Der deutsche Wortschatz von 1600 bis heute.

Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm (¹DWB)

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kirmes, kirmse, kirms, f.

kirmes, kirmse, kirms, f.
die kürzungen von kirchmesse (s. d.), in Mitteldeutschland gebräuchlich. schon in mhd. zeit ist bis jetzt nur die kürzung kirmesse bezeugt (wie bei kirchspiel, s. d. 1, c); s. mhd. wb. 2¹, 160ᵇ, Haupt 8, 229. 231, sodasz das volle kirchmesse, wie kirchspiel, erst im 15. jh. wiederhergestellt zu sein scheint, ob je auch beim volke? ebenso mnd. kermisse Theophilus 523, nrh. 14. jh. kirmisse Frommann 2, 441ᵃ, 16. jh. kijrmissen Dief. 202ᵃ, kijrmis, kyrmis 518ᵃ. 169ᵇ, mnl. kermisse, im 16. jh. auch kermesse hor. belg. 11, 78, nnl. kermis (pl. kermissen). von bedeutung und gebrauch sehe man kirchmesse und kirchweih, besonders auch kirchweih II, 4. es gab auch altdän. kirkemessä (kirchlich), s. Molbech dansk gloss. 1, 432.
1)
Die formen.
a)
die vollere form ist im 16. jh. und länger noch gangbar, kirmesse encenia voc. opt. Lpz. 1501 K 1ᵃ, kermesse Trochus Lpz. 1517 P 5ᵇ, gewiss auch noch kírmèsse betont:
wenn es kumt gegen des herbstes zeit,
so heben sich vil der kirmessen ...
ein saufen und ein fressen.
Uhlands volksl. 646,
kìrméssen, der reim hat den tiefton zum hochton erhöht, es ist in einem liede von der 'kirmes' der vollen pauren in Schades bergreien nr. 42, 3 (in vers 4 auszer dem reime kirchweih); und wisen ein fri kirmesse (jahrmarkt) geen Beltheim in das dorf uf s. Valerius tag. weisth. 2, 208, vom Hundsrück, v. 1482; was von buszen .. uf den kirmessen .. verbrochen worden. 3, 351, hessisch, v. 1492; das musz bei gott eine arme kirmesse sein, darauf nicht ein glas zerbrochen werde. Melandri jocoseria 1625 3, 444 (nr. 364); ach unglück, ist das die erste kermesse meines reisens? (sagt ein eben bestohlener). engl. komöd. II, B 8ᵇ, auch E 6ᵇ, vergnügen, freude, s. Picander unten. noch bei Wieland: zeit bringt rosen und man redt so lange von der kirmesse bis sie kommt. 12, 23 (don Sylvio 5, 2).
b)
in der endung gekürzt kirmes (im pl. aber dazu anfangs noch kírmèssen, s. unter a), kirmesz Dief. 169ᵇ 15. jh. md., auch in dess. voc. v. 1470 sp. 89, gemma Straszb. 1518 y 4ᵃ: item weist der scheffen, wanne kombt die kirmes, die ist frei (als jahrmarkt). weisth. 2, 310, von der Mosel, 16. jh.; oder wird etwa kirmes in der hölle sein, dasz der teufel so lüstern ist mir (mit?) larven. Luther briefe 4, 618; in dem nu Straus nicht widder kam und des Witzels fladenweih sampt der bawren kirmes ein bös ende nemen und man das ablasz mit streichen austeilen wolt. Alberus wider Witzeln G 6ᵇ, der bauernkrieg wird so genannt, s. dazu u. c, zu ablasz sp. 831 unten; vergangene kirmes. Chr. Weise comöd. 243; die nächste kirmes in Buik. Arnim 1, 73. diesz ist die jetzt als schriftmäszig geltende form (als welche Wieland noch kirmesse, Rabener, Pfeffel selbst noch kirchmesse brauchten).
c)
auch kirmis findet sich (sächs. u. a.), s. Hagedorn unter kirmesbier und mnd. kermisse oben. bei Kirsch kirmüsz.
d)
noch kürzer endlich kirms Stieler 960, Steinbach 1, 855 (pl. aber kirmsen, s. z. b. unter 3):
bis man den feind hab angegriffen,
da hab man ihm zur kirms gepfiffen
und drob erlegt manch tausend mann.
grobian 98ᵇ bei Frisch 1, 516ᵇ,
wie in kriegsliedern dem feind zum tanz gepfiffen (musiciert) wird, s. dazu kirchmesse 4 und kirchweih II, 4, f;
sie komm mit mir zur kirms auf einen lerchenschmaus.
Chr. Weise überfl. ged. (1701) 165;
da denkt er, geh ich auf die freite
und krieg ein mägdgen auf die seite,
so ist die kirmsz auf einmahl aus.
Picander 2, 284,
das freie leben, die lust, s. kirchweih II, 4. volksm. meist kerms nach Frisch 1, 516ᵇ schon bei Mathesius.
e)
aber auch kirmse, was neben kírmèsse (woraus kirmes entstand) eine ältere kürzung kírmesè vermuten läszt (vgl. u. kirmesliebe): als aber die kirmse einfiel. Thümmel 2, 126.
f)
merkwürdig bei Voss 'am kirmes' bleicherin v. 86 (idyllen 1801 s. 108), als m.? vgl. das slav. m. unter 2, c.
2)
Verbreitung. es ist wünschenswert, die verbreitung des wortes in seinem unterschiede von kirchweih genauer zu beobachten, denn es wirken darin alte stammesunterschiede nach oder einflüsse der ersten bekehrung.
a)
kirms (kerms) gilt in Schlesien, der Lausitz, Nordböhmen, kirmse (kermse, doch auch kermst) in Sachsen, Thüringen, kermes, kermess in Henneberg, kirmes, kermes am Niederrhein und Mittelrhein, z. b. in Nassau, in dessen südl. theilen aber kirb, kerb Kehrein 224, wie dicht an das henneb. kermes fränk. kerwa in Coburg gränzt (Fromm. 2, 275). so berühren sich der md. und südd. ausdruck auch bei den Deutschen im ungrischen berglande, kirms und kierba, s. Schröer nachtr. 36ᵃ. nach Birlinger volksth. 2, 161 aber kirmes auch in Oberschwaben.
b)
die nd. mundarten haben meist die vollere form bewahrt, z. b. westf. kermisse Fromm. 3, 369, 32, götting. Schamb. 99ᵃ. bei letzterem aber auch kirmse, in Holstein neben karkmess auch karms Schütze 2, 226.
c)
die md. form ist auch zu den benachbarten Slaven gedrungen, wend. kermuša, kȧrmuscha, poln. kiermasz m., böhm. kermeš m., slowak. karmeš, meist auch als schmaus, wolleben.
3)
Sprichwörter: es ist nicht alle tage kirmes, non semper erunt saturnalia. Steinbach; die kirmsen sind vergänglich, non semper oleum. das.;
it were ên slim dorp vorwâr,
dâr men nicht hêlde êns kermisse tom jâr.
Claws bûr 34;
es ist keine kirche so klein,
des jahrs musz einmal kirmes drin sein.
Simrock 5696;
man spricht so lange von der kirmes bis sie kommt. 5694, ein ausdruck der sehnsucht mit der sie erwartet wird, s. Wieland unter 1, a; es beiert so lange, bis es endlich kirmes wird. 5695, bis die glocke endlich auch die kirmes einläutet, in Köln et beiert esû lang, et wêd êns kirmes. Weyden köln. sprichw. 11.
4)
dazu bauerkirms, dorfkirms (Steinbach), nachkirmse, auch kleinkirmes, die kleine kirmes.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1866), Bd. V (1873), Sp. 835, Z. 21.

kirmes, kirmse, kirms, f.

kirmes, kirmse, kirms, f.
die kürzungen von kirchmesse (s. d.), in Mitteldeutschland gebräuchlich. schon in mhd. zeit ist bis jetzt nur die kürzung kirmesse bezeugt (wie bei kirchspiel, s. d. 1, c); s. mhd. wb. 2¹, 160ᵇ, Haupt 8, 229. 231, sodasz das volle kirchmesse, wie kirchspiel, erst im 15. jh. wiederhergestellt zu sein scheint, ob je auch beim volke? ebenso mnd. kermisse Theophilus 523, nrh. 14. jh. kirmisse Frommann 2, 441ᵃ, 16. jh. kijrmissen Dief. 202ᵃ, kijrmis, kyrmis 518ᵃ. 169ᵇ, mnl. kermisse, im 16. jh. auch kermesse hor. belg. 11, 78, nnl. kermis (pl. kermissen). von bedeutung und gebrauch sehe man kirchmesse und kirchweih, besonders auch kirchweih II, 4. es gab auch altdän. kirkemessä (kirchlich), s. Molbech dansk gloss. 1, 432.
1)
Die formen.
a)
die vollere form ist im 16. jh. und länger noch gangbar, kirmesse encenia voc. opt. Lpz. 1501 K 1ᵃ, kermesse Trochus Lpz. 1517 P 5ᵇ, gewiss auch noch kírmèsse betont:
wenn es kumt gegen des herbstes zeit,
so heben sich vil der kirmessen ...
ein saufen und ein fressen.
Uhlands volksl. 646,
kìrméssen, der reim hat den tiefton zum hochton erhöht, es ist in einem liede von der 'kirmes' der vollen pauren in Schades bergreien nr. 42, 3 (in vers 4 auszer dem reime kirchweih); und wisen ein fri kirmesse (jahrmarkt) geen Beltheim in das dorf uf s. Valerius tag. weisth. 2, 208, vom Hundsrück, v. 1482; was von buszen .. uf den kirmessen .. verbrochen worden. 3, 351, hessisch, v. 1492; das musz bei gott eine arme kirmesse sein, darauf nicht ein glas zerbrochen werde. Melandri jocoseria 1625 3, 444 (nr. 364); ach unglück, ist das die erste kermesse meines reisens? (sagt ein eben bestohlener). engl. komöd. II, B 8ᵇ, auch E 6ᵇ, vergnügen, freude, s. Picander unten. noch bei Wieland: zeit bringt rosen und man redt so lange von der kirmesse bis sie kommt. 12, 23 (don Sylvio 5, 2).
b)
in der endung gekürzt kirmes (im pl. aber dazu anfangs noch kírmèssen, s. unter a), kirmesz Dief. 169ᵇ 15. jh. md., auch in dess. voc. v. 1470 sp. 89, gemma Straszb. 1518 y 4ᵃ: item weist der scheffen, wanne kombt die kirmes, die ist frei (als jahrmarkt). weisth. 2, 310, von der Mosel, 16. jh.; oder wird etwa kirmes in der hölle sein, dasz der teufel so lüstern ist mir (mit?) larven. Luther briefe 4, 618; in dem nu Straus nicht widder kam und des Witzels fladenweih sampt der bawren kirmes ein bös ende nemen und man das ablasz mit streichen austeilen wolt. Alberus wider Witzeln G 6ᵇ, der bauernkrieg wird so genannt, s. dazu u. c, zu ablasz sp. 831 unten; vergangene kirmes. Chr. Weise comöd. 243; die nächste kirmes in Buik. Arnim 1, 73. diesz ist die jetzt als schriftmäszig geltende form (als welche Wieland noch kirmesse, Rabener, Pfeffel selbst noch kirchmesse brauchten).
c)
auch kirmis findet sich (sächs. u. a.), s. Hagedorn unter kirmesbier und mnd. kermisse oben. bei Kirsch kirmüsz.
d)
noch kürzer endlich kirms Stieler 960, Steinbach 1, 855 (pl. aber kirmsen, s. z. b. unter 3):
bis man den feind hab angegriffen,
da hab man ihm zur kirms gepfiffen
und drob erlegt manch tausend mann.
grobian 98ᵇ bei Frisch 1, 516ᵇ,
wie in kriegsliedern dem feind zum tanz gepfiffen (musiciert) wird, s. dazu kirchmesse 4 und kirchweih II, 4, f;
sie komm mit mir zur kirms auf einen lerchenschmaus.
Chr. Weise überfl. ged. (1701) 165;
da denkt er, geh ich auf die freite
und krieg ein mägdgen auf die seite,
so ist die kirmsz auf einmahl aus.
Picander 2, 284,
das freie leben, die lust, s. kirchweih II, 4. volksm. meist kerms nach Frisch 1, 516ᵇ schon bei Mathesius.
e)
aber auch kirmse, was neben kírmèsse (woraus kirmes entstand) eine ältere kürzung kírmesè vermuten läszt (vgl. u. kirmesliebe): als aber die kirmse einfiel. Thümmel 2, 126.
f)
merkwürdig bei Voss 'am kirmes' bleicherin v. 86 (idyllen 1801 s. 108), als m.? vgl. das slav. m. unter 2, c.
2)
Verbreitung. es ist wünschenswert, die verbreitung des wortes in seinem unterschiede von kirchweih genauer zu beobachten, denn es wirken darin alte stammesunterschiede nach oder einflüsse der ersten bekehrung.
a)
kirms (kerms) gilt in Schlesien, der Lausitz, Nordböhmen, kirmse (kermse, doch auch kermst) in Sachsen, Thüringen, kermes, kermess in Henneberg, kirmes, kermes am Niederrhein und Mittelrhein, z. b. in Nassau, in dessen südl. theilen aber kirb, kerb Kehrein 224, wie dicht an das henneb. kermes fränk. kerwa in Coburg gränzt (Fromm. 2, 275). so berühren sich der md. und südd. ausdruck auch bei den Deutschen im ungrischen berglande, kirms und kierba, s. Schröer nachtr. 36ᵃ. nach Birlinger volksth. 2, 161 aber kirmes auch in Oberschwaben.
b)
die nd. mundarten haben meist die vollere form bewahrt, z. b. westf. kermisse Fromm. 3, 369, 32, götting. Schamb. 99ᵃ. bei letzterem aber auch kirmse, in Holstein neben karkmess auch karms Schütze 2, 226.
c)
die md. form ist auch zu den benachbarten Slaven gedrungen, wend. kermuša, kȧrmuscha, poln. kiermasz m., böhm. kermeš m., slowak. karmeš, meist auch als schmaus, wolleben.
3)
Sprichwörter: es ist nicht alle tage kirmes, non semper erunt saturnalia. Steinbach; die kirmsen sind vergänglich, non semper oleum. das.;
it were ên slim dorp vorwâr,
dâr men nicht hêlde êns kermisse tom jâr.
Claws bûr 34;
es ist keine kirche so klein,
des jahrs musz einmal kirmes drin sein.
Simrock 5696;
man spricht so lange von der kirmes bis sie kommt. 5694, ein ausdruck der sehnsucht mit der sie erwartet wird, s. Wieland unter 1, a; es beiert so lange, bis es endlich kirmes wird. 5695, bis die glocke endlich auch die kirmes einläutet, in Köln et beiert esû lang, et wêd êns kirmes. Weyden köln. sprichw. 11.
4)
dazu bauerkirms, dorfkirms (Steinbach), nachkirmse, auch kleinkirmes, die kleine kirmes.
Fundstelle
Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Lfg. 4 (1866), Bd. V (1873), Sp. 835, Z. 21.

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Zitationshilfe
„kirms“, in: Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, Erstbearbeitung (1854–1960), digitalisierte Version im Digitalen Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/dwb/kirms>.

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