Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

gehöfer, m.

gehöfer, m.
hofmann, huber, lehnmann, ein altes wort des Mosellandes; vgl. Hanssen die gehöferschaften (erbgenossenschaften) im regierungsbezirk Trier, in den abhh. der Berl. akad. 1863, wo die erscheinung nur vom volks- und landwirtschaftlichen gesichtspunkt behandelt wird, als rest altgermanischer feldgemeinschaft.
1)
die alte form ist schwankend, in lehrreicher weise, gehöfer, gehöver, gehöber, gehöfner, gehövener, gehuber u. ä.
a)
gehöfer, wie noch im Trierischen, im 15. 16. jh.: jeder viertel habers gibt dem gruntherrn (abt zu Prüm) 71⁄2 ey, und das achte ey soll die fraw uff die schwell legen, welches der scholtesz mit einem kolter von einander hawen (soll), und was binnent die schwell fellt, soll der gehöffer, und was darbauszend fellt, der grundherr haben. weisth. 2, 538; im 17. jahrh.: welcher gehöfer oder lehnman das geding verschmeht. 368. älter gehöver: darnach sall man die rögen (rügen) in den hoff brengen und die gehöver sullen die rögen. 295, gehöwer 294, alles das von der Mosel. auch die gehofer 6, 563, von der Eifel 14. jahrh.; im 16. jahrh. gehober 280 fg., im 17. jahrh. gehöber, gehober 369 fg.; im 16. jahrh. die gehöber, so uff den voigtien sitzen. Luxemb. weisth. 478. 481, einem jeden gehöberen 484, hoebsman oder gehöber 492. so noch im Luxemb. gehöber (pl. gehöberen), der holzungsberechtigte, l'usager, s. Gangler 170.
b)
daneben gehöfner u. ä. (s. 2, b): item weist der scheffen (d. h. die versammelten sch., s. sp. 1290) dem herrn von Prum zu den ostern ein hobsey, und ist gelegt uff jede vierteil lands 21⁄2 ey, und wannie ein gehoffner (gerade) schuldig ist 21⁄2 eyer, und wil nit drei ganzer eyer geben, so soll er das dritte ey auf seine schwell legen und mit einem messer entzwey hawen, felt das meist stuck binnen die schwell, so ist er dem herrn umb eine boesz erfallen (wegen ungenügender leistung), fält aber das meiste stuck vor die thur, so ist der gehoffner los. weisth. 2, 525; item weist der scheffen, dasz der gehoffner dem schultheiszen sol gehorsam sein. 527, und immer in demselben weisthum; der gehöffener 536. 540 ff., gehöffner das., wechselnd gehöffener und gehövener 550. aber auch mit der vorigen form wechselnd, in dem Walmersheimer weisthum neben gehöffer 538 vorher gehöffener (und hoffsman) 536. das schwanken weist auf eine im sprachgefühl eingetretene störung, die im folg. deutlich wird.
c)
wenn im vorigen gehöfer auf hof m. bezogen ist, so erscheint es doch auch mit bezug auf hôve f., d. i. mhd. huobe, nhd. hufe: so das jargeding gehalten wurde (conj.), sein daruff alle gehover ungepotten zu erscheinen schuldig .. wurd es aber verkurzt oder verstreckt (früher oder später angesetzt), sol man die gehover durch den botten beigebieten lassen. wir scheffen weisen von jeder hoven sechs hoener .. 2, 118; das 'forsthuberweisthum' zu Greimerath s. 103 fg., spät aus dem 16. jh., handelt von der hocheit der forsthoven (sg.), dazu gehören ein forsthover und die gehover; auf der Eifel 14. jh. gehofer auf einer wilthofe (mrh. wilthube weisth. 1, 502): sullent die gehofer uf unser frawen lichtmesstag geben den hern von Esche von der wilthofen ein malter even. 6, 561, nachher die wilthoefer, wilthuefer das. so mit hd. vocal auch im 15. jahrh. die gehuber, neben huber, hober 2, 312 (s. 3).
2)
diesz gehover, gehuber zu hove, hube f. ist aber das ursprüngliche, gehöfer zu hof spätere umdeutung.
a)
der übergang von hube in hof ist auch sonst häufig, wie Förstemann an den ortsnamen beobachtet hat (namenb. 2², 818. 434. 653. 919), auch hd., wo nicht wie dort das gleiche -v oder -f den übergang erleichterte, und schon im 9. jh., z. b. aus der Würzburger gegend in einer urk. von 823 mon. boica 28¹, 16 ff. eine reihe namen wie Chuningishaoba, Ippihaoba, Gullahaoba (ao für oa, uo s. Weinh. bair. gr. s. 74), die in einer erneuerung derselben urkunde von 889 (das. 92 ff.) alle umgebildet sind in Chuningeshofa, Iphahofa, Gollahofa u. s. w., wie noch jetzt Königshofen, Iphofen, Gollhofen (aus dem nom. in den dat. gesetzt). der umsatz, den die ähnlichkeit der wörter darbot, musz in den verhältnissen einen triftigen grund gehabt haben, etwa in der wachsenden ausbildung des hofrechtes, wobei dann zugleich der begriff des herren- oder fürstenhofes im hintergrunde mitwirken mochte, wie das unter c herausblickt.
b)
dasz auch bei gehöfer dieser umsatz stattgefunden hat, zeigt deutlich die form gehöfner, dessen -n von hof her nicht begreiflich ist, aber von hube, von dem nach seiner wechselnd schwachen und starken form sowol hubener, hübener als huber, hüber gebildet ward (vergl. unter 3 mrh., noch als namen Hübner und Huber), wie von kirche kirchner und kircher, vgl. gärtner I, a. auch höfener oder hovener, z. b. in einem weisth. 2, 532 aus Prümer gebiet 15. jh. hand die hern von u. l. fr. zu Prume ir hoifsgeding ... besessen, anwesend sind die geschworen hoiffener ind lehnman, auch die hoevener, ihre güter werden bezeichnet: in icklichem unsers gottshaus höven (gen.), worin denn hof und hôve hube wie gemischt scheint; die mischung erleichterte im md. der übergang des -f in -b-, der auch hier erscheint, s. z. b. weisth. 2, 254 neben den hoff 'im hobe'. aber auch gut oberd.: ein huobe, des eigenschaft gegen Rînowe hœret. habsb. urb. 233, 26, wie ein hof, des eigenschaft u. s. w. 232, 12. 24. 233, 11.
c)
der völlige übertritt zu hof erscheint schon im anfang des 16. jh. in derselben landschaft: unser scholtes .. hat die lehenmänner und höffer gefragt u. s. w. sprach der lehenman, man solle alle diejenige herein ruffen, die in diesen hoff gehörig seind. 2, 385, aber die auf dem hofe versammelten höfer heiszen auch selbst der hof (als vertretung des ganzen gebietes): ist der lehenman gemahnet und der hoff auf die eid und huld, die sie .. meinem herren dem abt gethan haben. das.; der gehövener, der zu haus sitzet (haus hat) binnen dem hoff. 550, d. h. im bezirk des ganzen hofgebietes, in diesem hoff und hoffsban 548; der gehoffner hat hoffsgueter 544 fg., heiszt auch hoffsman 536, hoffman 538. 540. doch nennt sich ein weisth. 2, 506 fg., wo höfer weisen, die zu hoff sitzen in höfen des deutschen ordens und hoffsgeding halten, noch hub und hofsweisthum, wie 1, 797 zu einem hubgericht die hüber, hübner versammelt sind (mrh.), 1, 803 zu einem hubhof die hübner. vgl. bei Dief. 347ᵇ mansionarius hubner, hufner, nd. hovener; auch in diesem mlat. mansionarius mischen sich mansus hube und mansio hof (franz. maison), vgl. auch ahd. hreitihuoba colonia gleich hofreite Schm. 3, 155, im 15. jh. hofrayt oder hub, curtis voc. 1482 o 8ᵇ.
3)
die bildung hat also mit gehöfte zunächst nichts zu thun (s. dort 1, c), das zudem der sprache der betreffenden weisthümer fremd bleibt. es ist vielmehr eins mit höfer, d. i. huber und unmittelbar davon gebildet, wechselt auch damit, z. b.: it. wysent die scheffen, das die gehuber in dem banne zu Kenne (s.hoffsban vorhin) .. zu dinge unde zu ringe usz und an gaen sullen (das jahrgeding zu halten) .. it. wysent die scheffen und huber miteinander u. s. w. 2, 312 (nachher hober das.), von der Mosel vom jahre 1409. die gehuber sind eben die 'huber miteinander' oder, wie es in benachbartem gebiete am Mittelrhein ausgedrückt ward, der ganze hübner (auch hüber, huber) 1, 797, d. h. die versammelten als èins oder einer und als vertretung des ganzen vorgestellt (s. unter ganz sp. 1290). diesz ganz ist eben einfacher, also älter in dem ge- ausgedrückt. daher auch, wie der höfer und scheffen 6, 539, so auch im sg. der gehöfener, gehuber von den versammelten (der ausgangspunkt des ganzen wortes und begriffes), dann natürlich auch vom einzelnen, eigentlich um sein verhältnis zum ganzen auszudrücken (vgl. unter ge- sp. 1611 c).
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 2 (1880), Bd. IV,I,II (1897), Sp. 2490, Z. 39.

Im ¹DWB stöbern

a b c d e f g h i
j k l m n o p q r
s t u v w x y z -
güsthirt
Zitationshilfe
„gehofer“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/geh%C3%B6fer>.

Weitere Informationen …


Weitere Informationen zum Deutschen Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)