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Hausse |
F. (-; selten -n), im
frühen 19. Jh. im Zusammenhang mit dem aufkommenden Wertpapierhandel entlehnt
aus gleichbed. frz. hausse (zu hausser ‘erhöhen’, zurückgehend auf
vulgärlat. *altiare ‘(an)heben’, zu altus ‘hoch’), im 19. Jh.
selten auch Hauße.
Als Terminus der Wirtschaftslehre (v. a. im
Börsenwesen) in der Bed. ‘Steigen der Aktien-, Börsenkurse als Folge verstärkter
Nachfrage’ (→ Inflation, → Konjunktur, Ggs. → Baisse), auch in Bezug auf Preis-
und Lohnsteigerungen (s. Belege 1843–45, 1942), häufig in der aus dem Frz.
übernommenen Wendung à la hausse (spekulieren) ‘auf das Steigen der
Börsenkurse (spekulieren)’; seit Ende 19. Jh. auch übertragen in der Bed.
‘verstärktes Vorkommen, (zu) starke Zunahme, (übermäßiges) Vorhandensein von
etwas, Hochkonjunktur’, z. T. konnotiert mit „inflationär“ (s. Belege 1888,
1895, 1930, 1989, 2004.2; → Boom), in Zss. wie Aktien-, Börsen-,
Kaffee-, Punkrock-Hausse; Haussephase, -spekulation.
Dazu seit Mitte 19. Jh. die aus dem Frz. übernommene Personenbezeichnung
Haussier M. (-s; -s) ‘jmd., der Wertpapiere kauft in der Hoffnung, sie
nach dem Steigen der Börsenkurse gewinnbringend wieder verkaufen zu können’ (→
Spekulant; Ggs. Baissier, → Baisse) und seit frühem 20. Jh.
haussieren V. intrans. ‘im Steigen begriffen sein’, von Aktienkursen,
Geldwerten und von der Börse selbst.
Belege
Koch-Sternfeld
1825 Beytr. I 371
Bewegungen in der Geldwirtschaft, à la hausse und à la
baisse: die Ungunst der Chancen;
Heine 1833 Frz. Zustände (W. u. Br. IV
430)
Angestellte, Bankiers, Gutsbesitzer und Boutiquiers, erhöhen das
allgemeine Mißbehagen noch durch die lächelnden Versicherungen, daß . . das
Thermometer des Volksglücks, der Staatspapierkurs, gestiegen und daß wir diesen
Winter in Paris mehr Bälle als jemals . . haben. Dieses war wirklich der Fall;
denn jene Leute haben ja die Mittel, Bälle zu geben, und da tanzten sie nun, . .
tanzten für ihr System, für den Frieden, für die Ruhe Europas; sie wollten die
Kurse in die Höhe tanzen, sie tanzten à la hausse;
Heyse 1838 Fremdwb. I
477
Hausse . . das Steigen des Werthes der Staatspapiere;
Marx 1843–45
MEGA IV 2,484
die hausse der Salaire bewirkt baisse der Profite und die
baisse der Salaire hausse der Profite, aber keine baisse im Preiß;
Steinmann
1857 Rothschild I 225
In der Börsensprache bezeichnet Hausse das Spekuliren
auf das Steigen, Baisse jenes auf das Fallen der Papiere;
Bleibtreu 1888
Größenwahn III 490
Diese Umwechsler geistiger Münzen spekuliren andauernd
nach dem Courszettel der Erfolgbörse auf Hausse und Baisse (DiBi 125);
Dahn
1895 Erinn. IV 2,185
So äußerlich und erbärmlich darf man sich doch
überhaupt das Schaffen eines Poeten nicht vorstellen, daß er wie ein
Börsenjobber oder ein Lustspielfabrikant (was dasselbe) bald auf die „Hauße“ des
„Patriotismus“ bald auf dessen „Baiße“, d. h. den „internationalen“ Brei als
Modesache speculirt;
Tucholsky 1914 Ges. W. I 146
Es gab eine Zeitbörse.
Da wurde die Zeit gehandelt, – und weil sie sehr gut bezahlt wurde, . . fielen
die Preise – aber durch einen Trust gelang es, eine kräftige Hausse zu erzielen
(DiBi 125);
ders. 1930 Ges. W. VIII 280
Der verständliche Drang, auf der
Liebesleiter von der Freude an einem schönen Frauenkörper bis zur Geilheit
hinauf- und hinunterzuklettern, hat in den illustrierten Blättern Amerikas und
Europas eine Hausse in Akten hervorgerufen (DiBi 125);
Kessler 1932
Tagebücher 1918–1937 669
Merkwürdigerweise hat die Berliner Börse auf die
Demission Brünings, wahrscheinlich in Erwartung der Segnungen des Dritten
Reichs, mit einer teilweisen scharfen Hausse reagiert: die Aktien sind
gestiegen, die festverzinslichen Werte gefallen. Inflations-Perspektive;
Münch. N. N. 28. 1. 1942
Schließlich wird in Wirtschaftskreisen die
anhaltende Hausse des Goldpreises an der Istanbuler Börse stark beachtet;
Welt 19. 12. 1964
An der Londoner Bleibörse kam es zu einer
ausgesprochenen Hausse. Die Notierungen für Kassaware erreichten neue
Höchstwerte;
Mannh. Morgen 22. 6. 1985
An der Börse wird er [der Begriff
„Hausse“] für die Aufschwungphase der Konjunktur oder für das Ansteigen der
Kurse verwendet. Dabei handelt es sich um mehrere Wertpapiere oder um Gruppen
von Papieren bestimmter Branchen. In der konjunktur-wissenschaftlichen [!]
Terminologie wird nur ein durch spekulative Aufkäufe bedingter Kursanstieg als
Hausse bezeichnet;
Berl. Ztg. 4. 11. 1989
was in der Sowjetunion und
vielleicht auch bei uns passiert, ist keine Revolution. Denn da gibt es
Kriterien: Veränderung der Produktionsverhältnisse, der Eigentumsverhältnisse.
Das steht überhaupt nicht zur Debatte. Ich warne auch vor einer Hausse mit dem
Begriff Revolution;
ebd. 6. 5. 2004
Noch vor fünf Jahren kostete das
Barrel Nordseeöl der Marke Brent 15 Dollar . . und jetzt steuert der für die
Weltwirtschaft so wichtige Schmierstoff auf die 40-Dollar-Marke zu. Täglich
kursieren an den Märkten neue Begründungen für die Hausse;
taz
6. 12. 2004
Wie auch immer sich die momentane Hausse des Modells Wir sind
Helden auch erklären mag: In den Achtzigerjahren wurde die Neue Deutsche Welle,
in den Neunzigern deutschsprachiger HipHop dadurch kommerziell zugrunde
gerichtet, dass jedes noch so fürchterliche Projekt . . möglichst schnell auf
den Markt geworfen wurde.
Szarvady 1852 Paris I
84 f.
Die Haussiers werden bleich wie Kalk, während die Baissiers
aufflammen, wie Satan, wenn er seine Beute festhält;
Douai 1864 Union
214 f.
Die Börsengeschäfte sind durch gar kein Gesetz vor dem Schwindel der
Zeitkäufe und Verkäufe, der großen Kombinationen für Hausse und Baisse (die
Haussiers heißen hier Bulls, die Baissiers Bears) und anderem Börsenspiel
bewahrt;
1896 Grenzboten I 149
Wann und wo immer in der Welt das Getreide
knapp wird, sein Preis daher steigt, ist selbstverständlich jeder, der
eingekauft hat und das eingekaufte wieder zu verkaufen gedenkt, Haussier, d. h.
er wünscht, daß der Preis so hoch wie möglich steige, und thut das seinige dazu,
ihn zu steigern;
Schirmer 1911 Kaufmannsspr. 83
Haussier . .
Haussespekulant; der auf das Steigen der Kurse spekuliert;
Eitzen 1929
Irrgarten 136
Baissier . . Die Engländer sagen dafür im allgemeinen bear und
für Haussier . . bull;
Girnth 1954 Spielen 12
den „Haussier“, also den
Mann, der „nach oben“ spekuliert. Er hat ein Wertpapier . . in der Hoffnung
eingekauft, daß sich [sein] Preis erhöhen wird;
Mannh. Morgen 3. 4. 1986
Die Abschwächung des Dow-Jones . . erklären Analysten zum Teil mit technischen
Faktoren, zumal am Rentenmarkt der Enthusiasmus ungebrochen scheint. Dennoch ist
. . nicht zu übersehen, daß selbst überzeugte Haussiers langsam müde werden;
Berl. Ztg. 16. 6. 2001
Gerade eine Woche ist es her, da schienen an den
beiden Leitbörsen die Haussiers noch die Oberhand zu haben. Doch der Optimismus
ist verflogen, weil es nun Gewinnwarnungen hagelt und Händler vorläufig kein
Licht am Ende des Tunnels sehen.
Voss. Ztg.
2. 11. 1926
Rheinstahl haussierend;
Dtsch. AZ. 22. 9. 1935
Der Dollar
haussiert und erreichte in Paris am Sonnabend bereits den oberen Goldpunkt von
15.18½;
Süddtsch. Ztg. 4. 2. 1967
Die Börse haussiert wieder;
Mannh.
Morgen 5. 7. 1985
der Juni stellte auch eine Reihe kleiner Rekorde auf. . .
Der Optionshandel profitiert . . von den haussierenden Kursen der Aktienbörse;
ebd. 4. 11. 2004
An der Wall Street haussierten insbesondere Pharmawerte
wie Pfizer, die satte vier Prozent an Wert zulegten.