Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

bergen

bergen,
goth. bairgan τηρεῖν, ahd. perkan, bergan (Graff 3, 169), mhd. bergen Ben. 1, 158. 159, ags. beorgan, altn. biarga, schw. berga, dän. bjerge. Adelung will bergen von berg ableiten, da doch umgedreht berg von bergen stammt, d. h. in berg die vorstellung des schützenden, hegenden, wehrenden anzuerkennen ist, nicht in bergen nothwendig die der höhe. des gr. φράγνυμι, φάργνυμι wurde oben (unter berg) gedacht, man erwäge ῥήγνυμι (unter brechen) und ἄγνυμι. beren, bairan tragen bleibt besser aus dem spiel; denn bergen liesze sich zwar deuten in die höhe tragen, hervortragen, emportragen, doch der gutturallaut scheint, wie sl. brjeg und gr. ῥηγμίν zeigen, schon frühe wurzelhaft, nicht als ableitend nachzuweisen.
1)
bergen, den mit der flut ringenden an das ufer ziehen, retten, das im meer schwimmende gut an den strand bringen, sichern und retten: es sind nur wenig leute aus dem schifbruch geborgen worden; gestrandete güter bergen. daher bergegeld, bergegut, bergelohn. alles, die ganze ladung ist geborgen, res in vado est, in tuto est, aufs trockne gebracht. man sagt nun auch: das heu bergen, einthun, in die scheune führen, obst bergen, obst lesen, afterbergen, nachlesen.
2)
bergen, condere, abscondere, tegere, verstecken, man kann überall deuten bewahren, schützen: in der erde, in die erde bergen, terra condere; den leichnam bergen, begraben, bestatten; sich im dunkel des waldes bergen;
wol dem, den bisher barg
ein grab für so viel arg.
Logau 1, 2, 92;
tief barg ich mich nun in den hainen Achäas,
dasz mein ohr nicht vernahm jenen orkan.
Klopstock 2, 192;
ulmen, unter deren blätter
oft die nachtigall sich barg.
noch köstlicheren samen bergen
wir trauernd in der erde schosz,
und hoffen, dasz er aus den särgen
erblühen soll zu schönerm losz.
alle sturmerprobte schiffe
bergen sich in sichrer bucht.
60ᵃ;
und sprächet ihr zu der nacht verhülle mich, und zu der finsternis birg mich! 139ᵇ; dein auge rollt fürchterlich, ich will mich hinter dich verstecken. Guelfe birg mich vor deinem blick! Klinger 1, 67; der genius deckte seine mutigen streiter mit einem groszen schilde, er konnte aber die unzählbare menge nicht bergen. 3, 263. mhd. sagte man die klâ in die füeʒe bergen, die klauen einziehen. krone 9420.
3)
aus der ersten bedeutung folgt die abstraction des helfens, rettens, sicherns, geborgen sein heiszt in schutz und sicherheit sein, gut dran sein:
da ruh du, mein armes, da ruh nun in gott,
geborgen auf immer vor elend und spott.
komm, komm, du bist geborgen.
lasz gott und mich nur sorgen.
53ᵃ;
vor euern klauen und geiersgriffen,
vor euern praktiken und bösen kniffen
ist das geld nicht geborgen in der truh,
das kalb nicht sicher in der kuh.
Schiller 325ᵃ;
er ist gerettet doch und wol geborgen?
522ᵇ;
mein weib verzagt um mich. verkündet ihr,
dasz ich gerettet sei und wol geborgen.
541ᵃ;
solch eine schwester! und ich wär geborgen.
Göthe 2, 7;
wenn aus dem herrn ein bräutigam wird, so ist sie geborgen.
40, 314;
ist der director glücklich genug ihrer (schöner leute) habhaft zu werden, so sind komödien- und tragödienschreiber geborgen. 23, 23; wer den begrif (des bildes) fassen kann, ist in der kunst sein ganzes leben geborgen. 39, 13; so ist er (der physiker) geborgen und der philosoph mit ihm. 52, 290. wir bergen uns wol, aber das volk ist verloren.
4)
aus der zweiten die des verhehlens, verbergens,
a)
ohne casus, oder mit dem bloszen acc. der sache: ein narr zeigt seinen zorn balde, aber wer die schmach birget, ist witzig. spr. Sal. 12, 16; fürsten müssen viel dings bergen und heimlich halten. Luther 3, 49ᵇ; wie gar kannst du nicht bergen, was du im sinn hast? das.;
alsbald die haube deckt das haupt, entdecken sich die sinnen,
die nicht wie, wann sie jungfern sind, die weiber bergen künnen.
Logau 3, 9, 19;
der nicht bergen kann, wie viel ihm daran gelegen ist, für nichts gemeines angesehn zu werden. J. E. Schlegel 5, 378; bei allem dem können wir nicht bergen, dasz. Wieland 1, 254; eine lücke, und zwar wie wir nicht bergen, eine beträchtliche lücke. 7, 105;
ihr herz, wir könnens nicht bergen, nahm antheil an der sache.
5, 106;
wir können nicht bergen, Danischmend hatte u. s. w. 8, 241;
birg nicht gefühle, die dich ehren!
Gotter 2, 364;
geheime kräfte
den schlaf zu bannen,
birgt ein geschäfte.
3, 524;
ich habe gründe, dieses strafbare geheimnis länger nicht zu bergen. Schiller 267; ich darf nicht bergen, dasz ich um ein geheimnis weisz. 273;
was ich dem himmel
vertraut, brauch ich vor menschen nicht zu bergen.
458ᵇ.
b)
mit dat. der person: denn ich wil e. a. nicht bergen, das nicht allein die conventual von N., sondern fast jederman ergerlich und ubel davon reden. Luther 6, 506ᵃ; gn. herr, ich kann euch nichts bergen. Aimon l;
versprich mir, wenn dein herz vernehmlicher
sich einst erklärt, mir seiner wünsche keinen
zu bergen.
Lessing 2, 244;
dieses unglücks schmach dem aug der welt zu bergen.
c)
sich bergen:
kaum halt ich mich zurück, wo berg ich mich?
Gotter 2, 492;
was aller mund erfüllt,
das bärg sich meinem herrn?
sich nicht zu bergen wissen, nicht wissen, wohinaus, sich vor etwas zu hehlen oder zu retten: er weisz sich vor freude gar nicht zu bergen, weisz nicht was er thun soll, ist verwirrt vor freude; hat er sich vor freuden kaum zu bergen gewust. Felsenb. 1, 2; ich kann mich gar nicht vor ihm bergen, immer neckt er mich; sich vor frost, hitze, hunger, durst nicht bergen können; seit die katze fort ist, können wir uns vor ratten und mäusen nicht bergen.
d)
die ältere sprache stellte dazu die sache in den genitiv: ich hab mich meiner kunst nit geborgen. Reuchlin augensp. 35ᵇ; ihr habt nunmehr wol von andern gehört, von wannen mir das gelt und die kleider kommen, denn ich mich sein noch nie geborgen habe. Galmy 238.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 7 (1853), Bd. I (1854), Sp. 1507, Z. 74.

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Zitationshilfe
„geborgen“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/geborgen>.

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