Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

überaus, verstärkungsadv. aus früherem richtungsadv.

überaus, verstärkungsadv. aus früherem richtungsadv.,
vgl. Schmeller 1, 158. nl. overuit nur steigerungsadv.
1)
richtungsadv. überhinaus: wie den Tewrdanck ... der wind erhub und überaus wolt geworfen haben Teuerdank 56 überschr.; so musz man die ruder ... hert halten in den henden, dasz sie nit den ruderer überausz werfen Keisersberg schiff d. pen. 31ᶜ; also das ellende weib über die mauren des turnes überausz sahe Arigo decam. 510, 38; so ferr mit dem böler zu weit oder überausz geworfen wird Fronsperger kriegsbuch 1 b³; überaus schweifen supervagari Maaler 442ᶜ; überauszgon supereminere 442ᵃ; Schönsleder prompt. T 2ᵇ; als were gott so ein gros ausgebreitet ding, das durch und überaus alle reicht Luther 26, 333 Weim.; überausz langen eminere Dentzler clavis ling. lat. 294ᵃ; überausfahren Böhme schr. 5, 62; viel dergleichen böse schützen find man noch in der welt: dann der eine scheust überausz, dem andern bricht der bogen, ... dem vierdten verruckt der stuel Albertinus hirnschleiffer 411; der gebrauch veraltet rasch: efferveo über aus wallen Calepinus undec. ling. (1598) 463ᵇ wird in der Leydener ausg. (1654) 399 in oben auszhin w. geändert. auch die bedeutung der flächenhaften verbreitung (= überall) kommt nach dem 16. jahrh. auszer übung.
Lazarus, gar überausz
voller geschwer ...
Hans Sachs 1, 269, 9 Keller;
herr, ich hab lieb die stett deins hausz
und den ort, da wohnt überausz
desz allmechtigen lob und ehr
18, 117, 12 Keller-Götze.
2)
praeter modum, abgeschwächt valde, maxime.
a)
bei verben: sich überaus bemühen, den schatz überaus vermehren Steinbach (1734) 1, 50; Adelung, Heynatz, Campe nennen die verwendung bei verben veraltet, doch ist sie, besonders bei den verben des affects, bis heute üblich.
ir knecht, ich bitt euch überausz
Hans Sachs 6, 143, 29 Keller;
die sach gefellt mir überausz
Alberus fabeln 36 neudr.;
das ziert dein nasen überausz
Scheit Grobianus v. 232 neudr.;
darinn er lobt und streicht herausz,
dieselbig mesze uberausz
Mangold marckschiff (1596) B;
da weint die mutter überausz
fieng an ein groszes klagen
Fischer-Tümpel kirchenlied 3, 258;
aber wenn ich dich betrachte, thut mir nur dies eine not:
dich zu setzen über alles, dich zu lieben überaus
Platen 2, 54;
(ich) weysz aber, das disz den papisten überausz miszfallen wirt Luther 8, 529 Weim.; der vater, welcher die kleider überaus schonete polit. maulaffe (1679) 3; also wurden ihre gemüther überaus beweget Lohenstein Arminius 1, 12ᵇ; durch ganz verstärkt: ganz überaus schnarchte er Immermann 3, 136; das schmeckte ihm ganz überaus Mörike 1, 238. beim verb. subst. nur im 16. u. 17. jahrh.: es ist über aus und über alle masse, das wueten Luther 18, 359, 13 Weim.; ich weisz wenn du sie sehen würst, du würst sagen sie sey überaus Boltz Terenz deutsch 44ᵇ;
so grüsz dich gott, du edles hausz,
du schönes klösterlein,
dein schöne zier ist überausz
fl. bl. zwey newe geistliche lieder (Augsburg bei M. A. H. (1638).
b)
bei substantiven:
ja alle die darinnen (im himmel) wohnen,
die tragen unvorwelckte kronen,
mit wunderfreuden überaus
Ringwalt christl. warnung B 7ᵇ;
ey, das ist ein wunder überausz
Ayrer dramen 58;
er (gott) breitet weit die arme aus
und spricht in liebe überaus:
all, was da lebet, soll sich freun
Storm ged. (1852) 114.
selten attributiv vorangestellt: es ist vor auch wol ein gelert in allerley kunst und sprachen, ein überausz seculum gewesen, wie mans liszt Franck chron. Germ. (1538) 3¹.
c)
bei adjectiven u. adv. zur steigerung und umschreibung des superlativs ganz allgemein: circumloquimur superlativum per positivum addita dictione überausz ... als: er ist überaus freigebig super ommia liberalis est Albertus gramm. 56; perhumane ser freuntlich, überausz freuntlich Alberus dict. (1540) 8ᵇ; überausz fürträffenlich praeexcellens Maaler 441ᵈ; darumb ist's gar überausz eyn nerricht ding Luther 11, 262, 31 Weim.; sampt einem meinem bruder, der überausz ein schöner jüngling war buch der liebe 160ᶜ; er ist gesprech und beder rechten gaistlichs und werltliches überaus wolgelert Wyle translationen 17, 16 Keller; einen überausz köstlichen krantz Wickram 1, 265, 32; den hett er überausz lieb Knebel chron. v. Kaisheim 267; es hat ein jeder mit sich ... überausz genug zu schaffen Mathesius Sarepta 221ᵇ; von dem überausz jesuwidrischen schreiben Fischart nachtrab 1; sie war auch überausz schön und rohtbacket volksb. v. dr. Faust 75 neudr.; nun hett aber dieser solche red überaus hoch für übel Bebel facetiae (1589) 66ᵇ; ein grosses ... feld, welches mit überausz hohen ... mauren umbgeben Moscherosch gesichte (1650) 197; aber seine gründe darauf er bauet sein überausz schlecht Morhof unterricht (1682) 1, 31; überausz lustig Simplicissimus 3 neudr.; überaus rachgierig Springinsfeld 38, 26 Keller; er sahe es überaus gerne Lohenstein Arminius 1, 3; sie haben überaus recht Gottsched deutsche schaubühne (1741) 2, 85; ein überaus seltenes übel Haller Usong (1771) 45; von Ridinger, einem überaus geschickten thiermahler Lavater physiogn. frag. 1, 253; mit überaus schnellen schritten Novalis 4, 60; überaus lichte augen Droste-Hülshoff 2, 332; sie erholt sich nur überaus langsam Humboldt br. an Welcker 65; überaus zufrieden Steffens was ich erlebte 1, 114; der natur überaus gemäsz Justi Winckelmann 1, 379; von überaus edler gestalt Ludwig 2, 418; ein überaus wichtiges zugeständnisz Ranke 1, 116; auch zu doppelter steigerung: sanct Bernhardt sagt, dasz er lieber wolte in einen überausz sehr heiszen offen gehen Nigrinus von zäuberern u. s. w. 23; desz überausz sehr heiligen vaters Schupp schrift. 404;
wann ich bin freydig überausz
Hans Sachs 21, 37, 15 Keller-Götze;
gott hat uns sölchen könig beschert
der überausz ist wol gelert
Alberus fabeln 95 neudr.;
wie ist's doch so still überausz
allhier vor des Admeti hausz!
W. Spangenberg Alcestis 205;
gott Jupiter gieng in sein hausz,
herrlich geschmücket überausz
Spreng Ilias 11ᵇ;
der Isegrimm der sprach: das ist ein seltzam ding
dasz dies der könig schetzt so überaus gering
Reinicke fuchs (1650) 197.
flectiert und in die adj.-classe übergeführt: etwas überauszes und ungemeines Arndt werke 1, 19.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 1 (1913), Bd. XI,II (1936), Sp. 133, Z. 58.

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Zitationshilfe
„uberaus“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/%C3%BCberaus>.

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