Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

neidhart, neidhard, m.

neidhart, neidhard, m.
ein zum appellativum gewordener eigenname, ahd. Nîdhart (Förstemann namenb. 1, 957 f.), mhd. Nîthart (einer der im nîde, im feindlichen eifer und hasse stark ist), wird schon im 14. jahrh. wortspielweise und appellativ für den personificierten hasz und neid oder für einen damit erfüllten menschen gebraucht, ebenso das mnd. Nîthart, Nîtert (Schiller - Lübben 3, 189ᵇ). vergl. W. Wackernagel in der Germania 5, 295 f. 303. das ags. nîđheard ist noch ein reines adjectiv: gegen bosheit und leidenschaft stark, kühn (Leo 300, 5).
1)
der personificierte arge neid (hasz) oder ein recht neidischer (hässiger), misgünstiger und schelsüchtiger mensch: spätmhd.
Neithart .. Billunk, Nîdunk ..
sint des Nîdes spieʒʒes sleiffere.
Renner 14126;
der neithart liesz ainem nit ein vesen.
Wolkenstein 116, 3, 7;
so haben die rät den Neithart,
der selb der wüestet an aller stat
alle rät ..
wann es wil iegleicher haben;
und ob man ainem geit dann mer,
das selb das müet den andern ser,
und wirt danne daraus ain neit.
Vintler 6650 ff.;
im älteren nhd. wird das wort im angegebenen sinne häufig verwendet, doch schon von Frisch (2, 14ᵃ) als 'veraltet' bezeichnet; mundartlich (Schm. 1, 1727 Fromm. Schöpf 464) lebt es aber fort als scheltname eines recht neidischen (tirol. auch geizigen), misgünstigen menschen und wird auch in der schriftsprache, indem man die alterthümliche redeweise nachahmt, noch gebraucht.
a)
ältere belege:
man findt grosz nyd in allem stat,
der Nythart, der ist noch nit tot.
Brant narrensch. 53 überschrift;
die erst schell der neidhartz narren ist, von natur zu neidt und hasz geneigt zu sein. Keisersberg narrensch. 113ᵇ (vergl. neidnarr); der Nydhart ist umbendumb in den klöstern eben als wol, als uszerhalb. post. 3, 88;
wir suchen unser selen heil,
so zeigt er mir sein neidthard feil.
Murner schelmenz. 40ᵃ;
es ist kein lauren uber des neidharts (μισούντων) lauren. Sir. 25, 19; wie der neidhart mag die warheit anfechten. Luther 1, 174ᵇ; denn der neidhart kan zu hofe seine böse tücke nicht beweisen, er mus zuvor verleumden. 6, 159ᵇ; das juncker Neidhard und meister Lügenhard in ihrem neiden und liegen zu schanden worden sind. 5, 281ᵃ; allein hoffart und neidhart ausgenommen, die schlechte teuflische laster sind und bleiben. tischr. 2, 86; wie dann der neid an fürsten höfen grosz ist, und der Neidhart fast regiert. Aventin. chron. (1566) 252ᵇ; und habens im miszgont, wie dann laider solcher neithart noch heutigs tags .. Zimm. chron. 1, 492, 9;
neidhart hefftig auff in reit.
Waldis Es. 1, 6, 53;
gott schafft, das neidhart und untrew
sein eigen meister erst gerew.
1, 35, 45;
neidhardt, eignutz, kindischer rath
verrieth auch Rom die mechtig stat.
Rollenhagen froschm. III, 1, 6, 155;
der neid ist ein sünde, welche den neidhard plaget. Butschky Patm. 334;
ob gleich darauf der neidhard sticht,
man musz es lachend leiden.
Neumark lustw. 41;
namentlich in älteren sprichwörtern (Wander 3, 293 f. Simrock 403): den neidthart frist sein eigen neid. Frank 1, 82ᵇ; der neidthart zeucht nur bei groszen herren ein. 57ᵇ; der neidhart ist gestorben, hat aber vil brüder hinder im gelassen. 2, 89ᵇ; der neidhart frist das best. Schottel 1114ᵃ; neidhard neidet sich selbst. ebenda.
b)
neuere belege: wenn er es auch wollte, der alte neidhart. Lessing 2, 177 (Emilia Galotti 5, 1);
der schlimmste neidhart ist in der welt,
der jeden für seines gleichen hält.
Göthe 2, 308 (an Zelter 209);
weil des unverstandes zuruf und die stimme des neidharts
spricht, ich sei kein dichter.
Platen 131ᵃ (2, 247);
der neidhart wollte nicht zum wunsch die lippen regen.
Langbein (1854) 1, 301;
Konrad ... sei ein dürrer neidhart von jugend an gewesen. Arnim kronenw. 1, 401; der ohnmächtige neidhart (Tieck). Heine (1876) 12, 112; plur. die kabalen-macher und neidharte abgerechnet. Tieck novellenkr. 4, 199.
2)
in der älteren sprache bedeutet Neidhart mit beziehung auf den dichter Neidhart von Reuenthal auch eine (von Neidhart oder in Neidharts namen) gedichtete tanzweise und den betreffenden tanz:
ir geng sind hin und her gebogen
als ob aine den nithart trett.
teufels netz 12083;
auch eine narrenposse: er sagt euch ein neitharten vor. A. Pichler drama des mittelalters in Tirol 168.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1883), Bd. VII (1889), Sp. 559, Z. 18.

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natterknöterich neidsüchtig
Zitationshilfe
„neidhart“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/neidhart>.

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