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habituell |
Adj. und
Adv., seit Anfang 18. Jh. nachgewiesene Entlehnung aus gleichbed. frz.
habituel (< mlat. habitualis ‘geneigt, etwas zu tun’, zu
habituari ‘mit einer bestimmten (körperlichen) Eigenschaft versehen, mit
etwas behaftet sein’, vgl. habitare ‘zu haben gewohnt sein; leben,
(be-)wohnen’, Frequentativ von habere ‘halten, haben, besitzen’; →
Habitat, → Habitus), früher vereinzelt in der Schreibung habituäl und in
der (frz.) Form habituel.
Bildungsspr. in der auf menschliche
Eigenschaften und Verhaltensweisen bezogenen Bed. ‘(durch regelmäßige
Wiederholung und Kontinuität) zur Fertigkeit, Gewohnheit, zum Bedürfnis und
damit quasi zur zweiten Natur geworden, zum Charakter, Wesen gehörend,
wesensgemäß; angeboren’, z. B. habituelle Handlungen, Gewohnheiten,
Handhabungen, das habituelle Misstrauen der Amerikaner gegen Staatseingriffe,
hinter der habituellen Behäbigkeit versteckt sich ein brillanter Witz, das passt
nicht zu seinem habituellen Verhalten, ein habituell geübter Pragmatismus, ihre
Neigung ist mittlerweile habituell geworden, das Hinterfragen ist ihm zum
habituellen Reflex geworden, er ist habituell konservativ, meist eher
pejorativ bezogen auf Personen (s. Belege 1749, 1806; vgl. notorisch) und
unerwünschte Verhaltensweisen und Eigenschaften (s. Belege 1751, 1986; →
chronisch b), z. B. habitueller Straftäter, das trügerische Lächeln des
habituellen Verführers, habituelle Arbeitsscheu, Streit-, Trunksucht,
habitueller Kokaingenuss, auch allgemeiner von wiederkehrenden Vorgängen und
Sachverhalten ‘gewohnheits-/regelmäßig, (be-)ständig, fortdauernd; üblich,
geläufig, gewöhnlich, häufig, oft’ (s. Belege 1800, 1811, 1971, 2005; vgl.
kontinuierlich, permanent, traditionell), z. B. ein
habitueller Anblick, eine habituelle Erscheinung im historischen Prozess, an
unserem habituellen Treffpunkt, daneben fachspr. in der Medizin und
Psychiatrie von gesundheitlichen Störungen ‘häufig wiederkehrend’ (s. Belege
1809, 1826, 2008), z. B. er wurde wegen seiner habituellen Kopfschmerzen vom
Dienst befreit, habituelle Krankheiten, habituelle Verstopfung, die einseitig
belastende habituelle Schlafposition, habituelles Erbrechen, (aus
medizinerlat. abortus habitualis lehnübersetzt:) habitueller Abort
‘anlagebedingte spontane Fehlgeburt nach mindestens zwei vorherigen, ohne dass
eine konkrete Ursache bekannt wäre’, in der Psychologie speziell ‘durch ständige
Wiederholung bestimmter Fehlhaltungen und -einstellungen gelernt, erworben,
manifest, verhaltenseigen geworden’ (s. Belege 1909, 1954, 1990), z. B.
habituelle Panikattacke, das habituelle Schulterzucken; bis heute
konkurrierend mit bereits im späteren 17. Jh. aus mlat. habitualis
(s. o.) entlehntem seltenerem gleichbed. habitual Adj. und Adv.
Dazu bereits seit früherem 16. Jh. selten die häufig in der adj. verwendeten
Part.-Perf.-Form habituiert bezeugte verbale Ableitung habituieren
V. trans. (mit den selten belegten fachspr. subst. Ableitungen Habituation,
Habituierung und Habituisierung), weitgehend verdrängt von seit
späterem 19. Jh. nachgewiesenem habitualisieren V. trans. ‘etwas
gewohnheitsmäßig an-, übernehmen, zur festen Gewohnheit machen/werden; jmdn. (an
etwas) gewöhnen’ (bes. im psychologischen und soziologischen Zusammenhang; →
etablieren; vgl. institutionalisieren, → Institut,
konditionieren), vereinzelt auch reflex. (vgl. sich etablieren),
z. B. der einst exotische Joghurt ist längst von der Masse habitualisiert
worden, diese Praxis hatte sich bald habitualisiert, häufig attr. verwendet
in der Part.-Perf.-Form habitualisiert, z. B. das habitualisierte
Verhalten der Fernsehzuschauer, habitualisierte kulturelle Praktiken,
Verrichtungen, Entscheidungen, mit dem seit Anfang 20. Jh. bezeugten
Verbalsubst. Habitualisierung F. (-; -en) (vgl. Konditionierung);
seit Ende 18. Jh. die subst. Ableitung Habitualität F. (-; -en), bes. im
Bereich der (psychiatrischen) Medizin, Sozialethik und Philosophie für
‘Manifestation einer (chronischen, psychischen) Krankheit’ und ‘wesens-,
naturgemäße Gewohnheit’.
Belege
Westphal/Hocheisen 1713
Wesen d. Seelen 43
ich vermeynte, es könte hierdurch gar leicht der Lapsus
Adami, und wie in locum habitum rectitudinis eine solche Verderbniß und
habituelle Corruption gekommen;
Meier 1749 Gedancken v. Gespenstern 17
Ein verrückter Mensch ist ein habitueller Phantast, oder er besitzt eine
Fertigkeit, alle seine Einbildungen im Wachen für Empfindungen zu halten;
Bengel 1751 Brüdergemeine (Zinzendorf, Materialien II 10,539)
eine
habituelle Unbesonnenheit gegen alles, was ihn auf andere Gedanken bringen
sollte;
Dressler 1777 Theaterschule 116
jene gemeine Regeln der
Schauspiel-Kunst, deren Erfüllung und Befolgung man sich noch nicht habituel
gemacht [hat];
Wieland 1788 Lucian I 20
von einer gewissen habituellen
Schwazhaftigkeit;
Moritz 1793 Grammat. Wb. I 243
Habituel. Jede Handlung,
welche ein Mensch öfters verrichtet, sie sei moralisch gut, oder böse, wird ihm
habituel, d. h. sie wird ihm leicht, er wird ihrer gewohnt, sie wird ihm
geläufig;
Goethe 1797 Paralipomena (WA I 42.2,506 f.)
so wie er sich
jenen andern beyden Tendenzen, die ihm theils habituell, theils durch
Verhältnisse unerläßlich geworden, sich nicht ganz entzieht, sondern sie nur mit
mehr Bewußtseyn und in der Beschränkung, die er kennt, gelegentlich ausübt;
ders. 1799 Diderots Versuch (WA I 45,249)
Übergang vom Manierirten,
Conventionellen, Habituellen . . zum Gefühlten, Begründeten, Wohlgeübten und
Liberalen;
ders. 1800 Weiber (WA I 18,283)
Sollte es nicht möglich sein,
daß der habituelle Anblick von bellenden unvernünftigen Thieren auf die
menschliche Generation einigen Einfluß haben könnte?;
Blöde 1806 Galls Lehre
v. d. Verricht. d. Gehirns 148
der habituelle Dieb, dem das Stehlen nicht
gerade aus natürlicher Neigung, sondern durch öftere Veranlassung zur Gewohnheit
geworden ist;
1809 Journal d. pract. Arzneykunde XI 1,48
die Folgen der
Störung der habituellen Erhitzung;
Reil 1811 Ges. kl. Schr. I 204
Einige
Reize besonders, welche ich, da sie in beständiger Gemeinschaft mit uns stehen,
habituelle nennen will, z. B. Luft, Wärme;
Kosegarten 1816 Funfz. Lebensj.
36
Daß es an einzelnen rohern Naturen nicht gefehlt haben werde, an
verdorbnen Hauswirthen, habituellen Trunkenbolden, an losem Gesindel endlich,
das nicht abließ, sich bey uns einzunisteln;
Puchelt 1826 System d. Med. I
78
Habituell werden die Krankheiten genannt, welche entweder nicht behoben
werden können oder welche nicht entfernt werden dürfen, weil sonst grössere Übel
zu befürchten wären;
Waibel 1830 Übernat. Gnade 8
Diese letztere
Gnadenart geht . . in zwei Unterarten ab; nämlich es gibt habituäle, und dann
wirkliche oder aktuäle Gnade. Die habituäle wird ferners . . entweder nur als
formäl heiligmachend betrachtet; in so fern nennt man sie glatthin die
heiligmachende Gnade;
1844 Brockhaus VIII 684
Habituell heißt alles, was
durch Gewohnheit zu einer bleibenden Eigenheit oder zur andern Natur geworden
ist;
Rümelin 1881 Reden III 7
diese verschiedenen Dispositionen zwischen
habituellen Zügen und charakteristischen Merkmalen der Individualitäten;
Koch-Breuberg 1891 Jahre 17
wir, denen die Feldschlacht habituell
geworden war, sahen den Dienst vor Paris immerhin als halbe Ruhe an;
Breuer/Freud 1909 Hysterie 61
das habituelle Wachträumen . ., womit der
Grund gelegt wird zur Dissoziation der geistigen Persönlichkeit;
Th. Mann
1924 Zauberberg (W. III 865)
Die . . Faltenlineatur der hohen, weiß
umloderten Stirn . . ausgeprägt durch die habituelle Anspannung eines ganzen
Lebens;
ders. 1954 Krull (W. VII 369
) Auf nervöse Konstitution deutete
sodann . . das habituelle Schulterzucken, das, wie es scheint, unbeherrschbar
ist;
Kaupp 1971 Illustrierten 99
Man liest die Zeitschrift, welche den
Ausschnitt und die Färbung der Wirklichkeit bietet, die man (in einer bestimmten
Situation oder habituell) sucht;
Dunkell 1977 Körpersprache 128
Zu Beginn
einer Liebesbeziehung . . treten die bevorzugten Schlaflagen, die habituellen
charakterologischen Positionen . . oft weitgehend zurück (DUDEN 1999);
Zeit
25. 7. 1986
Das System bringt . . so etwas wie eine weit verbreitete
habituelle „Schizophrenie“ hervor;
taz 30. 3. 1990
Doch zunächst kommt
der Punkt, wo es erst einmal nur gefährlich wird, vor allem durch eine
habituelle Abhängigkeit. Dann kann es sein, daß du regelmäßig zuviel trinkst;
ebd. 14. 1. 1994
Landstreicher, Kriminelle und andere habituelle
Leistungsverweigerer;
FAZ 28. 11. 2005
des nationalistischen russischen
Politikers, der seinen Schlaf habituell von mindestens drei Bodyguards bewachen
läßt;
Zeit 21. 8. 2008
Die Ursache von „habituellen Aborten“ – mehr als
zwei Fehlgeburten in Folge – ist bei vier von zehn Frauen ein fehlgeleitetes
Immunsystem.
Bail 1675 Theologia Affectiva (Übers.)
158
Die andere Abtheylung ist in die würckliche Sünd/ welche anderst nichts
ist/ als ein würckliche Ubertrettung deß schuldigen Gesatzes/ vnnd in die
habitual oder hinderlaßne Sünd/ welche gleichsamb die hinterlaßne Würckung der
würcklichen begangnen Sünd ist;
Seckendorff 1687 Fürsten-Stat 163
Wo aber
bey den Gebrechen der Natur/ auch habitual-Laster/ als Hochmuth/
Ungerechtigkeit/ Geitz . . und dergleichen/ zugleich anzutreffen/ da sind die
Mittel dargegen schwer und gefährlich;
Müller 1715 Gracians Oracul (Übers.)
571
Wen demnach ein weiser mit bedacht in seinen entschliessungen und thaten
eine veränderung trift, so ist solches mit nichten das laster der
wanckelmüthigkeit, als welche, wie gesagt, eine habituale und mit
unbedachtsamkeit verbundene unbeständigkeit oder ungewißheit des gemuoths ist,
welche mit einer gäntzlichen irregularität derer thaten verbunden;
Müller
1733 Einl. in d. Philosoph. Wiss. II 568
Eben so ist das näheste mittel,
sich in den stand eines gründlichen gemüthsvergnügens zu sezen, die habituale
richtung unsers willens nach der richtschnur der von gott geordneten
subordination der mittel, d. i. die tugend;
Spalding 1772 Predigtamt
73 f.
Wenn bey dieser Untersuchung erst der wahre Begriff von der Tugend
festgesetzet wird, man mag sie nun habituale Liebe der Ordnung in dem
ausgebreitetesten Verstande, oder Folgsamkeit gegen die Wahrheit, oder thätiges
Verlangen nach allgemeiner Glückseligkeit empfindender Wesen nennen;
Stäudlin
1801 Lehrb. d. Dogmatik 607
Daher können auch, selbst unglaubig gewordene
und kezerische Kirchendiener die Sacramente mit Erfolg ertheilen, nur muss die
wo nicht actuale und habituale, doch habituale gute, dem Sacramente gemässe
Absicht damit verknüpft seyn;
Stichert 1835 Hl. Geist 62
Außer dem
allgemeinen Beistande Gottes, wodurch er die Seele zum Guten fähig macht, gibt
es in der Seele der Gerechtgemachten auch einen Habitus der Gnade oder eine
übernatürliche Qualität (= eine Beschaffenheit, welche Gott der Seele eingießt),
damit sie gern und willig das schuldige Gute thue. Dieses Geschenk der
habitualen Gnade aber ist nicht die Tugend selbst, sondern beide verhalten sich
zu einander wie Ursache und Wirkung;
Kleutgen 1867 Theol. d. Vorzeit I
298
Weil es aber in ihm [Gott], da er durch sein Wesen erkennt oder vielmehr
seinem Wesen nach Erkennen ist, kein ruhendes oder habituales Wissen giebt, aus
dem das wirkliche Erkennen hervorgehe: so kann auch die Weisheit in ihm nicht
Fähigkeit, weise zu erkennen, sie muß das weise Erkennen selbst . . sein;
1895 Grazer Studien I 72
Je nachdem diese Ab- und Zukehr als einzelne
Handlung oder als beharrender Zustand in Betracht kommt, unterscheidet man die
Sünde als die wirkliche (actuale) und gewohnheitsmäßige (habituale), den
sündhaften Zustand;
Kanstein 1935 Gewohnheitsverbrecher 76
kurzschlußartig ausgelöste Entladungen, die sich periodisch wiederholen, kommen
vor. . . Komplexe können sich finden, die dann oft den Anreiz zu
habitual-kriminellen Handlungen, oft zur serienweisen Begehung (z. B. politische
Verbrechen, Brandstiftungen) bieten;
Wallmann 1961 Theologiebegriff 71
So
kann allein die Übersetzung der Theologie mit „Gottesgelehrtheit“ zum Ausdruck
bringen, was das habituale Verständnis des Theologiebegriffs besagt: daß die
Theologie ihr Sein nicht im formulierten Glaubenssatz hat, sondern im
erkennenden Geist des einzelnen Menschen;
Griefenow-Mewis 1994 Oromo 151
Möglicherweise spielen jedoch auch habituale Vorstellungen eine Rolle, d. h. daß
eine gewohnheitsmäßig oder regelmäßig vollzogene Handlung mit diesen Formen
dargestellt wird.
Oswald 1864 Dogmat. Lehre
II 82
so macht Gottes Huld und Gnädigkeit diese aktuelle Liebe zu einer
habituellen; . . an dem also entzündeten Liebesakte hat Gott sein Wohlgefallen,
und dies göttliche Wohlwollen . . habitualisirt die errungene Aktualität;
1898 Jahrb. f. spekulat. Theologie XII 78
Denn niemand wird
vernünftigerweise leugnen können, dass, wenn schon die kurzen Gefängnisstrafen
demoralisieren, dies die längeren in noch höherem Grade thuen, indem sie die in
der ersten Zeit der Einschliessung vollzogene Entsittlichung durch die lange
Fortdauer der demoralisierenden Einflüsse und häufigere Wiederholung der
Depravationsakte soweit möglich noch vertiefen und habitualisieren;
Kiehn
1932 Bildung 117
Die in ihnen sich unmittelbar auswirkenden emotionalen
Regungen . . der entelechischen Monade spiegeln deren Wesen. Ihre
habitualisierte Gesamtverfassung bezeichnet Goethe als ‘Gesinnung’;
Gehlen
1957 Zeitalter 105
Es sind nämlich auch die zur Arbeit gehörenden
Bewusstseinsfunktionen habitualisiert, einschließlich der Aufmerksamkeit, die
unter diesen Bedingungen selbst habituell wird und ihre Eigenschaft, rasch zu
ermüden, in hohem Grade verliert;
Linde 1972 Sachdominanz in Sozialstrukturen
29
die spezifischen Möglichkeiten, Bedürfnisse zu befriedigen und zu
entwickeln, also Lebenszuschnitt und Lebensführung . . in einer Weise zu
habitualisieren, die wir z. B. als großstädtisch, städtisch oder ländlich . . zu
bezeichnen pflegen;
Zeit 14. 3. 1986
Das habitualisierte
G’schichtenerzählen kommt gegen die Absicht, Geschichte zu erzählen, kaum durch;
taz 7. 11. 1991
Wo Eltern ebenfalls die Medien intensiv und unreflektiert
zu Unterhaltungszwecken nutzen, übernehmen Kinder langfristig das familiär
habitualisierte Fernsehverhalten;
Debatin 1995 Rationalität d. Metapher
272
In dem Maße, in dem der metaphorische Gebrauch eines Schemas sich
habitualisiert, erstarrt die Metapher immer mehr zu einer neuen
usuell-wörtlichen Bedeutung . . Aber auch diese Verfestigung kann sich wieder
auflösen, eine habitualisierte Bedeutung kann in Vergessenheit geraten;
Foscht 2002 Kundenloyalität 112
Im Vergleich mit limitierten
Kaufentscheidungen stellen sich habitualisierte Entscheidungen als stärker
vereinfacht dar . . Habitualisiertes Verhalten kann auf Persönlichkeitsmerkmale
zurückgeführt werden . . entsteht grundsätzlich durch Lernprozesse;
Berl.
Ztg. 11. 12. 2003
Zwar heißt es von deutschen Orchestern, dass ihr Spiel
stets etwas schwer sei, und das kommt ganz wesentlich aus der Tradition des
Brahms-Spiels, hat sich aber in der Orchesterpraxis wohl doch so habitualisiert,
dass mit diesem schweren Spiel gar nichts Spezifisches mehr gesagt ist.
Seeberg 1911 Ethik 60
Die Habitualisierung
des sittlichen Lebens (Überschr.);
Borngässer 1938 Totalitätsanspruch 47
Dies muß er ja auch deshalb tun, weil die Habitualisierung sittlichen Lebens nur
bei echtem, seiner Art nach in einer früheren These gezeichneten Miteinander
möglich ist;
Gehlen 1957 Seele 105
Diese Kritikfestigkeit ist eine
generelle Eigenschaft aller Habitualisierungen, und sie erscheint auf der
untersten Stufe im Bereiche der motorischen Gewohnheiten;
taz 26. 5. 1990
Diese kollektive Erinnerung ist von kumulativem Charakter, wird also durch
Wiederholung immer weiter ausgeprägt, so daß wir sagen können, die Natur oder
Eigenart der Dinge sei Ergebnis eines Habitualisierungsprozesses, also
Gewohnheit;
Berl. Ztg. 3. 12. 1997
Der natürliche Weg der Tradition führt
nicht zur Schrift, sondern zur Gewohnheit, zur Habitualisierung und
Unbewußtmachung;
taz 4. 12. 2002
Weder die von einigen Psychologen
vertretene Habitualisierungsthese (Computerspiele gewöhnen Kinder an Gewalt)
noch die Katharsisthese (Computerspiele erlauben es, Aggressionen auf friedliche
Weise abzureagieren) wurden bisher stichhaltig durch Untersuchungen belegt.
1796 Medicin.-chirurg. Ztg. IV 316
warum aber
auch dann, wenn dieser veränderte Zustand dieser Nerven, ihre krankhafte
Habitualität, noch nicht völlig und dauerhaft beseitiget ist, ein Purgirmittel,
vermittelst seines schwächenden Reitzes das Fieber leicht wieder erregen könne;
Lavater vor 1801 Physiognomik IV (Ausg. 1829) 158
Sieh auf die Stirn mehr
als auf alles Andere, wenn du das wissen willst, was der Mensch von Natur ist
oder seiner Natur nach werden kann, – und auf seinen ruhenden geschlossenen
Mund. Der offene Mund zeigt den gegenwärtigen Zustand der Habitualität;
Hufeland 1803 Bibl. d. pract. Heilkunde IX 11
An sich sind die
Congestionen nicht gefährlich. Doch schadet ihre Dauer, Heftigkeit und
Habitualität durch Ausdehnung der Gefäße, Verstimmung der Reizbarkeit derselben,
Ausschwitzung, Blutung, Entzündung . . der Function der Organe;
1844 Allg.
Zschr. f. Psychiatrie I 1,561
Der tägliche Augenschein . ., dass nämlich
psychische Krankheiten . . selbständiger als alle andere somatische . .
Krankheitszustände seyn können und so ihre Habitualität in höherem
selbständigerem Maaß bewähren . . Es muss als Thatsache angesehen werden, dass
sich die Manie vom Delirium nur durch ihre Habitualität, Dauer, Bestand ihrer
Form wesentlich unterscheidet;
Romberg 1857 Lehrb. d. Nervenkrankheiten
346
Ungünstig für die Prognose ist die Habitualität, welche vorzugsweise ein
Attribut der [Wehen-]Krämpfe ist, weil sich die Leitungsfähigkeit der
motorischen Nervenfasern mit der Häufigkeit ihrer Erregung ausbildet;
Rothe
1870 Theolog. Ethik IV 252
Als untugendhafte sittliche Gesinnung und
untugendhafte sittliche Fertigkeit ist die Untugend Habitualität der sittlichen
Abnormität in dem Individuum;
Wellhausen 1906 Christl. Religion 635
[die]
griechischen Kardinaltugenden (Weisheit, Tapferkeit, Mäßigung, Gerechtigkeit)
. . sind erworbene Habitualitäten und dienen zur Erfüllung des natürlichen
Vernunftgesetzes;
Landgrebe 1928 Diltheys Theorie 254
Den Inbegriff der
Habitualitäten, die sich im Laufe der Entwicklung herausbilden, bezeichnet
Dilthey als erworbenen Zusammenhang;
1956 Festschr. Drexel 203
Es ist
nicht eigentlich eine Welt, die darin erschlossen wird, sondern die Habitualität
einer Einstellung, was sich darin ausdrückt;
Marx 1984 Reflexionstopologie
113
Keine Reflexion ist fähig, ihren eigenen konkreten Ursprung, das
konkrete Subjekt mit seinen gewordenen Habitualitäten zu verlassen;
taz
10. 12. 1999
Diese Mischung aus Natürlichkeit und Verfall ist das
Grundmuster bundesdeutscher Dekorations- und Habitualitätswünsche.
Fuchsberger 1534 Dialektik 20a
Dann etlich seind
ainer habituirten gschwindigkait/ die andern einer affectuirten naigligkait/ vnd
die dritten synlicher aygenschafft;
Eisenhuet 1700 Ehre IV 227
jene
Gottlose, verstockte, in der Bossheit gantz habituierte Sünder;
1742 Br.
(1911 Mitt. Museum f. Hamburg. Gesch. II 33)
das Warten, das Antichambriren,
das lange Stehen, die so nöthige Mässigkeit, dies alles, wenn man sich in
Affären recht habituiren will, erfordert einen Körper, der die Seele secundiren
muß;
Schlettwein 1780 Archiv II 149
eine unter ihren [Gemeinde] Bürgern
ausgebreitete habituirte Ehrlichkeit;
1844 Beschr. OA. Heidenheim 66
Habituierte Holzfrevler;
Kaltschmidt 1863 Fremdwb. 332
habituiren . .
gewöhnen;
1931 Freiburger Diözesan-Archiv LVIII 92
Hatte Brandmeyer von
der „vermummten Seele“ Wiehrls gesprochen, so spricht Alth von Wiehrls
habituiert unordentlichen, hämischen und unredlichem Geistescharakter;
Genius
1933 Fremdwb. 383
habiturieren [!] gewöhnen;
Kasten 1970 Taufe 116
Aktpotenz ist also sowohl Voraussetzung im habituierten Subjekt (corpus; anima;
potentiae animae) als auch Begriffsmoment des Gehabens selbst;
Frankf.
Rundsch. 25. 1. 1997
Nach dem Vorbild der Primatenforscherin Jane Goodall,
die . . seit den sechziger Jahren Schimpansengruppen an die Anwesenheit von
Menschen gewöhnt, bemüht sich der Würzburger Biologe Gerhard Radl, Schimpansen
zu „habituieren“;
taz 17. 10. 2001
Nach der BSE-Krise haben die Menschen
nach kurzer Zeit wieder Rinderkoteletts gegessen. Der Fachausdruck hierfür
lautet habituieren. Menschen gewöhnen sich schnell an bedrohliche Situationen;
FAZ 20. 1. 2003
Im Taï-Park wird seit fast 20 Jahren das Verhalten von
Schimpansen erforscht. Dafür waren die Primaten in jahrelanger Arbeit
habituiert, also an menschliche Präsenz gewöhnt worden.