Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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gewait

gewait,
niederdeutsche nebenform zu gewat (s. d.), vgl. gewand: si vielen auch in des bischofs hof ind braechen alle slos up ind namen sin goit, sin silveren vas, sin cleinoid ind gewait. Koelhoffsche chronik, d. städtechroniken 13, 491.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 3 (1902), Bd. IV,I,III (1911), Sp. 4906, Z. 21.

1geweiht, participiales adjectiv

geweiht I, participiales adjectiv,
unmittelbar vom substantiv geweih (s. d.) abgeleitet. das wort gehört der engeren jägersprache an und kennzeichnet den gegensatz zu geweihlos (s. d.). geweiht, geweihtragend; geweihter hirsch, royal (stag) fam. Muret deutsch-engl. wb. 2ᵃ, 875ᶜ;
trara, trara!
die meute ist da!
es kehrt zu holz
der edelhirsch so stolz —
hört ihr von fern sein brunftgeschrei?
geweihte kämpfer sind dabei —
trara, trara!
die meute ist da!
H. Laube jagdbrevier (lied zum auszuge) 150.
im engeren sinne wird mit geweiht eine bestimmte entwicklungsstufe der geweihbildung gekennzeichnet: geweihte hirsche sind solche, die mindestens augensprossen (die ersten zinken am geweih) haben; spieszer, knöpfchen, hirschchen und männliche kälber sind also ausgeschloszen. Guido Hammer wild-, wald- u. weidmannsbilder (gartenlaube 1861) 149; geweihter hirsch ist nach der jägersprache mehr als spieszer, aber weniger als ein acht- oder zehnender, also vierender oder sechsender, über zehn enden ist capitalhirsch. mitteil. aus Blesewitz in Pommern. den gegensatz dazu kennzeichnet die verbindung hochgeweiht: aufs neue jagten sie (die hunde) einen hochgeweihten hirsch hervor, und weit den übrigen voran sprengte der graf ihm nach, ihn mit dem wurfspiesze zu erlegen. E. v. Houwald (die bärenburg) 5, 11; als der förster an mich herankam, versicherte er mich, dasz er auf den starken hirsch, den er als einen capitalen, hochgeweihten burschen beschrieb, vortrefflich abgekommen sei und denselben auch gekennzeichnet habe. Guido Hammer weidmannsbilder (gartenlaube 1863) 328ᵃ. dieses adjectiv erscheint auch gern substantiviert: noch einmal liesz die schmerzensvolle angst den hochgeweihten sich emporraffen und aus den düstern fluthen heraussteigen. ebenda 151ᵃ, vgl. auch th. 4, 2, sp. 1622.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1906), Bd. IV,I,III (1911), Sp. 5439, Z. 57.

2geweiht, participiales adjectiv

geweiht II, participiales adjectiv
zu weihen, s. d. wie das verbum zuerst in der beschränkung auf die geistliche litteratur und in der gebundenheit an christliche kultformen überliefert ist, so ist auch die adjectivische verwendung des particips in der älteren sprache den gleichen beschränkungen unterworfen. der neuere gebrauch, der das wort lebendig erhielt, zielt auf abstreifung dieser gebundenheit und läszt hierin das synonyme geheiligt weit hinter sich.
1)
in den bibelstellen, die den althochdeutschen übersetzern und dichtern (vgl. Graff 1, 726) anlasz zum gebrauch des wortes gaben, hat Ulfilas, soweit seine übersetzung überliefert ist, meist synonyma gebraucht; er verwendet unser particip nur einmal: jah gaveihaids ist aba sa ungalaubjands in qenai. 1 Cor. 7, 14 (denn der unglaubige man ist geheiliget durchs weib. Luther). auch die spätere bibelübersetzung läszt an gleicher stelle synonyma vordringen: neben geheiligt vor allem gesegnet, gesalbt, gebenedeit. dagegen nimmt die mittelhochdeutsche dichtung und die spätere prosa einzelne gebrauchsformen auf, die den ausgangspunkt für die neuere entwicklung bilden. vgl. mhd. wb. 3, 613ᵇ. Lexer 3, 881.
a)
die verbindung des particips mit hülfsverben (sein, werden) wird von einigen älteren übersetzern zur wiedergabe lateinischer passivconstructionen herangezogen, die von anderen activisch gewendet oder durch synonyma gedeckt werden. das letztere ist namentlich da der fall, wo schon das lateinische particip in bedeutung und function mehr dem adjectiv genähert war. der gebrauch des particips ist in diesem zweiten fall durchaus ein absoluter. beim ersten fall dagegen bahnt sich ein relativer gebrauch an, indem hier die begriffe sacer, sanctus durch zielbestimmungen verengt und entwicklungsfähig gemacht werden.
α)
sanctificentur nomen tuum, kawîhit sî namo dîn .. nist .. daʒ der sîn namo in uns kawîhit werda. Freisinger paternoster (veihnai namo þein. Ulfilas Matth. 6, 9; wîhi namun dînan St. Galler paternoster), ebenso Weiszenburger katechismus u. Heliand 1604 (dîn namo werde geheiligôt bei Notker); in dhînemu sâmin werdhant chiwîhidô allô dheodûn, dhaʒs ist in christe. fona imu quhad dher psalmscôf: endi in imu werdhant chiwîhit alliu aerdhchunni, allô dheodûn lobônt inan. Isidor 33, 17 ff. Hench (benedicentur, durch deinen samen sollen alle völcker auff erden gesegenet werden. 1 Mos. 22, 18. Luther, ebenso ps. 72, 17);
ze stete ich in wîhte   ze sâligime lîbe.
selb ist er geheiligôt;   suaʒ er geseginôt daʒ ist gewîhôt.
genesis fundgr. 2, 39, 34;
gewîhet ioch gesegenôt
dâ ne furhtent si den tôt.
vom rechte. Karajan sprachdenkm. 15, 23;
β)
heil wîh dohter,
wola ward thih lebenti   joh giloubenti!
giwîhit bistu in wîbôn   joh untar woroltmagadôn.
Otfrid 1, 6, 7 (benedicta tu in mulieribus Luc. 1, 42;
thu scalt for allun wesan
wîbun giwîhit.
Heliand 261
(vgl. Ulfilas þiuþido þu in qinom Luc. 1, 41; gisegenot sîs thû in wîbun Tatian 3, 2; gesegnet Mentel, Eggesteyn, Koburger, Weiszäcker; gebenedeiet Beheim vgl. gebenedeiet bistu unter den weibern. Luther, ebenso Quentel, Arndes, Dietenberger, Emser, Zürich. bibel).
γ)
'gidua mih', quad (Pilatus),   'nu sâr io wîs, oba thu iro kuning sîs?
bistu zi thiu gewîhît   sô thih ther liut zîhit,
in themo willen giangis,   thaʒ rîchi so bifiangis?'
Otfrid 4, 21, 5;
ef sie than thes wirdige sint,
that sie iuwa gôdun werk   gerno gilêstien ..
geldad im mid gôdu   endi sie te gode selbon
wordun gewîhad.
Heliand 1938;
als ûf den altâre,
der Stephano ist gewît,
dâ sîn heilictuom nu lît,
blumen wâren ûf geleit.
pass. 52, 5 Köpke;
[das gleiche particip wird unbedenklich auch auf heidnischen kult übertragen:
er quam zu deme templo,
daʒ Jovi gewiet was.
pass. 302, 79, ebenso 13, 36];
Polimius wart bî diesen tagen
zu bischoue aldâ gewit.
pass. (Bartholomäus) 290, 91 Hahn;
idoch so wart er ûʒgelesen
von deme volke in der zît
und zu dem amte gewît.
pass. 54, 40 Köpke;
daʒ nieman .. kirchen solden machen
in den steten, ê daʒ man
gewinne urloub dâran
des bischoves, der dâr obe
gewîhet ist in gotes lobe.
70, 48.
Vincencius was gewîhet zu deme êwangelio, und was kapelân eines bischoves der hiʒ Valerius. mystiker (Hermann v. Fritzlar) 70, 4 Pfeiffer; süs wart er (Karolus der grosze) uf denselben tag zuͦ keiser gekronet und gewihet von dem bobste Leo, daʒ er nüt darumbe wüste. Closener chron. v. Straszburg, d. städtechron. 8, 33; item der Nenninger ward geweicht zu ainem bischoff zu Lindaw. B. Zink chron. v. Augsburg, d. städtechron. 5, 84.
δ)
aus solchen bestimmungen erwächst eine neue bedeutung, die sich schon in der glosse cawîhit, kiwîhit, dedicata Steinmeyer-Sievers 1, 96 (Hrab.-Keron. sippe) ausprägt und die an geheiligt nicht entwickelt wird. unserem particip bleibt sie auch da treu, wo es die näheren bestimmungen abstreift und einen absoluten gebrauch secundär entwickelt:
1))
beziehung auf persönliche subjecte:
der chrisma iôhc daʒ oleum
beceichenent den spm scm
damit er uns den heiligen gaist uerlîhet
dâ werdent auh alle cheisere mit gewîhet.
loblied auf d. heil. geist bei Diemer ged. 345, 15;
dô wâren ouch die künege   gewîhet nâch ir ê.
Gudrun 1667, 1;
Gunther unde Prünhilt   niht langer daʒ verlie,
si giengen zuo dem münster,   dâ man die messe sanc ...
dô wurden si gewîhet.   dô daʒ was getân,
dô sach man under krône   elliu fieriu schône stân.
Nibelungen 595, 3;
der noch nüt ist gewicht
und weder mess helt noch hoert bicht.
des teufels netz 11890 Barack;
der kirchtag was alsô besatzt,
und welcher nicht drei stiegen platzt
secht oder zue dem minsten zwô,
der was nicht recht geweicht.
Oswald v. Wolkenstein 116, 84 Schatz.
2))
beziehung auf sächliche objecte:
ther douf uns allên thîhit, thaʒ waʒar theist giwîhit.
Otfrid 1, 26, 1;
hâstu daʒ alle suntage
in Francrîche gewîhet wirt? (brot).
Wolfram Willehalm 65, 50, vgl. auch Seifrid Helbling 8, 301;
sît der tempil ist gewît.
pass. 287, 59 Hahn.
b)
die adjectivische entwicklung und die substantivierung knupft in ihren für die spätere entwicklung maszgebenden typen an diese zweite art der verwendung an; nur in der ältesten zeit finden wirnamentlich mit beziehung auf personenandere formen, die jedoch bald wieder absterben:
α)
thaʒ si uns beran scolti,   ther unsih giheilti,
giwîhtan in êwôn.
Otfrid 1, 3, 39;
venite benedicti patris mei, chomint kewiêhte mînes fater. Notker ps. 44, 10 u. a. (vgl. ir gisegenoton mînes fater. Tatian 152, 3 zu Matth. 25, 34, ebenso Mentel, Eggesteyn, Koburger, Luther, Weiszäcker; gebenedîeten Beheim, Quentel, Dietenberger, Emser, Züricher bibel u. a.); nolite tangere christos meos, ne rûorent mîne gewîehten Notker ps. 104, 15 (gesalbeten Luther u. a.); gesamenoton sih wider truhtene unde wider sînemo gewiêhten. Notker ps. 2, 2 (adversus dominum et adversus christum ejus, wider den herrn und seinen gesalbeten. Luther u. a.), ebenso 27, 8. 23, 10. 131, 17; ketoûfet in namen unsiris hêrrin des kewiêhten haltaris, in nomine domini nostri Jesu Christi. Notker ps. 73, 19;
do der geweichte gotes sun
den roup dem an gewan.
anegenge 39, 64 Hahn;
lop sî dir, hôch gewîhtiu meit.
Reinmar v. Zweter 232, 1 Roethe;
ir bernden himel, neiget iuch har,
unt nemet des sueʒen lobes war,
daʒ ich enbar
von dem gewîhten bilde,
diu sich uns vor gebildet hât
mit reiner scham, mit kiuscher tât.
lobgesang auf d. heil. jungfrau (z. f. d. a. 4, 513 ff.), 12, 4;
waʒ ir da tot wart geslagen,
die crone der sigenunf die tragen
mit den martereren geliche,
gewihte chunige in himelriche,
in ir selben blute.
Ludwigs kreuzfahrt 7281 v. d. Hagen.
β)
sacrata sedis, kiwihit sethal, kiwihit stat Hraban-Keron. gloss. Steinmeyer-Sievers 1, 244, vgl. ir sült sie niemer bestaten an deheiner stat diu gewîhet sî. Berthold v. Regensburg 1, 394;
eʒ het uns alle in nôt brâcht
hete got der weise
in dem paradeise
der geweichten erde genomen
der mensch wær uʒ ím selben chomen.
anegenge 14, 51 Hahn;
swâ aber daʒ gotes wort unt diu gewîhte hant
ob dem gotes tische wurchent ensant,
dâ wirt der gotes lîchnamen in der misse.
erinnerung (Heinrich v. Melk) 181 Heinzel;
ouch grîfet siu (des pfaffen) gewîhtiu hant
an daʒ hœheste pfant
daʒ ie für schult gesetzet wart.
Wolfram Parzival 502, 17;
dar an gedenkent, ritter: eʒ ist iuwer dinc.
ir tragent die liehten helme und manegen herten rinc,
dar ʒuo die vesten schilte und diu gewîhten swert.
Walther 125, 3;
swer gotes minne wil bejagen,
der muoʒ ein jagendeʒ herze tragen
... ringen, strîten, diu beide,
diu muoʒ er haben naht unde tac
nâch der gewîhten minne.
lobgesang auf d. heil. jungfrau 1, 10 (z. f. d. a. 4, 514);
wanne wissent daʒ es sörglich ist gewihete kirchen oder kappellen gerwe lossen undergon, es were denne daʒ man die wihete wolte an eine andere stat ziehen, do sü bas und ordenlicher lege. Nicolaus v. Basel an den comthur des Johanniterhauses 1377. Karl Schmidt 304.
c)
im übergang zur neuhochdeutschen periode zeigen sich an der participialform auszer der diphtongierung auch veränderungen, die bei den übrigen verbalformen nicht so sichtbar werden. die syncope des unbetonten vocals, die schon mittelhochdeutsch zu belegen ist, läszt guttural und dental zusammenstoszen und sichert dem ersteren so die spirantische geltung, während er zwischen zwei vocalen zum hauchlaut sich verflüchtigt. die schreibung schmiegt sich diesen gegensätzen um so rückhaltloser an, je deutlicher das particip in verwendung und bedeutung vom übrigen verbalstamm isoliert ist. allmählich wirkt aber der zusammenhang mit dem letzteren wieder ausgleichend ein.
α)
geweicht neben geweiht: ain ort ... sol geweicht werdenn oder für geweihet gehalten werden. Eberlin v. Günzburg 2, 7 Enders u. a.; da auff ein zeit viel geweichte ... zu eim besessenen ... kamen. Mathesius (Luther) 3, 352; des widerchristen legaten und geweihten. 3, 197; trei geweichten sachen. Fischart glückh. schiff neudruck s. 36; jhr ungeweihete reuterkerles ... versuchet euwer heil, zu schützen des geweiheten theil. Gargantua 328 neudruck.
β)
geweicht, gewicht vgl.: gewicht Basler chronik Eberlin v. Günzburg (in den bundesgenossen), N. Manuel u. a.; Eulenspiegel (cap. 68 neudruck s. 108 neben geweicht), geweicht anegenge (hdschr. des 14. jahrh.), Nürnberger chron. H. Deichsler; Gregors dialoge (1473), dekameron (Ulm 15. jahrh.), Murner, Emser, H. Sachs, Erasmus Alberus, Mathesius, Maaler, Bamberger halsgerichtsordnung, Karolina, österr. weisth., bergreihen, Fischart, Wickram, Eulenspiegel, Alpinus; für die heutige mundart vgl. Schöpf a. a. o.
γ)
gewihet, gewit, geweihet, geweiht, vgl.: gewydt, gewyhet Kilian; gewihet Chytreus; geweihet Luther (zu Eberlin, Mathesius, Fischart s. unter α). Hulsius, Henisch, Duez (geweihet oder geweiht); Gürtler, Rädlein, Aler, Bayer, Kirsch a. a. o., geweiht Simpl. u. a.
2)
gebrauchserweiterung in der neuhochdeutschen periode. schon die mittelhochdeutschen belege zeigten, wie das particip innerhalb der christlichen kultusformen die bedeutung entwickelte, die der neuere gebrauch voraussetzt. die bedeutungen, die geweiht mit geheiligt theilt, wurden zurückgedrängt durch die entwicklung, die an der parallele geweiht, gesalbt ansetzte und die über den relativen gebrauch hinüber führte. personen, gegenstände wurden gott geweiht und gewidmet; je mehr freilich die unmittelbare und lebendige beziehung auf gott durch äuszerlichkeiten und formelwesen abgelenkt wurde, um so farbloser und allgemeiner wurde später die vorstellung, die sich mit dem adjectivierten particip verband. den günstigsten boden für solche erweiterungen und verschiebungen boten die bräuche der katholischen kirche, die von den trägern der reformationsbewegung als miszbräuche empfunden und unter die hauptpunkte des ärgernisses gezählt wurden, das die kirche am eingang des 16. jahrh. darbietet. vgl.: Paulus sagt, bist du ain christen, so bist du rain ... bist du rain, so bist du geweihet und gebenedeit, also, was du angreiffest zuͦ deinem oder frembdem nutz, trost unnd nott, ist alles rain, geweihet. Eberlin v. Günzburg (wider die schänder der creaturen gottes) 2, 10 Enders; einem frummen christen seinnd gleich geweihet seine teller, schüssel, kantenn, becher, als der kelch, den der priester braucht, sein tischtuͦch als hoch geweihet als das corporal, sein tisch als der altar, sein jup oder hosen als die albe und casul, das unslit, so er zuͦ seiner arbait gebraucht, als das wachsz, das mann weihet auff liechtmesz tag, sein wasser, damit er sein hand wäscht als das tauffwasser oder weichwasser, sein stub und kamer als der tempel, sein saltz, das er täglich iszt, als das man am sontag weihet, das kraut in seinem garten ... als das man auff unser frawen tag weihet, sein öl, damit er den finger salbt, wann er sich geschnitten hat, als das genant heilig öl im tempel. ebenda. im sprachgebrauch entwickelte sich aus solcher ausdehnung des verwendungskreises eine reihe fester verbindungen des attributiven adjectivs und bestimmter formen der substantivierung, die ihrerseits wieder den ausgangspunkt zu übertragungen über den kreis der kirche hinaus boten. hieran ist namentlich die neuere litteratur seit dem 18. jahrh. betheiligt. in allen diesen richtungen hat der absolute gebrauch das übergewicht. wie sich dieser aus dem relativen secundär entwickelt hat, ist oben versucht worden darzustellen, ohne dasz freilich für jeden einzelnen fall die gewähr übernommen werden sollte. auf relativen gebrauch führen auch manche der älteren wörterbücher die bedeutungen zurück, die sie feststellen: geweicht, gott zuͦgeeignet, sacratus, dedicatus. Maaler 179ᵇ; geweicht, heilig, geistlich, voller maiestat, augustus, sanctus. ebenda; ghewydt, ghewyhet, augustus, consecratus, sanctus, lustratus, sacratus, deodicatus. Kilian 146ᵇ; geweihet oder geweiht, bénit, sacré consacré, benedictus, sacratus, consecratus, Duez 198ᵇ; gewichet, iniciatus, inauguratus, consecratus, sacer, sanctus. Aler 2162ᵃ; geweihet, auguratus, auspicatus, augustus, devotus, sacratus, lustratus. Kirsch 2, 151ᵇ. diese und andere angaben der wörterbücher, die von dem particip als isolierter form kenntnis nehmen, sind an die erwähnung einzelner fester verbindungen oder formelhafter substantivierungen geknüpft. seltener wird das particip für sich allein aufgeführt, doch vgl. geweihet, sacer, sanctus, consecratus. Gürtler 2, 74ᵇ; geweihet, sacratus, consecratus. Bayer 290ᵃ.
a)
die prädicative verbindung des particips mit dem verbum substantivum tritt wenig aus dem rahmen der verbalrection heraus (s. unter weihen); doch vgl.: wo man doch die unschuldigen kinder sölle begraben, so doch der gantz kirchhoff gewicht sige ... der wichbischoff spricht (zu der begräbniszstätte der ungetauften kinder) 'bisz du nit gewicht!' Wickram (rollwagenbüchlein 76) 3, 100. für diesen wie für andere übergangspunkte zur isolierung des adjectivs mögen die hauptsächlichsten typen durch belege aus der neueren sprache gekennzeichnet werden: das ists auch, das du jnen thun solt, das sie mir zu priester geweihet werden. 2 Mos. 29, 1 Luther (geheiliget Eggesteyn, Koburger, gehillicht Quentel, ghesaluet Arndes, geweichet Zürich, Dietenberger; um sie zu weihen, damit sie mir priesterdienst thun. Kautzsch); derhalb sol und musz ein getauffter seinen sündigen bruder straffen, er sei geweicht oder nit. H. Sachs (disput zwischen chorherrn u. schumacher) 22, 8 Götze; item es sint ouch etlich, ein wenig gelert und doch nit gewihet sint, und sprechent, sie sient priester. Basler betrügnisse der Gyler bei Kluge rotwälsch 1, 14; und (Moses) salbet den altar, mit alle seinem gerete, das handfas mit seinem fus, das es geweihet würde. und gos des salböles auff Aarons heubt, und salbt jn das er geweihet würde. 3 Mos. 8, 11/2 Luther (ebenso Züricher bibel, Dietenberger; geheiliget Eggsteyn, Koburger, Quentel u. a.); das ist die einweihung des altars, da er geweihet ward. 4 Mos. 7, 88 Luther (gesalbet Eggesteyn, Koburger, Quentel u. a.). ebenso 7, 84. vgl. auch 1 Mos. 29, 1. 29, 36 u. a.; alle (die altäre) sein geweicht und geheiliget von dem obristen papst. chron. v. Villingen 45 Glatz; wie Salomo geopffert hatte, da die kirche geweihet und der tempel fertig ward. 2 Macc. 2, 9 Luther (opffert daz opffer der kirchwichung. Eggesteyn, Koburger; ähnlich auch die anderen übersetzer);
als die kirch wart geweiht, hettens kain glocken.
H. Sachs (die tollen bauern zu Dettelbach 19) fabeln u. schwänke 5, 92;
die groszen deines reichs sind alle dir geweiht,
was fehlt dir für ein haupt zu deiner sicherheit?
Chr. F. Weisze Richard der dritte (1, 1) 13 Sauer;
er (Siegfried) sprang vom rosz, und hätt' ich nicht gewehrt,
er hätte mich geküszt, mein schlechter mund
war ihm durch euren namen wie geweiht.
Hebbel (Genoveva 1, 3) 1, 104.
b)
die attributiven verbindungen.
α)
mit persönlichen substantiven verbindet sich das adjectiv zunächst in formeln, die auf den geistlichen stand zielen. später, in der neu aufblühenden litteratursprache, erweitert sich diese verbindung jedoch durch übertragungen aller art.
1))
beziehung auf den geistlichen stand. vgl.: wann man die pfaffen weihung der personen halb achtete als ain herrlichait, so man pflegt zuͦ gebrauchen in ainer erwölung gmainer diener, oder amptleut, möcht man es erleiden. Eberlin v. Günzburg (wider die schänder der creaturen gottes); die hailig und geweicht gemain versamlung zu Costenz. J. Knebel chron. v. Kaisheim 207 (lit. ver.); dann, ecclesiastici sint die geistlichen, die der kirchen heupter, glider und diner sint ... als papst, bischoff, priester und alle geweichten personen der kirchen. Emser (gegen Luthers buch an d. adel) neudr. 83, 21;
'wer sol das wort uns thone'?
sprachens, 'es müs sein in latein
weil sein kürfürstlich gnad allein (d. bischof v. Mainz)
ist ein geweichte persone,
die es wol kan verstone'.
H. Sachs (d. tolle stadtschreiber 13) fab. u. schw. 5, 154;
der pfaff ist ein geweicht person.
(der bauer mit dem plerr) fastnachtspiele nr. 54;
alle, alle müssen in die todten-bruderschafft, auch die geistliche und gott geweihete persohnen. Abraham a Santa Clara grosze todten-bruderschafft 14, ebenso 15;
... der pfaff sprach:
'juncker, zeigt an, was ist die sach?'
er sagt: 'mich dunckt, jr herren all,
wie ir da sitzen all zuͦmal,
seiend priester und gweichte leit'.
Wickram (irr reit. bilger) 4, 213 Bolte;
wiewol doctor Eck eben starck auff seiner meinung stunde, Christus het allein den geweichten priestern und nicht den leien beider gestalt verordnet. Mathesius (Luther) 3, 201 Lösche; der bauer sagt fuͦrwar her wan ir nit ein gewichter priester weren so meint ich das ir lügen. Eulenspiegel cap. 68, neudr. 108; geweihete priester, per omnes ordinum gradus ad apicem sacerdotis evecti. Aler 2162; geweihete diaconi, diaconatu inaugurati. ebenda;
dir wär aber wäger an seel und lib,
du werdist ein gwichts klosterwib.
N. Manuel (Barbali) Bächtold s. 164;
und schlaff auch alle nacht pei mir;
ich pin ain nuͦn, kain weibe,
und ein geweichte ebtesin.
H. Sachs (der peckenknecht im frauenkloster 35) fab. u. schw. 5, 109, ebenso 354;
wie denn nur wenige unter ihnen sich dem eigentlichen priesterstande gewidmet hatten und nur soviel geweihte geistliche unter ihnen gefunden wurden als nöthig beichte zu sitzen und das meszopfer zu verrichten. Göthe (zweiter aufenthalt in Rom. Philipp Neri) 29, 194.
2))
erweiterung des kreises: Gynecia erklärte jm ... was dieses köstliche wasser für würkungen hette, item, was für grosze gefahr drauff stünde, wanns an ihrer mayt. geweihten person solte probirt werden Sidney's Arkadia (3) deutsch v. Opitz 865; so gut und verständig als der freund ist, eben so, hoffe ich, wird sich in ihm auch die empfindung eines reinen verhältnisses zu mir entwickeln; er wird in mir eine geweihte person erblicken, die nur dadurch ein ungeheures übel für sich und andere vielleicht aufzuwiegen vermag, wenn sie sich dem heiligen widmet, das uns unsichtbar umgebend allein gegen die ungeheuren zudringenden mächte beschirmen kann. Göthe (wahlverwandtschaften 2, 15) 17, 370; denn er (Shakespeare) hat deren fast ebenso viele (gesichter) wie die wahrheit selbst, die keinen schleier trägt, sondern maske über maske und die nur von ihren geweihtesten priestern ganz entkleidet wird. Hebbel (über Ludwig Eckardts dramaturg. studien) 11, 217 Kuh; die geweihten jünger der schauspielerkunst empfangen die gabe — mit feurigen zungen zu reden — von oben herab, die verräther an Thalia und Melpomene von unten herauf. L. Koller aphorismen für schauspieler (1804) s. 123;
ein feuereifer tobt im heere,
das grab des Heilands zu befrein ...
auch kinder kommen noch gelaufen
und mehren den geweihten haufen.
Novalis (H. v. Ofterdingen) 1, 53 Heilborn;
mag heuchelei mit hochmuth sich verbünden,
bosheit mit dummheit —
wir aber wollen eine geisterles'ne
geweihte schaar sein!
Bodenstedt Mirza-Schaffy 105.
β)
die verbindung mit sächlichen substantiven erschlieszt einen weiten mannigfaltigen verwendungskreis. schon innerhalb der kultformen stehen sich die beziehung auf örtlichkeiten und diejenige auf gebrauchsgegenstände gegenüber; bei der übertragung und erweiterung treten neben die concreta noch überdiesz abstracta.
1))
die beziehung auf die kultformen: dem rainen ists alles rain, spricht Paulus ... mercke, geweihet und rain deutten gleich, widerumb auch ungeweihet und unrain, ain rain ding ist, das gehailiget ist, das von got zuͦ menschlichem gebrauch verordnet ist ... alle leren, wölche fürgeben, ain ort, zeit, speiszs, getranck, kleid, oder ander ding, sol geweicht werdenn oder für geweihet gehalten werden für andere ... werden von Paulo genant hie jüdisch fabeln, thandmer. Eberlin v. Günzburg (wider die schänder der creaturen gottes) 2, 7 Enders; item stelen vonn geweichten dingen oder stetten jst schwerer, dann anndere diepstall unnd geschicht jnn dreierlei weiss: zum ersten, wann einer ettwas heilligs oder geweichts stillt ann geweichten stetten; zum andern, wann einer etwas geweichts ann ungeweichtenn stettenn stillt; zum drittenn, wan einer ungeweichte ding an geweichten stetten stillt! Carolina § 171 Kohler u. Scheel, ähnl. schon Bambergische halsgerichtsordnung § 197.
a))
die beziehung auf örtlichkeiten:
was mögend's wir, dass man uns hat
in d'kilchen gstellt an gwichte stat
und uns anbetet, glich als ob
sölch eer und dienst wär gottes lob?
N. Manuel klaglied der armen götzen. Bächtold s. 240;
'im ghoͤrt kain gweichte state'
sprach der pfarrer: 'nauͤs auf das felt
sol man den kezer graben'.
H. Sachs (die pfaffen frassen den doten pauren) fab. u. schw. 5, 127;
die pfaffen sagenn, ann geweichten stetten soll man betten. Eberlin v. Günzburg 2, 8 Enders; zum dritten, kain gotts hausz, kirchen oder geweihet stätt aufbrechen, zu brennen noch .. zu verwüsten. militäreid im landbuch des kantons Appenzell-Ausseroden (§ 189); des priesters blutgetränktes kleid wurde ... an geweihter stäte bewahrt. Matthisson erinnerungen 1, 237; dagegen pilgern andere sich das heil abzuholen, sie ziehen zu ganzen schaaren nach geweihter wunderthätiger stelle, dort zu suchen und zu empfangen, was ihrem innern zu hause nicht verliehen ward. Göthe (Wilh. Meisters wanderjahre 3, 9) 23, 124; ghewydde oft ghewyhede plaetse, templum augustum, consecratum Kilian 146ᵇ; geweicht ort, gott zuͦgeeignet, divinus locus Maaler 179ᵇ; geweihet ort, luogo sacro Hulsius (1605) 63ᵃ; dasz ich deinen leib ... an kein geweiht ort zu andern frommen abgestorbenen christen begraben ... lasse. Grimmelshausen Simpl. 325 neudr.; geweihete kirchen, örter, effata templa, loca sacra et religiosa. Aler 2162ᵃ; geweichte kirchen, Bambergische halsgerichtsordnung § 198; geweihete kirch, templum augustum, consecratum. Henisch 1596; ähnl. Hulsius (1616) 138ᵃ. Duez (1664) 198ᵇ. Rädlein 1, 382ᵇ. Pomey 132. Kirsch 2, 151ᵃ; Bayer 290ᵃ; es ist auch nit not, das man vergebens täglich in die kirchen lauffe, gleich als wär das gebet zwischen den geweichten mauren gott angenämer. Eberlin v. Günzburg (ein schöner spiegel des christl. lebens) 3, 101 Enders; in solcher mainung kirchoff weihen ist nitt guͦt, dein acker, hoff, bomgart, ist gleich geweihet als der kirchoff. ebenda 2, 18; geweihet pfaltz, kirchhof Henisch 1595; geweiheter kirchhoff Hulsius 138ᵃ. Duez 198ᵇ. Rädlin 382ᵇ. Pomey 132. Kirsch 2, 151ᵃ;
man solt hinauͦs an galgen
auf hencken seinen dotten palck!
das wer der rechte kirchoff sein.
man solt in in das geweicht ertrich nit graben.
H. Sachs (der gestorbene narr) fab. u. schw. 4, 54; ebenso 5, 127;
weil er sich selbst an einem strick erhangen und ums leben gebracht, dasz sich dannenhero nicht gebühre, dasz er als ein verzweiffelter, in ein geweihtes erdreich solte begraben werden. Grimmelshausen Simpl. 325 neudr.; (Eulenspiegel gab von seinem gute) ... ein teil dem kirchherren da selbst (zu Mollen), doch mit dem bescheid, wan gott der her uber in gebüt, und von todts wegen abstünd, so sol man seinen leichnam begraben uff das gweicht erdtreich. Eulenspiegel 93 neudr. s. 143;
seht an die wunden, die sein körper hat,
sie gleichen gräbern auf geweihtem boden.
Shakespeare übers. v. Schlegel (Coriolan 3, 3);
oft äuszerte sie den stillen wunsch, auf geweihtem boden zu ruhen, und wir haben, nach den gebräuchen der kirche, dieses marmorne behältnisz und die wenige erde geweihet, die in ihrem kopfkissen verborgen ist. Göthe (Wilh. Meisters lehrjahre 8, 8) 20, 256; der edelmuth der katholischen geistlichkeit, die ... unserm, in verschiedenem glauben gebornen freunde nicht nur das ehrenvollste begräbnisz ... sondern auch auf ihrer ebenso durch die natur, als durch die kirche geweihten erde eine freundliche ruhestätte gewährte. C. A. H. Clodius fortsetzung zu Seume, mein leben;
in geweihter, kühler erde
wird der edle leib begraben.
Uhland (kastellan v. Couci 29) 1, 206 E. Schmidt;
ihr leute, der pfarr will se nich einsegnen. a will er de geweihte erde verweigern. G. Hauptmann Hanneles himmelfahrt 77;
damals habt ihr, vom bösen geist gespornt,
selbst nicht geweihtes eigenthum verschont,
der heil'ge Gallus und das fromme stift
von Reichenau erseufzten eurem drang.
Uhland (Ernst, herzog v. Schwaben I, 2) 2, 22 Fischer;
und in derselben nacht noch ging des herrn
geweihtes haus in düstern flammen auf.
Hebbel (Genoveva 2, 4) 1, 104;
bald war der geweihte raum fast ganz verlassen, nur hie und da sasz noch ein altes mütterchen, das die perlen seines rosenkranzes bedächtig herabfallen liesz. H. Schmid (das schwalberl) 4², 127.
b))
die beziehung auf gebrauchsgegenstände. vgl.: es soll niemants kain geweichts guet, pluetigs gwand, ungewuntens traid, noch ainigerlai verargwonten hausrath kaufen. banntaiding zu Wasserneuburg (16. jahrh.). österr. weisth. 6, 429; das gewicht salz, öl, ostertouf, gesegnet fürkerzen und palmen. N. Manuel testament der messe, Bächtold 236;
die andren münich horten das,
ein iglicher zu lauffen was
mit gweichten kerzen und weichprünen.
H. Sachs (der mönch u. d. dintenglas) fab. 4, 365.
α))
objecte, die zur gottesdienstlichen handlung gehören: also sage ich auch von allem, das im tempel gebrauchet wurdt, das bedarff kainer weihung, es sei kelch, corporal, altar, glocken, meszgewandt. Eberlin v. Günzburg 2, 8 Enders; einen geweiheten kelch thar kein christ anrüren, unangesehen, das er getaufft und durch Christus blut erworben, geweihet und geheiliget ist, nein, Christus blut ist nichts, gegen einem geweiheten kelch. Luther (v. d. schlüsseln) 5, 234ᵃ Jena; geweichte kelch. Bambergische halsgerichtsordnung § 198;
als ich den bund des kelches sah,
und das geweihte brod,
so war mein geist auf Golgatha,
und feirte Jesu tod.
Schubart (nach dem genusz des heil. abendmahls) 302 Hauff;
geweihets kleid, vestement sacré, vestimento sacro Hulsius (1616) 138ᵃ. Rädlein 382ᵇ; geweihetes kleid, sacra vestis Bayer 290; ebenso Pomey 132. Kirsch 2, 151ᵃ. Duez 198ᵇ.
und seh' erstaunt, wie jede puppe
der andacht in ihr nichts versinkt;
wie nicht mehr die geweihte schnuppe
der ew'gen lampe sie umstinkt.
Thümmel (reise ... 3) 3, 191;
selbst bischof und priester mit den geweihten kirchengeräthen, warfen sich nieder und blieben mit der stirn an der erde, bis der sultan vorüber war. Moltke briefe über zustände ... in der Türkei s. 129;
und der Franzl, der dick',
musz d'posauna versegh'n,
der hätt' wohl von kloa auf
a pfarrer wer'n mög'n ...
no d'posauna is aa no'
a g'weichts instrument.
K. Stieler a hochzeit in die berg'.
β))
objecte, deren theilnahme an der gottesdientlichen handlung um der heilbringenden wirkungen willen erstrebt wird. hier hat der volksaberglaube ein reiches spiel, und hiergegen richteten sich vor allem die angriffe der reformationsbewegung. vgl.: gesegnets, schwäbische bezeichnung für kirchlich gesegnete brote, wein, fleisch. Birlinger Augsb. wb. 193ᵃ; vgl. gesegnet, geweihet, consecratus Aler 920ᵇ. den übergang vermitteln das weihwasser und die geweihte kerze. von dem geweiheten wasser und saltz, titel einer schrift von Andreas Bodenstein (Carlstadt); vor etlicher zeit hat ein grawer Franciscaner münch .. sich ... herfür gethan wider etliche lerer der gottes gnaden, im evangelio bezaigt .. do wider mit geweichtem wasser und saltz sich lassen beduncken, damit wöllen allem unfuͦg ain hütlein auffsetzen. Eberlin v. Günzburg (wider die schänder der creaturen gottes) 3 Enders; (ich) hab geredt widdr bäpstliche heiligkeit, o wie ist mirs so leit, ich hab widdr sprochen dem geweichten wasser, saltz, schmaltz, mes und vigilien hab ich veracht, und ihr an besten nie gedacht. Erasmus Alberus wider Jörg Witzeln mammeluken M 5ᵃ vgl. auch Wetzer-Welte kirchenlex. 10², 1471 ff.; wann man saltz und brodt zu erst in ein hausz bringet, dasz man beziehet, so hat man drin keinen lebens mangel. fürnemlich wann jahr aus jahr ein brod und saltz drin, wird man nicht hungers sterben antwortete Jan Tambour, ist so ein stückchen aus dem pabstthum, da das geweihete brod und saltz für die gespänster gut sein musz. Leyermatzs lust. correspondentzgeist (1668) 176 (nr. 245); da gab im der erwirdig Fortunatus geweichtes wasser. Gregor dialoge (Augsburg 1473) 1, cap. 21; geweihet wasser, rouch etc. hilfft den seelen auch gar nichts. Eberlin v. Günzburg 2, 18 Enders (weihe wasser ... segenn wasser 2, 17); geweichter heiliger brunn, fons sanctus et augustus. Maaler 179ᵇ; diese tröpflein sind lauter und sehnlicher lieb wasser, vil besser als alle geweichte wasser, damit unsers hertzen schmertzen gelindert und etlicher massen gestilt werden. Mathesius (leichenreden) 1, 98 Lösche; als aber die straff (die pestilentz) umb Mosis und Aaronis fürbit auffgehaben, fahen Mosis schuler unnd amptverwandten ein newen unlust an beim haderwasser, und machen sich abermals unnütz, das die auffrhürischen Leviten und jr gesellschafft auffgereumpt sein, und sehnen sich wider nach römischen granatepffeln unnd münchsfeigen, unnd nach dem geweichten wasser, da fraget Moses umb rath beim sone gottes, unnd thut ein fehlstreich ... da er sich aber ermundert, schlecht er getrost noch ein mal, da springt frisch trinckwasser ausz einem gelligen felssen. (Luther 6) 3, 111 Lösche; geweihet wasser, aqua lustralis Henisch 1595; ebenso Duez 198ᵇ;
der glaub wil untergan.
des geweichten wassers kraffte
wil niemand achten mehr,
dazu der priesterschaffte
thut man kein zucht noch eher.
bergreihen (16. jahrh.) 56 neudr.;
so man glocken leut und weichwasser sprengt unnd geweicht palmen und kertzen anprent. Eberlin v. Günzburg 2, 9 Enders; wie sonst magische zeichen, geweihte kerzen, alraune und todtenköpfe, geister und schätze an sich zu ziehen pflegen. Göthe (triumph der empfindsamkeit) 14, 60;
beim klosterthurme schlummert ihr gebein,
wo scheu des uhus träger fittig streift,
und graunvoll, statt geweihter kerzen schein,
am hohen schilf des irrlichts flamme schweift.
Matthisson (das kloster) schr. 1, 170;
hast du dem greis auch die geweihte kerze
gebracht, die zum geschenk ich ihm gesendet,
sie anzuzünden seinem heiligen?
Schiller (braut von Messina 4, 2) 14, 98;
aber da ihr odem schwächer wurde und er sah, dasz ihre seele fliehen wollte, ging er zu einem lädlein, darin geweihte kerzen lagen, noch von dem groszen sterben her. Th. Storm (ein fest auf Haderslevhuus) 6, 313; auszer dem werden in Wien eine unsägliche menge einzelner gebeten auf blättern gedruckt, und vor den kirchenthüren (nebst anderm pfaffentand: von geweihten lichtern, rauchwerk, ablaszpfennigen ...) verkauft. Nicolai reise 5, 115; geweihte agnus dei, geweihte palmkätzchen ... geweihtes opferwachs. ebenda; es ist auch ain subtiler teuffel, der da leeret, man soll creützlein von geweichtem wachsz machen an die wiegen der kinder unnd an die stall thüren. Eberlin v. Günzburg 2, 17 Enders; geweihtes wachs, cera benedicta Bayer 290ᵃ; das geweihet öl in ain wunden. Eberlin v. Günzburg 2, 17 Enders; darbei verstehet unser heilige mutter, das so jemands schwach ist, das kein hofnung desz lebens mehr vorhanden, so sollen die pfaffen kommen, unnd jhn mit geweihetem œl schmieren. Fischart bienenkorb 182ᵇ; ein dutzend alter weiber, welches auf dem vorhof des doms seine krambuden aufgeschlagen hatte, stürmte kreischend mit geweihten rosenkränzen von glasperlen ... heran. Gaudy (schneidergesell) 2, 41;
genszmilch und ir grüner treck,
und drei finger breit mit speck,
hamels zotten, affenschmalz,
ein becher mit geweichtem salz.
Murner luth. narr 3072 Kurz;
das geweichet saltz in die suppen (mag ich gebrauchen), oder den schaffen und allem vich, doch sol ich kain glücksäligkait darinn verhoffen. Eberlin v. Günzburg 2, 17 Enders; geweihet saltz, sal lustralis Henisch 1595;
da seczt man auf den disch darnach
den gweichten fladen sambt den aiern,
wie der prawch ist im lant zu Paiern.
H. Sachs (der mönch mit dem kapaun) fabeln u. schwänke 2, 50;
ich hab ein kunst und experiencz vorhanden mit geweichtem käs unnd brot, do bei man zehand sicht wer soliche diebstal gethan hate. dekameron 8, 6 Keller 491 (al esperienza del pane e del formaggio); geweiht brodt, du pain benit, panis consecratus Duez 198ᵇ; dar umb, herr doctor, eilet schnel mit eur kunst! auch so hab ich hie allerlei confect, römische gewürz und geweihete kreuter, die ir wol wiszet mit bracht weltweiser klugheit zu temperieren nach aristotelischer weise und sophistischer art. klegl. botsch. an den bapst die selmess betreffend, s. Schade sat. u. pasqu. 2, 256; einer unter ihnen, hat viel geweiheter kräuter, wachs und dergleichen gauckelwerk bei sich getragen. Prätorius Blocksberg (1668) 7; verbena, cincinnalis, allerlei gewihet krut, dar man de altar und kerckern bestrouwet. Chyträus nomenclat. lat. sax². 480 (vgl. verbena, eisenkraut, opferkraut, altarblume. Diefenbach 612ᵃ; vgl. cincinnalis ... welsch eisenkraut 119ᶜ; vgl. die magische und heilwirkung, die dem eisenkraut zugeschrieben wurde); geweihet kraut s. eisenkraut Chomel 4, 1047; geweihtkraut, herb. verbenae. Holfert volksthüml. arzneimittellehre;
solch weih kain bischof dir verleihet?
und ist vil schärpfer, als die weih
die du zu gibst dem haisen prei
da du schreibst, das man jn thät machen
aus hirs, kat, milch, trei gweichten sachen
pfei aus der schand, du erzunflat
solst du haisen geweicht den kat?
Fischart glückh. schiff, neudr. s. 47, ebenso s. 36;
geweihete sachen ... heissen diejenigen so zum gottesdienste sonderlich geordnet, geweihet und geheiliget werden. Chomel 4, 104.
2))
die erweiterungen und übertragungen gehen von der anwendung auf auszerchristliche kulte aus, für die schon mittelhochdeutsche belege vorlagen (vgl. oben): er murmelte tausenterlei schmähworte zwischen seinen zähnen, und schwur bei der Pallas pantoffeln, und andern unzehlichen geweihten dingen, daran jhn seine bäwrische grobheit gemahnen kondte. Sidney's Arkadia (1) deutsch v. Opitz 144; wann ... er so glückselig sein könte, jhn an gastes statt auffzunemmen, so wolte er sein weniges hausz und wohnung weniger [!] schätzen als alle geweihte tempel der götter. ebenda 78;
ja in der Artemis geweihtem tempel (sah ich)
die ketten noch, die rosenblütenen,
von ihren gliedern reiszen.
H. v. Kleist (Penthesilea 5) 2, 51 E. Schmidt;
der eingang zeigt sogleich in einer schilderei,
dasz diesz des caffeegotts geweihter tempel sei.
Zachariä (renommist 3) 1, 51;
(Argenis) hielt in jhrer hand einen zweig mit bändern umbwunden, welchen man in das geweihete wasser getaucht, und etwas mit dem blut der opffer besprengt hatte. Barclay's Argenis (1, 20), übers. v. Opitz 1, 165;
und dem gott allhier
zu opfern die geweihte hekatomb',
auf dasz der grimm der fernhintreffenden
versöhnet werde.
Bürger (Ilias 1, 443; später sühnhekatombe, ebenso Voss; ἱερὴν ἑκατόμβην). 1, 147;
opferten wir ... auf geweihten altären
volle hekatomben den göttern.
(2, 306, ebenso Voss; ἱεροὺς βωμούς);
wenn sie .. vom geweihten Ilion
weg Tydeus sohn .. fernt.
(6, 277 von der heiligen Ilios Voss; ἱρῆς), 1, 172 u. a.;
hat nicht die göttin, die mich rettete,
allein das recht auf mein geweihtes leben.
Göthe (Iphigenie 1, 3), 9, 211;
über diesen kreis greift die neuere entwicklung weit hinaus. die beziehung auf religiöse kultformen überhaupt wird dadurch unterbunden, dasz immer mehr vorstellungen und verhältnisse nach deren analogie aufgefaszt werden. so bereitet sich eine verallgemeinerung der bedeutung vor, in der das adjectiv nur mehr eine absonderung vom alltäglichen und gewöhnlichen kennzeichnet.
a))
bei der anknüpfung an concreta bilden vielfach die gleichen substantiva, die den religiösen begriff getragen hatten, übergangspunkte zur erweiterung.
α))
löwen, sie schleichen stummfreundlich um uns herum,
ehren geweihten ort,
heiligen liebeshort.
Göthe (Faust 2, 5) 41, 333;
dasz hier auf unserer rothen erde der geweihte boden der freigerichte, welche man nur sehr uneigentlich vehmgerichte genannt hat, war, wissen sie, sagte er. Immermann (Münchhausen 2, 13) 8, 445; der storch aber gewann ... eine vorliebe für die schildwache und für die herren officiere, welche an ... der hauptwache auf- und abschritten ... und er gewöhnte sich an ... auch seinerseits an der geweihten stätte ernsthaft hin und her zu gehen. G. Freytag (ahnen 6, 2) 13, 21; übrigens sitze ich hier ... auf des primus geweihtem platze! Th. Mann Buddenbrooks 2, 467;
schling um mich her deine arme,
dasz der hölle nachtgespenster,
scheu vor dem geweihten kreise
nicht in meine nähe treten.
Grillparzer (ahnfrau 2) 4⁵, 45;
daz Oza nur die geweihte archen, ausz guter meinung angerührt, müste er alsbald auff das strengste gestrafft werden, da er doch dieselbe nur wolte halten, damit sie nicht falle, und der todt wirfft so viel geweihte archen zu boden, und gehet ihm alles hin? Abraham a Santa Clara grosse todten-brüderschafft 14;
keine maus
störe dies geweihte haus!
voran komm' ich mit besenreis,
die flur zu fegen blank und weisz.
Shakespeare sommernachtstraum 5, 1 Schlegel (this hallowed house);
ihr solltet in diesem geweihten raum andacht und sammlung gewinnen für den groszen moment der aufnahme. Sudermann sturmgeselle Sokrates¹⁰ 58.
β))
ein geweihter myrthenwald,
den geheime schatten schwärzten,
war der göttin aufenthalt,
wo die liebesgötter scherzten.
Uz (die liebesgötter) 64 Sauer;
sie (Horazens muse) schift mit starkem flügel
in ungestümer luft,
wohin sie, vom geweihten hügel
und junger bluhmen duft,
ein taumel der begeistrung ruft.
165 Sauer;
dort wo die sonne abends untergehen, und dann, durch schwarze zweige und wipfel der tannen, ihr brennendes, blendendes roth zu strömen pflegte, dort war die verdeckte höhe des geweihten gebirgs. Zschokke (freihof von Aarau) novellen u. dichtungen 5, 196.
γ))
das ich zu rechter zeit vorhin mit ihrem blut
um etwas angefrischt, wolt auf geweihter gluth
verbrennen gantz zu asch.
Gryphius (Cardenio 2, 140) trauerspiele 295 Palm; (var. gewehrter);
sie habe ich verehrt wie ein geweihtes bild, so lange ich in ihrer nähe lebte. G. Freytag (soll u. haben) 5, 310;
ich sende euch; geht hin, ihr meine zwölfe,
erobert mir die welt;
ich sende euch wie schafe unter wölfe,
wehrlos zieht ihr ins feld;
doch wandelt muthig eure bahnen,
ihr ziehet mit geweihten fahnen.
Gerok palmbl.²⁵ 34;
dafür war aber der sinn für die geräthschaften ... desto zarter und tiefer ... oft wurden sie zu dem rang von geweihten pfändern eines besondern segens und schicksals erhoben. Novalis 1, 20 Tieck.
δ))
man eilt das spiel zu schlieszen
und das gerechte (var. geweihte) blut des königs zu vergieszen.
Gryphius (Stuart 5, 34) 450 Palm;
langverdorrte, halbverweste blätter vorger jahre
ausgekämmte, auch geweiht und abgeschnittne haare,
alte wämser, ausgetrettne schuh und schwarzes linnen,
was sie nicht ums leid'ge geld beginnen!
haben sie für baar und gut
neuerdings dem publikum gegeben.
Göthe (der 4. theil meiner schriften 1779 bei Himburg) br. an frau v. Stein 1, 176 Fielitz;
talisman in carneol
gläubigen bringt er glück und wohl;
steht er gar auf onyx grunde
küss' ihn mit geweihtem munde!
(westöstl. divan) 5, 5.
b))
ausdehnung auf abstracta: dieweil der ehestand das allerheiligste unnd geweichteste band ist, so der menschen gesellschafft zusammen hält. Sidney's Arkadia (5) übers. von Opitz 967; neben welchen ... zwei grund-klare wasserströmlein herflossen, deren liebliches geräusch ... der geweieten einsambkeit eines so heiligen orths, nicht wenig zierd und anmuths mittheilete. 6. buch 4; er hat mich einiger fäden des frömmsten geifers gewürdigt und sein geweihtes pfui über mein werckgen ausgespuckt. Lichtenberg aphor. 2, 117 Leitzmann;
und alsobald ersehien des tempels priesterin,
die wilde phantasie, und reicht ihm caffee hin.
er trank; es herrscht um ihn geweihte grause stille.
Zachariä (renommist 3) 54;
der grosse fürst ist todt! der grosse fürst ist todt!
... der grosse fürst ist todt! disz ist das letzte mahl,
disz ist der klagenden geweihte dritte zahl.
Besser (lobgedichte od. d. zunahme Friedrich Wilhelms des groszen) 26;
warum, o sänger, bliebest du so ferne
von deinem herrn, dem hellen morgensterne?
... und wenn ihn dort der Cherubinen lippen,
wenn ihn der kirche psalmen hier erhöh'n,
wenn ihn von bergen, inseln, see'n und klippen,
von meer und fels geweihte stimmen fleh'n,
dann sah'n wir dich mit frost'ger miene schnippen.
Albert Knapp (auf Göthes hingang) d. litteraturdenkm. 129, 84;
geweihte lispel schwimmen
dann durch den tiefen wald,
als wären engelstimmen
in seiner luft verhallt.
Tiedge (Tharand) 2, 59;
aber seelengefühl trinkt sein geweihter blick;
ihn entzücken des buchenwalds
säulenhallen, der luft sternenbesäter dom,
und der spiegel des klaren see's.
Salis (ländliches glück) ged. 93;
durch schwur und symbolische handlung, oder durch geweihten gemeinsamen trunck wird sie (die hingabe an einen andern) gefestigt. G. Freytag bilder 1, 79.
c)
formen der substantivierung.
α)
am conservativsten zeigt sich hier das neutrum.
1))
eine in der älteren sprache viel gebrauchte verwendung entwickelt sich aus verbindungen wie geweihtes erdreich u. a. (s. o.) durch unterdrückung des substantivs:
der (ritter Hans Thalbort) war im schweren bann verdorben.
schuld halb schlug man das gweicht im ab.
H. Sachs (Olivier u. Artus 2) 8, 225 Keller;
bemerkenswert ist hier die verschiedenheit der räumlichen anschauung, die sich im wechsel der präpositionen spiegelt.
a))
fürder dich baldt herwider du
und forder zusammen die nachtbawrn
alhie her in die kirchoff-mawrn,
das wirs auff dem geweichten probirn.
H. Sachs (der gestolen pachen) 14, 227 Keller u. Götze;
mein lieber suͦn, thu vor deim dot ein peicht,
das man dich pegrabe auf das geweicht.
(Eulenspiegel mit der kellnerin) fab. u. schw. 4, 64;
(soldaten) die nicht allezeit auff das geweihte begraben werden können, sondern irgends auff dem felde. Grimmelshausen Simpl. 325 neudr.; da bat er in, er solte das kind an das geweicht vergraben. Pauli schimpf 31.
b))
(die selbstmörderin) ward zu sant Leonhardt vergraben. und regnet fast umb die selb zit; meint man, es wer dorumb, das si im gewichten laͤg. Heinrich v. Beinheim 1439, s. Basler chron, 5, 429; man pracht laub vom bischof von Bamberg, das man in (den selbstmörder) zu unser lieben frawen pruder in das geweicht leget. Heinr. Deichsler chron. v. Nürnberg (deutsche städtechron. 11, 263); (ein betrunkner bauer, der glaubte tot zu sein) wolte sich auch nit da dannen bewegen laszen, bisz letztlich seiner nachbaurn etliche darzu kamen, mit gewalt in auffhuben unt auff ein wagen legten, da abzuführen, und ihn, wie sie zu ihm sagten, in das geweihete zu vergraben, von deszwegen liesz ers geschehen. Kirchhof wendunmut (2, 146) 1, 196 Österley.
2))
der verbindung mit substantiven wie sache, ding u. a. steht eine substantivierung nahe, die mundartlich noch heute üblich ist: an dem geweiheten sündigen (prov.), quod de sacro detraxerit. Henisch 1595 (vgl. sich versündigt, an dem das dem herrn geweihet ist. Luther 3 Mos. 5, 15, geheiligt Kautzsch); das g'weichte, kirchlich gesegneter gegenstand, z. b. geweihtes fleisch, brod, salz u. dgl. am oster-, weihnachts- und anderen festen. Schöpf 808, vgl. auch gesegnets; item so einer einen stock ... auffbricht ... und der stock stet auff dem geweichten: man sol sölchen dieb auch verprennen. Bambergische halsgerichtsordnung § 199 Kohler u. Scheel.
3))
bei Geiler dient diese substantivierung sogar der abstraction: sie (die leichtfertigen menschen) sind gouckellecht, in worten, ire redenn hond kein tapfferkeit, noch geweicht, aber sie treibendt guͦt schwenck unnd täding. Geiler v. Keisersberg seelenparadisz 156ᵃ.
4))
als gelegenheitsbildung kehrt die substantivierung im neutrum auch in der späteren sprache wieder: weihnisz (wäre) nicht mehr weihung, sondern geweihtes. Radlof teutsch-kundl. forschungen 1, 9; zu den charakteristischsten gebräuchen der Polen gehört vor allen das sogenannte siwec̨one ... oder geweihte, ein mahl, welches am ostersonntage zu mittage gegeben wird, und dem die ganze zu diesem fest versammelte familie stehend beiwohnt. das polnische ostermahl, s. Berliner magazin f. d. litt. d. auslandes 12, 539.
β)
weit entwicklungsfähiger ist diejenige form der substantivierung, die aus der beziehung auf personen erwächst; sie betrifft fast ausschlieszlich das masculinum. zunächst auf den geistlichen stand beschränkt, erweitert sieentsprechend den mannigfaltigen bedürfnissen der neueren litteraturspracheihren kreis seit der mitte des 18. jahrhunderts. besonders deutlich treten hier die unterschiede zwischen der erstarrten form und occasionellen neubildungen zu tage, die ihrerseits ja auch in lautlicher beziehung verschiedenheit bewirkten, vgl. oben geweiht neben geweicht. andererseits macht sich auch der gegensatz zwischen absolutem und relativem gebrauch geltend, vgl. unter 2)).
1))
die aus dem absoluten gebrauch entwickelten formen.
a))
beschränkung auf den geistlichen stand. die erstarrte form wird hier vorwiegend im plural gebraucht, der singular ist ganz vereinzelt.
α))
plural: do mit will ich nit abgesprochen haben den stifftungen, so jetz besitzen die gewichten, aber täglichs zuͦ tragen zuͦfelliger gaben beger ich abgestellt werden. Joh. Eberlin 7. bundesgenosz 1, 77 Enders; er solt aber die geistlichen unnd geweichtten nit darein gemengt han, der eselkopf, die wissen vor wol, was sünd ist. H. Sachs (disputation zwischen chorherrn u. schuhmacher) 22, 8 Götze; wie reden die leien so gar freflich gegen uns geweichten! 22, 30; ebenso (des puelers peicht) fabeln u. schwänke 4, 507; da auff ein zeit viel geweichte in einer herrlichen procession zu eim besessenen ... kamen, den bösen geist auszzutreiben, hab der teufel ausz dem wansinnigen laut gesungen, o popule meus quid feci tibi. Mathesius (Luther) 3, 352; geweiht, qui sont profez et ont fait les voeux. Hulsius (1616) 138ᵃ; geweihete, plur. professi, che hanno fatti i voti di religione, ceux qui sont profés et ont fait les voeux. Rädlein 382ᵇ; geweihte, sacramento rogati intra peristylia et religione obstricti. Kirsch 2, 151ᵃ;
mischt faulheit sich und heuchelei
mit unvernunft in einen brei,
so stöszt die gährung mit gebraus
konvente von geweihten aus,
wie die chemisten tinte ziehn
aus salz, galläpfeln und urin;
aus ähnlicher mixtur entstand
papst Bonifaz und Hildebrand.
Thümmel (reise 3) 3, 41.
β))
der singular:
ich musz da warten auff ein gweichten,
welcher kümbt nachher in der nehen.
H. Sachs (fahrend schüler im paradies) 14, 79 Keller-Götze, ebenso fab. 5, 269 Götze u. Drescher;
geweiheter, un profés, qui a fait voeu, ou un religieux qui a fait profession. Duez 198ᵇ; bruder teufel fall nicht so hart aus dem karakter, ich möchte sonst beinahe an dir verzweifeln und dich für einen heiligen halten, zum mindesten für einen geweihten. Bonaventura 2. nachtwache. Michel s. 14; als ihr haufe (der mönche) beisammen und auf seinem fortzuge begriffen war, und nun auch der letzte geweihte heraus trat, der dieses heiligthum verschlieszen muszte, wagte ich es, mich ihm in demüthiger stellung zu nähern. Thümmel (reise in die mittäglichen provinz. von Frankreich 1) 1, 135.
b))
erweiterung: die priester, diesem vorzukommen, wählten natürlich die decke des geheimnisses ... die häupter des volks drängten sich zuerst hinter die decke und wurden geweihte. Herder (ideen z. philos. d. gesch. d. menschh., entwurf 9, 5) 13, 461; priestersazung verstattete den wonnebezirk des Hades nur den frommen, welche die gebräuche des götterdienstes mit fleisz beobachtet; den geweiheten jedoch, und zumal den zur hehren schau vollendeten, war bestimmt der vorsiz am elysischen wonnefest. J. H. Voss antisymbolik (2. stück) 1, 218; sie wissen, dasz von Orpheus und Hesiodus an fast alle begeisterte lehrsprüche und geheimnisse an schüler, geweihte, jünger gestellt wurden; die namen Linus, Musäus, Perses sind bekannt. Herder (briefe d. stud. d. theol. betr. 1, 11) 10, 126; es war um die zeit, als die herzensergieszungen des klosterbruders das volk zu entzünden begannen, nachdem sie viele jahre hindurch nur in einem engen kreise weniger geweihten einflusz bewiesen hatten. Immermann (epigonen 6, 3) 6, 147 Hempel;
es schleuszt den mund ein goldenes schlosz,
der geweihten mund die schauten das licht
hoher weihung!
Chr. Stolberg (Ödipus in Kolonos) 13, 275;
wundersam, durch dunkelheiten,
geht, allheilige natur,
deines zaubertrittes spur,
ahnend folgen die geweihten.
(der wahre traum) 1, 183;
... sie sind ein weiser, ein prophet,
sie zählen sich zu den geweihten hier auf erden.
Kotzebue (freimaurer 6) 35, 17;
wann die natur will knüpfen und erbauen,
dann liebt in stillen tiefen sie zu walten;
geweihten einzig ist vergönnt zu schauen,
wie ihre hand den frühling mag gestalten.
Uhland (an K. M.) 1, 113 E. Schmidt;
und dieselben menschlein nun, die ihr kaltes dämmerndes dasein an diesen eroberten Prometheus-strahlen erwärmen, diese wollen dann schelten, wenn der geheiligte, unterirdisch geweihte nicht ihren satzungen der alltäglichkeit gehorcht? Tieck (dichterleben 1) 18, 94.
2))
die form der substantivierung, die vom relativen gebrauche ausgeht, bedingt eine verschiebung der casus (verdrängung des dativs durch den genetiv: dem herrn geweiht, der geweihte des herrn). auf diese neue form der verbindung mögen wendungen eingewirkt haben, die unmittelbar aus der substantivfunction hervorgingen (des widerchristen legaten und geweihten. Mathesius [Luther] 3, 197 Lösche; seine geweihten s. u.). schon hierin lag ein anreiz für neubildungen, die niemals das durchgangsstadium des participialen adjectivs durchlaufen haben. die gleiche erscheinung war schon in der althochdeutschen litteratur zu beobachten, wo sie an lateinisches vorbild sich anlehnte; in der neueren deutschen litteratur ist sie wohl aus eigener kraft neu erwachsen; sie wurde überdiesz begünstigt durch die flexionsverhältnisse. wo das particip mit dem singular eines femininums sich verband, blieb es unsicher, ob dativ oder genetiv vorlag, und so war der boden für die casusverschiebung auch hier vorbereitet. für alle diese verwendungen zeigt sich die beziehung auf den geistlichen stand schon gelockert und verblaszt; neu ist die verbindung mit andern als persönlichen genetiven; es erscheinen namentlich abstracta an dieser stelle.
a))
David war ein geweihter des herrn. Hebbel (Judith 3) 1, 41 Werner; der künstliche lockenbau des kastanienbraunen haars, der babilonische thurm des krepps nach damaliger mode ... alles das kündigte eher einen geweiheten der holden dame von Gnidus, als einen priester der ernsten und ehrbaren Themis an. Joh. Gottwerth Müller Siegfried v. Lindenberg 151; daher ist auch bei den rohesten völkern die sprache der religion immer die älteste, dunkelste sprache, oft ihren geweiheten selbst, vielmehr den fremdlingen unverständlich. Herder (ideen zur philos. d. gesch. d. menschheit 9, 5) 13, 389; allenthalben auf der erde zeichnet sich die heilige sprache als eine erhabenere, ältere, feierliche aus, die oft ihre geweihten selbst nicht, vielweniger die ankömmlinge verstanden. 13, 460; meistens sind sie bei jeder nation uralt und die meisten ihrer geweihten wissen vielleicht selbst nicht mehr den ursprung und die eigentliche bedeutung. 458;
Phöbus Apollon, mit silbernem bogen! wir trauen der ahnung,
die dein heiliger mund deinem geweiheten haucht.
F. L. Stolberg (Theseus) 4, 10;
die wissenschaften sind edel und gut, stärken und nähren die seelen ihrer geweiheten, führen ihre lieblinge auf grüne auen. (die insel) 3, 145;
alhier wird die gegenwärtige erd-amm verehret
wenn ein festliches rauschen aus den benachbarten wolken
schimmernd herabkommt und ihren geweihten ihr dasein verkündigt.
Wieland Hermann 2 v. 754 Muncker.
b))
... wenn sich unser vater zur ruh', sich Hagedorn hinlegt:
Ebert, was sind wir alsdann,
wir geweihten des schmerzes, die hier ein trüberes schicksal
länger als alle sie liesz?
Klopstock (an Ebert) 5, 37 Boxberger (var.: wir verlassenen beide);
ewig ist die dauer des schlafs! heiliger schlaf! beglücke zu selten nicht der nacht geweihte in diesem irdischen tagewerk. Novalis (hymnen an die nacht) 2, 3, Tieck u. Schlegel;
bist du nicht gewohnt vor allen,
als der einsamkeit geweihter,
ohne fuszpfad und begleiter
durch den stillen forst zu wallen?
Platen (lieder u. romanzen) 1, 33.
c))
während bei den letzten belegen für feminina der casus offen bleibt, ist bei anderen (für das masc.) der dativ sichergestellt: er selbst (Atreus) stehet am altare, befühlt die dem tode geweihten, legt sie zurechte, und ergreift den stahl. Lessing (theatr. biblioth. 2: Seneca, Thyest. 4) 6, 214, Lachmann-Muncker; dazu vgl.
zum kampf denn, Römer! laszt uns streiten!
es grüszen euch die todgeweihten,
und so wie heut zum letztenmal!
Lingg (Spartacus) ged. 1, 23;
euch, dem Helios geweihten,
heitern tags gebenedeiten,
grusz zur stunde, die bewegt
Luna's hochverehrung regt!
Göthe (Faust 2, 2) 41, 170.
d)
der relative gebrauch des adjectivs. wie sehr gerade der relative gebrauch zur verblassung der ursprünglichen bedeutung und zur erweiterung des umfanges führt, zeigt sich schon in verbindungen des particips mit dem verbum substantivum. auch hierin bleibt geheiligt weit zurück:
wolt auch geistliche ampt verbringen,
halff den geissen ir complet singen
und bin doch nicht darzu geweicht,
kam nie in kein kirchen villeicht.
H. Sachs (fabel vom stolzen wolf) 17, 463;
wer aber frembde dienst wil dreiben,
darzu er doch gar niht geweihet ist,
die er nicht kan, noch hat gelert,
verdient undanck all frist.
(der esel mit seinem herrn) fab. u. schw. 3, 379;
nicht geweiht sein zu etwas, nicht dazu befugt sein. Schmeller 2², 882. aus diesen und anderen verwendungen (dasz die kinder frühem tode geweiht seien, denen die eltern selber pathe gestanden Gervinus selbstbiogr. 10), werden einzelne verbindungen auch in die function der apposition und des attributes übernommen:
α)
das sie heulend schallt,
und nur geweiht zu friedensklängen
die losung anstimmt zur gewalt.
Schiller (glocke 367) 11, 317;
wer sänge das!   ein jüng'rer könnt' es kaum,
von ros'ger schönheit,   zum gesang geweiht.
Geibel juniuslieder ('am meere');
um manche stille kirchhofmauer
mag schweben euer schattenflug,
beflügelt von der sehnsucht leisem zug,
zu hügeln, wo geweiht der trauer,
ein kranz noch welkt beim aschenkrug.
Lingg (die verschollenen) ged. 2, 355;
uns, zur liebe geweiht, ach! zu der innigsten
seelenliebe geweiht: warum bestrahlt der mond
still die wolken durchwandelnd,
uns durch hügel und thal getrennt?
Voss (an Selma) oden u. elegien 191 Sauer;
lausche, jungfrau, aus der höhe
einem liede, dir geweiht!
Uhland (entsagung) 1, 139 E. Schmidt.
β)
entsagst du muthig in der weihe stunde
den götzen, die als höchster zweck dir galten,
und reiszest blutig sie aus herzensgrunde;
wirst über sie als mittel du noch schalten,
dann dienen kunst und ird'sche liebe dir,
und fröhnen deinem gottgeweihten walten.
Chamisso (malerzeichen) 4⁴, 156;
und jeder zephyr, der durch blumen schwirrte,
soll deinen spuren folgen ohne säumen,
zu dieses thales dir geweihten räumen,
wo seine hirtin heut' umfängt ihr hirte.
Rückert (liebesfrühling) poet. werke 1, 303;
am 27. märz 1883 endete der tod ihr reich gesegnetes, selbstloser liebe geweihtes leben. v. Leszcynski in den ges. schriften Moltkes 5, 30 (über Moltkes schwester Auguste); 'ich sehe sie, würdige verwandte der ewigkeit', entwickelte sich seine rührende anrede, 'durch die irdische freude des wiedersehens zu empfindungen hingerissen, die mit diesem der stillen andacht geweihten orte unverträglich sein würden, hätte sie nicht der letzte wille einer frommen gattin und mutter herbeigerufen, entsündigt und zu höhern endzwecken geheiligt'. Thümmel (reise 5) 5, 174; das der nummismatik geweihte zimmer entspricht seinem rufe völlig. Matthisson erinnerungen 1, 233.
e)
composita erwachsen theils den eben besprochenen verbindungen, vgl. gottgeweiht; todgeweiht, schmerzgeweiht u. a. auf eine andere form der verbindung weist liedergeweiht, vgl.: ire nachkommen, so mit schlechter heiligkait sind gweicht gewesen. Alpinus Polydor. Vergilius 9ᵃ; hochgeweiht (s. th. 4, 2, sp. 1622) beruht auf adverbialer verstärkung, und das schon mittelhochd. (Lexer 3, 1887) belegte ungeweiht legt von dem übergang des particips in die kategorie der adjectiva zeugnis ab.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1906), Bd. IV,I,III (1911), Sp. 5440, Z. 15.

geweit, adjectiv und adverb

geweit, adjectiv und adverb,
mundartliche verbreiterung zu quitt, quît, queit, vgl. oben th. 7, sp. 2378. Kehrein volksspr. in Nassau 1, 163 belegt diese form am Rhein und 'hier und da auf dem Westerwald'; dazu vergleiche auch Autenrieth pfälz. idiot. 53.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 6 (1906), Bd. IV,I,III (1911), Sp. 5461, Z. 46.

weih, weihe, m.

weih, weihe, m.
milvus. ahd. wîo Graff 1, 643, mhd. mnd. wîe mhd. wb. 3, 624ᵃ; Lexer 3, 876; Schiller-Lübben 5, 708, mnl. wouwe Verdam 699ᵃ, nl. wouw Franck ²804ᵇ, norw. lom-, langvie, isl. lang-, hringvîa 'lomme' Falk-Torp 654. die nl. formen vermittelt Franck über anl. *wîwôn mit den hd.n wie nl. spuwen, spouwen mit ahd. spîwan 'speien'. hd. tritt uuiuuo seit dem 10. jahrh. auf: Suolahti vogeln. 356, während uuiio ahd. glossen 3, 6, 60 schon aus dem voc. Sti. Galli des 8. jahrh. zu belegen und uuio im 9./10. jahrh., auch bei Notker ps. 62, 8 die herrschende form ist, umspielt auch von schreibungen wie wigio, wigo, wiho ahd. glossen 3, 25, 6. die schreibung mit h ist zu jung und zu selten, als dasz man mit Stöber els. neujahrsbl. auf 1846 s. 314 und J. Grimm gesch. d. d. spr. 50 f. an germ. wîha- 'heilig' anknüpfen könnte, die ältesten formen führen vielmehr zurück auf wî-wo und wî-jo. daneben steht (wie ähnlich ahd. zwëho 'zweifel' neben zwîvo) ahd. wëho 'loaficus, ibis' th. 13, 1908 nam. als 2. worttheil von wanno-wëho 'thurmfalke', dessen ë vor h und suffigiertem o lautgerecht durch brechung aus ĭ entstanden sein kann Kluge urgerm.³ 121. weiterbildung zu wëho ist nach Suolahti 340 wehel, wihil 'alchiones aves marinae' ahd. glossen 4, 31, 9, dazu mit gramm. wechsel wegel, wigil das. und 4, 129, 45, so dasz die namen einer ganzen gruppe von vögeln zum germ. stamm wī͏̆ gebildet erscheinen. nicht alle sind raubvögel, so dasz sich anknüpfung an wîhan, wîgan 'kämpfen' verbietet. nicht alle haben den für den gabelweih charakteristischen gespaltenen schwanz, so dasz die von Hellquist etym. bemerk. i und H. Schröder idg. forsch. 22, 193 befürwortete deutung aus idg. *wei-o 'aus zwei bestehend' zu idg. vi 'zwei', aind. vayā 'zacke', lat. vi(ginti), die auch die vorhandenen nebenformen erklärbar machen würde, schwierig bleibt und eine (immerhin bei vogelnamen recht wol mögliche) übertragung voraussetzte. wegen des umfassenden charakters der namengruppe darf man ferner mit O. Richter idg. forsch. 9, 199 und Hirt idg. ablaut § 546 aind. vês, víṣ 'vogel', vayas 'geflügel', avest. vīṣ̌, lat. avis vergleichen und zum bed.-übergang auf das entspr. paar gr. ὄρνις, ahd. aro verweisen. aber gerade nach seiten der bedeutung empfiehlt es sich doch eher, von einem engeren sinn auszugehen und an gr. ἱέραξ, -ᾱκος 'habicht, falke, sperber', dor. βείρακες Schrader bei Hehn kulturpfl. ⁷376 zu erinnern, denn dieses gehört nach Robert noms des oiseaux (diss. Basel 1911) 122f. mit ῑ͏̔ερός 'behend' zu Ϝῑ͏́εμαι 'eile'. damit ist aber unter ²weide sp. 545 die germ. wurzel wī͏̆ 'auf fang gehen' vermittelt, zu der Kluge etym. wb. ⁸483ᵃ weih stellt. 'jäger, fischer' ist eine für alle vögel der gruppe passende ausgangsbed.
verbreitung. durch die ganze hist. zeit des deutschen bleibt das wort lebendig: von 134 lit. belegen gehören 28 in die zeit vor 1500, 40 ins 16. jahrh. dann sinkt das wort auf 14 lit. belege im 17., 12 im 18. jahrh. von den classikern bietet es nur Schiller in dem offenbar durch das wort königsweih beeinfluszten vers:
wie im reich der lüfte
könig ist der weih,
durch gebirg und klüfte
herrscht der schütze frei
14, 337.
durch diese stelle ist das wort neu belebt, so dasz es in der zeit seit 1804 auf 40 belege steigt. im 19. jahrh. ist es zu dichtern gelangt, deren heimatmundart es fremd zu sein scheint, sofern das schweigen der idiotika nicht täuscht: Fr. Müller 1, 26. 3, 144; Brentano 5, 19. 6, 444; Droste-Hülshoff 2, 479. 3, 79; Strachwitz ged. 188; Rückert 5, 70. 8, 151. sonst ist räumlich die geltung des wortes stets zurückgegangen. in alter zeit wird es von autoren gebraucht, in deren landschaft es jetzt längst verklungen ist. z. b. fehlt es, wie die weihenarten selbst, in den gebirgigen theilen Österreichs, findet sich aber Vorauer genes. 12, 20 Diemer und bei bruder Wernher minnes. 2, 230ᵇ v. d. Hagen. für das schles. finden sich die letzten belege bei Opitz Sidneys Arc. 160 und Steinbach 2, 988, für das ostfränk. Hugo v. Trimberg renner 9147 Ehrismann; Megenberg b. d. nat. 179, 3. 193, 6. 204, 10 ff.; voc. theut. (Nürnb. 1482) bei Diefenbach gloss. 339ᶜ. 370ᵇ, für das hess. Alberus fab. 2, 39. 17, 2 ff.; Waldis Esopus 1, 39 Kurz; Kirchhof wendunm. 1, 79 Österley, für den Niederrhein Schueren teuth. 508ᵇ Verdam. dagegen ist in mundarten vornehmlich des deutschen südens und westens das wort heute noch so weit verbreitet wie der vogel selbst: bibo Schmeller cimbr. 173; weier Schmeller bair. 2, 825; hünerwei Fischer schwäb. 3, 1901; wei Stalder schweiz. 2, 441; Hunziker aarg. 290; Seiler basl. 313ᵃ; wɛi mündlich aus Sunthausen und Ottenheim in Baden; wèj Martin-Lienhart els. 2, 777ᵃ; wéij jb. für Els.-Lothr. 22, 254 aus Hagenau; das. 11, 42 aus dem Westrich; wéi Follmann lothr. 535; wai Lenz vgl. wb. d. Handschuhsheimer dial. 76ᵇ; Meisinger rapp. 224; wích Hertel thür. 256; gawl-, pįləwai Hentrich eichsf. 84 f. der älteste nd. beleg stammt von Braunschweig 1456: dat de wye wedder queme boven de kuken script. rer. Brunsv. 3, 254 Leibniz. seitdem ist dort wîke f. fest geworden: Klein prov.-wb. 2, 232; Schambach gött. 297ᵇ; d. mundarten 2, 125 a. Hildesheim. weiter östl. gilt wî: Danneil altmärk. 246; Sibeth mekl. 107ᵃ. sonst scheinen die mundarten weih nur als lehnwort aus dem schriftdeutschen zu kennen.
zur form. weih ist, wie die namen aller groszen raubvögel (J. Grimm d. gramm. 3, 361) von alters masc. die flexion ist schwach. starkes masc. findet sich daneben vom 15. bis 18. jahrh. bei Md.n, zuerst acc. plur. wyge in der Gothaer papierhs. von H. v. Veldegges Eneit 178, 28 Ettmüller, sodann stets bei Luther: gen. sing. weyhes 23, 577, 5; acc. sing. wey 10 i 1, 283; nom. plur. weyhe 281 Weim. auch weiter sind die starken formen wesentl. md.: theatr. diab. 2, 191ᵃ; Selneccer christl. psalmen 50; Fleming vollk. t. jäger 269; Musaeus volksm. 4, 5; Rückert 5, 70, bei Obd.n erst im 19. jahrh.: Pfeffel poet. vers. 1, 151. 171. 182; Kirchhofer schweiz. sprichw. 301; Pfizer br. zweier Deutschen 303. die immer in der überzahl stehenden schwachen formen konnten, artikellos oder im plur., für feminina gehalten werden. von da hat sich, im unterbewusztsein durch weihe 'sanctio' gestützt, ein fem. weihe entwickelt, zunächst bei autoren, deren mundart der vogelname fremd ist: D. v. d. Werder Ariost 2, 39, 1; Schwan n. dict. 3 (1783) 1021ᵃ. im 19. jahrh. wird die weihe von naturforschern u. sonst von gelehrten für die schriftdeutsche form gehalten: Ritter erdk. 16, 485; Naumann nat.-gesch. d. vögel 1, 359; J. Grimm Reinh. Fuchs CXXXIV; Weigand d. wb. 2 (1878) 1073; Rudolph Schillerlex. 2, 545. auszerdem: der himmlischen weihe flügelschlag Platen 131 (festges.); wo man nur die drossel und die weihe hörte Bismarck briefe an braut u. gattin 327. ganz vereinzelt steht die neutr. form wüeich M. Schultze nordthür. 46. stets masc. ist die nebenform weiher, deren zus.-setzung aus weih-aar schon Schmeller 4 (1837) 3 richtig erkannt hat. insofern steht weiher parallel zu adler. gestützt wird die form durch den gleichklang mit reiher, neben dem sie sich bes. gern einstellt: Franck chron. 437ᵃ; Eppendorf Plin. 10, 139; Leipz. aventurier 2, 121. zufrühst steht weir im 14. jahrh.: Suolahti 357, seitdem in allen theilen des sprachgebiets: weyher Frischlin nomencl. (1586) 61ᵃ; weiher Heuszlin vogelb. 260ᵃ; Schönsleder promt. Nn 4ᶜ; Widmann Fausts leben 108 Keller; Micraelius a. Pommerl. 6, 510; allg. haush. lex. 3, 600, zuletzt noch Ritter erdk. 8, 431. mundartl. ist wír allein in theilen des els. lebendig: Martin-Lienhart 2, 777ᵇ. eine graph. scheidung gegen weihen v. ist nur im ansatz vorhanden: zu unterscheiden sind: (ich) weihe sacro. der weyhe milvus Bellin rechtschr. (1657) 137; entspr. Seume kl. t. lex. 279.
bedeutung. der name umfaszt falkenvögel und habichte.
1)
die wissenschaftl. scheidung der beiden heimischen milvusarten (milan, m. migrans, und königsweih, m. regalis) von den beiden deutschen feldweihen (kornweih, circus cyaneus, und rohrweih, c. aeruginosus) ist auf das leben unseres wortes ohne einflusz. was man sprachlich an den weihen beobachtet, gilt meist von allen arten gleichmäszig. sie schreien im flug:
dâ was ruofen unde schrîen
alse kraniche unde wîen
herz. Ernst 3372 Bartsch;
seitdem ist der reim wîen: schrîen stehend bis ende des 15. jahrh.: gute frau 1867, Haupts zs. 2, 447; Stricker frauenehre 94, das. 7, 478; hist. volksl. 2, 133 Liliencron. sie gelten für überwiegend schädlich: das netz wirdt nit gespannen weder dem happich noch dem weyhen, die uns schaden thuͦnd Boltz Terenz 143ᵃ, ihr geruchsinn ist scharf: die weyhen schmecken basz (als der mensch) Eppendorf Plinius 8, 94; sie können in die sonne blicken: es ist auch nicht wahr, das der adeler allein in die sonne siehet, sondern es thuns ... reyer, weyhen, falcken G. Rollenhagen ind. reisen 263, sind zugvögel: die weyhen kriegen gar das podagra nach der sonnenwende Prätorius winterfl. d. sommerv. 7, und fressen mäuse: der frosch ... wolt die maus ertrencken. inn dem aber die maus sich weret ... fleuget ein weyh daher und erhasschet die maus Luther fab. 3, 8 Thiele. weih dient als stehende übersetzung von lat. milvus: in der ersten d. bibel, bei Luther und in der Zürcher bibel 3. Mos. 11, 14; 5. Mos. 14, 13; Jes. 34, 15; Stainhöwel Äsop 74 Österley; Albertinus hirnschl. 89. man stellt den vogel ohne feinere systematik zu seinesgleichen: die weihen gehören auch unter das geschlecht der habicht Heyden Plinius 417;
der gierfalk, sperber und buͤsshart
der weyhe, blawfusz gleicher art
W. Spangenberg gansk. v. 82;
kein sperber, habicht, ahr oder weyh wird ihm nicht schaden Schupp schr. 838. dem adler gegenüber erscheint er minderwerthig, der abstand ist jedem geläufig und kann in politischer satire verwerthet werden:
der adelar wil sich verkeren und newen:
er ist worden zu einem wewen
M. Beheim ged. z. gesch. Österreichs 10, 69.
der weih wird zum kleinen raubzeug gerechnet: von schlechten raubgeflügel gehöret noch zum kleinen weydwerk: sperher, weyhen Heppe aufr. lehrpr. 167; das schlimmste war, dasz das unzeug sich in ihnen (den forsten) mehrte, weihen und falken, die in den wipfeln horsteten Storm 6, 136.
2)
nur gelegentlich läszt sich erkennen, dasz eine bestimmte art gemeint ist. unzähmbar sind nur die feldweihen, von ihnen gilt: man versuche nur einen raben, weihen oder andere dergleichen vögel zu zähmen falconaria (1617) 2. häufiger werden durch dergl. beobachtungen die feldweihen ausgeschlossen: der rohrweih läszt sich zur beizjagd auf enten abrichten, beide feldweihen sind schlechte flieger und in der gefangenschaft schwer zu erhalten. milvus ist also gemeint mit:
wer sich baitzens under wint
mit ainem wygen, der befint
selten des rayels
liedersaal 3, 519, 34 Lassberg;
des wigen fluc, des visches fluʒ,
des slangen sluf, des donres schuʒ,
und wie geraten süln diu kint,
die straʒe uns allen fremede sint
Freidank 128, 6 Grimm;
da sah er, wie von der anderen Oderseite her ein weih über den strom kam Fontane I 6, 400; ein junger weih, welchen ich erwarb, war (in meiner phantasie) der grosze königsadler G. Keller 1, 100. von den milvusarten friszt vorwiegend der milan aas, von ihm gilt: steigen ab uff tode esel und ander thier, die gleichen sich der natur der wihel oder wihe Petr. de Crescentiis 186ᵇ;
und lockt den adler, weih' und geier
mit der gemordeten geruch
Schubart ged. 2, 333.
sein erscheinen ist darum ominös:
nimb war, wand hörst ein rappen schreien
und gen dir flügen sichst eyn weihen,
so stath dein unglück zuͦ dem höchsten
Wickram 4, 31 Bolte;
die raben schienen auf mich herabzukrächzen, die weihen sich über mir zu kreiszen Schubart leben 1, 284.
3)
die gröszte rolle spielt doch nach diesen abstrichen der königsweih. ihn musz man mit lebender lockspeise fangen: dann sie dem weihen oder küchleindiebe ein mausz ... oder vogel setzen Aitinger jagdb. A 4ᵃ, denn er nährt sich mit vorliebe von kleineren vögeln: wenn sy (die wachteln) uff das land kummen, so nimpt allzeit der weyhe die erste Eppendorff Plinius 10, 152; als blitzschnell ein groszer weyhe auf sie (die elster) darflog Bräker 2, 243. er drängt sich vor allem als hühnerdieb in den gesichtskreis des menschen:
hæt ich junc hüener, diu æʒen mir die wîgen
meisterl. d. Colmarer hs. 140, 10 Bartsch;
es was ein junger fogel, ein wey, der die jungen hünlin isset Pauli schimpf u. ernst 188 Österley; der teuffel ... reiszet dich hin, wie der weihe das kuchle Luther 28, 138 Weim.; schalt den weihen ein hünerdieb und stal im keins Fischart Garg. 200 neudr.; narren setzen weyhen zun hünern Lehman flor. pol. 3, 243; Wegener volkst. lieder a. Norddeutschl. 1, 91. darum ist er gefürchtet und gehaszt zunächst bei seinen opfern:
erschröckt der schwebend schatt des hünerdiebs, des weihen,
die kücklein ungefähr, dasz sie getukkelt schreien
wie eine gluckhenne, wenn der weyh hoch über dem dache in den lüften schwebt ... mit ängstlichem gluchsen vorerst ihre küchlein in den sicheren hühnerkorb lockt Musäus volksm. 1, 44 Hempel;
schnell wie der tauben feiges volk zerstiebt,
erscheint der weih' am fernen horizonte
Raupach ernste dramen 7, 197.
aber auch die menschen verabscheuen den weihen:
des pösen volk kam vil zu hauff,
und waren in peschreien,
alz die peurinn ainn weien
M. Beheim buch v. d. Wienern 261, 20 Karajan;
wurdst verhasset wie ein weyhe Eberlin 3, 139 neudr. die thierdichtung gibt ihm von seiner räuberei den namen: greyffzu der weyhe Rollenhagen froschm. G 8ᵃ, läszt ihn auch bei säugethieren verhaszt erscheinen: feyendschafft ... zwüschen dem fuchs und dem weyen Stumpf Schwytzerchron. 608ᵃ, und bildet ihn zum typischen sünder aus:
den weihen, den weihen
den tetens etwas zeihen
Uhlands volksl. nr. 10 B str. 25.
von da konnte der vogelname zum glimpfnamen des beflügelt gedachten teufels werden: der höllische weih' verwandelte sich augenblicklich in einen vogel greif Musäus volksm. 1, 86 Hempel. mit anderer wendung wird der weih zum bilde äuszerer gefahr, die die einzelnen zwingt, innere zwistigkeiten ruhen zu lassen:
ihr herren all im teutschen land,
last stillstan unter euch ewer hadern,
ihr habt den weihen ufm gatern
hist. volksl. 4, 296, 326 Liliencron
als hühnerdieb wird er ins kinderspiel des südwestens eingeführt:
wèj, wèj, hüenerdieb,
has dr mutter d hüener ghüet,
has ire d halwe gstole,
dr kukuk söll dich hole,
singen die kinder vor dem zaun, hinter dem sich ein anderes versteckt hält und am schlusz des verschens hervorspringt, um einen andern weih zu fangen Martin-Lienhart els. 2, 777; entspr. Follmann lothr. 535; lit. geworden bei Scheffel Junip. 21.
zusammensetzungen: aar-, band-, blasz-, blau-, brand-, feld-, fisch-, frost-, gabel-, har-, hühner-, königs-, korn-, kür-, moos-, rohr-, rötel-, rüttel-, schilf-, schwalben-, schwebe-, steppen-, sumpf-, weisz-, wiesenweih.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 5 (1922), Bd. XIV,I,I (1955), Sp. 647, Z. 34.

weihe, m.

weihe, m.
milvus s. weih.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 5 (1922), Bd. XIV,I,I (1955), Sp. 655, Z. 72.

weihe, f.

weihe, f.
ahd. wîhî Graff 1, 723, mhd. wîhe mhd. wb. 3, 613ᵃ; Lexer 3, 880 f. das wort ist nur hd., got. weihiþa, mnd. wi(g)else, nl. wijing, dän. vielse, schwed. vigning, vigsel gehen andere wege. dagegen haben die hd. nebenworte ahd. wîhida, mhd. wîhede, nhd. weihung (s. d.) nie die geltung von weihe stark beeinträchtigt.
zur form. wîhî ist im 8. jahrh. gebildet zum adj. ahd. wîh 'heilig' (s. o. ²weich sp. 473), indem die endung î an den einsilbigen betonten adj.-stamm trat wie in nâhî, rihtî, wîtî usw. Wilmanns wortbild. ²253, daneben vereinzelt ahd. wîha Braune ahd. gramm. ³§ 213.
1)
auf vermischung der adj.-abstracta aufmit den verbalabstr. auf -îni (Kluge nomin. stammbildungsl. ²§ 116. 149 c) beruhen die alem. pluralformen nom. wihinen Oheim Reichen. chron. 27 Barack, gen. wychinen Tschudi chron. helv. 2, 43, dat. weihinen buch d. offenb. d. hl. Birgitte 4, 133; -weychinen Frisius dict. (1556) 477ᵃ, sämtlich aus dem 15./16. jahrh., wie die entspr. formen von wehr f. (s. o. sp. 149).
2)
die obd. apokope führt zu der form wîch Enikel weltchr. 9401 Strauch, weich heiligenl. (1471) winterth. 49ᵃ, die bair./östr., schwäb., ostfr. bis ende des 16. jahrh. gilt: pfarrer v. Kalenb. 899 neudr.; Berth. v. Chiemsee t. theol. 302 Reithmeyer; Knebel chron. v. Kaisheim 29. 369 Hüttner; Sachs 22, 13 Keller-Götze; Nas antipap. eins u. hundert 3, 121ᵃ. westobd. ist ausl. h verklungen, das zeigen die reime weih: frey Frischlin d. dicht. 53 Strausz; hew Fischart Domin. leben 174 Kurz; prei glückh. schiff, kehrab 377 neudr.; darbey W. Spangenberg glücksw. 370 Martin. die schreibung weih noch J. M. Miller Siegwart 1 (1777) 130. md. ist weih nur gelegentlich aus den regelrecht verkürzten compos. kirchweih usw. gefolgert: Stieler 2473; Frisch 2, 433ᶜ. von Mitteldeutschland her hat die zweisilb. schriftform das ganze sprachgebiet zurückerobert, seit etwa 1780 gilt sie ausnahmlos.
3)
das bestreben einer graphischen scheidung gegen weih(e) 'milvus' ist nicht erkennbar. Steinbach 2 (1734) 961 wendet sich gegen die schreibungen mit y oder yh, doch noch M. Kramer d.-holl. wb. (1759) schwankt zwischen weihe 572 und weyhen, weyhung 578. zuletzt begegnet weye M. J. Schmidt gesch. d. Deutschen 1 (1778) 336; weyhe das. 3, 225.
verbreitung. von insgesamt 330 lit. belegen sind 8 ahd., 32 mhd., 290 nhd. von den nhd. gehören 40 dem 16. jahrh. an, 10 dem 17., 40 dem 18., die andern 200 sind jünger. bis mitte des 13. jahrh. ist weihe nur aus geistl. schriftstellern zu belegen, auch im 15./16. jahrh. ist es wesentl. kirchenwort. Luthers bibelübersetzung verwendet es nur 2. Mos. 28, 3 bei Aarons priesterweihe und meidet es sonst, offenbar als wort des kath. cults. weiterhin ist mit der vorherrschaft protest. literatur weihe in gefahr, verloren zu gehen, das jahrh. zwischen Abr. a S. Clara und Herder liefert nur 2 belege: Schwabe volleing. tintenfäszl B 5ᵇ und Petrasch lustsp. 2, 196. von den classikern fehlt es Wieland ganz; Schiller braucht es nur für priesterweihe 12, 561. die übrigen classiker und die romantiker sind an der bed.-erweiterung des worts betheiligt, die um die wende des 19. jahrh. seinen aufschwung herbeiführt. in lebender mundart hat das simplex kaum boden: waigə Bacher Lusern 221; wɛi mündlich aus St. Georgen im Br., Todtmoos, Schaffhausen. frühmhd. wiegen bair.-östr. belege vor, wie ja auch die vom adj. ²weich abgeleiteten ortsnamen Weihenstephan, Weihenzell usw. bair.-östr. sind.
bedeutung: seiner ableitung gemäsz bed. weihe heiligung und heiligkeit.
I.
als heiligung bez. weihe eine mittheilung heiliger kraft als vorgang.
A.
die mittheilung kann von einem einzelnen ausgehen und heiszt dann meist, in theol. fachsprache und neuer prosa regelmäszig, segen: th. 10 i 100f.; religion in gesch. und gegenw. 2, 563. weihe wird hier angewendet
1)
in älterer sprache, wenn der segen einer person zu theil wird. die gottheit segnet den menschen:
tho uuard ther fater alter   gotes uuihi irfulter
Otfrid 1, 10, 1;
wi si (Elisabeth) der godeliche rat
gesalbet innerliche hat
mit heileclicher wihe
leben d. hl. Elisabeth 8421 Rieger;
so hat auch keiner sonst wasz künftigs ie geschauet,
den du mit hailger weih von oben nicht betauet
der prophet die reuigen sünder: (Johannes predigte) das sye zuͦ der weyhin kummen solten heiligenl. (1472) sommerth. 45ᵃ, der vater die kinder:
(Esau zu Jacob:)
der wihe mich niht erlaʒʒe   die du mir gehieʒʒe
Milstäter genes. 51, 14 Diemer;
empfange vom segnenden munde
des vaters die weihe
zum bunde der treue,
du zärtliches paar
Gotter 3, 556,
der herr den diener:
(ritter die) von ir herren wie
gotes zeichen tragen hie
Heinrich v. Hesler apokal. 15839 Helm.
2)
in neuerer dichtersprache, wenn der segen einer sache zu theil wird: euch übergebe ich zur weihe die auswahl meiner lieder Matthisson 1 (1825) vii;
nun aber wird ein zierlich heft geschmücket,
ein treuer diener widmet's deiner hoheit,
und du vergönnest mir die erste weihe
Göthe I 4, 3 Weim.;
(der sonntag) trägt des herren weihe
B.
der strenge begriff der weihe wird erst erreicht, wenn der segen von einer gemeinschaft oder in ihrem auftrag ertheilt wird. der entwicklung der deutschen cultur entspr. ist diese gemeinschaft in alter zeit stets, in neuerer überwiegend die christliche kirche. dabei sind drei möglichkeiten vorhanden, doch sehr ungleich entwickelt.
1)
ein mensch wird geweiht. die sache nimmt im urchristenthum ihren anfang:
sonder mit aufflegung der händ
und mit gebet zu gott vollendt.
disz ist der aposteln jre weih
Fischart nachtrab 55 Kurz.
der ausdruck ist schon ahd. vorhanden:
allo uuihi in uuorolti   thir (Maria) gotes boto sageti
Otfrid 1, 6, 13.
a)
als aufnahme in die hl. gemeinschaft heiszt die taufe weihe, doch nur in gehobenem ausdruck, der als dichterwort über die versch. confessionen hinweggreift: Drackendorf hat soeben eine neue bewohnerin mit christlicher weihe bewillkommt Göthe IV 28, 253 Weim.;
ich darf mich wohl erfreuen
an diesem gnadentag,
da man die heil'gen weihen
zum kleinen kinde sprach
Brentano 2, 511;
Johannes ... ertheilte denen, die ihre schuld bekannten, die entsühnende weihe der taufe D. Fr. Strauss 6, 44.
b)
innerhalb der christlichen gemeinschaft nimmt nur die kath. kirche weihen vor und zwar stets durch den bischof:
seine eminenz der bischof
hält das hochamt hier am meere,
und mit weihe und gebet
will er hier den segen sprechen
Heine 2, 142 Elster.
nur ausnahmsweise heiszt die ordination des evangelischen geistlichen so: man betrachte nur die meisten candidaten des predigtamtes, ehe sie die weihe empfingen Schleiermacher I 5, 137.
α)
von der bischofsweihe wird wîhe schon um 1160 von Heinrich v. Melk erinn. 1160 Heinzel gebraucht, seitdem in vers und prosa bis jetzt:
(als Ulrich starb)
driu und ahzec (jahr) von sînem alter,
viunfzec von sîner wîhe zalt er
Berno v. Reichenau st. Ulrich 1499 Schmeller;
gab sant Ulrich auf sein geist ... seiner bischöflichen weihin in dem 50. jar städtechron. 5, 54; wenn sie (die bischöfe) sagen von irer freiheit und weihe Hutten bei Schade sat. u. pasqu. 2, 14; fragen ... die man im achten jahrhundert jedem gewählten bischof vor der weihe zur beantwortung vorlegte Zimmermann einsamk. 2, 315.
β)
die priesterweihe heiszt wîhe zuerst im obd. Servatius um 1190: zs. f. d. alt. 5, 92 v. 470, und seitdem ungemein häufig:
(gott) siet ane heilikeit der wie
die der bischof hat geleit hie
mit sinen worten an in
Heinrich v. Hesler apokal. 31079 Helm;
die weihe ist geordent zuo geistlicher geperung, die kanschaft zw leiblicher Berth. v. Chiemsee t. theol. 648 Reithmeyer; mit den erhabenen pflichten des standes, dessen weihe auf ihm ruht Gotter 3, 73; von der dem christen durch die weihe mitgetheilten kraft Ranke 1, 157. lange zeit kennen die wb.r nur diese bed. für weihe: ἀπαρχὴ, initiatio, weih Frischlin nomencl. (1586) 213ᵇ; weihe oder weih, f. enseignement, introduction Ravellus 402ᵃ, und entspr. noch Adelung 4 (1801) 1452. die priesterweihe bedeutet den eintritt in den geistlichen stand: er zwang jn, die weih anzuͦnemen, damit jm der wider weg zum keyserthumb verzeundt würde Franck chron. Germ. 64ᵃ; sein beichtvater machte es ihm zur gewissenssache, die weihe zu nehmen und in den priesterstand zu treten Göthe I 32, 191 Weim.; zum clerus gehört nur der, welcher durch eine erhaltene weihe (ordo) zur ausübung der ihm übertragenen gottesdienstlichen functionen fähig gemacht worden ist Eichhorn d. staatsgesch. 1 (1821) 261. sie kann nur einmal genommen werden: die ... geistliche weyhe ... nit mehr als einmahl von einem jeden menschen möge angenommen ... werden Spee güld. tugendb. 5, und ist sacrament: mit besonderer ausführlichkeit verbreiten sie sich über das sacrament der weihe, auf welchem ihre eigene autorität beruht Ranke 4, 41. die reformation bestreitet diese eigenschaft und die nothwendigkeit der weihe: welcher sagt, das ölung, firmung, wyhe der pfaffen, eelicher stand sien götliche sacrament, der irt Eberlin 1, 167 neudr.; ubi hic platta, lang rocke, salben, schmier? (die redner beim ersten pfingstfest) tretten her an alle weihe Luther 34 i 477 Weim. die reformatoren bestreiten den character indelebilis, den sie geben soll: von dem character (wyhe), desz die priester in den lezten zyten sind innen worden, weiszt die göttlich gschrift nüt Zwingli 1, 157 Schuler; er leugnete den character indelebilis der weihe, und erschütterte damit das ganze fundament der ... vorrechte des clerus Ranke 1, 302, indesz die ältere zeit von einem widerabnehmen der weihe gesprochen hatte: als er ain priester gewihet was, das man ... im sin wihe abnem Richental concilschron. 80 Buck. dem lat. kirchenwort ordo — ordines entspr. ist hier ein plur. möglich, zuerst 1588: beweisung der siben röm. weihen oder orden der röm. meszbienen Fischart binenk. 171ᵃ, neuerdings gern in pros. berichten, denen an pünktlicher sachlichkeit liegt: Raumer gesch. d. Hohenst. 4, 154; Gaudy 4, 89; Gutzkow ritter v. geiste 4, 303; G. Freytag 9, 130; Ranke 7, 129; Laube 14, 123. die sieben stufen der weihe, die vier niederen (akoluth, exorcist oder subdiaconus, lector, ostiarier) und die drei höheren (diacon, priester, bischof) prägen sich in deutscher sprache nicht gleichmäszig aus: prima tonsio die erst weych bayr. voc. von etwa 1410 bei Diefenbach gloss. 587ᵇ; accolitus die erst wichy. subdyaconus die ander wichy schwäb. voc. des 15. jahrh. bei Diefenbach n. gloss. 6; will er die fünffte weih annehmen, so musz er den ehestand verschweren Dannhawer cat.-milch 1, 459; die geistlichen, die nur die geringern weyhen haben M. J. Schmidt gesch. d. Deutschen 1, 253; sie sollen geistliche kleidung, tonsur, und die zeichen derjenigen weihe, die sie haben, tragen 5, 250; die ehe der niederen geistlichen hindere sie nicht, zu jenen höheren weihen zu gelangen Savigny gesch. d. röm. rechts 2, 138.
γ)
die weihen der ordensgeistlichkeit spielen sprachlich eine viel geringere rolle: zum abt geweyhet ... in diser weye ward er gefraget under vilen langen ceremonien Stumpf Schwytzerchron. 376ᵃ; die kloster leüt sollen und mögen die clöster mit der profession freye lassen faren, weiber nemmen, weder weihe noch orden schewhen Dietenberger d. ander buch wider Luther lᵃ; drumb tragen villeycht die weyber schleyer und die junpffern tzopffe, das man yhre weyhe und platten nit sehe Luther 8, 251 Weim.;
sie hat empfangen sakrament und weihe
Tieck 2, 262;
(die Deutsch-herren) hatten die priesterliche weihe empfangen Moltke 6, 367.
δ)
andern ursprungs ist die ritterweihe:
dô gie er dâ der vürste stuont,
und tet al den liuten kunt,
wie hôch, wie heilbære
ritters weich wære
Mai und Beaflor 83, 34 Pfeiffer.
als lesart der hs. B (15. jahrh.) gegen leben der ältern hs. aus der ritterweihe ist die zum gralsritterthum entwickelt:
der lîp die hôhsten wîhe   ûf erde hât enpfangen
Albrecht jüng. Titurel 5221 Hahn.
c)
herrscher werden durch eine weihe zu ihrer würde befähigt. diese weihe socialen charakters vollzieht am kaiser der papst:
(der papst an k. Rudolf:)
wir laden dich zer wîhe
Friedr. v. Sonnenburg minnes. 3, 73ᵃ Hagen;
dô im der pâbst gap keisers wîh
Lohengrin 4658 Rückert;
nû het den keiserlîchen segen
der keiser enpfangen und der wîhe regen,
als man ze keiser künege wîhen solde
6482.
andere fürsten weiht der kaiser zu königen:
daʒ was im (kaiser Karl) ein grôʒeʒ heil,
daʒ er solt künig machen
mit wîch und mit sachen,
der ieslîcher under im wær
Enikel weltchron. 25670 Strauch.
an den königen des alten testaments vollzieht ein prophet die weihe: es muszte ihm auch ... ein prophetischer mann in göttlichem auftrage die weihe zu seinem königlichen amte ertheilt haben D. Fr. Strauss 4, 26. erst kraft seiner weihe wird der fürst zum könig:
ein fürst treit küneges krône niht,
ê wal und wîh an im geschiht
Seifried Helbling 8, 354 Seemüller.
2)
seltener erhält eine sache die weihe. dieser gebrauch ist mit dem unter 1) dargestellten gleich alt:
gistuantun in thera nahi   thes gotes huses uuihi
Otfrid 3, 22, 1,
bleibt aber im simplex seltener. eigenthümlich ist ihm die entwicklung nach zwei seiten.
a)
eine weihe kann an sich nur dem zutheil werden, das zuvor unheilig ist, und diese einschränkung gilt bei allen andern gebrauchsweisen von weihe unbedingt. sie herrscht vor auch bei der weihe von gebäuden zu gotteshäusern: diz ist frôsang dero uuîhi Dauidis hûses Notker ps. 29, 1 Piper;
uns ist ouch wol kunt getan
wie man di gotes hus wihet ...
der wihe sol man eine keren
zwein heiligen oder einem ze eren
Melker hs. 51 Leitzmann;
(Bernhard) wolte daselbst beywohnen der ersten weyh einer neuen kirchen Abr. a S. Clara Judas 1, 336; der pabst beschlosz ... das colosseum durch eine kirchliche weihe zu retten Justi Winckelmann 2 i 147, einer landschaft oder stadt zum kirchensprengel:
der keiser des mit bete ermant
den pâbest daʒ er mit im vüer in diutschiu lant
unt Bâbenberc sîn stift mit wîhe segenet
Lohengrin 7593 Rückert;
entspr. Ayrer 702 Keller (erbauung Bambergs), eines grundstücks zum friedhof:
ein ieglich bischof
die kirchen unde den kirchof
lieʒ mit der wihe underwegen
passional 290, 45 Köpke,
eines orts zum heiligthum: schritt das mädchen gemessen, fast feierlich, erst rund um die felsenplatte, als vollziehe sie die weihe des orts Immermann 6, 30 Hempel, eines tags zum feste:
und zu des tages weihe
beginnen nach der reihe
von thurm zu thurm die glocken all
E. Curtius (1839) 211.
die kirche wirkt gel. bei der weihe höchst profaner sachen mit: ich machte der traurigen dame zu Loretto meinen besuch, liesz auch meinen knotenstock von dem sakristan mit zur weihe durch das allerheiligste tragen Seume 96; selbst bei den katholiken findet solche weihe statt, z. b. der bilder, reliquien Hegel 11, 372; einige bauern ... beklagten sich, dasz die juden und schächer mit ihren anschlagzetteln das wetterkreuz entweiheten ... ja nachher, da musz freilich die heilige weih' verdorben werden Rosegger schelm a. d. Alpen 1, 155.
b)
aber auch heilige sachen können eine weihe erhalten, nämlich dann, wenn sie vorher entweiht waren, z. b. ein götterbild:
seine gegenwart.
entheiligte die reine stätte. nun
eil' ich mit meinen jungfraun, an dem meere
der göttin bild mit frischer welle netzend,
geheimnisvolle weihe zu begehn
Göthe Iphig. v. 1439,
haus und herd:
auf weihe will ich sinnen, dann gereinigt mag
des herdes gluth die frau begrüszen wie den herrn
Göthe I 15, 183 Weim.,
ein heiliges wasser: trinkt ein Paria aus einem teich, so ist er verunreinigt und musz von neuem eine weihe empfangen Hegel 9, 151, eine stadt:
o Eleasar, Silo ist entweiht,
und keine neue weihe soll's empfahn
Rückert 9, 19.
3)
ein verhältnis zwischen menschen erhält seine weihe. oft ist es der bund zwischen mann und frau:
Julia: verliebten gnügt zu der geheimen weihe
das licht der eignen schönheit
Schlegels Shakespeare 1, 94;
wie Etzel wittwer ja! und eben diesz
verbürgt dem bund der beiden heil und segen
und giebt ihm weihe, adel und bestand
Hebbel I 4, 178;
am 23. August gab Karl von Dalberg der bigamie die kirchliche weihe Häusser d. gesch. 3, 292; eine strafe des himmels wegen des bundes, den Toni mit Raimund ohne kirchliche weihe geschlossen hatte jb. d. Grillparzerges. 4, 147, seltener die familie: die groszartige kirchliche einheit, durch welche die familien doch erst ihre christliche weihe erhalten Steffens was ich erlebte 1, 277. träger dieser weihe ist das wort: das glückliche paar näherte sich Sophien, die worte der weihe über sie aussprach Novalis 4, 207 Minor.
C.
übertragung auf nichtchristliche verhältnisse geht nach allen seiten von den weihen der kirche aus.
1)
die übertragung bleibt im bereich des cults. dabei können die secundär als weihe bezeichneten verhältnisse historisch älter sein als die entspr. kirchlichen, trotzdem sind sie im deutschen vom christenthum aus gesehen und benannt. nach einander treten in den gesichtskreis des Deutschen alte, fremde und primitive culte, zunächst solche des classischen alterthums: das überhandnehmen des aberglaubens, das flüchten zu geheimen weihen ... war ... das ergebnisz davon D. Fr. Strauss leben Jesu 3, 234. charakteristisch gehen hier römische culte voran: hatt den tempel geweihet Marcus Junius Brutus, und seind köstliche spiel gemacht worden der weihe halben Carbach Livius 326ᵃ; wiewol sie auch zu dieser weihe und segnen gar mancherley ceremonien ... gehabt haben Fronsperger kriegsb. 2, F 4ᵃ; es ist undenkbar, dasz sich irgend eine freye stadt latinisches geschlechts von der weihe dieses tempels ausgeschlossen hätte Niebuhr röm. gesch. 1, 445. die kenntnis griechischer mysterien folgt später, macht aber dann den tieferen eindruck: welche ... in des Pythagoras heiligthume die weyhe genommen hätten Lohenstein Arminius 1, 682ᵃ; er und der urgreis Tiresias sind der heiligen weihe günstig Göthe I 41 ii 237 Weim.; die bacchischen weihen Creuzer symbolik 2, 214; ist nun hier ... die weihe Ariadnens vor ihrer vermälung vorgestellt? Welcker a. denkmäler 2, 92;
(Hero am altar:) doch nein, vorher noch schau mir ...
wie sie die weihen üben, was sie thun
Grillparzer 7, 28 Cotta.
weiter treten die culte der nordeuropäischen urzeit in den deutschen gesichtskreis:
der begeisterte barde trat in den umkreis
des nachgebildeten hufes, und so durch die weihe
der götter geweiht, weissagt er
Klopstock oden 1, 226 Muncker;
das heidnische priesterthum stand ... hoch über dem volke als eine geschlossene und innerliche gesellschaft, die tiefe geheimnisse und wunderbare weihen vor demselben voraus zu haben vorgab Arndt schr. an s. l. Deutschen 2, 419. es folgen die orientalischen culte:
bald rettet uns mit heil'ger weihe
Sarastro's lösend götterwort
Göthe I 12, 192 Weim.;
(sein leben sollte ihn) in immer höheren weihen zum betreten der innersten gemächer in dem groszen Isistempel heiligen E. Th. A. Hoffmann 1, 154 Grisebach; noch hatte er (ein jünger Buddhas) nicht gesagt, dasz er die weihen empfangen wollte Mauthner Buddha (1913) 13, zuletzt die primitiven: wilde formeln der weihe G. Forster 6, 82; klöster ... die vollgestellt sind mit idolen, denen ... die neugebornen knaben geweiht werden; diese weihe ... wird nach den angaben der astrologen eingerichtet Ritter erdk. 2, 207; die hauptabschnitte im leben des kindes erhalten religiöse weihe Ratzel völkerk. 2, 181.
2)
der bereich des cults wird überschritten
a)
zunächst im scherz. ein spitzbubenspasz des jungen protestantismus geht vom strafrecht der alten zeit aus, das den dieb die beiden ersten male mit züchtigung und ausweisung davonkommen liesz, beim dritten diebstahl aber unweigerlich henkte:
sie hettn mich wol mit ehren ghangen,
weyl ich vor hab zwo weyh entpfangen
Sachs 17, 101 Keller-Götze;
dieb: ach herr, thuͦnd mir nur das verzihen!
es ist mir doch die erste wihen.
richter: sag, müssen dann die böszen knaben
am galgen noch mer wyhen haben?
Wickram 6, 328 Bolte.
calvinischer zecherscherz vergleicht den ungeweihten wein mit dem chrisam des sacraments: wein war sein weih und balsam gar Fischart Garg. 10 neudr.; darumb verfaulen den teutschen todtenköpffen die zän am letzten, von wegen des weins weihe: wers nicht glaubt, versuchs 170. katholischer kirchen- und schulscherz bleibt eng bei der ceremonie: die mönche ertheilen ihm spöttisch mit lauter schlägen und stöszen die weihe J. Grimm Reinh. Fuchs LXXV;
(der lehrer zum studenten:)
du hast einen grad der weihe,
noch bist du ein blödes kind
Brentano 3, 292.
aus dem lustigen gerät die übertragung in neuer alltagssprache auch ins triviale: in Breslau ... wurden diese keulen braun und scheckig gebrannt, was ihnen erst die weihe gab Holtei 40 jahre 1, 188.
b)
weiter führt doch nur die ernsthafte übertragung in die sphäre reinen menschenthums. dabei ist die priesterweihe als ausgangspunkt oft erkennbar: du meinst, dasz der dichter in jenes wahre wesen der musik eindringe, ohne dasz ihm die schule jene niedrigen weihen erteilt hat? E. Th. A. Hoffmann 6, 82 Grisebach; der eine (universitätslehrer) wird mehreren durch begeisterung die erste weihe geben, der andere mehr sie durch besonnenheit befestigen Schleiermacher zur philos. 3, 578; das mitleid ist die letzte weihe der liebe, vielleicht die liebe selbst Heine 3, 395 Elster; um ihm die siebenfache weihe zum priester der freundschaft für Klotilden zu geben Jean Paul 7/10, 186 Hempel;
kein gewicht in seinem herzen,
keine weih' auf seinem haupte,
wird er nie ein herze treffen
G. Keller Euphorion erg.-h. 1, 163.
vereinzelt kann auch das religiöse element neben dem neuen profanen stehen geblieben sein: um diesem neuen amt zugleich die demokratische und religiöse weihe zu verleihen Mommsen röm. gesch. 3, 466. ziel dieser entwicklung des wortes ist jedoch die hebung auf eine menschlich höhere stufe:
wer ruft das einzelne zur allgemeinen weihe,
wo es in herrlichen accorden schlägt?
Göthe I 14, 13 Weim.
selten ist diese weihe körperlich:
dasz sonder weihe nicht die kraft verbliebe
Z. Werner M. Luther oder die weihe der kraft XIII;
(das morgenbad im Rhein) war die weihe der kraft für lange kämpfe, die ihrer harrten Eichendorff 2, 206, viel öfter seelisch: die seelen, die eine höhere weihe mit in's leben bringen, bedürfen ... sorgsame aufbewahrung Göthe I 46, 85 Weim., künstlerisch: um die spartanischen sitten durch der musen weihe sanft zu färben Klinger 2, 343 (Damokl. 1, 1); der grazien weihe Gaudy 4, 35;
was giebt dem freund, was giebt dem dichter seine weihe?
dasz ohne rückhalt er sein ganzes selbst verleihe
Platen 86 (gaselen 123);
jene verschmelzung des sinnlichen mit dem gemüthlichen, welche den reiz wie die weihe des ächten liebesliedes ausmacht, stand Schubart als dichter nicht zu gebote D. Fr. Strauss Schubarts leben 2, 308; doch um Dantes haupt schwebt jener zauber, welcher der groszen künstlerseele die höchste weihe giebt, der zauber der liebe Treitschke hist. u. pol. aufs. 1 (1886) 48, sittlich: der tod eines heiszgeliebten menschen ist die eigentliche weihe für eine höhere welt Hebbel briefe 1, 353;
nur eines wünsch ich, dasz ich einst nicht ohne
des unglücks weihe mög von hinnen scheiden
Herwegh ged. eines lebend. 140;
(die familie ist) ein heiligthum der liebe, das nur von letzterer die wahre gestaltung und weihe erhalten ... kann Jhering geist d. röm. rechts 2 i 200; die königliche weihe des unglücks ist nie pomphaft-erhabener ausgesprochen worden Justi Winckelmann 1, 451; die treue ist etwas so heiliges, dasz sie sogar einem unrechtmäszigen verhältnisse weihe verleiht Ebner-Eschenbach 1 (1893) 84, und geistig: auf hohem berge oder im walde die weihe groszer gedanken für den tag zu empfangen Eichendorff 2, 143; Herodot gab Winckelmann die weihe des geschichtserzählens Justi Winckelmann 1, 153. das comparativische element, das in dem begriff der hebung enthalten ist, drängt in neuer prosa zum ausdruck: das moment der zeit ... gewinnt (in der geol. forschung) die höchste weihe, indem es ... sich der sache selbst incarnirt hat Jhering geist d. röm. rechts 1, 71; (die kerzen hatten) dem geheiligten raum eine noch höhere weihe verliehen Viebig weiberdorf 140. der vorgang der weihe, der auch hier noch vorausliegt, wird nicht immer als einmaliger act empfunden, sonderndas lenkt zu II. hinüberin seiner fortwirkung: doch dem, der mit gefühlt und mit gesungen, giebt sie eine eigene weihe Hauff 2, 288;
wenn auch natur mir weihe verlieh, und auch
tonreicher brust urbilder an's licht zu ziehn,
mir geisteskraft gab
Platen 111 (ode 15).
II.
als heiligkeit bez. weihe ein vorhandensein heiliger kraft als zustand. im keim ist diese bed. schon ahd. vorhanden:
in uuihi inti in rihti   fora sineru gisihti
alle dagafristi
Otfrid 1, 10, 17,
entwickelt ist sie nicht vor der wende des 19. jahrh.: die innere weihe der religion wurde durch die ceremonie des gottesdienstes in pflichthandlungen verwandelt Europa 2 (1803) 35 Schlegel. der kirchlich-religiöse ursprung auch dieses wortgebrauchs bleibt weit hinaus erkennbar: alle kraft des segens, alle weihe der sakramente können aus diesem charakter ins leben gerufen werden B. v. Arnim d. buch geh. d. könig 2, 340; (der Germane in der fremde) stellte die götterzeichen wieder in den hain ... aber ... dem frieden des altars fehlte die altehrwürdige weihe G. Freytag 17, 213; heilige pflicht des geistlichen ... die sittliche kraft und weihe der arbeit seiner gemeinde ans gewissen zu legen Riehl d. arbeit 182. die anwendung auf profanes leben bleibt noch lange bewuszte übertragung: auch dem profanen gab er eine weihe durch die art, wie er es behandelte Fontane I 1, 110, ja selbst die kirchliche priesterweihe als ausgangspunkt leuchtet gel. durch: die seelen, die eine höhere weihe mit ins leben bringen F. A. Wolf bei Justi Winckelmann 1, 44. auf verschiedenen wegen bahnt sich die anwendung auf irdische dinge an: es ist auch noch christlicher sinn, der auf erhebung und weihe des innern menschen dringt Grimm d. myth. (1854) 6; das geschlecht des begründers ... ist mit allem glanz und mit aller weihe angestammter und göttlich verordneter herrschaft umkleidet Mommsen röm. gesch. 5, 342; von der religiösen weihe der arbeit, die nur den menschen voraussetzt, predigen die ältesten propheten Riehl d. arbeit 18. so wird eine bed. 'erhabenheit' erreicht: indem man dem ritterstande selbst eine desto gröszere weihe und würde beizumessen ... suchte Gervinus gesch. d. d. dichtung 2 (1853) 12; die weihe uralter indischer weisheit Schopenhauer 1, 13 Grisebach; der pfarrer ... sprach über den segen, der an diesen bund geknüpft sei, mit solcher weihe M. Meyr erz. a. d. Ries 1, 278;
(die jugend) bringt dem meister volle lieb' entgegen,
der ihre gluth und ihre weihe singt
Anzengruber 5, 309;
die verantwortung für dieses werdende wesen drückte jeder ihrer handlungen den stempel einer besonderen weihe auf Polenz d. Grabenhäger 2, 148. in diesem sinn wird das wort gern von kunst und literatur gebraucht:
denn komische kraft, wenn ja sie sich zeigt auf eueren
bühnen im lustspiel,
stets mangelt sie doch in dem grundplan selbst, und es
fehlt die poetische weihe
Platen 1, 88 Hempel;
es ist eine musterhafte studie nach den besten meistern: überall liebe zur ergriffenen kunst, talent, ja weihe Rob. Schumann 1 (1854) 282; abgerechnet dasz unser Mozart nicht ... geläuterten geschmack genug hatte, um ... die weihe guter gedichte mit ganzer seele zu empfinden Jahn Mozart 4, 265, desgleichen von rhetorischen leistungen: sprach mit einer hinreiszenden poetischen weihe J. v. Voss gesch. m. milit. laufbahn 260; jene niederträchtige sittenlehre, welche Karl Follen mit der weihe des propheten vortrug Treitschke d. gesch.² 2, 438. widerum kann der comparativische inhalt, der im begriff 'erhabenheit' ruht, zum ausdruck drängen: die forderungen, die Bernhard an die römische curie gestellt, den weltlichen gewalten die weltlichen dinge zu lassen und durch diese begrenzung sich selbst eine gröszere weihe zu geben ... waren spurlos verhallt Nitzsch d. studien 39. wo die active künstlerische that einem passiven genieszen weicht, wandelt sich der sinn in 'gehobene stimmung': es ist, als walle der mensch in wunderbarer weihe auf den tönen, die den goldnen harfen der cherubim ... entklingen in das reich des lichts, wo sich ihm das geheimnis seines eignen seins erschlieszt E. Th. A. Hoffmann 6, 88 Grisebach;
und die hirtin tritt in's freie
von den lämmern bang umdrängt,
sieht wie eine neue weihe
fels und thal und quell empfängt
Brentano 3, 371;
über die pindarischen festgesänge ist ... jene priesterliche würde und anhauch heiliger weihe verbreitet Fr. v. Schlegel 1, 32; bei jeder anrede erröthete sie. sie schien ein gemüth von weihe und innigkeit Gutzkow zaub. v. Rom 1, 226; eine seelenfreundschaft ... wozu jedoch für den anfang eine beträchtliche entfernung gehört, bis das beruhigende alter die rechte weihe bringt G. Keller 2, 225. von einem zeitbegriff abhängig bed. weihe 'gehöhtes leben':
die stunden der weihe.
euch stunden grüsz' ich, welche der abendstern
still in dämmerung mir zur erfindung bringt
Klopstock 1, 54;
(ein mädchen) dessen möglichkeit in stiller weihe stunden
ich nur ganz leise vorempfunden
Seume ged. (1804) 134;
denn auch mich hast du in den stunden der weihe besucht Schubart ästh. d. tonkunst 275; in der mitternachtsstunde, beym sternenklang, in der stunde der weihe Fr. Müller 3, 348; sie erfuhren in einer stunde der weihe von ihm, was sie vor erstaunen beinahe starr machte Immermann Münchh. ²3, 117;
nicht wie zu Sanzio geheim in der stunde der weihe die gottheit
niederstieg
Waiblinger ged. aus Italien 2, 54 Grisebach;
der tag der hohen weyhe Pfeffel poet. vers. 7, 60; die nächsten tage nach dem begräbnisz werden zu tagen heiliger weihe, ernster sammlung Holtei erz. schr. 13, 42;
sieh, lieber, ob ich nicht
im augenblick der weihe
den sand auf ein gedicht
geschwind und willig streue
Gökingk ged. 2, 105.
selten einmal wird die heiligkeit als zustand nicht ernst genommen: (der zaar) spielte noch gern den schönen mann ... dabei bewahrte er doch die salbungsvolle weihe des weltheilands und weltbefreiers Treitschke d. gesch. ³1, 606; und dick troff ihm die stirn von heiliger weihe D. v. Liliencron haidegänger 77.
III.
besonderheiten stellen sich in verschiedenem sinne ein: in Göthes xenion:
suche nicht verborgne weihe!
unterm schleier lasz das starre
I 3, 354 Weim.
bed. verborgne weihe geradezu 'verborgnes heiliges'. im sinne von 'weihgeschenk' steht weihe:
aber gelob' auch dem ... Phoibos
eine dank-hekatombe ... zur weihe
Bürger 213 Bohtz;
Chrysothemis ... verkündet, dasz sie eine fremde haarlocke als fromme weihe darauf gefunden G. Freytag 14, 152. als ersatz für 'sacrament' steht weihe:
also genährt durch dieses brod der weihe,
also gestärkt durch diesen becher, laszt uns ...
wallen die reise durch des lebens dornen
für 'sanction': ich meine, dasz es das streben der regierung ist, in jeder hinsicht die gesetzliche weihe für dieses vorgehen zu erlangen Moltke 7, 102.
IV.
zusammensetzungen (die in früheren bänden übergangenen gesperrt): altar-, aschen-, brot-, dichter-, ehren-, eier-, fahnen-, feuer-, geister-, glocken-, hals-, haus-, holz-, Johannis-, kerzen-, kirch-, königs-, kraut-, kren-, licht-, nachkirch-, nonnen-, öl-, oster-, palm-, pfaffen-, pferde-, pfingst-, priester-, ritter-, sommer-, speck-, tempel-, todes-, wasser-, winkel-, wurzweihe.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 5 (1922), Bd. XIV,I,I (1955), Sp. 655, Z. 73.

weihen, verb.

weihen, verb.
'sacrare, benedicere'. got. weihan, praet. weihaida 'ἁγιάζειν' mit gleichbed. gaweihan und weihnan 'geheiligt werden' Feist 312, Streitberg got. bibel 2, 172, ahd. wîhen (aus wîhjan) 'dedicare, sancire, benedicere, initiari, ordinari, exorcizare, offerre' Graff 1, 724 f., Braune ahd. gramm. § 356, mhd. wîhen mhd. wb. 3, 613f., Lexer 3, 881, md. wîgen, wîen das., asächs. wîhian Holthausen asächs. elem. § 460, mnd. wîen, wîgen Schiller-Lübben 5, 708, mit gramm. wechsel anord. vígja Fritzner 3, 939, mit jüngerem gleitlaut afries. wîga neben wîa Richthofen 1146, fries. wije Dijkstra 3, 443, anfr. wîun Schade 1152ᵃ, mnl. wîen Verdam 692ᵃ, nl. wijden mit jungem hiatfüllendem d Franck² 793f., dän. vie, schwed. viga, norw. vigja Falk-Torp 1376, somit von den germ. dialecten nur dem ags. fremd Braune beitr. 43 (1918) 399—403. im engl. ist der begriff durch roman. wortgut gedeckt: to consecrate, ordain, devote, dedicate. das secundäre verb. gehört, wie schon Wachter (1737) 1849 richtig angibt, zum adj. ²weich 'heilig' (sp. 473f.) und mit ihm zu lat. victima 'opferthier' und umbr. eveietu 'er soll geloben' Walde² 833, mit dem verbalstamm von weichen etwa derart zu vermitteln, dasz im ausgangspunkt das zurückstellen des opferthiers, sein absondern von der profanen herde gestanden hätte: Pott etym. forsch.² 3, 288; Osthoff idg. forsch. 6, 39 ff. bedenken bestehen gegen Berneker Prager d. stud. 8 (1908) 1ff. und v. Wijk bei Franck² 794, die an abulg. visěti 'hangen', kslav. věsiti 'wägen', anknüpfen wollen, indem sie an den germ.-slav. brauch erinnern, das opfer an einen baum zu hängen, wie nach Tac. ann. 1, 61 mit den schädeln der in der Varusschlacht erbeuteten Römerpferde geschah.
zur verbreitung. im deutschen gilt weihen gleichmäszig in allen zeiten und landschaften. von beiläufig 940 belegen gehören 150 dem mittelalter an, ebensoviel dem 16. jahrh., 40 dem 17., je 300 dem 18. jahrh. und der zeit seit 1800. wie das fem. weihe (sp. 656), so geht auch das verb. in dem jahrh. zwischen A. v. S. Clara und Herder merklich zurück. erst das zeitalter des sturms und drangs bringt mit der erweiterung des gebrauchs über den kirchlichen bereich hinaus einen neuen aufschwung, das eine jahr 1787 ist mit 20 belegen vertreten. zur gesamtzahl liefert das md. passional 11 zeugnisse, Luther 32, Gottsched 22, Klopstock 11, Herder 15, Schiller 28, Göthe 45. Lessing, Wieland und Jean Paul treten spürbar zurück. in lebender mundart spielt weihen kaum eine rolle, während einweihen häufig ist. nur im kath. süden und westen ist weihen als cultwort in die volkssprache gelangt: lusern. waign, cimbr. baigen, veltl. waichn Bacher Lusern 221; weichen 'kirchlich segnen, benedicere' Schöpf tir. 808; weihhe, gweicht Schmeller bair. 2, 882; wîə, we̜jə in alem., wejə, weiə, wei in fränk. dorfmundarten Badens; wíə, wèjə Martin-Lienhart els. 2, 805; wéiə, wijə, weijən Follmann lothr. 535; weien wb. d. lux. ma. 480; weien Buchrucker Elberf. 173. ein weg, auf dem das wort in die sprache des volks und der kinder gelangt, ist gebet und gelöbnisz: er kann dir — sie wimmerte wie ein kleines kind — nimmer schaden ... ein herz will dir weihen Handel-Manzetti Jesse 2 (1911) 343.
die form steht in der schriftsprache seit dem 16. jahrh. fest. die mundarten des alem. südwestens bewahren z. th. starke bildung des part.: der katholische bauer fühlt sich vom heiligen und 'gewichenen' dingen umfangen E. H. Meyer bad. volksl. 603; vęye, part. kvęye irrégulier Henry Colmar 237; part. kəwèjə Martin-Lienhart els. 2, 805 aus Benfeld, die im 16. jahrh. an Nahe, Mosel und Rhein gel. auch lit. geworden ist: cappeln ... in vnser lieben frawen ere gewihen Aimon (Simmern 1535) F 4ᵃ; wen ein mensch oder weibsperson stirbt ... so soll es uff das gewichen begraben werden weisth. 2, 263 (Mosel); dasz er ... soll priester gewichen werden H. Fabricius auszug bew. hist. 87. sonst gilt ausnahmlos schwache flexion seit den ältesten zeugnissen. ahd. bildet wîhen als verb. der 1. schwachen conj. mit langem wurzelvocal sein prät. im obd. ohne i : uuîhta Otfrid I 15, 25. II 14, 33, fränk. mit i : uuîhita Tatian 160, 1, 244, 2, vgl. Braune ahd. gramm. § 356. die dreisilbige form taucht in mhd. zeit nur gel. noch auf: wîhete pass. 170, 61 Hahn; livl. reimchr. 3560 Meyer;
ein bischof heten sie erkorn,
den zentgraf von der nüwenstat,
den wiheten si in den rat
hist. volksl. 1, 165ᵇ Liliencron (Würzb. 1397).
fern vom obd. stellen sich auch seit beginn des 13. jahrh. die ersten zeugnisse für das verstummen des inneren h ein: wîen : amîen Otte Eraclius (vor 1204) 2377; wîe : schrîe der Mîsnœre in Hagens minnes. 3, 102ᵇ; wîe : lîe und gewîet : liet städtechron. 12, 39 (Köln um 1280); gewît : zît pass. 92, 52 Köpke; wîte : sîte das. 98, 35; diet : gewîet H. Hesler apok. 10358. 16436 Helm; Marîen : wîen Nik. v. Jeroschin 17372 Strehlke. zu gleicher zeit setzen auf nd. boden die zeugnisse für den gleitlaut g ein: gewiget Eberhard reimchron. von Gandersheim (1216) 428ᵇ Weiland; gewijget und gewigget waldeckische urk. von 1385 bei Bauer-Collitz 182; wygede, wyget und ghewyget städtechron. 19, 238. 597. 26, 267 (Lübeck 1386ff.); wygen, vighen, wiegen, gewyget Diefenbach gloss. 8, 231ᶜ; nov. gloss. 125ᵇ. 128ᵃ aus lat.-nd. wbb. und gemmen von 1417 bis 1512. die ersten diphthongierungen sind: weyen Marienb. treszlerb. 188, 6 Joachim (gegen wyhete 30, 12); weyhen privatbr. d. ma. 2, 139 Steinhausen (Landau i. B. 1434); weycht Schiltberger reisb. 49, 1; weichten, geweicht, weichen städtechron. 5, 82. 126 (Augsb. 1456). das nebeneinander der formen gewicht, geweicht und geweiht belegt Wunderlich th. 4 I 3, 5442, auf dessen artikel geweiht das. 5439—54 ein- für allemal verwiesen sei. die schreibung mit ey, bis ins 17. jahrh. fast die regel, wird nachmals eingedämmt durch das bestreben, weihe 'sacro' von weyh(e) 'milvus' zu scheiden. ausgesprochen ist diese schreibregel bei Bellin (1657) und Seume (1733), s. o. sp. 649 und 656. Stieler 2473, Dentzler clavis (1716) 345ᵇ, Steinbach 2 (1734) 961, Gottsched neueste ged. (1750) 2, 13 ff.; ged. 1 (1751) 73, 100ff. schreiben demgemäsz weihen, doch finden sich weyhen, weyhte, geweyht noch bei Knigge roman m. lebens (1781) 1, 264; Schiller (1781) 1, 181 G; (1788) 7, 127; Göthe IV 8 (1787) 123. 158 Weim.; Z. Werner ged. (1789) 7; zuletzt Pfeffel poet. versuche 1 (1812) 71.
bedeutung.
I.
in der masse der fälle, in alter sprache durchaus, bez. weihen eine culthandlung.
A.
vorwiegend wird das wort auf handlungen der christlichen kirche angewendet.
1)
selten und wesentlich nur in älterer sprache ist subject dieses weihens die gottheit, so mehrfach im got.: weihai ins in sunjai: waurd þeinata sunja ist Joh. 17, 17; weihaida ist qêns sô ungalaubjandei in abin, jah gaweihaids ist aba sa ungalaubjands in qênai 1. Kor. 7, 14, ahd.: pater uuiêhta dih unde salbôta dih Notker 2, 170 P. und mhd.:
got wölte si (Elisabeth) der selden wern,
das si solte ein sun gebern,
der gotis gewihtir hieʒe
Rudolf v. Ems weltchr. 20422 Ehrismann.
von da geht dieser sprachgebrauch in frühnhd. prosa über: da hat er (Christus) uns gekrönt, geweicht und gesalbt mit dem hailgen gaist Luther 10 iii 309 Weim.; entspr. 34 i 70; mit des heligen geists krafft ... gwicht Hedio chron. germ. (1530) A 3ᵃ; dasz uns Christus in seiner geburths-nacht alle geweihet hat Prätorius Saturnalia (1663) 13. seit dem 18. jahrh. kann nur in der sprache erhabener dichtung gesagt werden, dasz gott einen menschen weihe:
erstgebohrner der schöpfung, wie war dir bei deinem hervorgehn?
da, nach undenklicher ewigkeit, gott zu dir sich herabliesz,
und dich zum heiligen wohnplatz von seiner herrlichkeit
weihte?
Klopstock Messias (1748) 1 v. 266;
du (gott) hast die menschen zum genusz
des lebens erst geweiht
Voss antisymb. (1824) I;
ich aber war der starke,
von gottes kraft geweiht,
durch welchen diese marke
vom drachen ward befreit
Rückert 1, 160.
selten und nun veraltet ist es auch, Christum als geweihten gottes zu bezeichnen:
den geweihten gotes sun
anegenge 39, 12 Hahn;
got, där uns deinen ainigen sune geschenket unt geweiet hast Schede psalmen 15 neudr.; dasz die gottheit eine sache weihe, sagt nur vereinzelt ein dichter:
o creuze sei gegrüszt.   dich musz ein jeder ehren
in allem was er tut.   du kanst den teufeln wehren
durch den der dich geweiht
Fleming 1, 26 lit. ver.
2)
in allen anderen fällen ist das subject des kirchlichen weihens ein mensch.
a)
object ist dabei nur in vereinzelten fällen die gottheit, so im ahd. Tatian, dessen wîhen das lat. benedicere widergibt: inti sprah got uuîhenti 4, 12; uuârun simbolon in themo temple lobônte inti uuîhente got 244, 3. nhd. ist diese art object nur unter ganz bes. umständen einmal möglich:
darum sind die oblaten so zart im katholischen Wälschland,
denn aus demselbigen teig weihet der priester den gott
Göthe I 1, 311 Weim.
b)
vollkommen geläufig ist dagegen, dasz ein mensch vom andern geweiht wird, von ältester bis zu unserer zeit:
mit sîneru henti   sie ouh uuâri uuîhenti
Otfrid I 4, 74 Kelle;
(wir) warteten auf unsere zeit.
da kam sie, die heilige, über nacht ...
nun sind wir geweiht
Wildgans österr. ged. (1914) 16.
zweckbestimmungen werden, wo sie folgen, mit zu angeknüpft: (Noah verfluchte den Ham)
die anderen zwêne er wîhte zuͦ vrîeme lîbe
genesis 29, 1 H. Hoffmann;
wan er ist geweyhet und gesegnet zuͦ götlichen dingen A v. Eyb spiegel der sitten (1511) D 2ᵇ; sie beten zur schmerzenreichen mutter des herrn, und weihen zu unerträglichem schmerz die mutter der menschheit B. v. Arnim dies buch geh. d. könig 1, 251, seltener mit bloszem dativ: unser ... knab, den seine ältern und sein eigner entschlusz dem geistlichen stande weihten Lavater verm. schr. 1, 4; sie weihte mich dem dienste des herrn Steffens was ich erlebte 1, 136. von besonderen culthandlungen gehören hierher:
α)
die taufe:
sô uuer sô uuilit manno,   sô doufu ih inan gerno,
ouh iagilîchan uuîhu
Otfrid I 27, 50 Kelle;
(der täufling ist) durch die heilig wasserflut ...
zu einem himmelsfürsten gut
geweihet und besprenget
Ringwald evang. F 4ᵇ.
β)
das besprengen mit weihwasser:
ein waʒʒer man alumbe trûc,
daʒ man uf die lûte slûc
unde solde wîhen si da mite
pass. 358, 68 Hahn;
die leute weihen (mit weihwasser) benedire il popolo (coll' acqua santa) Kramer t.-ital. dict. 2, 1295ᵇ; so wurden die leichen-begleiter ... von dem priester mit einen wasser dreymahl besprenget, und gleichsam geweyhet Fleming vollk. t. soldat (1726) 370 § 8.
γ)
die ritterweihe:
zehant segent er (ein bischof) im daʒ swert
und mit im den, dies wâren wert.
die wîhte er alle mit im sâ
Mai und Beaflor 84, 1 Pfeiffer;
so nahm ich waffen, liesz mich ritter weihen
Tieck 1, 233,
an die in unsern tagen gel. dichter in loserer form anknüpfen:
so zieht denn aus mit alten schlachtenweisen,
geweihte heere, helden mann für mann
Wildgans österr. ged. 7.
δ)
die weihe zum christlichen herrscher:
si wart gewîht ze Rôme,
wan man ir schôn die krône
mit vreuden sazt ûf ir houpt
Enikel fürstenb. 1615 Strauch;
geweiht wird nach seiner wahl der röm. könig: do let de koning Otte sinen sone, den jungen Otten, to koninge wien to Aken sächs. weltchron. 163, 8 Weiland; entspr. städtechron. 12, 40; auch verordnete er, dasz alle seine nachfolger in dieser stadt sich zuerst sollten salben und weihen lassen Grimm d. sagen 2, 76; zum zweiten male wählten und weihten die fürsten und prälaten Heinrich den fünften Raumer gesch. d. Hohenst. 1, 250, entspr. der kaiser durch den papst:
der bâbes wîht in dô ze kaiser
kaiserchron. 14751 Schröder;
nû het den keiserlîchen segen
der keiser enpfangen und der wîhe regen
als man ze keiser künege wîhen solde
Lohengrin 6483 Rückert;
und ist noch nie geschehen in aller welt, das der ubir den kunig weere, der yhn weyhet odder kronet, dan allein durch den eynigen bapst Luther an d. adel 75 neudr. vorbild ist hier wie dort die königsweihe im alten Israel:
(gott) lieʒ in (David) wîhen schône
zuo des rîches crône
pass. 5, 17 Hahn;
Samuêl der prophêt
zuo im (Saul) grôʒ liebe hêt
und wîht in mit dem öl guot,
als man hiut die künig tuot
Enikel weltchron. 9405 Strauch.
ε)
in den ältesten mhd. dichterzeugnissen für die königsweihe sind es jungvermählte herrscherpaare, die geweiht werden:
nâch siten kristenlîchen   wîhen man dô hieʒ
beide zuo der krône
Gudrun 179, 1;
er solt sie beide wîhen   iht verzîhen.
Lohengrin 3270 Rückert.
hier liegen zugleich zeugnisse für die einsegnung der ehe vor, die in Ostrom 893 durch kaiser Leo den weisen zur gesetzlichen pflicht erhoben, im westen durch Karl d. gr. im capitulare von 802 cap. 35 befohlen war, doch ohne erfolg, so dasz sich synoden von 1227 bis 1420 im gleichen sinn bemühen muszten K. Weinhold d. d. frauen (1851) 259ff.; ²1, 377ff. durchgesetzt hat sich die kirchliche einsegnung der ehe erst seit ausgang des mittelalters, damals ist aber der begriff durch die wörter trauen und trauung (s. d.) gedeckt worden. im norden ist die sache älter, hier trägt sie, im gegensatz zur bürgerl. übergabe (giptaz) den namen anord. vígaz, dän. vie, schwed. viga, norw. vigja Falk-Torp (1911) 1376.
ζ)
die häufigste dieser weihen ist die zum priester. vorgebildet ist auch sie im alten test.:
(Moses zog das priestergewand) Aarônin an
und sîne süne. der reine man
wîhte si da vor der schar
Rud. v. Ems weltchr. 12738 Ehrismann;
von der priester weich hab ich gesagt, es sey kein sacrament, sondern aus dem alten testament gezogen, recht wie befolhen war Mosi, seinen bruder Aaron zu weihen und zukleiden Luther 23, 456 Weim. die maszgebenden stellen sind 2. Mos. 28, 41 und 3. Mos. 8, 12. exod. bietet bei Luther 14, levit. 9 belege für unser verb., die übrige Lutherbibel 11, das neue test. keine. die vorluth. bibel zieht heiligen, reinigen vor, doch: wie Moyses den Aaron und sein sün heyliget und weyhet zu priestern 3, 471 Kurrelmeyer. die gangbare formel ist (zu) priester weihen:
dar nâch sprich, daʒ er dich
zu prîster morgen wîe.
o kuningîn Marîe ...
ouch ist eʒ verre ûʒem tage,
daʒ man prîster wîhen pflît
Marienleg. 22, 177 ff. Pfeiffer;
(papst) Cletus wihete 25 priester von sant Peters geheisze städtechron. 8, 16: entspr. 9, 669; als er ain priester gewihet was, das man in degradieren solt Richental konzilschron. 79 Buck; der bischof, der der ze priester wyhen wil Zwingli 1, 245 Egli; wie man in Constanz jedes jahr 200 priester weihe Ranke 1, 170; entspr. 4, 139. die einzelnen stufen der weihe (sp. 658) werden unterschieden: subdiaconare dyaken wihen vel episteler wihen Diefenbach gloss. 559ᵇ (rheinfr. 1420);
so wort he van alle sinen sunden gefriet
und dar to der epistelen gewiet.
to Hamborch van bischop Johanne, des ordens der predeker,
wort he gewihet to dem evangelio (= diacon) na sinem beger
holst. reimchr. v. 214ff. Weiland;
den vater (liesz er) zum priester, den sohn zum diacon weyhen M. J. Schmidt gesch. d. Deutschen 1 (1778) 211. immer aber ist der begriff der priesterweihe vorwaltend, so stark, dasz weihen schlechthin 'zum priester weihen' bedeuten kann: do wihet er zuͦ pfingesten des jors do man zalt 1338 jor, und welhe sich do nüt entwihetent, die greif der bischof an städtechron. 8, 139; das aber der bapst odder bischoff salbet, blatten macht, ordiniert, weyhet ... mag einen gleysner und olgotzen machen, macht aber nymmer mehr ein christen Luther 6, 407 Weim.; entspr. Murner an d. adel 15 neudr.; wie tolle bacchanten uff die wichinen zugen, wurden gewicht, das sy ein wenig konden singen Platter 37 Boos; auch gedenke, mich nicht mehr weihen zu lassen B. Mayr päckchen satiren (1769) 44. nur mit bes. absicht können die tautologien priester sein und geweiht sein nebeneinander gestellt werden: also loszt die sünd ab ein ieglicher priester, der do gewycht ist Keisersberg bilgersch. (1512) 5ᵈ; ich bin auch ein pryester vnd geweihet Clemens flugschr. 1, 25; (ein verbrecher gesteht) er sey ein priester gewesen, und priesterliche ampt getriben by xx jaren, und nicht gewycht geweszt Hutten 3, 349 Böcking; geweycht pfaff Eberlin v. Günzburg 2, 32 neudr.; geweihter priester B. v. Chiemsee t. theol. 52; Baeumker kath. kirchenl. 1, 717 wirken als wiederholung, geweihte person Nürnb. pol.-ordn. 119 Baader; Luther 26, 644 Weim.; H. Sachs 21, 7 Keller-Götze; geweicht man Schades sat. 2, 146; die gewychten Eberlin v. Günzburg 1, 77 neudr.; Mathesius hist. Christi 11ᵇ decken den begriff vollkommen. dagegen bedarf die weihe zu anderen geistlichen würden eigenen ausdrucks:
bischolf Wernhart ûf sîn kôr
hinz Seckou gewîhet wart
östr. reimchr. 8826 Seemüller;
wenne men einen bischof wihet, das zuͦm minnesten süllent drige bischofe dobi sin städtechron. 9, 512; da weyhet man in zuͦ einem bischoff sommert. d. heiligenl. (1472) 2ᵇ a; Talleyrand weihte die neuen bischöfe Dahlmann franz. revol. 347; und hat Willigisum nit zum ertzbischoffen geweicht sein uraltes geschlecht, als der nur eines wagners sohn war A. a S. Clara Judas 1, 92;
am ungehör'gen ort, am wasserbecken
des Neros ward er (der neue papst) eiligst eingekleidet,
und ebenso unschicklich dann geweiht
Raupach dram. werke ernster gatt. 5, 71;
geweyhete jungfrawen und brewte Christi Luther 10 i 1, 255 Weim.; etlich religiosen oder geweyheten weibsbildern theatr. amoris 155; er hat eine geweihte des himmels verführt Gotter 3, 25; des satans geweihte braut E. Th. A. Hoffmann 1, 73 Grisebach. die ganze mannichfaltigkeit breitet M. Kramer (1702) aus: jemand zum helffer, zum priester, zum abt, bischoff, papst etc. weihen ... zum priester, zum bischoff etc. geweihet werden ... eine nonne weihen ... eine gott geweihete jungfrau t.-ital. dict. 2, 1295ᵇ. die kritik setzt zuerst in der thierfabel ein, wenn z. b. Steinhöwel einen wolf sagen läszt: myn vatter ist nit priester gewesen ... so ist myn vatter nit gewycht worden Äsop 217 Österley. bitter wird sie in der reformationszeit: Christus wird wol priester und könig in ewigkeit bleiben, ob ihn gleich kein bischof geweihet noch geschmieret hat Luther tischr. 1, 352 (1566) Weim. vgl. 358;
es sicht ainem bischofhuet gleich,
obs schon ein narr tregt, der ist geweicht
Schades sat. 1, 150 (Salzburg 1557).
übermütig bei Fischart: wo weihet man die birbischoff, wa ist des Nabals schafscher? Garg. 74 neudr.;
holla probetur, dasz man sing:
ein abt den wöllen wir weihen,
ist ausz dermassen gut
das. 69; von da wunderhorn 2, 452.
in solchem sinn geht von der priesterweihe das hohnwort aus: ich mein, er hab yhn recht geweihet Luther 16, 635 Weim. mit Pietschs anm. das. 654 ('er hats ihm eingetränkt'), desgleichen zwei scherzworte: jr (ein propst) seydt nit darzu geweihet, dasz jhr sie (die jesuiten) berührt Guarinonius grewel d. verw. 210;
drum schaut nur frisch herum,
ihr augen, ob nicht bald an warme seite kum
der, der für uns geweiht, und welchem wir gehören!
Logau 234 Eitner;
nicht geweiht sein zu etw. 'nicht dazu befugt, nicht dazu vermögend sein' Schmeller ²2, 882; er is ni gewit 'man darf ihm nicht trauen' u. s. w. Martin-Lienhart 2, 805.
c)
noch öfter ist eine sache object des weihens. gelegentlich steht das sachliche object neben dem persönlichen: so wird er und seine kleider, seine söne und jre kleider geweihet 2. Mos. 29, 21; entspr. 3. Mos. 8, 30. viel seltener als beim subst. (sp. 659f.) ist bei weihen der fall, dasz eine vorher entweihte sache geweiht wird: eʒ ward auch Rom in dem selben jar zwirund geweicht, daʒ leut darin erslagen wurden 4. bair. forts. d. sächs. weltchr. 381, 37 Weiland; Mose ... gos das blut an des altars boden, und weihet jn, das er jn versünet 3. Mos. 8, 15; entspr. Dan. 8, 14. in aller regel war die sache vorher unheilig. die ganze fülle der möglichkeiten in wbb. (gott) eine kirche, eine kapelle, einen altar, ein kloster, spittal kirchhof etc. weihen ... brod, wein, saltz, wasser, wachskertzen etc. weihen ... eine glocke weihen ... geweiheter ort, geweiheter platz, geweihete örter ... auf einen geweiheten ort begraben werden ... zu einem geweiheten ort fliehen ... geweihet brod, geweiheter wein, geweihetes wachs, geweihete kertze ... die geweihete hostie M. Kramer t.-ital. dict. 2, 1295ᵇ; etwas geweihetes haben, antragen, essen etc. das. 2, 1295ᶜ.
α)
häuser werden zu kirchen geweiht. widerum ist das alte test. vorbildlich:
(Abraham) die wîunge begie
und daʒ hûs wîen solde
väterbuch 31197 Reissenberger;
dô ... daʒ gezelt bereitet wart,
dô leite dran der gotis degen (Moses)
mit gotis wîhe gotis segen
und wîhteʒ nâch gotis gebotte
ze einer heiligheite gote
Rud. v. Ems weltchr. 12484 Ehrismann;
die sün Israhel die weichten den tempel des herren 1. d. bibel 5, 281 Kurrelmeyer; desselbigen tags weihete der könig den mittelhof Luther 1. kön. 8, 64 (1466ff.: geheiliget). sprachlich ist dieses vorbild wirksam geblieben im häufigen gebrauch des wortes tempel: enzerstörent nüt gotz tempel, der von dem obersten babste gewihet ist Tauler pred. 340, 7 Vetter, ebenso Clemens flugschr. 3, 329; J. Herold heidenwelt (1554) e 4ᵇ; Lenz ged. 1 Weinhold; Gaudy 2, 17. die von haus aus christlichen ausdrücke sind mannigfach:
(sie) ... wîhten münster. kirchen gote
Rud. v. Ems Barlaam 355, 33 Pfeiffer;
Einsidel,
do unser frowen kappel stat,
die got selber gewichet hat
der ew. weish. betb. (1518) 101ᵇ;
indes sind sie andechtig, weyhen und freyhen viel steynern und hultzern kirchen, capellen und allter Luther 10 i 1, 388 Weim.; diser hat das grosze münster zu Zürich ... geweyhet Stumpf Schwytzerchr. 401ᵃ;
den tag vor des herren
auffahrt wollten sie weihen das haus
Mörike 1, 251 Göschen.
ursprünglich findet das weihen statt durch das übertragen von reliquien:
daʒ (münster) hieʒ er mit heiltuome
wol zieren unde wîhen sâ
Rud. v. Ems Barlaam 340, 11 Pfeiffer.
demgemäsz ist jede kirche in honorem cuiusdam sancti geweiht. der kirchenlat. ausdruck leuchtet in älterer zeit stets durch:
(die kirche) wart gewîht alsô hêre
in sant Ruoprehtes êre
Enikel fürstenb. 109 Strauch;
ein capell ... gewihet ist in der ere der heiligen engel Suso 116, 3 Bihlm.; (sie betete) zuͦ dem heiligen in des ern das kloster geweicht was Arigo dec. 170 Keller; desulfte kappelle ist gewighet in de ere sunte Johannes städtechr. 16, 470 (Braunschw. 1514); ain capell ... weichen in der eher gottes Knebel chron. v. Kaisheim 403 Hüttner; ein eygnen tempel in der ehr s. Jacobs geweihet Franck weltb. (1542) 137ᵇ; und haben dieselb in die ehre st. Veits geweyet Kantzow pomm. chr. 30 Gäbel. neuerdings steht hier weihen mit dat.: die meister sollten sich mehr nach den heiligen richten ... denen die kirchen geweiht werden Heinse 4, 275 Schüddekopf; die kirche war der mutter und dem sohne geweiht Göthe I 24, 19 Weim., und die kirche heiszt kurzweg nach dem heiligen: in bemelten jar ... ist sanct Niclaus khirchen ... geweicht worden Brandis gesch. d. landeshauptl. v. Tirol 17; als bischoff Theodoricus ... st. Marxen münster ... wycht Tschudi chron. helv. 1, 18; geweihte stätte schlechthin (Riederer spiegel d. rhet. e 3ᵇ; Steinhöwel Äsop 349; Diefenbach gloss. 506ᵇ; Treitschke d. gesch. 2, 87) bedeutet 'kirche', selten ist hierfür der gekürzte ausdruck: (der zum tod verurteilte verbrecher) quam in daʒ gewîchte 'in das mit asylrecht begabte spital' Frankfurter rechenb. (1445) 52ᵃ.
β)
der geweihte mittelpunkt des gotteshauses ist der altar. das alttest. vorbild für dessen weihe Jakobs stein in Bethel 1. Mos. 28, 18:
den wîhter (Jacob den stein) gote aldâ und tet
sîn opfir gote und sîn gebet
Rud. v. Ems weltchr. 6856 Ehrismann;
eʒ stuont ouch dar zuo sîn muot,
daʒ er in wîht mit öle guot.
den selben list er dô vant,
daʒ er in wîht mit sîner hant
Enikel weltchr. 4902 Strauch.
das weihen von kirchen und altären wird gel. in einem atem genannt: den selben altar und cappel liesz er in der ere des hochgelopten erzengels sant Michels wichen Stretlinger chron. 17 Bächtold; Costerus zehlet unter diejenige äuszerliche gottesdienst, die gott allein und keiner creaturen eignen, die opffer, die kirch und altar weihen, und die gelübde Dannhawer cat.-milch 1, 116. auch der kirchenlat. ausdruck leuchtet wider durch: hie bij steyt eyn elter is gewijet in sijnt Marien Magdalenen ere pilgerfahrt des ritters v. Harff 15, und wird erst seit dem 18. jahrh. vereinfacht: es wird schwerlich wieder ein altar in Wien vom pabste geweihet werden Nicolai reise 2, 643; einen altar zu weihen, forderte eine ceremonie von acht stunden: man rechnet 300, die er nach und nach geweihet hat Ranke 37, 238.
γ)
gerät und zubehör des gottesdiensts werden geweiht, wider nach alttest. vorbild: solt auch das handfas und seinen fusz salben und weihen 2. Mos. 40, 11; sprenget damit ... das handfasz ... das es geweycht wurde Zürcher bibel (1531) 3. Mos. 8, 11; hat doch auch Moyses alle geschirr, auch die messenen ... weyhen müssen Nas antipap. eins und hundert 2, 201ᵇ, danach im kath. cult: und ist der brauch unter den geystlichen herren, das keiner darff keinen kelch angreyffen, er sey dann geweyhet Schumann nachtb. 263 Bolte; wie schrecklich erschien mir der augenblick, wenn der prediger mit den geweihten gefäszen in die krankenstube trat Steffens was ich erlebte 1, 154 f. insbes. greift das weihen von bildern aus vorchristl. in christl. zeit: das bilde zu weihen, das der könig ... hatte setzen lassen Dan. 3, 2; andächtige kutscher bringen kerzen und erhalten dagegen geweihte bildchen Göthe IV 8, 322 Weim.; (wallfahrtspfennige sind) medaillenartige stücke, die von priesterhand geweiht und von den gläubigen als schutz- und gnadenmittel getragen wurden Luschin v. Ebengreuth münzk. 28. christl. entwicklung ist die glockenweihe: so machstu es darnach mit andern euszerlichen wercken als kirchen gehen, testament stifften, kertzen machen, glockhen weien und andern dingen haltten wie du wilt Clemens flugschr. 1, 45 (Erfurt 1522);
gesellen alle, schlieszt den reihen,
dasz wir die glocke taufend weihen,
Concordia soll ihr name seyn
Schiller 11, 318 G.
für das weihen von gebäck sind die schaubrote (th. 8, 2302) das biblische vorbild:
(gott hiesz Moses einen tisch machen) dar ûf man im bôt
tagelîch zwelf reiniu brôt
heilig und ummeilig,
gewîhet unde heilig
Rud. v. Ems weltchr. 11957 Ehrismann.
sache und ausdruck wechseln:
nun het sich auf ain mal pegeben
gleich eben an dem oster abent,
das sie (die mönche) die fladen geweicht habent,
wie den im babstum ist der prauch
H. Sachs fab. nr. 211, 6 neudr.;
ein kindigen, wann es getaufft wird, musz ein stückigen brod mitnehmen, und bey der tauff weyhen lassen, so fehlet seinen eltern hernach kein brod Prätorius glückstopf 190;
ewiges heil ward dem brode beschieden,
als Christus in frohner nacht es geweiht
Droste-Hülshoff 1, 272 Schücking.
das siegreiche fremdwort hostie (th. 4 II 1844) ist jung: er hat auch bekant: das er dry partickel gewycht ostien gestolen Hutten 3, 349 Böcking; die geweihete hostie, l'hostia consagrata Kramer t.-ital. dict. 2, 1295ᶜ;
und diese hostie überbring ich dir
vom heil'gen vater, die er selbst geweihet
Schiller 12, 562 G.
δ)
thiere werden urspr. als opfer gebraucht und dazu geweiht:
(die osterweihe) gêt über dehein geiʒ:
umb daʒ lamp ich wol weiʒ,
daʒ wirt dô gewîchet
Seifr. Helbling 8, 301 Seemüller;
item wann der hailig gaist selber kain lamb hat, so kauft man ains ze stechen und bratt es ze weihen auf der pfrundner tisch pfründreg. d. heiliggeistspit. (München 1519) bei Schmeller ²2, 882, nachmals um sie vor schaden zu bewahren: bey der kirche des heiligen werden pferde, ochsen, esel geweiht Göthe IV 8, 322 Weim.; kräuterweihe (th. 5, 2125) ist am 15. aug.: umb de selve zit wart keiser Heinrich vergeven up unser vrauwen dach as man de wische ('kräuterbündel') wit städtechron. 13, 21 (Köln, v. 1376); bluͦmen oder kraut das mon weihet an unser frawentag der himelfart Keisersberg emeis (1517) 52ᶜ; würtzwisch von donnerwurtz ... die sie von vilen jaren auff den tag unser liebenfrawen himmelfahrt für gespenst und ungewitter geweicht und gesammelt hatten Fischart Garg. 231 neudr.; (hauswurz) vom papst geweyhet ... dienlich, dasz das wetter nicht könne in ein gebäude schlagen J. G. Schmidt gestr. rockenphil. 1, 95. weihwasser (s. d.), seit dem 9. jahrh. zum sacramentale erhoben (religion in gesch. und gegenw. 5, 1863) heiszt vom 15. bis 20. jahrh. vielfach geweihtes wasser: o, sprach der peichtiger, daʒ sein kleine sünde, sy gen mit dem geweichten wasser weg Arigo dec. 25, 18 Keller; composita verborum sein des papst geweicht saltz, gewaicht wasser, geweicht feur, palm etc. Luther tischr. 2, 118 Weim., mit Brenners anm. das. 679; wann man geweycht wasser nemme und besprenge das ort damit, dahin möge weder hagel noch schaur nicht schlagen Paracelsus op. (1616) 2, 297ᵇ;
(ein dominikaner) soll mir schwert
und pike tauchen in geweihtes wasser
Schiller 12, 370 G.;
man sprengte die geschmückten hügel (der gräber) mit geweihtem wasser Viebig weiberdorf (1905) 176. daneben ist der ausdruck geheiligtes wasser kaum bodenständig: das geheiligte oder geweihete wasser tilge dir deine sünde Nigrinus v. zäuberern 65, wol aber geweihter brunnen:
da ein mönch geweihten brunnen
zu ihm sprengte ein'ge tropfen,
ward er asche
Brentano 3, 132.
das weihwasser ist mit salz gemischt, das auch sprachlich gern damit verbunden erscheint: hettent ir fladenweiher auch beratschlagt und gepoten, dasz man alle sontag das wasser und salz weihet ... so hetten ir euer weihen auch damit bekreftiget ... so man aber wasser, salz, fladen, aier, flaisch, kraut und ruben etc. nit mer weihet, vil minder werden die pauren holz und stain, glocken und alt haderlumpen weihen und taufen lassen Schades sat. 3, 151; wasser oder salz weihen urk. zur gesch. d. stadt Kahla 57 (1487) Bergner;
ich hab entpfangen wolpesunen
ein gweicht salz und einen weichprunen
und hab auch ein geweichtes licht
H. Sachs 17, 135 Keller-Götze.
selten allein:
so soll man, jhr zu ehren frey,
geweihet saltz bringen herbey
W. Spangenberg gansk. 2, 372.
kerzen werden zunächst zum gebrauch beim gottesdienst geweiht: solt ein yeder christen mensch ein geweichte brinnende kertz in seinen henden tragen Gebweiler beschirmung Marie 22ᵃ, nachmals auch zu abergläubischen und weltlichen zwecken miszbraucht:
darzu must aber bringen du,
das ich dir zauberey zuricht,
weyrauch und ein gweicht kertzen-licht
H. Sachs 9, 128 Keller;
zu Basel ist ein einfältiger mensch ... in eine kleine hölen ... gegangen, und hatte mit sich genommen eine geweyhete wachs-kertzen Prätorius anthr. plut. 119. der gläubige stiftet sie in die kirche:
erbarme dich in unsrer noth,
zwei kerzen weih' ich schwer und roth
Gaudy 4, 13;
Mariä lichtmesz hab' ich geopfert eine geweihte kerze im dom zu Havelberg Alexis hosen 1, 95. geweiht wird auch das dazu benötigte wachs: weywasser, wurtz, geweichts wachs H. Folz von allem hausrat (n. 1480) 6ᵃ Hampe; auch weihens der wachsstöck Fischart binenk. (1588) A 2ᵃ.
ε)
ein grundstück wird zum kirchhof geweiht. sprachlich steht der ausdruck gern verbunden mit dem weihen der kirche und ihrer theile: von einem wychbischoff, der die kirch und den kirchhof gewycht hat Wickram 3, 99 Bolte; damit der kirchhoff und creutzgang recht geweihet würde Hertzog schiltw. B; geweihet pfaltz, kirchhof Henisch 1596; aber früh auch schon allein:
dâ er von geschichte quam
in ein dorf, dâ ein bischof
wîete einen kirchhof
Nik. v. Jeroschin 8176 Strehlke.
die formeln geweihte erde, geweihter ort, platz bedeuten gleicherweise 'friedhof': toder leib wirt begraben in geweichte erde B. v. Chiemsee t. theol. 577; so bald sie auszer der geweihten erden kamen, ziehen sie beede von leder Harsdörfer frauenz.-gespr. 7, 408 f.;
weil mein leichnam
nicht in geweihter erde ruhen soll
Schiller 12, 567 G.;
lucus ein geweiheter ort nomencl. Hamb. (1634) 483; geweiheter ort, geweiheter platz, geweihete örter ... auf einem geweiheten ort begraben werden M. Kramer t.-ital. dict. 2, 1295ᵇ. in älterer sprache ist hier das subst. part. möglich: die toten tett man begraben ins gewicht J. Lenz schwabenkr. (1499) 115ᵃ;
(zwei träger können eine leiche) tragen, wo sie wöllen hin
in das gweicht
Balde Agathyrsus (1647) 90, 2.
bis in neue dichtersprache erhalten sich freie umschreibungen: stätte meines grabes, die ich mir weihte Göthe I 11, 182 Weim.
ζ)
ein tag wird zum fest geweiht: iste dies ist furnemlich da zu geweihet, ut beghen das loblich stifft der messe Luther 34 i 200 Weim.;
doch im chor der feste   feiert' ich aufs beste
eins mit frommem sinn,
das die väter weihten   der gebenedeiten
himmelskönigin
Rückert 1, 143.
η)
geld und gut werden zu pfründen und stiftungen geweiht: was got einmal geweicht ist, sol nit wider gebraucht werden zu menschlichem nutz städtechr. 3, 60;
wollen's der mutter gottes weihen
Göthe (Faust 2825) I 14, 139 Weim.;
(den kirchen) weihten die Friesen die köstlichste und seltenste beute ihrer verwegenen seeräuberzüge Allmers marschenb. 1/2, 145.
d)
im gegensatz zu den unter c) genannten sachen, die vom augenblick der weihe ab nur kirchlichen zwecken dienen, werden waffen geweiht, um fortan im kampf siegreich zu bleiben:
mit dem geweihten schwert
Ditfurth 100 volksl. 52;
o Genoveva, weihe du mein schwert!
Hebbel I 1, 120 W.
diese weihe kann vom papst ausgehen: in der crist-nacht pflegt der pabst ein geweyhet schwerd ... einen groszen herrn oder fürsten zu schencken Fleming vollk. t. soldat (1726) 202 § 29; dem groszadmiral Andrea Doria hatte der papst einen geweihten degen gesendet Ranke 4, 11, der kampf als kreuzzug kirchlichen zwecken dienen:
Bouillons geweihtes heldenschwert
Gottsched n. ged. (1750) 95;
niemals hat mutiger ein frommer kreuzritter gegen die ungläubigen in geweiheter wehr sich gestellt Voss antisymb. 1 (1824) 20. während in älterer zeit stets ein degen geweiht wurde, tritt im 19. jahrh. auch die kugel als geweihte waffe auf: dasz er mit keiner andern kugel, als einer geweihten, erschossen werden könne Stifter 1, 222; nun liesz er eine kugel weihen und schosz das ungeheuer Laistner nebelsagen 15.
e)
gegen die kirchlichen weihegebräuche in ihrer häufung und veräuszerlichung erhebt die reformation einspruch in herbem ernst und beiszendem spott: auch schendet das weyhen gottes creaturn Eberlin 2, 10 neudr.; (der tempel war heilig) nicht darumb ... das er geweycht war von bischoffen, wie man ytzund mit narrey ... umbghet, sunder godt het yhn mit seynem wort geweicht und geheyliget Luther 17 i 396 Weim. nam. wird die weihe des österlichen festgebäcks ins lächerliche gezogen: (als am 26. mai 1523 Sickingens Ebernburg zur übergabe aufgefordert wurde) ist usz dem schlosz kommen ... Ernst von Dautenberg, hoptman, hat den erenhalt übel empfangen ... und dem bischof von Trier in sunderhait embotten, er solle nun haimziehen, die fladen wichen Kessler sabbata 100 Egli; o lieber got, des armen weihens! ... lieben fladenweiher, bleibt dahaim mit euerm weihen Schades sat. 3, 149f., vgl. fladenweihe(r) th. 3, 1708. von späteren wird nam. Fischart nicht müde, des weihens zu spotten: sie sind auch etlicher widertäuffer art, die, wenn sie durch ein kirch oder rahthausz gehen, die schuch ... auszziehen, damit sie nit die geweihete schuch (1582: aber nit die geweiheten füsz) entheiligen Garg. 5 neudr.; nam michs offt wunder, warumb die durchliechthelligsten ... jhnen nit auch die zähen wie die finger beschweren, versegnen, weihen ... lassen das. 5; vgl. jes.-hütlein v. 283; binenk. (1588) 177ᵇ; doch auch bei Prätorius phil. colus 59 und Grimmelshausen Simpl. 325 neudr. lebt das motiv fort.
B.
weihen wird seit ende des 15. jahrh. auch auf nichtchristliche culthandlungen übertragen, zufrühst: uff ain zyt als der senat ... het ain bild zewyhen der göttin Veneri Steinhöwel de clar. mul. 218 Drescher.
1)
am häufigsten ist hier die anwendung auf den cult des griech.-röm. alterthums. in gedrängtem gang widerholen sich hier alle beim christlichen cult entwickelten sprachlichen möglichkeiten. selten ist subject dieses weihens eine heidnische gottheit:
was hilft ein saitenspiel, von Phöbus selbst geweiht,
dem manne, dessen kräfte schwinden?
Gotter 1, 240,
nur in dichterischer freiheit einmal ein cultgerät:
die fackeln sinds nicht, die den Hymen weihen
Schiller 15 i 74 G.
in aller regel ist subject dieses weihens der mensch.
a)
ist ein mensch auch object dieses weihens, so steht er (im unterschied zum christl. cultgebrauch) als opfer, von den geopferten sachen grundsätzlich nur dann geschieden, wenn der opferwille von ihm selbst ausgeht: wie consuln das feindliche heer mit sich selbst den todesgöttern weihten Niebuhr röm. gesch. 1, 319; der fromme greis begann sich zu weihen Droysen gesch. Alexanders 502, sonst überall ist keine grundsätzliche grenze zwischen dem geopferten menschen und dem opferthier: opfer wurden ihm geweiht, und nun auch Andromeda, die königstochter Göthe I 49, 102 Weim.; das spricht sich auch darin aus, dasz statt des zu opfernden menschen theile seines körpers stehen:
sie rissen mich vor den altar und weihten
der göttin dieses haupt
Göthe I 10, 19 Weim.
b)
entsprechend verhält es sich, wo sachliche opfer gaben object des weihens sind. neben thieren:
ein drittes (lamm) weihen wir dem vater Zeus
Bürger 152ᵃ Bohtz;
schon manchmal hob das schwere beil der opfernde
zu des erdgebeugten thieres nacken weihend auf
Göthe (Faust 8588) I 15, 180 Weim.;
(der hahn) war der sonne, dem Mars, dem Mercur, dem Äsculap geweiht Brentano 5, 89, stehen theile von thieren, nam. ihr blut und ihr fell:
wir trugen zu dem opffer billich
die läglen voll der warmen millich,
auch becher mit geweichtem blut
Spreng Äneis (1610) 44ᵇ;
wie vor dem hausaltar er sitze, wo
das wundervliesz man weihend aufgehängt
Grillparzer 5, 151 Sauer.
wie im christl. cult werden pflanzen geweiht:
wenn er die frühesten blumen zum opfer
seinen Chariten weiht
Mörike 1, 214 Göschen.
wie dort auch wasser:
da uberkam ein schwartze farb
das gweygte wasser, und verdarb
Spreng Äneis 74ᵃ,
und gefäsze dafür: die goldenen und silbernen geschirre, die in die tempel geweiht wurden Niebuhr röm. gesch. 3, 497. eine gröszere rolle als im christl. cult spielt das weihen von bildwerken und schmuck:
ihn (den ring) will ich den Erinnen weihen
Schiller 11, 232 G.;
deine Lais, nun alt, weiht dir den silbernen spiegel,
Venus! dein ewiger reiz nehm ihn in ewigen dienst
Götz verm. ged. 1, 52;
dasz er dem Ares eine goldne statue weihe Ritter erdk. 1, 193. das bildwerk kann die gestalt der gottheit nachbilden, die es ehren soll: wenn der Äginer Anaxagoras gewählt wird, den aus der platäischen beute von den Hellenen zusammen in Olympia zu weihenden Zeus zu verfertigen Welcker alte denkm. 1 (1849) 37. als sachliche opfergabe ist es auch aufzufassen, wenn den göttern ein 'ver sacrum' geweiht wird: es war eine altitalische sitte, in schweren kriegen den göttern einen heiligen frühling zu weihen Niebuhr röm. gesch. 1, 56.
c)
heilige räume werden auch den antiken gottheiten geweiht: jede gegend, jede stelle wurde einem eignen gotte geweiht W. v. Humboldt 1, 48; hochgepriesen waren diese quellen bei den Römern, welche sie aquae sacrae oder fontes Herculis nannten, dem sie überhaupt die warmen quellen weihten Moltke 1, 126; einen geweihten raum Mommsen röm. gesch. 1, 218; vgl. das. 156. zumeist sind es tempel: nahe bei der zeit ist geweihet worden der tempel der göttin Cybeles Carbach Livius (1523) 325ᵇ; under welchem ... der tempel dem Jupiter ... ist dediciert oder geweicht worden Xylander Polybius (1574) 129;
seht dann weihen wir schnell dem hohen sonnenbeherrscher
einen prächtigen tempel
Voss Odyssee 12, 346 Bernays;
die dedication des in diesem jahre geweiheten tempels Mommsen röm. gesch. 1, 409. das geweihte kann darum, dem lat. sacrum entspr., schlechthin 'tempel' bedeuten: weiter hat der Ayax Oilei ausz dem geweichten der Minerve die Cassandram auch gefäncklich hin geführt Herold Dictys (1554) 72. wider ist der altar der geweihte mittelpunkt des cultgebäudes: der nach wiederhergestelltem inneren frieden von Cammillus geweihte altar Mommsen röm. gesch. 2, 124.
d)
selten werden den classischen gottheiten worte und gesinnungen geweiht:
dasz sie den himmlischen
für uns gebet und hekatombe weihn
Bürger 170ᵇ Bohtz;
unserm vater Zeus gehorsam zu weihen
das. 193ᵇ;
seufzend ergriff ich die leier und vor'm altare des Phöbus
weiht' ich ihm thränen und bitten und wünsche
Herder 27, 51.
2)
in weitem abstand folgen die übrigen nicht-christlichen culte: die des alten orients:
(Zoroastes) liesz im graben mit begerden
ein grosse hül undter die erden,
die er der sunnen weyen was
H. Sachs 2, 75 Keller;
(Jarbas hatte dem Ammon) hundert erstaunliche tempel erbaut und hundert altäre,
hatt' ihm unsterbliche feuer und ewige wachen geweihet
Bürger 274ᵃ Bohtz;
auch weihete sie (die sidonische Astarte) einen vom himmel gefallenen stern nach Tyrus Creuzer symbolik 2, 60. eine besondere, bereits unter I A) gewürdigte rolle spielen die weihebräuche des alten test.: David weihte das fleisch des ungeheuers den vögeln unter dem himmel Göthe I 51, 10 Weim. seit dem 16. jahrh. wird der islam in diesen sprachgebrauch einbezogen: den 10. mayi ist ein grosz fest gehalten worden, Mahomets fahn mit herrlicher ceremonien geweihet Kirchhof wendunm. 2, 64;
meine seele rührt
die grosze wasserflut, die Mahumeds gebeine
zu Mecha fort geschwemmt, und die geweyhten steine
des heiligthums versehrt
Lohenstein 1, 18 (Ibrahim v. 432);
(sie) ehrten andachtvoll an der geweihten stäte
Abdallahs heiligkeit mit eifrigem gebete
Ramler fabellese 1, 50;
des korans geweiht vermächtnis
Göthe I 6, 33 Weim.
erst seit der 2. schles. schule tritt das germ. alterthum in den gesichtskreis: so setzen sie doch auff keine wahrsagung mehr vertrauen, als auff die andeutung dieser geweyheten pferde Lohenstein Armin. 1 (1689) 30ᵇ; hat es sich gefunden, dasz die alte teutsche eiche ... wie in den geweihten hainen der götterzeit den ganzen harten winter durch gegrünt Görres 2, 12; (jeder streute eine scholle) rückwärts über sein haupt, dasz er geweiht und gefeit sei durch die vaterländische erde Scheffel Ekkeh. 212; das geweihte geräth des hauses, über dem die hausgenossen ihre gelübde thaten G. Freytag 17, 83. in zauber und aberglauben leben reste vorchristlicher culte fort: als (der kurpfälzische forstmeister) Velman die 'geweyten' schützen, die 'aasjäger', in den grund und boden hineinverwünschte, im jahre 1600 pfälz. museum 21 (1904) 27;
was weben die dort um den rabenstein?
... sie streuen und weihen
Göthe (Faust 4403) I 14, 228 Weim.;
wen wir rufen,
den binden wir in dem geweihten kreis
(we will make fast within a hallow'd verge)
Shakespeare 8, 37;
ja! spinne, kind, in heil'ger nacht,
den faden weih der höllischen macht
Uhland ged. 1, 274.
II.
in weltlichen gebrauch ist weihen zunächst durch wortkühne erweiterung der unter I A) behandelten anwendungen gelangt. darum haben die älteren zeugnisse dieser art leicht humoristischen klang: der kirchliche gebrauch wird verzerrt, indem jemand statt mit öl mit lächerlich ungeeigneten mitteln geweiht wird (vgl. kûlwîhen 'weihen mit der keule' mhd. wb. 3, 614ᵃ):
ich hân die krucken drî stunt gefuͦrt uber sê,
wen ich dâ mit gewîhe,
der gedenket mîn imer mê
Salman und Morolf str. 366 Vogt;
(knechte dulden plagen:) vil dienstis ûf in legen,
wîhen mit starken slegen
zuo mengem smêhin ampte
Hugo v. Langenstein Martina 129, 96 Keller;
mit durchtribner schalckheit was Ulenspiegel geweihet Eulensp. (1515) 51 neudr., indem eine unwürdige sache object des weihens wird:
haist euch die füchszküerssen weichen
pfarrer von Kalenberg 846 neudr.;
wer ein pfruͦndt hat zuͦ verlyhen.
dem muͦsz man vor den seckel wyhen
Murner narrenbeschw. 42, 20 neudr.,
indem jemand zu höchst unheiliger best. die weihe erhält:
dat he sus worde ghefryget,
to eynem voghede ghewyget
städtechron. 16, 157 (Braunschw. 1488);
zu nichts nicht besser, dann zum strick
geweiht
Hayneccius Hans Pfriem 2152 neudr.,
oder indem jemand durch die weihe ausgezeichnet wird, der sie am wenigsten verdient: sie haben in den tempel widerumb eingesetzt und darzu geweihet die käuffer und verkäuffer, welche Christus darausz getriben hat Fischart binenk. (1588) 86. anderseits bleibt dem wort von seinem ursprungsgebiet her leicht ein bes. feierlicher klang:
wir treten vor die bundeslade,
und wollen dir gehorsam weyhn
sehr wenig könige weihen
ihr erhabenes amt
durch ein gottnachahmendes wohlthun
Klopstock oden 1, 7 M.-P.
es ist wesentlich ein wort der dichter geblieben, die vielen zeugnisse in versen sind für seine wortgeschichte bezeichnend. jedenfalls ist der gesamte profane gebrauch stärker, als sich das ungeschulte sprachgefühl zugibt, vom cultgebrauch her bestimmt und von da aus zu würdigen: (wenn ich einen frevler erschlage) do hab ich meine hende geweihet in dieses schalcks bluthe Luther 33, 624 Weim.; ihre gespielinnen fühlen das traurige dieses falles und weihn voll mitleidigen schreckens ihrer todten freundin den schmuck ihrer jungfräulichen jugend Herder 15, 350 Suphan;
ich fühle
ein grosz gelüst, die hände mir in seinem
blute zu weihen nach der schauerlichen
brautnacht
E. Hardt Tantris der narr 59.
diese herkunft hebt weihen von seinen synonymen ab: welcher sie ... den kleineren theil der zeit zu widmen haben, den gröszeren aber der betrachtung weihen dürfen Schleiermacher Platon 6 (1828) 45; sich dem leben der natur nahen und ... ansehen ... wie sie weiht und reinigt in feierlicher nachtstille B. v. Arnim Günderode 1 (1840) 158; ihr seid nur schlechte reifen, aber zu köstlichem gold will ich euch weihen und heiligen Immermann Münchh. ²3, 41, vgl. die wbb. von Schwan 3 (1787) 1021 und Heinsius 4 (1822) 1564.
A.
an geistliche gebrauchsweisen knüpft erkennbar an das weihen zu einer weltlichen bestimmung.
1)
a)
wie einen zum priester weihen ist gebildet:
(ihr sprecht vom) hochzeit-tag, und meinet doch die nacht,
die euch zum vater weiht, die braut zur mutter macht
Logau 13 Eitner;
desz thäten die Musen sich erfreun,
wollten ihn zum meistersänger weihn
Göthe I 16, 123 Weim.;
mit diesen segensworten weihete der hinscheidende greis Voltaire den jüngling ... Franklin zum menschen G. Forster 6, 172;
engelchöre weihen dann
mich zum nektarerben
Bürger 50ᵇ Bohtz;
Bürger, der A. W. Schlegel bekanntlich zum dichter weihte Gervinus gesch. d. d. dichtung 5 (1853) 562. die gebrauchsweise kann zum gegenbild der kirchlichen ausgestaltet werden:
dasz ich ihn taufe mit flammen
und ihn weihe zum genossen der hölle
Schubart sämtl. ged. 1 (1825) 68.
sie entfernt sich vom vorbild, wenn weihen reflexiv steht:
weih dich zum bürger, zum gemahl,
zum vater! heil'ge banden!
Gotter im Gött. musenalm. 1770, 55 neudr.
b)
wie eine zur nonne weihen steht: die kleinode, wodurch die gräfin Amey ihre tochter zur gräfin von Vadutz weihte Brentano 5, 226; mit diesem kusse weih' ich dich zu meinem weibe Bauernfeld 1, 85. auch hier ist der refl. gebrauch ausgebildet: so weihe eine reine jungfrau ... freywillig sich zum opfer Klinger n. theater 1 (1790) 13; sonne, ich weihe mich zu deiner priesterin O. Jahn Mozart 2, 390.
c)
wie einen zum priesteramt weihen steht: das arme kind ... das ich zu solchen leiden ... geweiht hatte Göthe IV 3, 70 Weim.;
Philo risz sich hervor. ihn sahe satan, und sagte
bey sich selber: o sey mir zu deiner rede geweihet
Klopstock Messias (1780) 4, 101;
zu brudermord auf ew'ge zeit
war hiermit das geschlecht geweiht
Rückert 3 (1837) 336;
mit feuer und wasser, sagten sie, weihen wir dich zu ewigem frauenhasse G. Keller 1, 297. das persönliche object kann dabei umschrieben werden: ich fühlte mein gemüth zu allem groszen und guten und schönen aufs neue geweiht Gentz 4, 14 Schlesier;
nicht länger wollen diese lieder leben,
als bis ihr klang ein fühlend herz erfreut,
mit schönen phantasieen es umgeben,
zu höheren gefühlen es geweiht
Schiller 11, 48 G.
d)
der brauch der tempelweihe wird aus seinem kirchlichen bereich übertragen:
das ganze chor der schwester-tugenden,
die einst sich Alfreds brust zum tempel weyhten,
befruchteten sein herz
Wieland I 3, 150;
in diesen zimmern
wird sie, die herrliche, in anmuth schreiten,
und wird dies schlechte haus zum tempel weih'n
Bauernfeld 3, 82,
und nachgebildet, in engem anschlusz:
er spricht — und felsenrippen stehen da!
geweiht als heiligthum zu seines gottes ehre
Schubart 2 (1825) 49,
aber auch in freierer weise:
(ich will) ein opfer andrer art zum demuthszeichen weihen
Gottsched ged. 1 (1751) 379;
(wenn ich die blumen) zum kranz für die ehrwürdigen schläfe des besten vaters weihe G. Forster 9, 155.
2)
die hier überall gebrauchte anknüpfung mit zu wird von dichtern vereinzelt durch den dativ ersetzt: weiht euch dem opfer Wh. Fr. Meyer Dya na sore 1 (1787) 65;
mir scheinen list und klugheit nicht den mann
zu schänden, der sich kühnen thaten weiht
Göthe I 10, 34 Weim.;
an stelle der üblichen nominalen zweckbestimmung tritt, gleichfalls nur bei dichtern, die verbale:
damit ich, dich zu schaun,
mich bereite, mich weihe
Klopstock oden 1, 124 M.-P.;
wie weihet sich der junge mann, zu werden, was er seitdem wurde, der erste geschichtschreiber der neueren W. A. Schlegel Athenäum 2, 314;
nicht hier weiht ihn zu sterben, den seinigen fern, das verhängnisz
Voss Odyssee (1821) 5, 113.
B.
wie in dem satz einen zum priester weihen die zweckbestimmung als selbstverständlich ausfallen kann, so bildet sich durch ellipse auch ein weltliches weihen ohne dativobject.
1)
bestimmte formgruppen sind am stärksten betheiligt.
a)
zufrühst stellt sich dieser absolute gebrauch ein beim subst. infinitiv: keiner ausz jhrem weyhen soll der artzney würdig sein Paracelsus chir. (1618) 532;
was würt dann brüderschafft dich schirmen?
was hilfft dich weihen, ölen, firmen?
Fischart 2, 347 Kurz;
dasz die erd' zum himmel werde
ist des neuen bundes weihen
Brentano 1, 47.
gelegentlich ist hier nur durch parallele ausdrücke zu entscheiden, ob nicht dat. plur. von weihe f. vorliegt: (die langeweile) mit ceremonien, mit weihen und entsühnen ... auszufüllen ist pflicht und vorteil der priesterschaft Göthe I 7, 20 Weim.
b)
jünger ist das part. praes. in absolutem gebrauch:
denkmal bleibe des glücks! ruf' ich ihm weihend und froh
Göthe I 2, 127 Weim.;
wer aus schöner natur weihendem brunnquell schöpft
misset gerne den niedern prunk
Salis ged. (1798) 75;
die gottheit ... warf ... einen weihenden blick auf sie hinab Pfeffel pros. versuche 5, 138;
alle glückesstern' im bunde
hätten weihend ihm gelacht,
wenn die mutter eine stunde
früher ihn zur welt gebracht
Uhland ged. 1, 223.
während hier die verbale bed. im part. lebendig ist, können dichter und prosaiker des 19. jahrh. das part. in den adj. sinn von 'weihevoll' überführen:
wie hab' ich dich (die ruhe der nacht) empfunden ...
dann war's um mich so weihend,
wie stiller gottesdienst
Tiedge 3 (1823) 9;
er wollte die beiden heute in der weihenden abschiedsstunde sich ... fester verbinden Brentano 5, 305.
c)
das part. praet. ist in seiner altr. verwendung an dem absoluten gebrauch stark betheiligt.
α)
es tritt als attribut zu sachbezeichnungen. dabei kann der part. sinn 'geheiligt' lebendig bleiben:
ihm steht ein rasend volk nach dem geweihten leben
E. B. Krüger Mahomed, d. schaubühne 5, 407;
ohnmächtig schlägt der mensch
auf die geweihte rüstung der geseze
Schiller 5, 46 G.;
du, mein deutsches vaterland, bleibst doch der ewig geweihte herd Immermann 1, 196 Hempel; welcher jene vierhundert talente nur als den geweihten zehnten des erbeuteten goldes angiebt Niebuhr röm. gesch. 1, 298;
du (natur) lehrst verstehn,
was nur geweihte blicke sehn
Overbeck verm. ged. (1794) 35.
so bis heute, wenn irgendwelche bestimmungen dabeistehen: die gedankenleere, nicht vom geist geweihte gebärde O. Ludwig 5, 494; überall grüszt uns liebliche erinnerung, wenn wir diesen für uns geweihten boden betreten H. Seidel Hühnchen 228. anderseits hat das part. schon früh die adj. bed. 'heilig' angenommen:
empör' o zorn, aufbrausend der saiten glut,
dasz ihres klangs geweihte lohe,
schlag' an die felsengesims' Arosa's
Stägemann kriegsges. (1813) 24;
werde ich mich ... zurückziehen in die geweihte stille meines arbeitszimmers G. Keller 5, 136.
β)
neben pers.-bez. bleibt der part. sinn stets lebendig:
und ihr, der weysheit ersten söhne,
geweihte dichter! heilger chor!
Drollinger ged. 20;
doch verzeyht, wenn meine leyer
nicht von jenem heil'gen feuer
der geweyhten dichter glüht
Göthe I 37, 18 Weim.;
geweihtes kind, so nenn ich dich
Brentano 2, 122,
desgleichen, wo die bez. der person umschrieben wird:
ich ... webe draus ein diadem
für dein geweihtes haupt
Heine 1, 163 Elster.
d)
reflexives weihen war in absoluten gebrauch übergetreten schon im kirchlichen bereich: sich weihen, benedirsi, santificarsi (coll' acqua santa) M. Kramer t.-ital. dict. 2, 1295ᵇ. es bleibt diesem nahe, auch wo es dichter später frei gebrauchen:
weihend mich mit stillem beten
will den urwald ich betreten
Lenau 59 Barthel;
wo die ganze welt in süszen
tönen jubelt und sich weiht
E. M. Arndt 4, 239 Rösch u. Meisner.
2)
im freien gebrauch tritt weihen ohne zweckbestimmung bei dichtern seit beginn des 17. jahrh. auf:
die myrthen, so du nimmst, erfordern lorbeer-äste,
das ist: dein hochzeit-tag begehrt der Musen pflicht,
die dienst und mode weiht
doch wenig kennen wahre liebe,
die anmuth zeugt, und tugend weyht
Haller schweiz. ged. 228 (1737).
doch erregt dieser gebrauch noch 1748 anstosz: über Klopstocks vers
darf sich die dichtkunst auch wohl, aus dunkler ferne, dir nähern?
weihe sie, geistschöpfer!
Messias I 4, 8 Hamel
hält sich Schönaich auf: wozu soll ... die dichtkunst geweihet werden? neol. wb. 151 Köster. er vermiszt also eine präpositionelle bestimmung.
a)
auf die gehobene sprache ist dieses weihen beschränkt geblieben, ihm entspricht in der alltagssprache adeln: unter einem fürsten ... wenn er nicht durch adliche geburt geweiht wird Niebuhr röm. gesch. 1, 375; einen ... stof, über den die länge der tradition gekommen sein musz, ihn zu weihen und festigen Grimm Reinh. fuchs VI, begehen:
auch heute den Sophientag
kann schöner ich nicht weihen
Brentano 4, 72,
einsegnen: so weih' ich euren bund Kotzebue 4 (1827) 75, einweihen:
ich will doch etwas thun, und ihm ein denkmal setzen
und es mit opfern weihn, und es mit thränen netzen
J. E. Schlegel 1 (1761) 11,
prägen: (Christus heiszt) der gottgebohrne, welcher ausdruck in mehrern psalmen schon geweihet war Herder 12, 292 Suphan, 'sanktionieren, gutheiszen':
weil ein gebrauch, den die geseze heilig prägen,
des zufalls schwere miszethat geweiht
Schiller 4, 25 G.;
entspr. 4, 8; die Muse weiht den ausgeworfnen plan Mörike 1, 130 Göschen, segnen:
lasz mich die stunde weihen, da
ich deinen tritt, Alfadur, sah
Gerstenberg ged. eines skalden I s. 360 neudr.;
denn, o gott, in Christenlanden,
auf der erde weit und breit,
ist ja kein altar vorhanden,
welcher unsre liebe weiht
Bürger 44ᵃ Bohtz.
b)
unersetzbar ist der ausdruck nur, wo er sich religiöser bed. nähert:
wir (die feen) weihen
den reihen
Göthe I 12, 63 Weim.;
und so weihe ich dich dann, knabe, mit diesem kusse Meissner Alcibiades 1, 44; wenn die Franzosen ferner den heiligen germanischen strom besitzen, der durch so viele siege über sie und ihre vorfahren geweihet ist Arndt schr. an s. l. Deutschen 1, 297; die zahllosen versöhnenden und erhebenden umstände, welche ein neues leben zu weihen vermögen G. Freytag 14, 120.
C.
regel ist doch auch innerhalb des weltlichen gebrauchs von weihen, dasz die zweckbestimmung hinzugefügt wird.
1)
alt ist hier vor allem reflexiver gebrauch, in kirchlichem sinn schon got. und ahd. vorhanden: jah fram im ik weiha mik silban, ei sijaina jah eis weihai in sunjai (ἁγιάζω ἐμαυτόν, ἵνα ὦσιν ἡγιασμένοι) Joh. 17, 19;
ther auur thes ni giîlit,   mit doufu sih ni uuîhit
Otfrid 5, 16, 33.
mhd. und frühnhd. steht sodann sich wîhen mehrfach im sinn von 'sich weihen lassen', fast in der art des nordischen passivs:
wan er durch des rîches wirde sich wolt ze keiser wîhen
Lohengrin 3357 Rückert;
der bischof gebot allen dumherren und pfaffen die gotzgoben hettent, daʒ sü sich soltent wihen zuͦ der nehesten fronevasten städtechron. 8, 138 (Straszb. 1362);
sich mit wasser zuweyhen rein,
dasz er der sünd mög ledig sein
W. Spangenberg Soph. Ajax prol. v. 221 Dähnhardt.
a)
die neue entwicklung setzt damit ein, dasz zum refl. der dat. eines abstr. tritt. so kann die formel seit der 2. schles. schule eine rein weltliche hingabe bez.:
mein eisz entglimmt von deinen keuschen flammen,
durch die der löwe weiht
sich der glückseligkeit
Lohenstein 1, 4 (Ibr. v. 94);
in Griechenland aber, wo man sich der lust und freude von jugend auf weihete Winckelmann 1 (1825) 14;
dem taumel weih' ich mich, dem schmerzlichsten genusz
Göthe (Faust 1766) I 14, 84 Weim.;
hier pflegt' ich in der rosenzeit,
wenn alles sich der liebe weiht,
mit meinem lieb zu wallen
Uhland ged. 1, 48.
im 18. jahrh. steht mit vorliebe der name einer tugend: keuschheit Neukirch anfangspr. z. d. poesie (1724) 62; redlichkeit E. B. Krüger Mahomed bei Gottsched d. schaub. 5, 407; weisheit Wieland I 1, 27; freundschaft Klopstock oden 1, 21 M.-P.; tugend Schiller 1, 95 G.; dehmut R. Z. Becker Mildh. liederb. (1799) 90, seltener der eines lasters: eitelkeit Besser 2 (1732) 804 König; grausamkeit vern. tadl. 1 (1725) 336; ehrsucht d. neueste a. d. anm. gel. 1 (1751) 261; lüste Schönaich Heinrich d. vogler 15; Gotter 1 (1787) 396.
b)
wichtigere entwicklungsfolgen haben die etwas jüngeren wendungen sich einem amt, dienst, einer pflicht weihen:
die sich dem lehramt weihen,
sind trockne papageyen
Hagedorn 3, 49;
zweymal trat er vom throne, um sich ganz den pflichten der religion zu weihen Haller Usong (1771) 66; Flaccus trieb ihn an, sich den öffentlichen geschäften der republick zu weyhen Haller Fabius (1774) 64;
der kirche dienst auch uns zu weihn
Hölderlin 1, 33 Litzmann;
wie vermocht' ich,
solch einer sorge mich bis jetzt zu weihn?
H. v. Kleist 3, 57 E. Schmidt;
und den gelübden, jenen dreien,
die fromm den blumen lieh dein scherz,
will ich mich unerschüttert weihen
Lenau 477 Barthel.
so steht sich den waffen weihen für: dem beruf der waffen: Gottsched ged. 1 (1751) 378; E. M. Arndt schr. f. s. l. D. 1, 272, den Musen für: dem dienst der Musen: Klopstock od. 1, 87 M.-P.; Göthe I 37, 222 Weim., der welt für: den geschäften der welt: J. A. Cramer nord. aufs. 3, 55, dem tempel für: dem dienst des tempels: Kästner verm. schr. 2 (1772) 223, und entspr. der kunst: Novalis 4, 51 Minor; U. Hegner ges. schr. 147; D. v. Liliencron 5, 97, der liebe: Brentano 2, 343, dem vaterland: Dahlmann gesch. d. franz. rev. 184.
c)
eine weitere zwischenstufe ist die wendung sich jemands dienst weihen:
er will auch seinem dienst sich weihen
Ramler fabellese 1 (1783) 46;
parole müssen sie mir geben, eidlich, schriftlich,
sich meinem dienst zu weihen, unbedingt
Schiller 12, 109 G.,
die auch abweichend gewendet sein kann:
es (das glück) giebt, als deine dienerin,
dir tief-gebückt die stirne hin
und will sich deinem wincke weihen
Hagedorn vers. einiger ged. 17 neudr.
von hier ist der schritt nicht grosz zu der wendung sich einem weihen. religiöse vorbilder liegen auch hier unmittelbar voraus:
so lernt an seiner gruft euch gott in zeiten weyhen
Zinzendorf t. ged. (1766) 73;
die von den engeln angeschaut,
sich ihrem Jesu weihte,
die reine schöne gottesbraut
Hölty ged. 32 Halm.
weltlich gewendet gilt das wort von mann und frau: da Gretchen fortfuhr, sich ihm ganz zu weihen Hippel lebensl. 3 i 341;
eine brust, die sich dir weiht
Gottsched ged. (1751) 1, 236;
dasz sie, ganz von mir befreit,
einem andern am altare
sich mit leib und seele weiht
Bürger 44ᵃ Bohtz;
in Themiscyra erst, Neridensohn,
kann ich mich ganz, aus voller brust, dir weihen
H. v. Kleist 2, 108 E. Schmidt,
meister und jünger: ich und der herr professor behalten uns also die ehre eines besuchs auf eine zeit bevor, wo dich weniger zerstreuungen abhalten können, dich uns ganz zu weihen Schubart briefe 1, 159 Strausz, volk und herrscher:
den mann,
der, o so ganz sich seinen völkern weihet
Blumauer ged. (1782) 122;
(wirf nicht) die ächte perle deines werthes hin —
das haupt zu heiszen eines freien volks,
das dir aus liebe nur sich herzlich weiht
Schiller 14, 313 G.
2)
reflexivem gebrauch nahe stehen wendungen wie sein leben, seine kraft weihen.
a)
die sachlichen zwecke, denen dieses weihen gilt, sind ein thun:
die zeit, die kräfte, groszer geist,
die du so laut dem ruhme weihst,
die weihe still den werken
Gellert 2, 48;
wenn tausende nicht ... ihr leben dem gebete weihten Klinger 3, 87; Burmann ... der sein thätiges leben gänzlich der erhaltung seiner mitbürger weiht J. G. Forster 3, 335; danach starb Lorenzo Ghiberti: sein ganzes leben ... ist diesen beiden hauptwerken geweiht gewesen H. Grimm Michelangelo 1, 29, ein ideal: er wird die kurzen tage des lebens mit einem ununterbrochenen eyfer der wahren und einigen tugend weyhen Zimmermann nat.-stolz 102; so ist die tugend unsinn, da sie den nicht schützen kann, der ihr sein leben weihte Klinger 3, 139; keiner dieser männer ist an ein sogenanntes geschäft gebunden ... sondern jeder weiht seine thätigkeit nur dem allerschönsten Stifter 1, 67, oder ein zustand:
hier
weih' ich der einsamkeit den ganzen rest
von meinem leben
Göthe I 11, 311 Weim.
im übergang zu pers. dativobject stehen fügungen der art seine kraft dem dienst eines menschen weihen: ergötzte sich an dem anblick des schönen jünglings ... der seine jugendkraft dem dienste des ... blinden so ganz von herzen weihte Klinger 4, 5; entspr. 4, 136; mein ganzes leben will ich nur ihrem troste weihen Nestroy 1 (1890) 59; den abschlusz eines dem dienste des fürsten geweihten lebens Ranke 15, 77.
b)
menschen, denen ein solches thun geweiht ist, können insgesamt auftreten: so schien mir gleichsam das schicksal zuzurufen, mein leben dieser meiner eigentlichen vaterstadt zu weihen Schubart leben 1, 32; (die einsamkeit lockt menschen, die) der welt ihre thätigen wirksamen jahre geweihet hatten Bode Montaigne 2, 183, meist sind es einzelne:
dasz jeder, der ihn kennt, ihm auch sein hertze weiht
König ged. 88 (1745);
er weihet ihr seine zeit, sein vermögen Herder 23, 159 Suphan; der Äschylos, dem ich viele zeit und beharrlichkeit geweiht habe Voss (1810) Göthejahrb. 5, 80; die gunst und ehre ... mir leben und blut weihen zu dürfen Fouqué zauberring 1 (1812) 14, entspr. kräfte, sein, wesen: ihm die schon erschöpften kräfte vollends zu weyhen Abbt 6 ii 53; ich habe dir ja mein ganzes seyn geweiht Raimund Grillparzerjahrb. 4, 183;
das war es ja, was jeder wunsch erstrebte ...
mein ganzes wesen dir, nur dir zu weihn
Tieck 3 (1828) 55.
3)
in freiem gebrauch spielt die fügung einem etwas weihen im zeitalter der classiker eine grosze rolle: (die schatten der väter) sinds, denen man die gefangnen in allen martern weihet Herder 5, 132 Suphan;
laszt den namen Segest den gesang nicht nennen!
weihet ihn schweigend der vergessenheit
Klopstock oden 1, 209 M.-P.;
zwar kan sich leicht ein mann das haus
des Diogen zur wohnung weihn,
doch, kroch der mann als narr hinein,
so kriecht er auch als narr heraus
Göckingk ged. 1 (1780) 20;
dem jüngling aber, welcher frühe,
durchs beyspiel angesteckt, den rechten pfad verlor ...
dem sey der wunsch geweiht, dasz ihn sein gott bekehre
Gotter 1, 381;
weihen sie
dem glück der völker die regentenkraft
Schiller 5, 316 G.;
der schmach zu weihen alle jungfrauen
13, 182; entspr. 14, 31;
der rache weih' ich den, der für sie fleht
H. v. Kleist 2, 57 E. Schmidt;
so dasz eine historische zeit von fast gleicher länge nur den dritten theil des raums erfüllt hat, den er dem dichterischen zeitalter weihte Niebuhr röm. gesch. 1, 368. besonderheiten entfalten sich je nach der art des dativ- und acc.-objects.
a)
das acc.-object ist
α)
eine zeit, wol nicht vor: bald werde ich, in einer ihm (= gott) geweihten ewigkeit, ihm würdiger danken können Lessing 2, 314 M. die zeit wird meist einem sachlichen zweck geweiht: ein landgut ... wo sie ... einige dem vergnügen geweyhte tage zuzubringen pflegte Wieland Agathon 1, 175; ich bin leichtsinnig genug ... diese nacht der freude zu weihen Göthe I 17, 21 Weim.; ihrem andenken will ich meine einsamen stunden weihen Solger nachgel. schr. 1, 86; der winter war den rüstungen zum groszen kriege geweiht Droysen gesch. Alex. 90; die erste stunde, dem gedächtnisz der todten geweiht Holtei erz. schr. 10, 52, seltener einer person: sie hatte sich von einer gesellschaft weggeschlichen, um ihrem so lange wochen entbehrten Lorchen zwo stunden zu weihen Rabener 6, 105;
wir ziehn dem regengusz entgegen,
und weihn dir manchen tag und morgen
Platen verm. ged. 64;
gedenkt der toten! dieser tag der schmerzen
war ihnen niemals noch so tief geweiht
Wildgans österr. ged. 26.
im übergang zwischen beiden verwendungsweisen steht:
wie viel lebensstunden ich noch zähle,
dem glücke sind sie, sie sind ihr geweiht
Körner 2, 65 Hempel.
β)
unter den gefühlen, die einem menschen geweiht werden, steht die liebe voran:
denke nur, untreuer hirte,
wie du mir bey jener myrthe
zärtlich hand und herz geweiht
Gerstenberg schlesw. lit.-br. 203 neudr.;
ein ... jüngling, der das schöne feuer seiner ersten liebe einer schauspielerin weiht F. Schlegel Athenäum 1 ii 147; ist das liebe, was ich ihnen weihen kann? Gutzkow 2, 376. bei anderen gefühlen bleibt das religiöse ausgangsgebiet unter umständen erkennbar:
nebst jeder ...
dem ehgemahl so wohl als gott geweihten treu
König ged. (1745) 144;
die züge der heiligen ... denen der cardinal eine besondere verehrung geweiht hatte Justi Winckelmann 2 i 115, doch entwickelt sich bei ehrfurcht, dank, zärtlichkeit, verehrung auch ein rein weltlicher gebrauch:
die gröszte frau vergilt der ehrfurcht triebe,
die gott und recht ihr ewig weihen heiszt,
durch ein geschenk
Gottsched neueste ged. (1750) 104;
will ich dank und fleis euch weyhn
Stephanie d. j. lustsp. vorr. 10;
und die zärtlichkeit,
die sie (die modedame) Molly weiht
Tiedge 7 (1823) 16;
niemand rühme sich der liebe und verehrung, die er ... unserer vollendeten (königin Luise) weihet Schleiermacher II 4, 32. als ausdruck und symbol solcher gefühle stehen klagen:
die klagen, die mein lied dir weiht
Pfeffel poet. vers. 1, 46,
thränen: weihen sie meinem andenken zuweilen eine mütterliche zähre Schubart briefe 2, 94 Strausz, und kränze: die armee ... überreichte Decius einen ... kranz ... einen gleichen weihten ihm seine gefährten Niebuhr röm. gesch. 3, 141. möglich, wenn auch seltener, sind urnen, triumpfbögen, inschriften: Göckingk ged. 3, 132; Moltke 1, 135; O. Jahn Mozart 4, 742 anm. 11.
γ)
als gefühlsausdruck stehen dichterische gaben gelegentlich neben den thränen:
keinen gesang, dir (Ariost) weih' ich die brennende thräne der scham blos,
der ich bis jetzt nichts that, asche des zweiten Homer
Platen 149 (epigr.);
liebende mädchen und sanfte dichter
weihen ihr (der Luna) thränen und lieder
Heine 1, 165 Elster.
häufiger allein:
dem knaben sei dies lied geweiht,
der zwischen rosen spielt
Göthe I 1, 54 Weim.;
dich segnen wir! rings weihn paläst' und hütten
dir lobgesang
Voss ged. 3 (1802) iv;
Höltys fromme elegien,
die er seines vaters grabe weiht
Seume ged. (1804) 24.
von hier aus wird weihen zum ausdruck der widmung von dichtwerken an lebende:
so stark sonst trieb und eifer brannten,
dir auch ein nettes lied zu weyhn
Stoppe Parnass (1735) 30;
die vorrede, die Virgil an den Varus gerichtet hat, ahmt hier der poet nach, und weyht sein lied einem deutschen grafen Ramler einl. in d. schönen wiss. 1, 401; warum ich eben dies büchlein ihnen weihe, liebster Boie? Meissner skizzen 2 widm.; (hat nicht Klopstock) epos und bardiet den vätern der völker ... und oden dem menschenfreunde Bernstorf geweiht? K. Fr. Cramer Neseggab 1, 11;
der weiht sein buch sich selbst, ein anderer
der losen zunft der kritiker
Blumauer ged. (1782) 186;
nun mögen lieder sich zum liede reihen ...
ich sehne mich, sie alle dir zu weihen
Platen 62 (verm. ged.).
neben der widmung an einzelne steht die an eine gesammtheit:
so wird gewisz diesz lied vor allen,
die man ihm weiht, der welt gefallen
Gottsched ged. 1 (1751) 185;
dir möcht' ich meine lieder weihen,
geliebtes deutsches vaterland
Uhland ged. 1, 60,
neben der von dichtungen die von ungebundener rede: der berühmteste redner der stadt weihte dem dahingeschiedenen einen nachruf Ebner - Eschenbach 1, 103, und von musik:
dir, o vaterland der helden und der feuerseelen,
weih' ich mein flügelpferd und meinen sang
Schubart ästh. d. tonkunst 276.
δ)
einem einen trunk weihen reiht sich hier als gefühlsausdruck an: als ich nachher bey tische meiner kleinen unschuldigen das erste glas ... weihte Thümmel reise 5, 359;
werd ich ...
den grazien, in heilger stunde,
nie mehr den ersten becher weihn?
Matthisson ged. 235;
(wir) weihen den gefall'nen helden
funkelnd den pokal
Chamisso 3, 35;
wir weiheten dem alten Wallinger ein volles glas Raabe kinder v. Finkenrode 241. der sprachgebrauch ist zu jung, als dasz er sich unmittelbar an die opferspenden des germ. alterthums anknüpfen liesze.
b)
als dativ object spielen eine bes. rolle wörter wie tod, verderben, untergang. das kirchliche vorbild ist auch hier gegeben:
die vorzeit, wo in jugendglut
gott selbst sich hingegeben
und frühem tod in liebesmut
geweiht sein süszes leben
Novalis 1, 55 Minor;
25 pilger ... sind es, die sich jedes jahr durch ihr gelübde diesem opfertode weihen Ritter erdk. 3, 985. den hauptantheil an der ausbildung dieses sprachgebrauchs haben Voss:
denn sie (die freier) weihen ihr haupt dem verderben
Od. (1781) 2, 238;
es weihten
ihn die unsterblichen längst dem schwarzen todesverhängnisz
3, 241,
und Schiller:
auf unserm haupte liegt der fluch des himmels,
es ist dem untergang geweiht
12, 320 G.;
unwürdig ist's der majestät,
das haupt zu sehen, das dem tod geweiht ist
12, 4 G.;
entspr. 12, 453. 13, 364. 14, 126. wie hier, so spielt auch weiterhin das passiv eine rolle: ein verurteilter, der dem tode geweiht war Heine 3, 135 Elster; er glaubt, der elch spreche mit ihm ... was muszt du mich vernichten? bin ich ja doch dem untergang geweiht Alexis hosen ⁸121; (kampf) um eine dem untergang geweihte sache Justi Winckelmann 2 ii 12; Cromwell ward ... dem verderben geweiht Ranke 14, 160. der activische gebrauch erlaubt auch freiere anwendung: beharren sie also darauf, zwei liebende herzen dem unglück zu weihen? Nestroy 2, 242;
wer sprenget auf dem stolzen rosz
bis in die vorderen reihen,
und will dem eisen, dem geschosz
das muntre leben weihen?
Schenkendorf ged. (1815) 27;
(du tadelst den schöpfer, dasz er deinen freund)
in des lebens mitte führte,
um dann auf dem letzten blatte
der verwesung ihn zu weihen
Brentano 2, 340.
D.
das dativobject wird gel. durch präp.-wendungen ersetzt:
verschmäh, gelehrter freund! den spätling unsrer pflicht
und die vor deinen ruhm geweyhten lieder nicht
so schertze, so lache bey stetem gedeyen,
und weihe die brust
beständig zur lust
Henrici ged. 1 (1727) 33;
doch hofft er, indem er hiemit zu ihren diensten sich weiht,
sie werd' ihn gnädigst dafür zu ihrem ritter erklären
Wieland n. Amadis 4, 28;
wer traulich ... sein ohr zu gottes stimme neigte
und rein sein herz zur gottes flamme weihte
Herder 12, 51 Suphan;
ich weihe mein leben zum heil des messenischen volks ... ich weihe mein leben für das vaterland Klinger 2, 114.
III.
zusammensetzungen: ab-, auf-, aus-, ein-, ent-, ge-, hin-, hinweg-, mit-, um-, voll-, weg-, wider-, zu weihen. zusammensetzungen mit dem part. perf. s. th. 4 i 3, 5454.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 5 (1922), Bd. XIV,I,I (1955), Sp. 666, Z. 27.

weihen, adj.

weihen, adj.
zu weih m. milvus: weihin oder des weihens, milvinus Calepinus XI ling. dict. (1598) 896. —
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 5 (1922), Bd. XIV,I,I (1955), Sp. 686, Z. 42.

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Zitationshilfe
„weihen“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/weihen>.

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