Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

geländer, n.

geländer, n.
collectivbildung zu lander und land (3).
1)
a)
das einfache lander, das vom hd. ausgeschlossen blieb, mhd. lander n., ist noch oberd. in geltung, lander f., oberpf., fränk. zaunstange, stangenzaun (einländern, umländern, so umfrieden), s. Schmeller 2, 478, vgl. zaun oder landern pl. Frisch 1, 606ᶜ aus Besold; schwäb. latte, schindel (landerdach schindeldach) Schmid 340, schweiz. landere f., weinspalier Stalder 2, 155, d. h. schon das einfache wort in der bedeutung des coll., wie bei Schmeller lander stangenzaun gleichfalls, vgl. nd. land u. b. es handelt sich da offenbar um ein wort von hohem alter aus der hauswirtschaft.
b)
dazu eine einfachere, also ältere nebenform lande f., aus der sich die nebenform gelände (3) gleich geländer erklärt: bair. landen pl., gewisse stecken bei einer wasserklause, die den druck des wassers ableiten. Schm. 2, 878 (vergl. in der 2. ausg. 1, 1486), im Elsasz werden die gärten mit landen verzäunt Schmid schw. wb. 340; im 16. jh.: allerlei zimmerholz soll im zeughaus sein, als länden, lunden, latten. Frisch 1, 606ᶜ aus Fronsp. kriegsrüst. 16ᵇ. und dasselbe ist gewiss schweiz. lande f., wieder auch landere (wie u. a) gabeldeichsel Stalder 2, 155 (vgl. laune u. d), wol auch in landholz das. 154, der lange balken längs eines hölzernen hauses, der nebst der first die rafen trägt. und wieder auch einfaches land gleich geländer (s. u. a), nd. ein geländer um einen offnen brunnen o. ä. Strodtmann 121, Brem. wb. 3, 10. 5, 416; vergl. mnd. lante von einem holzgerüst Sch. u. L. 2, 621ᵇ.
c)
dem gelände, im 16. jh. gelänt, entspricht aber und gehört dazu am Niederrhein, clevisch im 15. jh. gelynt, staecket Teuth. 108ᵇ, noch jetzt fläm. gelint n. Schuermans 145ᵇ, auch galént 137ᵃ, dem. glentje, galentje 157ᵇ (zu ga- s. sp. 1604), nl. gelinde Oudem. 2, 456, glint 694, bei Kil. ghelente, ghelinte, glente, sepes, lutamentum, sepimentum fabrile, sepes structilis, paries concratitius, also auch auf den hausbau mit lehm bezogen (s. das schwache kleiben 3), von dem flechtwerk, das dem lehm als halt dient; auch die nd. glintmure bei Schiller u. Lübben 2, 121ᵇ, deren bau als ein leggen bezeichnet wird, ist wol eine lehmwand. die mnd. form ist nämlich glint n., gen. glindes das. 121ᵃ, umfriedung mit bretern u. ä. (glint ofte plankwerk); noch jetzt glind, 'gelender, planke, stacket, verschlag von brettern, latten oder pfählen' Richey 364, Dähnert 154ᵃ, Schütze 2, 39, glynd Strodtmann 73, ostpreusz. aber gelinde, von hölzernen geländern wie mauern, gelindegeld das zur unterhaltung der zäune entrichtet wurde, s. Hennig 82. wie da ein faden durchgeht in inhalt und form vom oberd. gelänt, gelände durch nl. gelente, glente, gelinte, nrh. gelint zum nd. nl. glint, das ist unverkennbar, freilich zugleich mit fragen, auf die eine antwort tiefer zu suchen wäre. es sieht zunächst aus, als ob auf einer der beiden seiten entlehnung statt hätte oder einwirkung zweier doch verschiedener wörter auf einander, deren verknüpfung etwa in den nrh. nl. formen ihren sitz hätte. übrigens liegt wol auch von der mit -er erweiterten einfachen form im nd. bereich. eine spur vor in nl. lange lenter, longurio Junius 311ᵃ, wie ein langer mensch als lange latte bezeichnet wird; vergl. langenlänter Garg. 40ᵃ (Sch. 61).
d)
noch eine dritte form geläne bei Stieler 1054, angelehnt an läne lehne, länen lehnen (vgl. lehne z. b. Alberus u. 2, a). bestätigung gibt wol folgendes gelenprett, nürnbergisch im 15. jh.: (i. j. 1468) macht man unter die slachglocken auf s. Sebolts thurm newe eichen furm und gelen pretter. E. Tucher baumeisterbuch 246, 3, furm gehört wol zum glockenstuhl, gelennpretter, die zum gelenne gehören, vielleicht einfassung der stiegenöffnung unter der glocke, vergl. 'gelenter holz' das. 74, 15, d. i. geländerholz (s. d.); oder ist gelenne die form? es gibt auch ein einfaches lanne (s. d.), in der bedeutung deichsel, gabeldeichsel im westen gebräuchlich, lann pflugdeichsel für zwei stück zugvieh Kehrein Nassau 1, 266, also wie schweiz. lande unter b, kann freilich eben diesz lande mit angleichung des d sein. für weiteres vordringen wären zu erwägen lan achsnagel, auch laner (s. lannagel, auch Schm. 2, 474), anderseits glinder obex Mones anz. 8, 254, also verarbeitete holzstücke im hauswesen, s. auch glind.
e)
geländer ist also eigentlich ein gefüge von landern, schon mhd. im 14. jahrh. gelanter in einer Münchner verordnung: swer gen dem chorn (d. h. in der gegend seines ackers) gelanter, tulle oder zaun hat, der sol daʒ chorn damit befriden. Schm.² 1, 1486; ohne den umlaut auch in glander apodiamentum, apodium voc. inc. t. h 5ᵃ (vgl. it. appoggio u. 2, d), winglanter u. 2 a. e. (neben winglender), mit -t auch in gelenter bei Tucher vorhin und oft u. 2; auch zwischen beidem schwankend gelendter, apodium, apodiamentum voc. 1482 k 6ᵇ. die form mit -t scheint aber die echte, in gelender, lander durch einflusz des n verändert, sie würde sich so auch mit dem nd. glint, glindes der lautverschiebung nach ins gleiche setzen (mit nl. gelente freilich noch nicht). zu bemerken ist noch die oberd. kürzung glender, glander und umgekehrt in md. vollständigkeit oder übervollständigkeit geländere im 18. jh. irrg. der liebe 163, wie noch in Rudolstadt, vgl. sp. 1610 u. β.
2)
geländer heiszt
a)
die brustwehr an den offenen seiten einer stiege, treppe, treppengeländer: clatrum, ain glender an der stieg. Dief. 126ᵃ, augsb., aus einem nürnb. voc. das. glenter; lorica, ein lehn an einer stegen .. ein glender. Alberus h 3ᵃ;
und firkelten mich hin und erwider,
ein stiegen auf, die ander nider,
pis ich uber ein glender ab fil.
fastn. sp. 332, 8;
und klirrend stieg ein reiter ab
an des geländers stufen.
Bürger 14ᵃ, Lenore 13.
auch marmorgelender Klopst. Mess. 6, 102, steingeländer.
b)
an brücken u. ä., brückengeländer, im 16. jh.: in der selben nacht da viel der Endres .. von dem steg pei sant Kathrein mül, der het kain gelenter. Nürnb. chron. 5, 668, 25; rait ein knab pei 10 jarn auf eim plinten pferd uber die brucken pei dem auszern Spitler tor und das pferd das wurf den knaben uber das glenter in den tiefen graben. 699; ein geländer, das zu beiden seiten hinweglief, schützte vor dem musketenfeuer der feindlichen schiffe. Schiller IX, 43, brustwehr an der estacade, die die belagerten Antwerpener in den strom bauten.
c)
in der baukunst, brüstung an einem altan u. ä.: lorica, ein lene oder gerems und gelender an den stägen oder gengen und erkeren. Dasyp. 121ᵃ; wenn sein kurzarmiger grimm an das geländer der majestät ohnmächtig poltert. Schiller III, 84, auch 266 (Fiesco III, 2), die schranken, welche die majestät von der menschlichkeit trennen, wie W. Vollmer in der anmerkung erklärt, es ist an das geländer im thronsaal gedacht;
die königin mit ihren damen sasz
auf des palastes mittlerer tribüne
und sah dem kampfe zu. auf einmal riefs:
'der könig blutet!' ...
'der prinz?' rief sie und will —
und will sich von dem obersten geländer
herunter werfen.
Carlos I, 1.
bei Sulzer theorie 2, 341ᵃ geländer an freien gallerien über den gebälken, balkonen, fensteröffnungen die bis auf den boden heruntergehen, er unterscheidet zweierlei art, dockengeländer oder balustraden und stab- oder blumen- und laubgeländer, die insgemein von eisen, vom schlösser gemacht werden. bei Frisch 1, 606ᶜ stollengeländer, stangengeländer. bei Henisch 1452 auch geländer, der knopf oder capital so oben auf ein mawer oder säulen gesetzt, epistylium, capitulum, bei Rädlein 344ᵃ geländer einer mauer, gesimse.
d)
im hause auch ofenglenter, lorica Dief. 126ᵃ, ofengeländer Moscherosch Phil. (1664) 665, hulzen gelenter umb den ofen A. Tucher haushaltb. 133. auch an bänken, stühlen: drei vorpenk mit glentern, daran man sich lainet. das. 128; gelender, lehnen an den stühlen (fenstern, gängen, brücken), appoggio Krämer teutsch.-it. wb. 527ᵃ.
e)
in hof, garten und feld. das letzte z. b. im 14. jh. bair. u. 1, e, gelanter als ackereinfriedigung. im garten: 4. abrill kauft 55 geschelt rigel, 37 geschelt fiechten stangen zu glentern in mein garten. A. Tucher 142. 146; geländer für die zwibel, canterioli in cepinis Aler 876ᵇ; gelender im garten spalliere Krämer 527ᵃ, weingeländer cantherius Steinbach 1, 968: izt eilten sie ... unter die bäume und zu den fruchtreichen geländern. S. Geszner 1, 47; verwilderte gesträuche an geländer zu heften. 67; unter cypressen und pinien, bald an trauben- bald an orangengeländern der terrassen hin. Göthe 22, 142, vgl. auch rebgeländer, fruchtgeländer;
am geländer reifen
pfirsiche ..
Salis (1808) 62;
von des traubengestads schrägen geländern umragt.
95.
im 15. jh.: winglender, propago, extensa vitis in pariete. voc. inc. t. nn 4ᵃ, daneben winglander falanga .. sustinens vitem das. nl. glint, glinting fruchtspalier Weiland.
3)
aber auch für gelände, im 16. 17. jh.: das geländer oder gartenbette soltu allwegen gegen mittagsschein richten. Sebiz feldbau 170 u. o.; bisz ich auf die höhe des gebürgs kam, allwo ich mich dem geländer nach wieder ein wenig erkennen konte. Simpl. (1685) 1, 523, ursprünglich dem geländ nach 2, 87 Kurz (Simpl. 5, 18). ebenso galt gelände (s. d. 3) umgekehrt für geländer, freilich nicht durch blosze vertauschung, wie das bei diesem geländer scheinen will; vgl. die pluralische bildung von länderei.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1882), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 2856, Z. 52.

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Zitationshilfe
„gelander“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/gel%C3%A4nder>.

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