Deutsches Fremdwörterbuch
Mechanik
1. Aufl. Band 2 (Basler 1942)
F. im 17. Jahrh. aus lat. (ars) mechanica übernommen und zunächst für die ‘Wissenschaft von den Gesetzen des Gleichgewichts und der Bewegung der Körper’ (1a), für die diese Wissenschaft anwendenden Handwerker (b), dann von diesen Bewegungsgesetzen selbst gebraucht (2). – Dagegen mit Endbetonung Mechaník ‘Einrichtung einer Maschine’ (3) wohl aus gleichbed. frz. méchanique heut méca­nique im 18. Jahrh. übernommen. – ‘Das Handwerksmäßige, die äußerliche Technik’ (4). Quelle: griech. μηχανική (τέχνη) F. Adj. zu μηχανικός M. ‘erfinderisch; geschickt’ (lat. mechanicus ‘zur M. gehörig; mechanisch’), zu μηχανή sieh Maschine.
Belege: 1a. Hirsch 1662 Kirchers Musurgia [im Titel] in der Philosophi, Rhetoric ... Politic, Chymic, Medicin, Mechanic. Leibniz 1696 Schriften I 390 vor Alters bedachte man nur die Bewegungskräfte in der M. Meier 1746 Ehre 104 diejenigen, welche in der M. etwas erfinden. Kant 1755 Naturgeschichte des Himmels Vorr. a 6a Wenn die blinde M. der Naturkräfte sich aus dem Chaos ... zu entwickeln weiss ...
b. Becher 1678 Psychosophia No. 119 (Ausg. 1706, 134) ein Stück Brod, so ich mit meiner Faust aus der Mechanic oder Handwerckssachen genieße. Goethe 1791 Br. (IX 260) [Er] ist von der Fabricksucht angesteckt mit wenig Kunst und leichter Mechanick etwas erwerben zu wollen.
2. Schmid 1775 Chronologie des deutschen Theaters 60 die konventionelle M., nach der sie [ausländische Werke] zusammengesetzt sind. Schiller 1780 Dissertation (XVII 121) die M. des Sonnensystems – 1787 Verbrecher (XIII 82) die M. der gewöhnlichen Willensfreiheit. Thümmel 1791 Reise (I 62) welche Mechanik des Zufalls ..!
3. Thümmel 1791 Reise (III 36) Die M. unserer jetzigen Aktricen [Marionetten] ward nicht so oft wandelbar wie bei den vorigen.
4. Forster 1791 Ansichten (III 276) In der M. der Kunst konnten die Niederländer selbst einen Raphael übertreffen.
Gebucht bei Hübner 1712. 1717; bei Wolff 1716 Mathem. Lexikon; bei Sperander 1727.
Mechaniker M. erst im 19. Jahrh. durchdringend (z. B. Heine 1856 Reise II 19) für älteres Mechanikus (== lat. mechanicus ‘zur Mech. gehörig; mechanisch; der Mechaniker’ – griech. μηχανικός ‘erfinderisch, kunstreich, geschickt’), das seit dem 16. Jahrh. belegt ist. vgl. Herold 1542 Christliche Eheinstitution 182b vnder den Mechanicis, so man die handtwerker nennet. Schwenter 1618 Geometrie I 25 Mechanicus. Rohr 1718 Staatsklugheit 466. Stoppe 1735 Parnaß 514. Nicolai 1779 Berlin 411. Kotzebue 1806 Organe des Gehirns (XX 69).
1788 Journal der Moden III 13 Allein der Stimmen, für Aufhelfung der guten Sache [der Musik] sind zu wenig, und der gemächlichen Musiker ohne Seelenkunde, ... der Mechaniker nach dem Schlendrian, zu viel.
Gebucht bei Nehring 1694 Mechanicus; bei Wächtler 1709 Mechanicus ein Handwercks-Mann; bei Hübner 1712. 1717 Mechanicus ein Künstler in Bau-Sachen ...; bei Petri 1806 Mechanicus, Mechaniker. Aber Campe bucht 1801 21813 nur Mechanicus. Sanders gibt 1863 Mechaniker (auch in lat. Form Mechanikus).
mechanisch Adj. im 16. Jahrh. nach lat. mechanicus gebildet:
1. ‘zur Mechanik gehörig’ Paracelsus 1566 Wundartzney 120 mechanische Übung (Weigand). Furttenbach 1627 Jtinerar. Jtaliae 76 ein schön m. Instrument. Bes. mechanische Kunst: Speckle 1589 Architectura 1a. Warmund 1664 Geldmangel 528. Böckler 1665 Schola militaris 49. Grimmelshausen 1669 Simpl. 449. Marperger 1718 Commercien 6.
2. ‘von den Gesetzen der Mechanik bestimmt’ vgl. Becher 1680 Närr. Weisheit (Ausg. 1707 S. 19) wie dieses Werck bestellt und aneinander Mechanice angehänget sey. Scheuchzer 1711 Physica II 323 Die zweyten [Eigenschaften] sein leiblich, geschehen M., nach denen von Gott gesetzten Bewegungs-Regeln. Bodmer 1752 Noah 30 mehr durch m.-en Trieb, als über­legeten Vorsatz. Kant 1755 Naturgeschichte des Himmels Vorr. c 7a suche ich die Verfassung des Weltbaues aus dem einfachsten Zustande der Natur bloß durch m.-e Gesetze zu entwickeln – ebda 78.
3. ‘unbewußt, unwillkürlich, gewohnheitsmäßig’ Zachariae 1756 Tageszeiten V. 253 jene Maschinen, die sich Christen nennen, und nur m. dich loben. Lichtenberg 1765 (Nachlaß) 7 von dem Einfluß des Wizes und des mechanischen in der Schreibart. Michaelis 1770 Räsonnement II 4 So m. ist der Fleiß geworden. Wezel 1776 Tob. Knaut IV 272 so mechanische Gewohnheitstiere sind unser Blut und Gehirn. Sturz 1782 Schriften (II 85) Sie kennen sogar das Mechanische keines Silbenmaßes nicht. 1788 Journal der Moden III 13 So ist's bis diese Stunde [Kompositionen ohne inneren Anteil] und gehts m. so fort! Knigge 1789 Umgang II 113 ... erhebt sich nun gar der Handwerker oder Künstler (wie es sehr oft der Fall ist) über das Mechanische [seines Handwerks] ..., so verdient er doppelte Achtung. Forster 1791 Ansichten (III 330) Die Wissenschaften werden verächtlich im Munde des Lehrers, der sie mechanisch erlernte, um sie mechanisch her­zuleiern. Goethe 1790 Br. (IX 172) daß Sie sich ... mit der mechanischten aller Wissenschaften, dem deutschen Theater abgeben mögen – 1796 Lehrjahre (XXII 154) So schrieb er seinen Namen nur mechanisch hin, ohne zu wissen, was er that – (XXIII 188) Wilhelm folgte ihm mechanisch.
Gebucht bei Frisch 1741, bei Adelung 1777.
Mechanisierung F. Jmmermann 1838 Memorabilien (XVIII 190) M. des Staats. Cohn 1914 Sinn der Kultur 217. Stier-Somlo 1917 Grundfragen deutscher Politik 171 Mechanisierung des Erziehungssystems. Vgl. auch Eisler, Handwb. der Philosophie2.
Mechanismus M. ‘mechanische Einrichtung’ im 18. Jahrh. aus gleichbed. frz. méchanisme [heut mécanisme] übernommen, seit der Mitte des 19. Jahrh. mit der Entwicklung des Maschinenwesens rasch verbreitet und als ‘planvolle Zusammenarbeit’ oder unter politischem Einfluß als ‘widerwillig empfundener Zwang’ übertragen gebraucht.
Belege: Philippi 1743 Reimschmiedekunst 252 daß in allen lebenden Geschöpfen etwas mehrers als ein bloßer M. sey. Kant 1755 Naturgeschichte des Himmels 152 der M. ihrer [der Weltkörper] Erzeugung. Lessing 1759 Literaturbriefe (VIII 15) durch den eigenen M. der Seele. Herder 1778 Erkennen (VIII 191). Schiller 1779, XVII 100. Goethe 1791 Br. (IX 260) [im Sinn von ‘Technik’]. Weitere Belege aus Goethe bei Kehrein. Kant 1798 Anthropologie 132. – Heyse 1859 Lebenserinnerungen II 180 Wohin sollen wir aus dem M. unseres praktischen, schroffen und schonungslosen Alltags flüchten, wenn auch unter dem Sonn­tagshimmel der Dichtung alles so geschäftsmäßig abgemacht wird? Holtei 1863 Letzte Komödiant III 284 Gleich einem im M. des Theaterwesens altgewordenen Praktiker, den nichts aus dem Geleise bringt. Jodl 1893 Lebensweg (1917) II 197 Aus dem Munde eines französischen Volkswirtschafts­lehrers ... erklang zuerst jener begeisterte Hymnus auf die Vorsehung, welche sich im M. des wirtschaftlichen Lebens noch staunenswerter offenbare als in den vielbewunderten Bewegungen der Himmelskörper.
Gebucht bei Hübner 1712. 1717 (mit philosoph. Begründung).
Der neuesten Zeit gehören an: Arbeits­mechanismus (Naumann 1915 Mitteleuropa 104). Verwaltungsmechanismus (Stier-Somlo 1917 Grundfragen deutscher Politik 336).