Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

pikieren

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GrammatikVerb · pikiert, pikierte, hat pikiert
Aussprache  [piˈkiːʀən]
Worttrennung pi-kie-ren
Wortbildung  mit ›pikieren‹ als Erstglied: Pikierholz · Pikierkiste  ·  mit ›pikieren‹ als Grundform: pikiert
Herkunft aus piquerfrz ‘stechen, anspornen, reizen, schlagen’, reflexiv ‘sich beleidigt fühlen’
eWDG und ZDL

Bedeutungen

1.
Gartenbau jmd. pikiert (etw.)(junge Pflanzen) auspflanzen bzw. (in größeren Abständen) neu verpflanzen
Beispiele:
Tomaten pikierenWDG
Die Samen des Mangolds sind eine sogenannte »Sammelsaat«. Das bedeutet, dass mehrere Pflänzchen aus einem Samenkorn wachsen. Zeigt sich pro Topf mehr als eine Mangoldpflanze, pikierst du sie in einzelne Töpfe, sobald die ersten echten Blätter da sind. [Mangold anbauen: Bunte Vielfalt im Garten, 23.04.2022, aufgerufen am 14.03.2024]
Nach dem Keimen sollten die Frühbeetkästen regelmäßig gelüftet werden, und die Jungpflanzen sind möglichst früh zu pikieren, da ein zu enger Stand Pilzkrankheiten begünstigt. [Badische Zeitung, 14.03.2011]
Sind die Keime im Frühjahr sichtbar, kann die Folie entfernt werden, um die Pflänzchen zu pikieren. [Der Tagesspiegel, 11.02.2006]
Die Schüler beobachteten das Gedeihen der kleinen Pflanzen, sie pikierten und rückten dem Unkraut zu Leibe. [Neues Deutschland, 18.05.1979]
Alle Hände voll gibt es jetzt im Frühjahr zu tun, das Frühgemüse zu ernten, den Boden erneut zu bearbeiten, wieder zu säen, die Pflanzen einzutopfen, zu pikieren und schließlich auch dem Unkraut zu Leibe zu rücken. [Neue Zeit, 01.06.1961]
2.
jmd., etw. pikiert jmdn.(unangenehm) überraschen, (unvorbereitet) verletzen, (jmds.) Missfallen, Verärgerung auslösen
Beispiele:
1963 kaufte er [Andy Warhol] sich seine eigene Bolex [eine Kamera] und begann alles aufzuzeichnen, was ihm vor die Linse kam. Ein Jahr später pikierte das Magazin »Film Culture« die New Yorker Undergroundfilmszene, als es seine jährliche Auszeichnung an Warhol vergab – einen Mann, der eigentlich nur die Kamera an‑ und ausschalten konnte. [Der Tagesspiegel, 19.02.2012]
Als einziges der 32 WM‑Teams beziehen Deutschlands Kicker einen Neubau. Die Entscheidung des DFB (= Deutscher Fußball-Bund) und die Aussage, unter den vielen angebotenen Luxus‑Quartieren sei nichts Passendes gewesen, pikierte die Gastgeber, dennoch wurde die Baugenehmigung schnell erteilt. […] Rund 200 Arbeiter ackern im Schichtdienst, um das »Campo Bahia« bis zum Eintreffen des DFB‑Trosses am 8. Juni fertigzustellen. [Berliner Morgenpost, 06.06.2014]
Was [die Kugelstoßerin Christina] Schwanitz [bei der Siegerehrung] […] vom Podest aus zu sehen bekam, pikierte sie […]. »Die Medaillenzeremonie hätte schön sein können – wenn da ein paar Zuschauer gewesen wären«, stellte sie ironisch fest. [Berliner Morgenpost, 14.08.2013]
[…] Ingolstadts Coach Jürgen P[…] verteidigte den Unparteiischen auf der Pressekonferenz, bescheinigte ihm, »sich gut verkauft« zu haben und zog sich prompt Missfallenskundgebungen (= Missfallensbekundungen) aus dem Auditorium zu, die ihn ziemlich pikierten. [Südkurier, 20.11.2006]
Der Begriff »Cojones« steht im Englischen für »Mut« und »Kühnheit«. […] Was bei der englischsprachigen Bevölkerung ganz gut ankam [die Wortschöpfung »Turbo-Cojones« für den Werbeslogan eines Sportwagens], pikierte die spanisch sprechenden Amerikaner um so mehr. Denn für sie bedeutet der flotte Werbeslogan nicht nur »Turbo‑Mut« sondern auch »Turbo‑Hoden«. [Welt am Sonntag, 26.03.2006]
3.
jmd. pikiert sich (über etw., jmdn.)sich abschätzig, missfällig (über etw., jmdn.) äußern
Beispiele:
»In der Amtsstube ein Nickerchen machen? In Vechta (Niedersachsen) ist das ausdrücklich erwünscht«, schrieb die »Bild«‑Zeitung und pikierte sich darüber, dass das Schläfchen als Arbeitszeit gelte […]. [Frankfurter Allgemeine Zeitung, 16.02.2013]
»Ist Ihnen Ihre Bekleidung nicht etwas zu … eng?«, pikierte sich […] Emily Brent […] über das hautenge Kleid der flotten Sekretärin Vera Claythorne […]. [Münchner Merkur, 03.04.2017]
[…] sie [arbeitete in der frühen Nachwendezeit] als Zimmerfrau und an der Rezeption eines kleinen Hotels in Breege. Das war die Zeit, als sich die Gäste aus Sachsen amüsierten, wenn sich westdeutsche Urlauber über FKK‑Freunde am Strand pikierten. [Schweriner Volkszeitung, 30.10.2010]
[Tante Frieda, alias Siggi] Ritter, karnevalistisches Urgestein, pikierte sich [in der Karnevalssitzung] […] über die allgemeine Verrohung der Sitten. [Rhein-Zeitung, 03.02.2003]
Sie [Witwen einflussreicher südkoreanischer Politiker] pikieren sich über den vielen Dreck in der Bahn und singen von ihren prunkvollen Männern, den hohen Generälen, ohne die alles in Südkorea sehr viel schlechter sei. [Süddeutsche Zeitung, 06.04.2001]
4.
Textilwesen, Nähen jmd. pikiert etw.(mit vielen kleinen Stichen) auf die Innenseite eines Kleidungsstücks aufnähen (um dieses dadurch fester und haltbarer zu machen und einen besseren Sitz zu erreichen)
Beispiele:
den Kragen, die Vorderseite des Sakkos, einen Pelz pikierenWDG
Genau nach den Massen eines Kunden beginnt die Reise durch die Anfertigung getreu nach den einzelnen Vorgaben des Kunden. Eine Garantie wird dadurch gegeben, dass die Front des Jacketts durch Kamelhaareinlage oder mittels Rosseinlagen fein säuberlich pikiert wird. Es wird hier nicht geklebt, nur so ist das gewisse Etwas gegeben. [Nichts ist eleganter als ein Massanzug, 15.08.2020, aufgerufen am 30.08.2023]
Mit den nötigen Angaben auf Änderung versehen, wandert das Kleidungsstück […] zum Arbeiter zurück, der es jetzt wieder auseinander nimmt, die Façon pikiert, Eckenband vorlegt, das Besetzen stückt und überstürzt, das Futter unterschlägt, überstaffiert und was der vielen, vielen Arbeiten mehr sind. [Martens: Lese-, Lehr- und Hilfsbuch für Gewerbeschulen. 2. Aufl. Schwerin i. M. 1905]
5.
selten, besonders Lebensmitteltechnik, gelegentlich Kochkunst jmd. pikiert etw.(vorsichtig, leicht) einstechen, durchstechen o. Ä.
Beispiele:
Beim Roquefort und Gorgonzola verwendet man Blauschimmel […]. Damit dieser sich besser entfalten kann, wird der Käse mit Nadeln »pikiert«. Sauerstoff gelangt in den Laib und fördert die Vermehrung des Pilzes. [Münchner Merkur, 12.10.2019]
In der Regel werden [beim Kalträuchern] Fleisch und Fisch zunächst pikiert, d. h. die Fleischfasern werden mit einer speziellen Nadel durchstochen, um den Rauch besser eindringen zu lassen. Anschließend werden sie eingesalzen oder eingelegt, um den Geschmack zu intensivieren und die Haltbarkeit zu erhöhen. [Was ist Kalträuchern, 02.04.2023, aufgerufen am 29.08.2023]
In der Kategorie Halbfester Schnittkäse sind der italienische Gorgonzola (aus Kuhmilch hergestellt) oder der französische Roquefort (Schafsmilchkäse) eine typische Spezialität. Diese werden mit Blauschimmelkulturen geimpft und während der Reifung pikiert, d. h. mit feinen Nadeln werden Lüftungskanäle in den Käse gestochen, denn die Pilzkulturen brauchen für ihr Wachstum Sauerstoff. [Käse, 06.02.2023, aufgerufen am 29.08.2023]
Nach dem natürlichen Abtropfen während 24 Stunden wird der Fourme gesalzen und mit Nadeln pikiert, damit sich die Schimmelpilzkulturen entwickeln können. [Fourme d’Ambert AOC, 25.01.2021, aufgerufen am 29.08.2023]

letzte Änderung:

Zum Originalartikel des WDG gelangen Sie hier.

Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)

Etymologie

Etymologisches Wörterbuch (Wolfgang Pfeifer)
pikiert · pikieren
pikiert Adj. ‘gereizt, verletzt, verstimmt, gekränkt’ (Ende 18. Jh.), Part.adj. zu pikieren Vb. ‘stechen, anstacheln, reizen, verstimmen’, reflexiv ‘sich anspornen, sich angelegen sein lassen’ (Ende 17. Jh.), einer Entlehnung aus frz. piquer ‘stechen, anspornen, reizen, schlagen’, reflexiv ‘sich beleidigt fühlen’. Dieses gehört zu einem im Roman. verbreiteten Typus vlat. *pīccāre, der auf lautmalendem *pīkk- (mit expressiver Konsonantendoppelung) beruht; vgl. die sich mit ähnlichen Laut- und Bewegungsvorstellungen verbindenden parallelen Bildungen lat. pīcus ‘Specht, Baumhacker’, dt. picken (s. d.). Eine vereinzelte Frühentlehnung (Ende 16. Jh.) ist pikieren im Sinne von ‘stechen, nähen, steppen’.

Typische Verbindungen zu ›pikieren‹ (berechnet)

Detailliertere Informationen bietet das DWDS-Wortprofil zu ›pikieren‹.

Zitationshilfe
„pikieren“, bereitgestellt durch das Digitale Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/pikieren>.

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Worthäufigkeit

selten häufig

Wortverlaufskurve

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Wortverlaufskurve ab 1946

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