Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

geläufig

geläufig,
verstärkte nebenform von läufig, das daneben ganz in den hintergrund getreten ist, nur in landläufig noch wolerhalten; die zeugnisse für geläufig gehen nicht übers 17. jh. zurück, gewiss nur zufällig, da läufig ins 15. jh. oder weiter zurückreicht. s. auch geläuftig.
1)
geläufige hand, zunge, die sich leicht und flink bewegen:
mein herz wallt auf, erfüllt von hohen dingen,
und heiszet mich vom könig etwas singen,
die zunge sol geschärfet durch verstand,
geläufig sein wie eines schreibers hand.
Opitz 4, 88 (ps. 45),
eine stelle die sich schon Schottel 350ᵃ notiert hatte, während noch Stieler 1082 nur leufige zunge anführt, ein weiterer beweis wie wenig das erste aufzeichnen als zeugnis für das erste vorkommen zu brauchen ist; auch Frisch 1, 584ᶜ gibt nur eine läufige hand und setzt doch vorher an 'läufig, volubilis, geläufig'. wiederum nennt noch Adelung nur geläufige hand, zunge, auch gedächtnis, ein sehr geläufiges gedächtnis haben, während es schon Steinbach in der bedeutung 3 anführt, es sind gerade recht geläufige wörter, die beim beobachten so dem zufall ausgesetzt sind. wie von hand und zunge, auch von gelenken, wenn im Fiesco II, 9 der mohr sich über die tortur tröstet, der er sich unterwerfen soll: sie werden mir das gelenk auseinander treiben. das macht geläufiger. Schiller III, 61, 21. 230, 12. vgl. läufig 4 im 16. jh. vom weberschiff, eigentlich leicht laufend, wie man noch auch von geläufiger feder spricht.
2)
noch im 18. jh. auch vom manne selber, bei Frisch a. a. o. 'der in etwas geläufig (ist), cui res tota nota est, in quo quis probe exercitatus oder versatus', nur so beiläufig und in vermischung mit der bedeutung 3. das geläufig sein in etwas stimmt aber zu läufig 2, 'bewandert', wolerfahren, vom weltlauf auf das geistige übergehend, auch das geläufige gedächtnis bei Adelung knüpft noch da an.
3)
von den gegenständen des könnens und wissens, in denen einer wol geübt und bewandert ist, die jetzt geläufige bedeutung; vergl. schon Leibnitz unter geläuftig.
a)
an die geläufige zunge u. 1 schlosz sich natürlich an mit adv. geläufig sprechen, wie an die geläufige hand auch geläufig schreiben; dann von erlernten sprachen z. b. er spricht das englische ganz geläufig oder geläufig englisch. und von musik z. b. ein stück geläufig vom blatte spielen. ähnlich selbst geläufig zuhören: er hörte geläufig und aufmerksam zu, ohne ängstliche spannung. G. Keller d. grüne Heinrich 4, 332. ähnlich dann: Kleonissa war eine von den eifrigsten verehrerinnen dieses weisen und diejenige, welche die erhabene phraseologie seiner metafysik am geläufigsten sprechen lernte. Wieland 3, 85 (Agath. 12, 4). dann auch mit adj. ein geläufiges spiel, er spricht ein geläufiges englisch u. dgl.
b)
im adj. und mit dat. der person: die sache ist ihm geläufig, res illi probe nota est. Steinbach 1, 995 (der es überhaupt zuerst aufführt); diejenigen, denen die fremden kunstwörter durch lange angewöhnung geläufig sind, können von dieser sache nicht unparteyisch urtheilen. Klopstock 12, 216, zugleich von der gewöhnung und ihrer gewalt über die zunge, ganz wie bei der geläufigen hand des schreibers o. ä. unter 1; er schreibt mir, dasz ihm doch die deutsche sprache nicht so geläufig sei, als er geglaubt, dasz er eines gesellschafters bedürfe, der sie vollkommen .. besitze. Göthe 20, 239 (lehrj. 8, 7); besonders da mir keine versart geläufig war, die zu einer solchen (epischen) arbeit gepaszt hätte. 24, 223 (aus m. l. 4);
die höflichkeit (in worten) ist euch geläufig.
12, 161;
nachdem in weniger als einem vierteljahr
ihr diese art zu sehr geläufig war,
nun war es zeit zu höhern lehren.
Wieland 11, 114 (Aspasia);
obgleich er eine eigene abgekürzte sprache sich angewöhnt hatte, die nur seiner steten umgebung ganz geläufig war. Arnim kronenw. 1, 424, geläufig zu hören und zu verstehen. dann auch von gedanken und empfindungen: zweitens war ihm, der immer glücklicher bei schönen war als sie bei ihm ... die voraussetzung geläufig, dasz eine ihn liebe. J. Paul 17, 49.
c)
bloszes geläufig, eigentlich allen geläufig, z. b. ein geläufiges wort, geläufige bedeutung; Aipütos, einer der Herakliden, regierte mit so viel weisheit .. dasz sich die Herakliden nach ihm Aipüten nannten, doch ihr erster name ist geläufiger. Klinger 2, 93. auch erscheint dabei der gedachte dat. wieder: das buch (Schillers Tell) ist den leuten (in der Schweiz) sehr geläufig, denn es drückt auf eine wunderbar richtige weise die schweizerische gesinnung aus. Keller gr. Heinr. 2, 342, wolbekannt und beliebt. es ist aber eigentlich eine andere bedeutung, gleich läufig 6, was lauf hat, in 'curs' ist unter den leuten, gäng und gäbe (vergl.'kauf und lauf' unter kauf 1, b), wird aber nun vom sprachgefühl zur bedeutung 3 gezogen, obwol man noch von geläufigen geldsorten, waaren sprechen könnte.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1882), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 2874, Z. 51.

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Zitationshilfe
„gelaufig“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/gel%C3%A4ufig>.

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