er für kalt hielt), entspricht diesz dem on gevar unter 2, b, ohngefähr, so ohne weiteres, ohne acht zu haben, wie es im welschen gast 10418 heiszt er ist sîn gevære niht (var. wirt sein gewar), achtet nicht auf ihn, denkt nicht an ihn. allerdings ist beide male von schädlichem die rede, in der zweiten stelle von einem feinde, also zugleich wie ohne arg, arglos, das auch noch beide gegensätzliche bedeutungen vereinigt: ohne arges zu wollen, und ohne arges zu fürchten, was sich ja auch vereinigt in 'ohne an arges zu denken'. ein hochd. var furcht könnte folgendes bezeugen: verlicher oder vorchtsamer, timoratus, periculosus. voc. 1482 ii 2ᵃ; aber in diesem Nürnb. voc sind nd., md. quellen benutzt, s. z. b. brutlacht e 3ᵇ, hoike t 5ᵇ, wickersche oo 1ᵇ, buten e 4ᵇ.
c)
auch ein gevar, gefahr furcht gibt es nicht, wol aber befahr f. nebst befahren fürchten (schwed. befara), auch sich befahren, im 16. jh. auch sich befehren (I, 1248 m.) und wol gefähren (s. d. 3, f), s. auch erfähren erschrecken, mhd. erværen; s. auch das östr. gefähr 3, abergläubische besorgnis. merkwürdig genug, dasz die sonst allgemein entwickelte bedeutung auch im hochd. so weit vordrang und doch von gefahr fern blieb, während sie im engl. umgekehrt siegte. doch in älterem mitteldeutsch und in norddeutschem hochdeutsch, das ja zugleich mit niederd. sprachbewusztsein arbeitete, ist es zu erwarten und liegt wol z. b. im folg. vor:
sein hausfraw im entgegen gieng ..
sagt, wie sein ausbleiben gar sehr
sie hab manch zeit vorfert, und mehr,
wie ihr für ihn sei bang gewesen,
so leid, dasz sie nicht genesen
hab können für angst, sorg und gfahr.
Thedel Unvorferd D 2ᵇ, Gödeke 11 b. d. d. 1, 151ᵃ;
so musz man eins fürs ander zwar
gewarten mit sölcher gefahr.
F 5ᵃ, Gödeke 152ᵃ.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 10 (1878), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 2061, Z. 25.

gefähr

gefähr,
adj., infestus, obnoxius, periculosus, gleich dem seltneren gefahr (sp. 2060); mhd. gevære, ahd. gifâri Graff 3, 576, auch nhd. noch lange fortgeführt; mhd. nebenform geværic (ahd. fârig), noch bair. gefärig Schm. 1, 551, nd. 16. jahrh. geferich Sch. u. L. 2, 95ᵃ, auch gefer 2, 93ᵇ. ursprünglich wol adj. verb. zu vâren, ahd. fârên, s. wegen der bildung sp. 1617 (ε), wegen der bedeutung unter gefahr f. nhd. übrigens mit verschiedener schreibung.
1,
a)
im eigentlichen sinne: gefeer, infestus. Alberus Tt 1ᵃ, feindlich nachstellend, mit einem in feindschaft u. ä., mhd. vielfach im kriegsleben, z. b. von überfällen, angriffen; mit dativ einem gefähr sein (vgl. feind und gefehr nachher bei Luther):
gottes dienst hand si (die städte) gewendt
und manige kirchen ausgeprennt,
den hailigen sind geväre.
Uhland volksl. 428;
die vierd aigenschaft des häslin ist, das die hund dem häslin gefär seind. das bedeütt uns, das die hellischen hund, die teufel, den guͦten gaistlichen menschen als gefär seind. Keisersberg has im pf. 1510 Aa 6ᵇ; die dann dem herren allwegen allergeferest und strengest doruf waren. post. 1, 7 (Scherz 494), wo es adv. zu doruf scheint (s. u. b von eifer auf etwas); als ob ihn der teüfel mer gefär sei dann sunst. Frank weltb. 133ᵃ;
sie (die wölfe) sind den schafen so gefehr.
Alberus Es. 97;
der murnarr ist uns (mäusen) gar gefehr.
164;
wie auch Xenophon schreibt, das Cyaxares dem Cyro gefehr gewesen. J. Jonas, Melanchthons pr. Daniel ausgel. deutsch Witt. 1546 s. 43; da wirstu finden, nicht allein frembde oder böse buben, sondern auch deine nehesten und besten freunde .. die dir gefehr und gram sein. Luther 6, 194ᵃ; sonst würden sie beide im und uns der person halben nicht so feind und gefehr sein. ders. bei Dietz 2, 35ᵇ, in stabreimender formel;
dær mir gefær on uͦrsach war.
Melissus ps. C 1ᵇ;
den pawren war ich auch gefehr,
that inen allerlei beschwer.
Ringw. tr. Eck. G 2ᵇ;
das ich euch (der sperling seine kinder) getrewlich warn und lehr,
womit ander euch sein gefehr,
womit man ewerm leben stellt,
ehe denn ihr reiset in die welt.
Rollenhagen froschm. Aa 5ᵃ.
der ursprüngliche begriff des auflauerns als feind tritt auch nhd. noch deutlich auf, vgl. gefahr f. II, 1. noch im 18. jahrh. nach Frischs angabe 1, 239ᵇ 'einem gefähr seyn, insidiari, wird noch von einigen gesagt', s. aus mundarten unter b.
b)
manigfach übertragen auf andere verhältnisse, schon mhd.; eine krankheit z. b. ist mir gefähr, ich bin ihr ausgesetzt (vergl. die umgekehrte wendung unter 3): wiewol es den männern auch nützlich ist, denen das därmgegicht und krimmen gefehr ist. Tabern. (1588) 47. pferde dem kalten wasser, mäuse dem salze, stellen ihm nach: die pferde stecken den kopf (beim trinken) .. bis in die helfte in das wasser hinein, denn sie sind der kälte und feuchte von wegen ihrer hitzigen und truckenen complexion (s. unter kalt 3) sehr gefähr. Uffenbach 2, 4; man soll auf den höfen das salz wol verwahren, damit die mäuse nicht dazu kommen, als welchem sie sehr gefähr sein und allenthalben aufsuchen. Hohberg 3, 1, 63ᵇ. so noch z. b. westerwäldisch einer sache gföhr sein, sehr nachstellen, z. b. dat könd es dem geld sehr geföhr Schmidt 65, schwäb. gefähr Schmid 178, auch elsässisch; bair. die katze ist dem speck gefähr, darauf erpicht, auch der junge ist dem studieren nicht sehr gefähr, s. Schm. 1, 551. Mhd. z. b. so dem guote gevære, wie vâren und das subst. vâre von allerlei trachten, nachtrachten:
(pfaffen, fürsten) seind dem guͦte mehr gefehre,
dann heiliger und geistlicher lehre.
Renner Frankf. 1549 s. 15,
und noch im 16. jahrh. dem golde gefär sein:
ach, wa vermag doch dis das gold,
dem man doch ist so gfär und hold.
Fischart 3, 24 Kurz.
auch von neugier, die heimlichkeiten u. ä. nachstellt: wie wol es ist, das die frömbden nit wissen von den sachen der oberen (obrigkeit), das sie diesem gevär seind, nôch dem (deshalb) so wissen wir stattlüt das allein. Keisersb. post. 2, 84 (Scherz 493), wo im zweiten satze mit das das nit nachwirkt.
c)
auch von unredlichem thun, untreue u. ähnl.:
ich sprach, junkfraw, ir seit mir gfer,
nun ger ich doch von euch nit mer u. s. w.
Folz ein pulschaft, Haupt 8, 512,
d. h. ihr wollt mich boshafter weise nicht verstehen, verfahrt nicht redlich mit mir, es ist eigentlich wie mit den 'insidiae verborum' im rechtswesen (s. sp. 2063 fg.). auch als adv., in untreuer weise:
gedenke doch der zeit,
da wir verbunden waren ..
mit höchster einigkeit.
wie läst du nun den rauschen (fahren)
den eifer (eifrige freundschaft) so gefehr?
Rist Parn. 718.
d)
bemerkenswert ist, wie doch das sprachbewusztsein in dem adj. unsicher wurde und sich zu helfen suchte: darum ist kein wunder, das die kriegsknecht den klöstern so gefähr seind. Garg. 1594 253ᵃ, in der ausg. von 1617 aber so gefärd sind (Scheible 478), und so schon viel früher geferd bei Brant, Keisersberg, s. unter gefährde 3, c sp. 2077; d. h. das adj. mischte sich mit dem subst. und trat auch darein über, und so ist auch das gefehr bei Alberus Es. 164 unter 1, a mit groszem anfangsbuchstaben als das subst. gefaszt, etwa wie jetzt das ist eine gefahr für uns (ein ähnlicher fall sp. 2035). aber auch participisch umgebildet oder verstanden, noch henneb. einem gefährt sein, feind oder aufsäszig Reinwald 1, 41. 2, 48.
2)
aber auch umgekehrt einer krankheit gefähr sein, gefährlich ausgesetzt: die esel sein den siechtagen (dieser krankheit) nicht so gefähr. Sebiz 488 u. ö.; s. bei dems. ebenso gefahr 2 sp. 2060 fg.
3)
auch gleich gefährlich, gefahrbringend, gefahrvoll; eine alte drohet einem mit krankheiten, die sie ihm 'thun' wolle:
ich wil dir die der (d. i. derre, darre) thuen ..
geferen swintel, külsen und fueszspar.
fastn. sp. 993, 12;
vil ein geferern krieg fuͤret der adler mit dem dracken .. weil der drack des adlers art (dat.) gefar ist, vervolgt in der adler wa er in ankumpt. S. Frank chron. 1536 1, 158ᵃ; so vil gefärer ist nun dise geistliche doppel welt dann jhene, wie vil heimischer. chron. 254ᵇ;
denn an dem see wer sehr gefehr
also sicher spatziren her.
froschmeus. F 6ᵃ (I, 1, 9).
noch spät im 17. jh. in den unechten zuthaten zum Simpl.: des teufels gefähre nachstellung. 1685 1, 366; und wird es heute für ein stück der beredtsamkeit und besonders edle gabe gehalten, wann einer ... von groszen streichen, herrlichen thaten, gefähren reisen ... daher zu lügen weisz. 1, 520; was für schwere und gefähre bürden gemeiniglich die hohen ehren und würden nach sich ziehen. 1, 150;
sich freiheit erhalten ist thoren nur schwer,
sie wieder erhalten ist weisen gefähr (klein geschrieben).
Herder 8, 100.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 10 (1878), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 2068, Z. 24.

gefähr, f., n.

gefähr, f. n.
gleich gefährde, gefahr, zwischen diesen beiden formen wie vermittelnd, mhd. gevære f. n. (s. genauer u. 1, c, α), ahd. nur fâri f. bezeugt Graff 3, 576 (mhd. være Lexer 3, 21); auch nhd. später wieder in voller form gefehre, s. 2, c. das geschlecht ist oft nicht zu erkennen, aber f. und n. doch sicher bezeugt (s. besonders 1, c, β), wie mhd. und wie bei gefährde (s. d.). s. ebenso sp. 1635 gebär f. und n. neben und zwischen gebar f. und gebärde f. und n., subst. verb. zu gebâren, wie diese zu fâren nachtrachten.
1)
nachstellung, feindliches thun und feindliche gesinnung, böse absicht u. ä., d. h. wie gefahr II, 1. 2 (s. d.).
a)
einem gefer zufügen u. ähnl. von der that, gevär tragen von der gesinnung, und noch anders:
doch wart ich innen,
daʒ si wart beginnen
einer gefär wider mich.
lieders. 2, 705,
dasz sie mir eine falle legen wollte u. ä. (vgl. ahd. fâra laqueus Graff 5, 575);
ich nim es auf mein sterben swer ..
das ich der frauen nie gevär
von ganzem herzen trueg.
Osw. v. Wolk. 108, 7, 15,
dasz ich ihr unverbrüchlich treu gewesen bin;
gedacht stets hin und her,
wie er dem held gefer
mocht fuͤgen zuͦ.
Teuerd. 25, 100;
herr, wölt das nit verübel han
und halten gar für khein gefer.
54, 93,
seht es nicht für bosheit an, dasz ichs bös meinte;
Tewrdank der merket die gefer.
23, 38.
b)
zu, in, mit gefär etwas thun, sagen u. ä., einem zu gefär, wie mhd. ze vâre, ihm zu schaden, in böser absicht (vgl. einem gefähr sein beim adj.): dasz (was) ich mit sampt andern dienern (beamten) auf des rats befelhnus und beger, wie (da gerade) zu Anspach ain lantgericht was gehandlet worden, niemant zu gevaͤr satzten und zu versteen gaben. B. Zink Augsb. chr. 300, 21, zur anzeige brachte, ohne auf jemand zu zielen; s. auch on gevär (s. c) mit dat.: daʒ man sein sun nindert in chain sein slosz noch stat solt laszen, er gelobet dann pei sein trewn, der stat oder dem slosz on gevär ze sein und on schäden. deutsche chron. II, 367, 24. auch in geväre Suchenw. 38, 194 (wie ahd. in fârun Otfr. III, 17, 7. 22, 10), noch nhd., bair.: dasz dasselbige neue buch in keinem gefähr, sondern der meinung gemacht sei, dasz ... Krenner landtagsh. 7, 442 (Schm. 1, 550), dasz niemand darin eine gefährliche änderung für seine rechte zu fürchten habe. mit gevär:
er fuͤrt ein langen raien ..
damit (bei der gelegenheit) tet er sich zwaien
mit seinem widerpart,
zu dem er het ain grollen,
er stiesz in mit gefär.
d. h. nicht on gefär, wie es beim tanze leicht geschieht:
Unfalo sprach: ach lieber herr,
es ist warlich nit mit gefer
geschehen (das von ihm angerichtete unglück).
Teuerd. 43, 130;
er fragt den helden mit gefer,
wie sein pferd also het getan?
54, 78,
d. h. um die schuld von sich auf das pferd abzulenken;
ich merk wol die pösen list (pl.),
so Fürwittig hat biszher
mir bewisen mit gefer.
23, 52;
so ainer ainen andern mit ainem stain würf .. muetwillig und mit gever. östr. weisth. 1, 186, 16, vgl. 188, 24.
c)
besonders on gefär, verstärkt on alles gefär u. a.
α)
on gefär, gleich dem mhd. âne vâre (vâr, s. sp. 2061), seit dem 14. jahrh. tritt ân gevære dafür auf und ein, bald gekürzt durch häufigen gebrauch:
beschaid ich uns der märe
getreulich, an gevere.
Wolkenst. 24, 4, 6;
einen streit an gevær schaiden, unparteiisch schlichten (s. unter gefährlich aus dem Schwabensp.). bair. landr. von 1332, Schm. 1, 550, vergl. ebenda einen geværs zeihen, der parteilichkeit beschuldigen; und daʒ (liebeleben) ubersahen im die herren und dienær, wan er in liep was und auch wol westen, daʒ eʒ an gevær was. deutsche chron. II, 329, 12, ohne arg, in guter meinung, d. h. auf den rat der ärzte;
mein gedank stet all zeit, frau, an dich.
'an gever, in ganzer stätikheit?'
Wackernagel leseb. (1839) 969, 26.
Daher denn unser ungefähr (s. d.), eig. ôngefär, doch auf den bloszen begriff des zufalls eingeschrumpft, der doch auch im 16. jh. darin schon deutlich mit auftritt, auch bei on gefar, s. besonders die stelle aus S. Franks clav. z. Teuerd. sp. 2063; auch im 15. jh. schon früh: wann ain maister naw (stromab, mhd. enouwe) vert mit salz, so mag er wol angevär in ain seicht varn. östr. weisth. 1, 87, 46, arglos, achtlos, schuldlos, zufällig. wie aber da der ursprüngliche sinn noch nahe dahinter liegt, so auch noch im 16. jh. in manigfachster färbung, z. b. in der warnung der schwalbe an die vögel:
der ackerman kompt bald daher
mit seinem gsinde on gefehr,
den flachs zu samlen und zu raufen ...
damit man uns thut überfarn,
zwackt und erwüscht, die köpf zerdruckt u. s. w.
Waldis Es. I, 16, 46,
eigentlich arglos, ohne an schlimmes zu denken;
wenn er ein kanden wein tregt her (der wirt),
so setzt er zwo (an), ist on gefer.
Ambr. lb. 130, 38;
auch nd. so ane gefer, s. bei Sch. u. L. 2, 93ᵇ unter geverde 2. zuckt das doch noch jetzt nach in einem letzten restchen in dem ungefähr, mit dem wir eine zahl angeben (ungefarlich plus minusve Schönsleder S 8ᵃ), d. h. eigentlich: ohne es genau zu nehmen, damit mir keiner nachher einen fehler nachweisen, eig. eine absichtlich falsche angabe zuschreiben könne. Auch im 16. jh. schon vereinigt ohngefehr (s. Aventin sp. 2063 m.), aber auch im 17. jh. noch getrennt:
ich bin von jugend her
der wissenschaft befreund, die ich nicht ohn gefehr
und oben hin nur weisz.
Fleming 201 (bei Lapp. 186 in vermeinter berichtigung ohngefehr);
aber merkwürdig auch in der entgegengesetzten bedeutung 'sicher', so dasz niemand einen fehler nachweisen kann (s. auch aus Uhland volksl. 406 u. β), was auch aus dem rechtsleben herrühren musz, wo der gegner auf die worte des andern mit gefär lauerte (s. u. gefahr sp. 2063 fg.):
was Opitz hat geschrieben,
was unser Werder singt, das kanst du ohn gefehr
und sagst es ohne buch auf einen nagel her.
Fleming 47 (Lapp. 136 ohn' gefähr).
Die heutige, eigentlich sinnlose form erscheint übrigens auch schon früh im 16. jh., eine folge des massenhaften gebrauchs, z. b. im Teuerd. (vergl. schon im 15. jh. un- und on tauschend sp. 1644 unter 6, a):
Fürwittig, als er hin und her
gedacht, viel im ein ungefer
ein sach u. s. w.
21, 2;
und stuͦnd (trat) hinder ein klein peümlein (sich zu schützen),
das zuͦ seinem gelück ungefer
da stuͦnd.
27, 25;
aber noch nicht bei Jeroschin 6832, wo ungevêr, zudem widersinnig, verlesen sein musz für im gevêr, wie die andern hss. haben und auch in S Pfeiffer s. 164 gelesen hat; wol aber im 15. jahrh. ungefar, ungeferd, s. sp. 2076. übrigens auch mit adv. bildung ongefarlich, ungefarlich, z. b. in der Zimmer. chron. beides, d. h. in das alte ungeværlich adv. einlenkend (s. gefährlich II, 1).
β)
gern verstärkt on alles oder alle gefär: (geloben) daʒ si bei der richtigung mit uns beleiben und (sie) staͤt halden, getrewleich, an alleʒ gevaͤr. urk. von 1374, städtechron. 4, 178, 11 (nachher das. an allʒ gevaͤrd), so oft urkundlich, wie on arge list u. ähnl.;
her wert, bringt wörfel und karten her,
wi willen spelen an als gefer.
Waldis verl. sohn 751.
s. auch ohn alles gefar unter gefahr I, 4. mit fem.:
so ist dasselb ohn alle gefehr,
es wird in leicht vergeben.
Ringwald geistl. l. D 1ᵇ,
die schuld ist ungefährlich, also zugleich zu 2, auch mit dem gen. des gefährdeten: on alle gefär des gewissen. Luther bei Dietz 2, 35ᵃ (in den schr. 2, 310ᵃ on alle fahr). Aber auch völlig wie ohngefähr, zufällig: lief mitten durch die todten, so kompt sie ohn alle gefehr zu einem erschlagenen, der mit einem spiesz erstochen worden war. buch d. liebe 207ᵃ;
dasselbig (das pferd) on alles gefer
traf den brunnen nach dem beger.
Teuerd. 63, 41;
ohn alles gefehr, casu, praeter expectationem. Henisch 1418. Wie vielgebraucht die wendung war, zeigt das einschrumpfen des alles zu als, schon im 14. jh. (vgl. ân allʒ gevaͤrd vorhin):
ich wolt, du wesst (wüsztest) an als gever
mein freuntschaft halb, die ich dir trag.
ich antwort im an als gever.
8, 2, 8;
ich sing euch hie on als gefär,
was iez sein die reutersmär u. s. w.
Uhland volksl. 496,
wie jetzt ungefähr bei zahlenangaben (s. unter α), zugleich an das ohn gefehr, fehlerlos bei Fleming oben rührend;
der gsell wendt sich on als gefehr,
wolt sehen wer sein helfer wer.
Waldis Es. IV, 72, 37.
noch bair., tirol. an àlls gfár, unversehens, zufällig, s. Schm. 1, 550, Schöpf 121 fg., und selbst so dasz das ân ganz entbehrlich wurde, àllsgfár (Schm.² 1, 741), tirol. auch altsgfarts, völlig verdunkelt, in eine genitivische adverbialbildung umgewandelt (gfart gleich gefährde).
γ)
auch durch list verstärkt: denn ob sie (die fürsten) gleich unrecht thun, wie der könig von Babylonien dem volk Israel, dennoch wil gott inen gehorsam gehalten haben, on alle list und gefehr. Luther 1, 249ᵃ, ganz getreulich.
2)
die gefährliche lage dessen, dem die gefähr gilt, also gleich unserm gefahr (s. dort II, 1, c); doch ist zu sehen, dasz in diesem punkte sich die beiden formen schieden, denn gefähr ist in dieser bedeutung schon im 16. 17. jh. weniger entwickelt, wie umgekehrt gefahr in jener. so blieb denn endlich auch für diese bedeutung nur gefahr, gefähr nur in jener (in ungefähr).
a)
sprichwörtlich andrer gefaͤr sei dein leer, es ist guͦt mit ander leut schaden weis werden, feliciter sapit qui alieno periculo sapit. Frank spr. 1, 7ᵇ; ehr, gefähr. Henisch 1413, 60, die meinung des spruches wird unter gefahr II, 1 klar. es hat gefehr, wie es hat gefahr sp. 2066:
man sagt, ein dieb sei niergend basz,
wenn man wil das ers stelen lasz,
denn am galgen, da hats kein gfehr.
Waldis Es. IV, 34, 29.
in gefer stehn, kommen u. a.:
dann wo es euch misraten wer,
so het ich müssen in gefer
gegen ewren genaden stan.
Teuerd. 21, 56;
gedacht in im: mein leben
steet on das in groszer gefer.
67, 77;
dann er west schier kein gefer mer,
darein er mocht den helden bringen.
67, 104;
dardurch der held kem in gefer.
69, 3;
es sol euch bringen kein gefehr.
Ringwald tr. Eck. A 8ᵃ;
ach herr, du kommst in grosze gefähr.
Frischlin Sus. s. 343.
gefähr erleiden: allein bitt ich dich, du wöllest mir .. erzelen dein erlitne gefähr und arbeit. Schaidenreiszer Odyss. 184ᵇ (gefahr 161ᵇ).
b)
auch hier, wie bei gefahr (s. d. II, 3, g) tritt der stärkere begriff auf, wirklicher, erlittener schade, nicht blosz drohender; so deutlich im folgenden:
solt ich zerstrewt (statt gesammelt) sein zogen her,
mügt gedenken, ob ich nit gefer
von den feinden gewart muͤst han.
Teuerd. 81, 66;
darin klingt nach, im kriegsleben fortgeführt, dasz das alte vâre, fâra nicht blosz den geplanten, sondern auch den ausgeführten überfall bezeichnete (ags. fær Beow. 1069), wie erkennbar ist z. b. aus ahd. fârlîhho subito (neben clam) Graff 5, 576, ags. færdeáđ plötzlicher tod Grein 1, 277. so erscheint das mhd. væren oder geværen (s. gefähren), vâren und gevâren noch im 14. 15. jh. im kriegsleben: in dem jar (1377) zoch der bischof von Aichstett und herzog Fridrich von Teck .. für Kaufbeurn mit 400 spieszen und wolten die stat gevert han mit ainem sturm. Augsb. chr. 2, 17, 20, nicht blosz bedrohen (wie mhd. vâren vom belagern z. b. Parz. 658, 23), sondern überrumpelnd einnehmen (was auch durch das vorgreifende perf. bezeichnet ist). ein kriegshaufe wird ausgeschickt
kegn der burc zu Garten,
ob si der mochtin icht gevârn,
di wîl di wirte ûʒin wârn.
Jeroschin 22956;
vgl. von verwundung im kampfe:
daʒ du iht (nicht) vârest min.
Gudr. 363, 2.
So sind wol auch noch folgende gefaͤr nicht die kriegsgefahren, sondern die verluste: hetten die Griechen all gfaͤr erwegen (die ihnen drohten), sie weren nimmer für Troiam zohen. Frank spr. 2, 44ᵃ. wie aber das in die blosze möglichkeit von verlust und schaden übertreten konnte, zeigt das noch geläufige drohende gefahr. auch gefähr wird mit schade gesellt, wie gefahr (sp. 2067): sammle auf ainen haufen alle gefähr und schäden deines lebens. S. Frank .... 29, s. auch u. a bei Frank gefär und schaden gleichbedeutend.
c)
selten werdend im 17. jahrh., aber wieder in voller form gefehre, vermöge der damals thätigen wiederherstellung der endungen (s. sp. 1601):
geht hin, ihr liebes paar, den weg der ewigkeit (heimreise von der hochzeit).
geht, geht, es ist gewiss ohn einige gefehre.
ja wann das streiten nicht in Böhmen gröszer wäre u. s. w.
Opitz 2, 68 (poet. w. 2. b., hrn. K. Kirchnern).
auch in der bed. 1, c, eine warnung vor πολυπραγμοσύνη:
bei deim beruf ohn all gefehre
von meim exempel bleiben lehre (lerne),
und meide, wie ein bös venein (gift),
in frembder sach fürwitzig sein.
Zinkgref apophth. (1653) 1, 194,
d. i. ganz getreulich und einfach, s. 1, c, β. im 17. jahrh. verschwindet es aus den wbb., im anfang zwar noch bei Henisch verzeichnet, fehlt es doch bei M. Krämer, Stieler, aber auch schon im 16. bei Maaler, Dasypodius.
3)
bemerkenswert eine verlegung ins innere:
ob er schon weisz, das er hat schuldt,
iedoch setzt er im kein gefehr
im gwissen.
Waldis Es. IV, 98, 83 (2, 276 Kz.),
macht sich kein bedenken, sorge, religio. das musz häufiger gewesen sein (s. auch gefährde 3, b), nur der beobachtung entgangen, denn im grunde dasselbe ist ein gebrauch der sich in Österreich erhalten hat: das gefāhr, besorgnis eines zufälligen übels, abergläubisches bedenken Höfer 1, 279, z. b. „manche haben ein gefahr mit dem vieh und lassen es (zum schutze) am St. Georgen tag um das haus herum gehen, oder wenn ein stück verkaufet wird, selbes rücklings aus dem stalle treiben“ (also völlig gleich dem ursprünglichen religio):
der alt Schwammerjodl hat dös gfár ( : wár, wäre):
wann ám án alts weib gegnt vorn eh,
da grath nix.
A. Schosser naturbilder 16,
im gloss. s. 136 'das gfár, mit hohem a, aberglaube, vorurtheil (die gfahr, mit tiefem a, gefahr)', d. h. gefær, nicht gleich gefahr (s. d. I, 4). es berührt sich mit der bed. furcht, s. gefahr II, 4.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 10 (1878), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 2069, Z. 69.

gefähr, n.

gefähr, n.
subst. verb. zu fahren, mhd. varn.
1)
fahrzeug: ein gesprächer gefehrt ist an statt eines gefährs, comes facundus in via pro vehiculo est. Aler 862ᵇ (vgl. unter gefährte); ein wundersames fahrzeug (wagen) .. ein östliches oder wenigstens ostartiges gefähr. Immermann Münchh. 3, 109 (196). 141 (259); der jäger sah verwundert das ochsengefähr an. 110 (199). im 17. jahrh. in M. Krämers it. wb. 511ᵇ gefähr n. carriaggio, auch collect. un' imbarazzo di carri. auch nl. gevaar n. fahrzeug, fläm. geveer Schuermans 153ᵃ. vergl. gefährte n., auch dasselbe unter 2, a zum folgenden.
2)
ein wildes gefähr in einem strome: am 3. jan. steht das Rheineis festgeschlossen von der Loreley bis zum wilden gefähr. mittheil. d. groszh. hess. centralstelle f. d. landesstat. 1868 nr. 66. auch gefährt: unter Bacharach ist abermals eine, doch nur für die thalfahrt gefährliche stelle, das wilde gefährt genannt. Al. Schreiber handb. f. reis. am Rhein (3. aufl.) 167, eig. wo ein 'wildes fahren' ist sowol der wasser als der schiffe; vgl. mnd. int wilde geverde rîden, aufs geratewol, auf abenteuer Sch. u. L. 2, 94ᵃ. in Tirol heiszt die wilde jagd das wilde gfâr, wildgfâr (â = ä), s. Schöpf 121. vgl. auch ags. gefär n. fahrt Grein 1, 397, mhd. var f.
3)
nd. auch in der bedeutung haltung, gebaren, seden und gevere (Christi) Sch. u. L. 2, 94ᵃ. ob auch hd.? s. gefährte n.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 10 (1878), Bd. IV,I,I (1878), Sp. 2073, Z. 20.

gefuhren

gefuhren,
verstärktes fuhren, nähren (s. das vorige 3): denn er hett so vil volks, dasz sie niemant gefuoren möcht. Augsb. chr. 2, 244, 25, var. gefueren (15. jh.).
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 1 (1879), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 2191, Z. 1.

geführen

geführen,
fortgang haben, bene cedere, gefüren Frisch 1, 308ᵇ ohne beleg, zu geführ, gedeihen gestellt.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 1 (1879), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 2191, Z. 4.

Im ¹DWB stöbern

a b c d e f g h i
j k l m n o p q r
s t u v w x y z -
gedankentief gegenleistung
Zitationshilfe
„gefuhren“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/gefuhren>.

Weitere Informationen …


Weitere Informationen zum Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)